Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.11.2011, Az. 3 StR 355/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 1532

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Bandenmäßiger Betäubungsmittelhandel: Zustandekommen der Bandenabrede; Gesamtstrafenbildung durch den neuen Tatrichter nach Aufhebung der Gesamtstrafe durch das Rechtsmittelgericht


Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten [X.]       wird das Urteil des [X.] vom 16. Juni 2011 aufgehoben,

a) soweit es sie und die Mitangeklagten [X.].       und A.     M.    betrifft,

b) den Mitangeklagten [X.]betreffend,

aa) soweit er in den Fällen [X.] der Urteilsgründe wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen verurteilt worden ist,

bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;

die jeweiligen Feststellungen werden jedoch aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte [X.]       wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen ([X.] 7. der Urteilsgründe) und wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ([X.] 9. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ihre auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg; allerdings bleiben die durch die Gesetzesverletzung nicht betroffenen bisherigen Feststellungen aufrecht erhalten (§ 349 Abs. 2, § 353 Abs. 2 StPO). Das Rechtsmittel führt auch zugunsten der nicht revidierenden Mitangeklagten [X.].       und A.     [X.] zur Aufhebung und Zurückverweisung, soweit das [X.] diese Angeklagten in den Fällen [X.] 7. der Urteilsgründe wegen fünffachen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Mitangeklagter [X.]) bzw. fünffacher Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Mitangeklagte [X.]) verurteilt hat.

2

1. Nach den Feststellungen zu den Taten [X.] 7. der Urteilsgründe lagerte der Mitangeklagte [X.]in Absprache mit den Mitangeklagten [X.] im Zeitraum zwischen August und Oktober 2010 vier mal 100 Gramm eines Heroingemisches mit einem Wirkstoffgehalt von 20 % [X.] und einmal ein Kilogramm eines Gemisches mit Amphetamin (Wirkstoffgehalt 3 %) in deren Keller ein. Die Angeklagte, der Mitangeklagte [X.]und ein B.     portionierten die Betäubungsmittel zum gewinnbringenden Weiterverkauf, den der Mitangeklagte [X.], B.     und ein weiterer "Läufer" besorgten.

3

Damit ist nicht belegt, dass die vier Angeklagten diese fünf Taten bandenmäßig begangen haben.

4

Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich nach der deliktischen Vereinbarung, der sogenannten [X.]. Die Begründung der Mitgliedschaft folgt nicht aus der [X.], sondern geht dieser regelmäßig voraus. Beides - Mitgliedschaft in einer Bande einerseits und bandenmäßige Begehung andererseits - ist begrifflich voneinander zu trennen. Entsprechend handelt es sich bei dem Tatbestandsmerkmal "als Mitglied einer Bande" - im Unterschied zum tatbezogenen Mitwirkungserfordernis - um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB ([X.], Beschluss vom 15. Januar 2002 - 4 StR 499/01, [X.]St 47, 214, 216).

5

In den Fällen [X.] 7. der Urteilsgründe fehlen Feststellungen zu einer derartigen vorgelagerten [X.]. Sie muss zwar nicht ausdrücklich getroffen werden; es genügt vielmehr jede Form einer stillschweigenden Vereinbarung, die aus dem wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden kann ([X.], Beschluss vom 15. Januar 2002 - 4 StR 499/01, [X.]St 47, 214, 219 f.). Die bloße Schilderung eines wiederholten deliktischen Zusammenwirkens ist für sich aber nicht ausreichend, um das Zustandekommen einer [X.] zu belegen. Insbesondere trägt die Erwägung des [X.]s nicht, an einer "bandenmäßigen Begehungsweise" bestünden keine Zweifel, da "neben den Eheleuten [X.]und den Eheleuten M. noch die gesondert verfolgten [X.]    , [X.]und B.    am Betäubungsmittelhandel beteiligt" gewesen seien. Damit bezeichnete das [X.] nur tatbezogene Mitwirkungserfordernisse, aber nicht die für das besondere persönliche Merkmal der Mitgliedschaft in einer Bande konstitutive Vereinbarung, künftig zur Begehung einer Mehrzahl im Einzelnen noch unbestimmter einschlägiger Delikte zusammenzuwirken.

6

Der Schuldspruch der Revisionsführerin hat deshalb in den Fällen [X.] 7. der Urteilsgründe keinen Bestand. Da der aufgezeigte Rechtsfehler auch die drei Mitangeklagten betrifft, ist die Aufhebung des Urteils gemäß § 357 Satz 1 StPO insoweit auf sie zu erstrecken.

7

2. Das Urteil unterliegt weiter der Aufhebung, soweit die Angeklagte im Fall [X.] 9. der Urteilsgründe (Tat vom 4. Januar 2011) wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist.

8

a) Nach den Feststellungen erwarb der Mitangeklagte [X.], den die Angeklagte begleitete, am 4. Januar 2011 in den Niederlanden 25 Gramm eines Heroingemisches mit einem Wirkstoffgehalt von 26,2 % [X.]. Die Angeklagte versteckte die Betäubungsmittel in ihrer Hose. Anschließend führten sie und der Mitangeklagte [X.]die Betäubungsmittel in die [X.] ein.

9

b) Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung der Angeklagten (auch) wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht.

Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten im Betäubungsmittelstrafrecht die allgemeinen Grundsätze. Beschränkt sich die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des [X.], hier auf den Transport, so kommt es bei der Bestimmung der Beteiligungsform darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des [X.] zukommt ([X.], Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 [X.], [X.]St 51, 219, 221 ff.; Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 [X.], StraFo 2011, 332, 333 mwN). Bedeutsam sind insoweit insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, ob also Durchführung und Ausgang der Haupttat zumindest nach der Vorstellung des Tatbeteiligten maßgeblich auch von seinem Beitrag abhängen sollen.

Danach kommt einer Tätigkeit, die sich im bloßen Transport von Betäubungsmitteln erschöpft, in der Regel keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit zu; auch bei faktischen Handlungsspielräumen hinsichtlich der Art und Weise des Transports wird sie zumeist nur eine untergeordnete Hilfstätigkeit darstellen und deshalb als Beihilfe zu werten sein ([X.], Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 [X.], [X.]St 51, 219, 223; Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 [X.], StraFo 2011, 332, 333 mwN). Anderes kann gelten, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf der Betäubungsmittel unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des [X.] hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll. Auch eine Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des [X.] spricht für die Annahme von Mittäterschaft, selbst wenn seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die Beförderung der Betäubungsmittel, von finanziellen Mitteln für den Erwerb oder den Verkaufserlös beschränkt ist. Im Einzelfall kann auch eine weitgehende Einflussmöglichkeit des Transporteurs auf Art und Menge der zu transportierenden Betäubungsmittel sowie auf die Gestaltung des Transports für eine über das übliche Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am Gesamtgeschäft sprechen ([X.], Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 [X.], StraFo 2011, 332, 333 mwN).

Solche den Vorwurf eines täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tragenden Umstände hat das [X.] indessen nicht festgestellt. Seine Schilderung des [X.] beschränkt sich, soweit es die Angeklagte betrifft, im Wesentlichen auf den Transport des Heroingemischs. Die Feststellungen ergeben daher eine täterschaftliche Mitwirkung der Angeklagten lediglich hinsichtlich der Betäubungsmitteleinfuhr, nicht jedoch bezüglich des Betäubungsmittelhandels.

3. Die bisherigen Feststellungen in den Fällen [X.] 7. und [X.] 9. der Urteilsgründe können bestehen bleiben, weil sie rechtsfehlerfrei getroffen worden sind und es in der neuen Hauptverhandlung lediglich um die Klärung der Frage gehen wird, ob darüber hinaus eine [X.] bzw. mittäterschaftliches Handeln der Angeklagten im Fall [X.] 9. nachweisbar ist. Entsprechende ergänzende Feststellungen dürfen zu den bisherigen aber nicht in Widerspruch treten.

4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) In den Fällen [X.] 7. der Urteilsgründe wird der neue Tatrichter zu prüfen haben, ob die Angeklagte, die lediglich Betäubungsmittel portionierte, tatsächlich Mittäterin und nicht bloß Gehilfin eines Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist. Für ihre Beteiligung als Gehilfin spricht, dass das [X.] bei der Strafzumessung von einer lediglich "untergeordnete[n] Tatbeteiligung" der Angeklagten ausgegangen ist.

b) Bei der Strafzumessung wird sich der neue Tatrichter damit zu befassen haben, ob die Vorverurteilung der Angeklagten durch das [X.], die in den vom [X.] angegebenen Tatzeitraum fällt und möglicherweise nach Begehung von einer der unter [X.] 7. der Urteilsgründe bezeichneten Taten erging, Zäsurwirkung mit der Folge entfaltet, dass zwei Gesamtstrafen zu bilden sein werden. Dabei wird er zu beachten haben, dass nach Aufhebung einer Gesamtstrafe in der erneuten Verhandlung eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Verhandlung vorzunehmen ist ([X.], Beschluss vom 7. April 2006 - 2 StR 63/06, [X.], 232; Beschluss vom 13. November 2007 - 3 StR 415/07, [X.], 72); sie entscheidet über die Zäsurwirkung. Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis gelangen, dass zwei Gesamtstrafen zu bilden sein werden, darf die Summe der beiden Gesamtstrafen wegen § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht höher sein als die hier ursprünglich verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.

Becker                                Pfister                                      Hubert

                     Mayer                                  [X.]

Meta

3 StR 355/11

10.11.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mönchengladbach, 16. Juni 2011, Az: 21 KLs 9/11 - 703 Js 343/10

§ 55 Abs 1 S 1 StGB, § 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 30 Abs 1 Nr 1 BtMG, § 358 Abs 2 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.11.2011, Az. 3 StR 355/11 (REWIS RS 2011, 1532)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1532

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 355/11 (Bundesgerichtshof)


3 StR 5/17 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen Betäubungsmitteldelikt: Umfang des Schutzzwecks des Auskunftsverweigerungsrechts


2 StR 212/18 (Bundesgerichtshof)

Konkurrenzverhältnisse bei Betäubungsmitteldelikten: Aufzucht von Marihuanapflanzen zum Zwecke des späteren gewinnbringenden Absatzes und unerlaubtes Handeltreiben


3 StR 5/17 (Bundesgerichtshof)


3 StR 467/15 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.