Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.11.2022, Az. X ZR 104/20

10. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 7531

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Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 7. Senats ([X.]) des [X.] vom 18. Juni 2020 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1 495 165 (Streitpatents), das am 13. Dezember 2002 unter Inanspruchnahme einer [X.] vom 28. Dezember 2001 angemeldet wurde und eine berührungsempfindliche Anzeigeeinheit betrifft.

2

Patentanspruch 1, auf den sechs weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der [X.]:

A touch-screen image scrolling system, comprising:

an [X.] (40);

a microprocessor (42) [X.] (40) to display information thereon and to receive interactive signals there-from;

timer means (43) associated with [X.] (42) to provide timing capacity therefore;

a source of scroll format data capable of display on [X.] (40);

finger touch program instructions associated with [X.] (42) for sensing the speed and direction of a finger touch contact with [X.] (40);

characterized in that

said finger touch program instructions associated with [X.] (42) are also designed for sensing the time duration of a finger touch contact with [X.] (40); and in that said touch-screen image scrolling system further comprises:

scrolling motion program instructions associated with [X.] (42) responsive to said duration of said stationary finger touch contact such that, when during a period having a duration which is greater than a first preset minimum time and less than a second preset minimum time motion of said finger touch along the surface of [X.] (40) is sensed, [X.] in [X.], and, following a separation of said finger touch from said screen (40), a scroll format display on [X.] (40) is caused to begin to scroll in [X.] direction and at [X.] initial speed;

wherein sensing a finger touch during scrolling displacement of the image on [X.] (40) acts solely as "stop motion" regardless of the length of the touch;

time decay program instructions associated with [X.] (42) for reducing the rate of scrolling displacement on [X.] (40) at a predetermined rate until motion is terminated;

stopping motion program instructions associated with [X.] (42) for terminating scrolling displacement of the image on [X.] (40) [X.] in the group of signals comprising:

(a)   a substantially stationary finger [X.] (40) enduring for a period longer than a preset minimum time, and

(b)   an end-of-scroll signal received from said scroll format data source,

wherein said scrolling motion program instructions comprise instructions responsive to said duration of said stationary finger touch contact such that, when during a period having a duration which is greater than a first preset minimum time and less than a second preset minimum time motion of said finger touch along the surface of [X.] (40) is sensed, [X.] in [X.], and, [X.] no finger motion at the time when the finger contact with the display screen (40) is broken, [X.] (40) will remain in the position it is at that time without further motion, and the system reverts to "waiting" status,

wherein said scrolling motion program instructions further comprise instructions responsive to said duration of said stationary finger touch contact such that, when said duration is less than said second preset minimum time and if no motion occurs before separation of said finger from [X.], an item touched is selected, wherein upon selection the selected item is highlighted.

3

Patentanspruch 8, auf den drei weitere Ansprüche zurückbezogen sind, schützt ein Verfahren mit im Wesentlichen komplementären Merkmalen.

4

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Erfindung sei nicht so offenbart, dass der Fachmann sie ausführen könne, und der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten und hilfsweise in 22 geänderten Fassungen verteidigt.

5

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Mit ihrer Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent in der erteilten sowie hilfsweise in sechs geänderten Fassungen (die nachfolgend zur besseren Unterscheidbarkeit mit [X.] Ziffern bezeichnet sind). Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

6

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

7

I. Das Streitpatent betrifft die Anzeige von digitalen Inhalten auf einem berührungsempfindlichen Bildschirm.

8

1. Nach der Beschreibung des Streitpatents war es im Stand der Technik bekannt, A[X.]ildungen von Listen auf einem Bildschirm zu scrollen, so dass eine Zeile vom einen Rand des Bildschirms zum anderen zu wandern scheine.

9

Diese Funktion könne mit Hilfe [X.] oder durch [X.] ausgelöst werden. Im zuletzt genannten Fall werde das Scrollen nach dem Ende der Berührung mit abnehmender Geschwindigkeit fortgeführt. Weiterhin sei bekannt, das Scrollen aufgrund einer erneuten [X.] (vorzeitig) zu beenden, die Berührungsdauer zur Unterscheidung der auszulösenden Funktionen zu messen und mittels [X.]en ein angezeigtes Objekt zu verändern.

2. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem, dem Benutzer eine bessere Führung von scrollbaren Daten zu ermöglichen.

3. Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 ein System vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (mit den vom Patentgericht verwendeten Gliederungszeichen, aber in teilweise geänderter Reihenfolge):

1.1

Touch-Screen-Bild-Scrollsystem, umfassend:

1.2

einen elektronischen Bild-[X.] (40);

1.3

einen [X.] (42), der mit dem [X.] (40) gekoppelt ist, zum Anzeigen von Information darauf und zum Empfangen interaktiver Signale;

1.4

Timer-Mittel (43), die mit dem [X.] (42) assoziiert sind, und für den [X.] eine Timer-Funktionalität bereitstellen;

1.5

eine Quelle von [X.], die zur Anzeige auf dem [X.] (40) geeignet sind;

1.6

[X.]berührungs-Programmanweisungen, die mit dem [X.] (42) assoziiert sind, zum Erfassen von

1.6a   Geschwindigkeit und Richtung sowie

1.7    [X.]dauer

eines [X.]berührungskontaktes mit dem Anzeigebildschirm (40).

1.8

[X.]s-Programmanweisungen, die mit dem [X.] (42) assoziiert sind und auf die Dauer des stationären [X.]berührungskontakts wie folgt ansprechen:

1.8.0
+
1.12

Wenn während eines [X.]abschnitts mit einer Dauer, die größer als eine erste vorbestimmte Mindestzeit und kleiner als eine zweite vorbestimmte Mindestzeit ist, eine Bewegung der [X.]berührung über die Oberfläche des [X.] (40) erfasst wird, wird die Anzeige zunächst in Übereinstimmung mit der Bewegung der [X.]berührung bewegt.

1.8.1

Nach einer Trennung der [X.]berührung von dem [X.] (40) wird eine Scrollformat-Anzeige auf dem [X.] (40) veranlasst, mit Scrollen in der erfassten Richtung und der erfassten, anfänglichen Geschwindigkeit zu beginnen.

1.9

Das Erfassen einer [X.]berührung während der Scroll-Verschiebung des Bildes auf dem [X.] (40) funktioniert ausschließlich als "Stopp-Bewegung", unabhängig von der Dauer der Berührung.

1.12.1

Wenn es keine [X.]bewegung zu der [X.] gibt, zu der der [X.] mit dem [X.] (40) a[X.]richt, verharrt der [X.] (40) in der Position, in der er zu diesem [X.]punkt ohne weitere Bewegung ist, und das System kehrt in einen "Warte"-Status zurück.

1.13

Wenn die Dauer kleiner ist als die zweite voreingestellte Mindestzeit und wenn keine Bewegung vor dem Lösen des [X.]s von dem Anzeigebildschirm auftritt, wird ein Element, welches berührt wird, ausgewählt und hervorgehoben.

1.10

[X.], die mit dem [X.] assoziiert sind, um die Geschwindigkeit der Scroll-Verschiebung auf dem [X.] (40) mit einer vorbestimmten Rate zu verringern, bis die Bewegung beendet ist.

1.11

Stopp-Bewegungs-Programmanweisungen, die mit dem [X.] (42) assoziiert sind, zum Beenden der Scroll-Verschiebung des Bildes auf dem [X.] (40) beim ersten Auftreten eines Signals aus der Gruppe von Signalen umfassend:

(a)   eine im Wesentlichen stationäre [X.]berührung auf dem [X.] (40), die für einen [X.]raum andauert, der länger ist als eine vorgegebene Mindestzeit, und

(b)   ein [X.], das von der Quelle von [X.] empfangen wird.

4. Patentanspruch 8 schlägt ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (mit ergänzender Angabe der korrespondierenden Merkmale aus Patentanspruch 1):

8.1

Verfahren zum Steuern einer scrollartigen Anzeige von Daten auf einem elektronischen [X.] (40), das die folgenden Schritte umfasst:

1.2

8.2

Erfassen (100c, 100b) von:

1.6

8.2a   Geschwindigkeit und Richtung einer Bewegung sowie

1.6a

8.3    [X.]dauer (wenn der Schirm scrollbare Daten anzeigt)

1.7

eines [X.]berührungskontakts mit dem [X.] (40).

8.4

Wenn die erfasste Dauer der [X.]berührungskontaktzeit größer als eine erste voreingestellte Mindestzeit und kleiner als eine zweite voreingestellte Mindestzeit ist und von einer Bewegung entlang der Oberfläche des [X.] (40) begleitet wird, wird die Anzeige in Übereinstimmung mit der [X.]berührung bewegt.

1.8.0

8.4.1

Auf eine Trennung der [X.]berührung von dem [X.] (40) wird eine [X.] der scrollbaren Daten auf dem [X.] (40) in der erfassten Richtung und mit der erfassten Geschwindigkeit eingeleitet.

1.8.1

8.5

Auf ein Erfassen einer [X.]berührung während der Scroll-Verschiebung des Bildes auf dem [X.] wird die Bewegung der Anzeige gestoppt, und zwar unabhängig von der Dauer der Berührung.

1.9

8.6

Die Geschwindigkeit der [X.] wird von der anfänglichen Geschwindigkeit mit einer vorbestimmten Rate verlangsamt.

1.10

8.7

Die [X.] wird beendet, sobald ein erstes Auftreten einer Bedingung aus der folgenden Gruppe von Bedingungen erfasst wird:

1.11

(a)

eine im Wesentlichen stationäre [X.]berührung mit definierter Dauer,

(b)

ein [X.].

8.8

Der [X.] (40) wird in der Position, in der er zu der [X.] ohne weitere Bewegung ist, beibehalten; und das System kehrt zu einem "Warten"-Status zurück, wenn

1.12.1

8.8.0

die erfasste Dauer der stationären [X.]berührungskontaktzeit größer als eine erste voreingestellte Mindestzeit und kleiner als eine zweite voreingestellte Mindestzeit ist und von einer Bewegung entlang der Oberfläche des [X.] (40) begleitet wird und

1.12

8.8.1

wenn es nach einer darauf folgenden Bewegung der Anzeige in Übereinstimmung mit der Bewegung der [X.]berührung keine [X.]bewegung gibt zu der [X.], zu der der [X.] mit dem [X.] (40) unterbrochen wird.

1.12.1

8.9

Wenn die stationäre Dauer der [X.]berührungskontaktzeit kleiner ist als die zweite voreingestellte Mindestzeit und wenn keine Bewegung vor dem Lösen des [X.]s von dem Anzeigebildschirm auftritt, wird ein berührtes Element ausgewählt und hervorgehoben.

1.13

5. Einige Merkmale bedürfen der näheren Betrachtung.

a) Um die gewünschte Steuerung zu ermöglichen, sehen die Merkmale 1.6 und 1.7 das Erfassen von Geschwindigkeit und Richtung sowie der [X.]dauer einer [X.] auf der Anzeige vor.

b) Zentrale Bedeutung kommt der Merkmalsgruppe 1.8 zu.

aa) Nach den Merkmalen 1.8, 1.8.0 und 1.12 werden eine [X.] oder eine [X.] nur dann ausgelöst, wenn eine stationäre, d.h. sich nicht bewegende (Abs. 25 Z. 14 f.) [X.] erfasst wird, deren Dauer einen bestimmten Mindestzeitraum überschreitet.

Auf diese Weise können Berührungen unberücksichtigt bleiben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einem Versehen beruhen.

[X.]) Wenn die stationäre Berührung die festgesetzte erste Mindestdauer überschreitet, hängt das weitere Vorgehen davon ab, ob innerhalb eines daran anschließenden [X.]raums eine Bewegung erfasst wird.

(1) Wenn das System innerhalb dieses zweiten [X.]raums eine Bewegung erfasst, wird der Inhalt der Anzeige in Übereinstimmung mit der [X.]bewegung bewegt.

In der Beschreibung des Ausführungsbeispiels wird hierzu ausgeführt, der berührte Listeneintrag klebe gleichsam am [X.] (Abs. 30 Z. 21-30; Abs. 33 [X.]. 6 Z. 56 bis [X.]. 7 Z. 3); die Richtung der [X.]bewegung bestimme die Bewegung des Inhalts der Anzeige (Abs. 20 Z. 19-22).

Weder aus diesen Ausführungen noch aus der Formulierung des Patentanspruchs ergibt sich, dass diese Bewegung in jede beliebige Richtung ausgeführt werden muss. Merkmal 1.8.0 ist damit zwar auch bei Ausgestaltungen erfüllt, bei denen dies der Fall ist. Zur Verwirklichung dieses Merkmals reicht es aber aus, wenn die mit der [X.]bewegung übereinstimmende Bewegung zumindest in einer Richtung erfolgt, etwa in der Vertikalen oder der Horizontalen.

Darüber hinaus legt Merkmal 1.8.0 nicht zwingend fest, dass die Richtung der beiden Bewegungen exakt übereinstimmen muss. Zur Verwirklichung dieses Merkmals reicht es vielmehr aus, wenn die beiden Richtungen im Wesentlichen übereinstimmen. Diese Anforderung ist auch dann erfüllt, wenn eine [X.]bewegung, die um ein gewisses Maß von der vertikalen oder horizontalen Richtung abweicht, zu einer vertikalen bzw. horizontalen Bewegung des Inhalts der Anzeige führt.

(2) Wenn die [X.] nach einer solchen Bewegung endet, hängt das weitere Anzeigeverhalten davon ab, ob unmittelbar vor dem Lösen der Berührung noch eine Bewegung erfasst wurde.

(a) Sofern vor dem Lösen der Berührung eine Bewegung erfasst wurde, wird die [X.] gemäß Merkmal 1.8.1 mit der erfassten Richtung und Geschwindigkeit fortgesetzt (Abs. 33 [X.]. 7 Z. 7-10).

(aa) Die Geschwindigkeit dieser Bewegung wird nach Merkmal 1.10 mit einer vorbestimmten Rate verringert, bis die Bewegung endet.

([X.]) Nach den Merkmalen 1.9 und 1.11 (a) wird die Bewegung vorzeitig beendet, wenn eine erneute Berührung erfasst wird.

Im Ergebnis zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass Patentanspruch 1 nicht zwingend festlegt, dass dies nur dann erfolgen darf, wenn es sich um eine stationäre Berührung handelt, deren Dauer einen bestimmten Mindestzeitraum überschreitet.

i. Wie die Berufung im Ansatz zu Recht geltend macht, ergibt sich dies allerdings nicht schon aus Merkmal 1.9.

Merkmal 1.9 unterscheidet nicht zwischen stationären und anderen Berührungen und sieht zudem vor, dass die Dauer der Berührung für die in diesem Merkmal definierte Funktion nicht von Bedeutung ist. Diese Angaben beziehen sich jedoch nicht auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Bewegung tatsächlich angehalten wird, sondern nur auf die Art und Weise, in der die erneute Berührung interpretiert wird.

Nach der Beschreibung unterscheidet das System in bestimmten Situationen anhand der Dauer einer Berührung, ob eine Bewegung beendet oder ein Element markiert werden soll. Eine kurze Berührung hat dann zur Folge, dass ein einzelnes Element markiert wird, eine längere Berührung führt zum Anhalten einer Bewegung. Dies kann auch in der Weise geschehen, dass eine Berührung, die eine bestimmte Mindestdauer überschreitet, sowohl als Stopp- als auch als Markier-Befehl interpretiert wird (Abs. 36). Alternativ kann das System aber so konfiguriert werden, dass eine Berührung während eines [X.] unabhängig von ihrer Länge nur als Stopp-Signal interpretiert wird, um nicht gewollte Markierungen zu verhindern (Abs. 37).

Nach Merkmal 1.9 ist die zuletzt genannte Ausgestaltung zwingend. Hieraus ergibt sich jedoch nur, dass eine Berührung während eines [X.] unabhängig von ihrer Art und Dauer nicht zur Markierung eines Elements führen darf.

ii. Für die Frage, wann ein Stopp-Signal ausgelöst wird, ist demgegenüber ergänzend das Merkmal 1.11 heranzuziehen.

Merkmal 1.11 sieht hierzu zwingend vor, eine Bewegung anzuhalten, wenn eine stationäre Berührung erfasst wird, die eine bestimmte Mindestdauer überschreitet, oder wenn durch ein Signal angezeigt wird, dass das Ende des scrollbaren Bereichs erreicht ist.

Bei einer Beschränkung auf diese beiden Signale wird eine Berührung, die bewegt ist oder die die festgelegte Mindestdauer nicht erreicht, weder als Stopp-Signal noch als Befehl zum Markieren eines Elements interpretiert.

iii. Wie die Berufung ebenfalls im Ansatz zutreffend geltend macht, ist die in Merkmal 1.11 enthaltene [X.], die zum Beenden der Bewegung führt, indes nicht abschließend.

Hierfür spricht schon der Wortlaut von Merkmal 1.11, der das Beenden der Bewegung an das Auftreten von Signalen aus einer bestimmten Gruppe knüpft, die die in den [X.] (a) und (b) aufgeführten Signale umfasst. Eine Bestätigung für dieses Verständnis bildet der auf Anspruch 1 zurückbezogene Patentanspruch 4, der als weiteres Signal (c) eine stationäre [X.] vorsieht, die kürzer ist als eine vordefinierte Mindestzeitdauer.

iv. Entgegen der Auffassung der Berufung ergibt sich hieraus, dass die Aufzählung in Merkmal 1.11 nicht nur bezüglich der [X.]dauer, sondern auch bezüglich aller anderen Eigenschaften einer Berührung keine abschließenden Vorgaben enthält.

Folglich gehören zum Gegenstand von Patentanspruch 1 auch Ausgestaltungen, bei denen eine Bewegung durch eine bewegte [X.] beliebiger Dauer angehalten wird.

(b) Sofern vor dem Lösen der ersten Berührung keine Bewegung mehr erfasst wurde, verbleibt die Anzeige gemäß Merkmal 1.12.1 in der Position, die sie beim Lösen hatte, und das System kehrt in einen "Warte"-Status zurück (Abs. 33 [X.]. 7 Z. 3-7).

(3) Wenn bis zum Ablauf des zweiten [X.] keine Bewegung erfasst wurde, wechselt das System gemäß Merkmal 1.13 in einen [X.], in dem das berührte Element ausgewählt und hervorgehoben wird.

Dieser Modus ist nach der Beschreibung aus dem Stand der Technik bekannt (Abs. 30 Z. 17-21).

(a) In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob die Berührung die erste Mindestdauer überschreitet. Vielmehr kann auch eine kürzer dauernde Berührung die Auswahl eines Elements zur Folge haben.

Das Überschreiten der ersten Mindestdauer kann dann zum Anlass genommen werden, in einen Modus zu wechseln, in dem das ausgewählte Element durch eine (nach Ablauf des zweiten [X.] einsetzende) Bewegung verschoben werden kann (Abs. 30).

(b) Ob Merkmal 1.13 sich nur auf Situationen bezieht, in denen keine [X.] stattfindet, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Für die Beurteilung der Patentfähigkeit kann eine Konkretisierung in diesem Sinne unterstellt werden.

c) Aus demselben Grund kann offenbleiben, ob die erste Mindestzeit im Sinne von Merkmal 1.8 durch Softwareanweisungen definiert sein muss oder ob hierfür eine von der Hardware vorgegebene Mindestzeit genügt.

d) Entsprechendes gilt für die Frage, ob die Merkmale 8.4 und 8.5 weiter gefasst sind als die damit korrespondierenden Merkmale 1.8 und 1.9.

e) Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass die [X.] nach den Merkmalen 1.8, 1.8.0 und 1.8.1 nicht zwingend den gesamten Inhalt der Anzeige einbeziehen muss, sondern dass es ausreicht, wenn einzelne Teile der Anzeige bewegt werden.

Nach Merkmal 1.8.0 muss zwar die Anzeige (said display) bewegt werden. Weder hieraus noch aus den ergänzenden Ausführungen in der Beschreibung, wonach in dieser Phase nicht nur ein ausgewähltes Element, sondern die gesamte Anzeige der Bewegung des [X.]s folgt (Abs. 33 [X.]. 6 Z. 56 bis [X.]. 7 Z. 3), ergibt sich aber, dass diese Anzeige identisch sein muss mit dem gesamten Inhalt, der auf dem Anzeigebildschirm dargestellt wird. Die genannten Ausführungen dienen vielmehr der Abgrenzung zu dem in Merkmal 1.13 vorgesehenen und aus dem Stand der Technik bekannten [X.], in dem nur das ausgewählte Element gleichsam am [X.] klebt und durch Bewegungen des [X.]s in eine andere Position gebracht werden kann - etwa zu dem Zweck, die Sortierung einer angezeigten Liste zu ändern (Abs. 30 Z. 21-35).

Dieses Verständnis steht in Einklang mit den allgemeinen Erläuterungen in der Beschreibung, wonach die Erfindung es ermöglicht, den gewünschten Bereich einer langen Liste von Daten oder Informationen durch einen schnellen und natürlich wirkenden Scroll-Vorgang anzusteuern (Abs. 19). Um diese Funktion zu ermöglichen, ist es ausreichend und je nach Einsatzzweck auch zweckmäßig, nicht den gesamten Inhalt der Anzeige, sondern nur die einen Teil davon bildende Liste zu bewegen.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand des Streitpatents gehe in der erteilten Fassung über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus. Dieser lasse sich nicht entnehmen, dass das Stoppen des [X.] auch durch eine bewegte [X.] ausgelöst und dass gleichzeitig mit dem Stoppen auch das dabei berührte Element ausgewählt werden könne.

Der mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag II (in der Berufungsinstanz: Hilfsantrag 1) verteidigte Gegenstand sei ursprünglich offenbart, beruhe aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Bereits dem Streitpatent lasse sich entnehmen, dass die einzelnen Bedienungsmaßnahmen des Patentanspruchs 1 jeweils für sich betrachtet aus dem Stand der Technik vorbekannt gewesen seien. Die [X.] Patentanmeldung 626 635 ([X.]) offenbare eine grafische Benutzerschnittstelle, die die Merkmale 1.1 bis 1.7 aufweise. Weiterhin gehöre es zum Grundwissen des Fachmanns, bei der Auswertung einer [X.]bewegung eine untere und eine obere [X.]grenze zu berücksichtigen, wie es beispielhaft in der [X.] Patentschrift 5 864 105 ([X.]) beschrieben werde. Das Verschieben der Anzeige in Übereinstimmung mit der Bewegung eines berührenden [X.]s entsprechend den [X.] und 1.12 sei in [X.] nur gegenläufig beschrieben - einer [X.]bewegung nach rechts folge eine Verschiebung der Anzeige nach links. In der [X.]n Patentanmeldung 880 091 ([X.]) und dem Aufsatz von [X.] ([X.] Real-world Gestures using a Force and Position Sensitive Screen, in [X.] 1984, 195, D3) sei demgegenüber eine der [X.] folgende Anzeigeverschiebung offenbart. [X.] wiederum offenbare mit einem "Object Wheel" ein der anfänglichen [X.]bewegung folgendes Scrollen, dessen Geschwindigkeit sich einer vorbestimmten Rate folgend verringere (Merkmale 1.8.1 und 1.10). Das Streitpatent verweise dazu auf [X.]. Ein Stoppen der [X.] (Merkmalsgruppe 1.9 in der Fassung des [X.]) sowie ein Auswählen von Bildschirmobjekten (Merkmalsgruppe 1.13 in der Fassung des [X.]) offenbare [X.].

[X.] und das Zurückkehren in den [X.], wenn der [X.] sich zum [X.]punkt des A[X.]ruchs einer Berührung nicht bewegt habe (Merkmal 1.12.1), lasse sich nicht unmittelbar dem Stand der Technik entnehmen. Indessen ergebe sich aus [X.] und [X.], die ein auf die [X.] folgendes Scrollen von der Geschwindigkeit der [X.]bewegung im letzten Moment vor dem Berührungsa[X.]ruch ableiten, dass im Falle einer Geschwindigkeit von Null in diesem Moment keine Scroll-Verschiebung folgen dürfe. Weiterhin offenbare der Stand der Technik nicht ein [X.] gemäß Merkmal 1.11 (b), wenn das Ende der Liste erreicht sei. Das "Object Wheel" gemäß [X.] drehe sich [X.] stets weiter. Merkmal 1.12.1 trage insoweit jedoch nicht zur Lösung eines technischen Problems bei, sondern betreffe eine andere Art der Wiedergabe von Informationen und sei deshalb für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.

Vom Stand der Technik unterscheide sich der Gegenstand des Streitpatents durch konkrete Vorgaben, welche Berührung unter welchen Voraussetzungen welche Bedienfunktion auslöse. Die Lehre des Streitpatents verknüpfe an sich bekannte Funktionen zu einem anderen Bedienkonzept. Dieses Bedienkonzept stelle keine technische Problemlösung dar und sei deshalb für die erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen. Ein konkretes technisches Problem werde auch nicht dadurch gelöst, dass die Bediensicherheit erhöht werde. Außer im Hinblick auf eine fehlerhafte Auswahl durch unbeabsichtigt lange Berührungen mit Bezug auf die [X.] und 8.5 enthalte das Streitpatent keine Ausführungen zur Bediensicherheit.

Selbst wenn dem Bedienkonzept ein technischer Gehalt zuerkannt würde, beruhe der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Zuordnung bestimmter [X.]en zu Bedienfunktionen sei in das Belieben des Fachmanns gestellt. Es werde von zum allgemeinen Fachwissen zählenden Funktionen Gebrauch gemacht, die für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehen seien. Eine Veranlassung zu ihrer Heranziehung ergebe sich deshalb bereits aus der objektiven Zweckmäßigkeit.

Auch die Gegenstände der weiteren Hilfsanträge beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

III. Diese Beurteilung hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren im Ergebnis stand.

1. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Gegenstand der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgeht.

2. Dieser Gegenstand ist, wie das Patentgericht im Zusammenhang mit den [X.] im Ergebnis zutreffend angenommen hat, jedenfalls ausgehend von [X.] nahegelegt.

a) [X.] befasst sich mit grafischen Benutzerschnittstellen für Computersysteme.

[X.] schildert als Stand der Technik die aus Betriebssystemen wie [X.], [X.] und [X.] bekannten Benutzerschnittstellen, die dem Bild eines Schreibtischs (Desktop) nachempfunden sind ([X.]. 1 Z. 15-28).

Als Nachteile solcher Systeme führt [X.] das unter Umständen unübersichtliche hierarchische Dateisystem, die nicht intuitive Darstellung von Anwendungen, die nicht der Erledigung von Büroarbeiten dienen, und die Gefahr eines mit zu vielen Symbolen überfrachteten Desktops an ([X.]. 1 Z. 29 bis [X.]. 2 Z. 33).

Als Alternative werden Systeme beschrieben, die dem Konzept von unterschiedlichen Räumen (Rooms) für unterschiedliche Aufgaben nachempfunden sind. Auch solche Systeme seien in vielen Belangen einem Schreibtisch nachempfunden ([X.]. 2 Z. 34 bis [X.]. 3 Z. 23).

Vor diesem Hintergrund schlägt [X.] eine grafische Benutzerschnittstelle vor, bei der mehrere Bereiche ([X.]aces) nach Art einer Landkarte angeordnet sind ([X.]. 4 Z. 11-15).

Zu den darin verfügbaren Objekten gehören sogenannte Räder (object wheels), die die Auswahl aus einer großen Anzahl an einzelnen Elementen (objects) ermöglichen ([X.]. 20 [X.] ff.). Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 13 dargestellt.

A[X.]ildung

Um dem Benutzer das Gefühl zu geben, dass er [X.] bewegt, entspricht dessen Verhalten den Gesetzen der Physik. So drehen sich die Räder umso schneller, [X.]" der Benutzer aufwendet, um sie in Bewegung zu setzen. Ohne weitere Einwirkung verringert sich ihre Geschwindigkeit allmählich aufgrund von simulierter Reibung. Der Benutzer kann ein in Bewegung befindliches Rad zu jedem [X.]punkt anhalten, indem er darauf zeigt. [X.] kann in beide Richtungen gedreht werden ([X.]. 20 Z. 56 bis [X.]. 21 Z. 22).

Zur Bedienung können herkömmliche Zeigegeräte wie Mäuse, Trackballs oder Joysticks eingesetzt werden. Bevorzugt sind berührungsempfindliche Anzeigen, die mit dem [X.] bedient werden ([X.]. 21 Z. 26-37).

Zu den Eingabemöglichkeiten, die dem Benutzer bei solchen Objekten zur Verfügung stehen, gehören die Gesten "point" und "select". Bei der Geste "point" hält der Benutzer seinen [X.] auf das gewünschte Objekt, um es zum Beispiel aus mehreren angezeigten Objekten auszuwählen (choose; [X.]. 21 Z. 56 bis [X.]. 22 Z. 12). Die hiervon zu unterscheidende, aber ähnliche Geste "select" kann zum Beispiel genutzt werden, um eine mit einem Element verknüpfte Funktion aufzurufen. Sie wird ausgelöst, wenn der Benutzer ein Element über eine definierte Mindestdauer hinweg berührt ([X.]. 22 Z. 16-34).

Um [X.] in Drehung zu versetzen, legt der Benutzer seinen [X.] auf das Objekt und bewegt ihn parallel zur Drehrichtung. Je schneller er den [X.] bewegt, umso schneller dreht sich [X.] ([X.]. 23 Z. 41-58).

Um ein bestimmtes Element aufzunehmen und durch die "Welt" zu bewegen, kann der Benutzer es beispielsweise senkrecht zur Drehrichtung bewegen, an eine andere Stelle ziehen und dort ablegen ([X.]. 24 Z. 3-22). Um ein Element in einen anderen Bereich zu bewegen, kann der Benutzer es auf einem dorthin führenden Portal festhalten. Nach einer bestimmten [X.]spanne bewegt sich das Element dann durch das Portal ([X.]. 26 Z. 5-18).

Ein detailliert beschriebenes Ausführungsbeispiel umfasst einen Bereich, in dem Informationen zum Fernsehprogramm angezeigt werden. Zu diesem Bereich gehören zwei miteinander verbundene [X.] (72, 85), die in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 11 schematisch dargestellt sind.

A[X.]ildung

Mit [X.] (72) kann der Benutzer einen Fernsehsender auswählen. Das Programm des jeweils ausgewählten Senders wird auf [X.] (85) angezeigt ([X.]. 31 Z. 35-48).

b) Damit sind, wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, die Merkmale 1.1 bis 1.7 offenbart.

c) Entgegen der Auffassung der Berufung ist auch Merkmal 1.8.1 offenbart.

Mit der Bewegung des [X.] entsprechend den "Gesetzen der Physik" zeigt [X.] ein Scrollen, das auch nach dem Ende einer bewegten [X.] fortgesetzt wird.

Dem steht nicht entgegen, dass in [X.] nicht der gesamte Inhalt des Bildschirms, sondern nur das Objektrad bewegt werden kann und dass diese Bewegung nur um eine virtuelle Drehachse herum und nicht auch in andere Richtungen möglich ist.

Wie bereits oben aufgezeigt wurde, reicht zur Verwirklichung dieser Merkmale eine Bewegung von Teilen des angezeigten Inhalts, etwa von Listen, in vertikaler oder horizontaler Richtung aus. Die in [X.] offenbarten Räder entsprechen einer solchen Liste.

d) Ebenfalls offenbart ist Merkmal 1.10.

Wie oben dargelegt wurde, wird in [X.] die Drehbewegung eines Rades ohne Benutzereinwirkung verlangsamt, um eine Reibung zu simulieren. Dies führt dazu, dass die Drehbewegung von allein endet, wenn der Benutzer [X.] nicht zuvor anhält.

e) Offenbart ist ferner Merkmal 1.13.

Wie die Berufungserwiderung zu Recht geltend macht, ergibt sich aus der Zusammenschau der in [X.] beschriebenen Gesten "point", "select" und "spin", dass die Entscheidung zwischen einer Drehbewegung und einem Markier- oder Auswahlvorgang davon abhängt, ob der Benutzer innerhalb eines bestimmten [X.]raums eine Bewegung ausführt. Sofern dies der Fall ist, wird eine Drehbewegung ausgelöst. Sofern dies nicht der Fall ist, werden die Funktionen "point" oder "select" ausgelöst, und zwar in Abhängigkeit von der Dauer der Berührung. Dies entspricht der in Merkmal 1.13 vorgesehenen Vorgehensweise.

Entgegen der Auffassung der Berufung offenbart [X.] darüber hinaus als drittes Kriterium den Bewegungszustand der Anzeige. Dies ergibt sich schon daraus, dass ein durch eine vorübergehende Berührung in Drehung versetztes Rad durch erneute Berührung angehalten werden kann, während eine entsprechende Berührung ohne Drehbewegung eine andere Funktion auslöst.

f) Ob in [X.] auch die übrigen Merkmale (1.8, 1.8.0, 1.9, 1.12, 1.12.1 und 1.11) offenbart sind, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Selbst wenn diese Frage zu verneinen ist, lag der Gegenstand von Patentanspruch 1 ausgehend von [X.] jedenfalls nahe.

aa) Die in den Merkmalen 1.8.0 und 1.12 vorgesehene Definition einer ersten Mindestdauer, um nicht beabsichtigte Aktionen zu vermeiden, war ausgehend von [X.] jedenfalls nahegelegt.

Wie bereits oben dargelegt wurde, hängt die Funktion des in [X.] beschriebenen Systems in bestimmten Situationen davon ab, wie lange der Benutzer den Bildschirm stationär berührt. Ausgehend davon lag es nahe, die Gefahr von Fehlbedienungen zu verringern, indem Berührungen, die eine bestimmte Mindestdauer nicht überschreiten, unberücksichtigt bleiben.

[X.]) Für Merkmal 1.11 (a) gilt nichts anderes.

Dieses Merkmal knüpft ebenfalls eine bestimmte Funktion an die Art und Dauer einer Bewegung.

cc) Vor diesem Hintergrund war auch Merkmal 1.12.1 nahegelegt.

Auch dieses Merkmal knüpft eine Funktion an die Dauer und die Art einer Berührung. Dass die Kombination dieser Parameter als Entscheidungskriterium eingesetzt werden kann, ist in [X.] offenbart. Welche Funktion in welcher Situation an eine solche Kombinationen geknüpft wird, lag ausgehend davon im Ermessen des Fachmanns. Darüber hinaus legte es der in [X.] enthaltene Hinweis, die Bewegung eines [X.] folge den Gesetzen der Physik, nahe, dass sich ein Objektrad nach dem Lösen einer [X.] nicht weiterdreht, wenn der [X.] unmittelbar vor dem Lösen nicht mehr in Bewegung war.

dd) Des Weiteren lag es nahe, das Scrollen gemäß Merkmal 1.11 (b) zu stoppen, wenn in der Quelle der anzuzeigenden Daten ein Ende erreicht wird.

[X.] sieht für das Drehen eines [X.] (spin) zwar nur ein endloses Scrollen vor. Ein Ende der Drehbewegung an zwei definierten Endpunkten war jedoch schon angesichts des Hinweises auf die Gesetze der Physik eine naheliegende Alternative. Diese wird in [X.] für das Schwenken eines Hintergrundbildes (pan) sogar ausdrücklich offenbart ([X.]. 23 Z. 19-22). Angesichts all dessen lag die Auswahl zwischen diesen beiden Ausgestaltungsmöglichkeiten auch in Bezug auf ein Objektrad im Belieben des Fachmanns.

ee) Die in Merkmal 1.9 vorgesehene Einschränkung, dass ein Berühren im Falle einer [X.] ausschließlich als Signal zum Anhalten interpretiert wird, lag ausgehend von [X.] ebenfalls nahe.

Wie bereits oben dargelegt wurde, knüpft [X.] an gleichartige Gesten unterschiedliche Funktionen. So führt das Berühren eines bestimmten Bereichs zum Anhalten eines sich drehenden [X.], aber auch zum Auswählen zwischen mehreren Objekten. [X.] verhält sich nicht dazu, in welchem Verhältnis diese beiden Funktionen stehen. Damit stellte sich die Frage, ob das Berühren eines drehenden [X.] neben dem Anhalten der Drehbewegung zugleich die ebenfalls an eine Berührung geknüpfte [X.] auslösen soll. Die Auswahl zwischen den beiden insoweit in Frage kommenden Alternativen war weitgehend beliebig. Auch die Beschreibung des Streitpatents stellt die in Merkmal 1.9 vorgesehene Vorgehensweise lediglich als Option dar.

Entsprechendes gilt für die Frage, ob nur das Zeigen auf ein Objekt oder auch die Berührung eines anderen Bereichs eines sich drehenden [X.] zum Anhalten der Drehbewegung führt. Auch insoweit lag die Ausgestaltung weitgehend im Belieben des Fachmanns. Aus dem in [X.] enthaltenen Hinweis, die Drehbewegung sei entsprechend den Gesetzen der Physik ausgestaltet, ergab sich darüber hinaus sogar die Anregung, die Drehbewegung eines [X.] bei jeder Berührung des Rades zu stoppen, unabhängig davon, an welcher Stelle sie erfolgt.

ff) Entgegen der Auffassung der Berufung liegt dem Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht ein gegenüber [X.] grundsätzlich unterschiedliches Bedienkonzept zugrunde.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen Unterschiede im Bedienkonzept überhaupt zur Bejahung der erfinderischen Tätigkeit führen können. Soweit das durch Patentanspruch 1 geschützte System Unterschiede gegenüber [X.] aufweist, sind diese jedenfalls so geringfügig, dass sie auch in ihrer Gesamtheit nahegelegt waren.

(1) Entgegen der Auffassung der Berufung ist [X.] nicht auf eine Bedienung über Tasten beschränkt.

Wie bereits oben dargelegt wurde, bezeichnet [X.] eine Bedienung über einen berührungsempfindlichen Bildschirm ausdrücklich als vorzugswürdig. Über diesen Bildschirm und die damit möglichen [X.]gesten werden insbesondere auch die oben aufgezeigten Funktionen ausgelöst.

(2) Hieraus ergibt sich zugleich, dass das in [X.] offenbarte Bedienkonzept nicht auf die Unterteilung in Bereiche (Rooms) beschränkt ist.

Die oben aufgezeigten Möglichkeiten zur Bedienung eines [X.] stehen innerhalb dieser Räume und zum Bewegen von Elementen zwischen Räumen zur Verfügung.

3. Für den Gegenstand von Patentanspruch 8 gilt nichts anderes.

Wie bereits oben dargelegt wurde, entsprechen die Merkmale von Patentanspruch 8 im Wesentlichen denjenigen von Patentanspruch 1. Dass sie in einzelnen Beziehungen möglicherweise weiter gefasst sind, vermag nicht zur Bejahung der Patentfähigkeit zu führen.

4. Hinsichtlich der Hilfsanträge ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

a) Der mit Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand ist ebenfalls nicht patentfähig.

aa) Hilfsantrag 1, der mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag II übereinstimmt, sieht folgende Modifikationen vor:

- Merkmal 1.9 bezieht sich auf eine stationäre [X.]berührung.

- Merkmal 1.13 bezieht sich auf Anweisungen, die auf die Dauer des stationären [X.] auf dem [X.] ansprechen, auf dem stationäre Daten angezeigt werden.

- Merkmal 8.5 bezieht sich ebenfalls auf eine stationäre [X.]berührung und legt in Einklang mit Merkmal 1.9 zusätzlich fest, dass die dort beschriebene Berührung ausschließlich als Stopp-Bewegung funktioniert.

- Merkmal 8.9 bezieht sich auf Berührungen auf dem [X.], auf dem stationäre Daten angezeigt werden.

[X.]) Diese Änderungen führen im Vergleich zur erteilten Fassung nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Die Festlegung auf stationäre Daten und stationäre Anzeigen führt zwar zu einer Einschränkung des beanspruchten Gegenstands. Auch diese Modifikationen, die in erster Linie den Ausführungen des Patentgerichts zur ursprünglichen Offenbarung Rechnung tragen sollen, sind aus den oben aufgezeigten Gründen ausgehend von [X.] naheliegend.

b) Für den mit Hilfsantrag 2 verteidigten Gegenstand gilt nichts anderes.

aa) Nach Hilfsantrag 2 sollen die Patentansprüche 1 und 8 in der Fassung von Hilfsantrag 1 dahin ergänzt werden, dass bei einer mit der [X.] übereinstimmenden Bewegung jeweils die gesamte Anzeige und nicht nur ein einzelnes Element (the entire display, and not just a selected item), unabhängig von der Richtung der [X.]bewegung gleichsam am [X.] klebt.

[X.]) Entgegen der Auffassung der Berufung ergibt sich auch daraus nicht, dass der gesamte Inhalt der Anzeigeeinheit bewegt werden muss.

Wie bereits oben im Zusammenhang mit Merkmal 1.8.0 ausgeführt wurde, verwendet die Beschreibung den Ausdruck "the entire display" zur Abgrenzung von einzelnen Elementen. Die gesamte Anzeige in diesem Sinne muss nicht identisch sein mit dem Inhalt des [X.] (40).

cc) Unabhängig davon wäre auch ein Verschieben der gesamten Anzeige ausgehend von [X.] nahegelegt.

[X.] enthält keine Festlegungen zur Größe von [X.]n. Bei den Ausführungsbeispielen werden Räder unterschiedlicher Größe gezeigt. [X.], das Fernsehprogramme anzeigt, erstreckt sich über den größten Teil des Bildschirms.

Daraus ergab sich die Erkenntnis, dass die Größe des bewegten Bereichs grundsätzlich unerheblich ist und bei Bedarf auch den gesamten Bildschirminhalt umfassen kann.

dd) Ob das weitere Merkmal, wonach die Anzeige gleichsam am [X.] kleben muss, im Vergleich zur erteilten Fassung zu einer Einschränkung führt, bedarf keiner Entscheidung.

Selbst wenn die Frage zu bejahen wäre, ist auch diese Ausgestaltung durch [X.] nahegelegt.

Wie bereits aufgezeigt wurde, offenbart [X.], die Drehgeschwindigkeit eines [X.] der Geschwindigkeit der [X.]bewegung anzupassen. Damit ist zwar nicht ausdrücklich festgelegt, dass Geschwindigkeit und Richtung identisch sein müssen. Eine solche Ausgestaltung gehörte aber jedenfalls zu denjenigen, die ausgehend von [X.] als erstes in Betracht kamen.

c) Der mit Hilfsantrag 3 verteidigte Gegenstand unterliegt keiner abweichenden Beurteilung.

aa) Nach Hilfsantrag 3, der mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag III übereinstimmt, sollen die Patentansprüche 1 und 8 in der Fassung von Hilfsantrag 1 um das zusätzliche Merkmal aus dem erteilten Anspruch 2 bzw. 10 ergänzt werden, wonach ein durch Berührung ausgewähltes Element durch eine [X.]bewegung verschoben wird, sofern die Bewegung erst nach Ablauf des zweiten vorbestimmten [X.]raums einsetzt.

[X.]) Diese Vorgehensweise entspricht im Wesentlichen der in [X.] offenbarten Geste "select" und war deshalb ausgehend von [X.] ebenfalls nahegelegt.

d) Hilfsantrag 4, der die Merkmale aus den [X.] 2 und 3 kombiniert, unterliegt keiner abweichenden Beurteilung, weil diese Merkmale aus den oben aufgezeigten Gründen auch in ihrer Kombination nahelagen.

e) Der mit Hilfsantrag 5 verteidigte Gegenstand ist ebenfalls nicht patentfähig.

aa) Hilfsantrag 5 sieht ergänzend zu Hilfsantrag 4 vor, dass eine [X.] ausgelöst wird, wenn der [X.] im [X.]raum, in dem der Kontakt mit der Anzeige a[X.]richt, in Bewegung ist, und dass die [X.] und [X.] nur während einer [X.] ausgeführt werden.

[X.]) Diese Ergänzungen haben, wie auch die Berufung im Ansatz nicht verkennt, nur klarstellenden Charakter. Sie vermögen deshalb nicht zur Bejahung der Patentfähigkeit zu führen.

f) Hilfsantrag 6, mit dem Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 5 als einziger Anspruch verteidigt wird, unterliegt angesichts all dessen keiner abweichenden Beurteilung.

5. Da sich für die Patentansprüche 1 und 8 und die darauf jeweils zurückbezogenen Ansprüche in allen verteidigten Fassungen dieselbe Beurteilung ergibt, erweist sich auch die gesonderte Verteidigung von Patentanspruch 1 und den darauf zurückbezogenen Ansprüchen als nicht erfolgreich.

IV. [X.] beruht auf § 121 Abs. 2 [X.] und § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]    

Hoffmann    

Deichfuß

Kober-Dehm    

Crummenerl    

Meta

X ZR 104/20

08.11.2022

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 18. Juni 2020, Az: 7 Ni 27/19 (EP), Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.11.2022, Az. X ZR 104/20 (REWIS RS 2022, 7531)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7531


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 7 Ni 27/19 (EP)

Bundespatentgericht, 7 Ni 27/19 (EP), 18.06.2020.


Az. X ZR 104/20

Bundesgerichtshof, X ZR 104/20, 08.11.2022.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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