Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.02.2013, Az. VII ZR 3/12

7. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8343

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Gegenstand

Architektenvertrag: Pflicht des Architekten zu einer zutreffenden Baukostenberatung; Schadensersatzanspruch nach umfangreichen Änderungswünschen des Auftraggebers


Tenor

Der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben.

Das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 22. November 2011 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: bis zu 110.000 €

Gründe

I.

1

Der Kläger verlangt von den [X.] weiteres Architektenhonorar, der Beklagte zu 1 begehrt widerklagend Rückzahlung bereits entrichteten Honorars.

2

Die [X.] waren Eigentümer eines Hausgrundstücks in B. Sie wollten das Gebäude sanieren und die dort befindlichen Wohnungen ausbauen lassen. Der Kläger schätzte die Baukosten Anfang 2003 auf 775.000 €, im [X.] 2003 auf 667.000 €. Am 22./27. Oktober 2003 schlossen die Parteien einen schriftlichen Architektenvertrag über die Leistungsphasen 1 bis 9 des § 15 Abs. 2 HOAI a.F. Der Architektenvertrag bestimmt u.a.:

"Im Rahmen seiner vertraglichen Aufgaben hat der Architekt gegenüber dem Bauherrn eine umfassende Beratungspflicht. Wenn erkennbar wird, dass die ermittelten Baukosten oder der vom Bauherrn angegebene wirtschaftliche Rahmen überschritten werden, ist der Architekt verpflichtet, den Bauherrn unverzüglich zu informieren."

3

Der Kläger reichte im Dezember 2003 den (ersten) Bauantrag ein. Dieser hatte außer der Gebäudesanierung die Zusammenlegung von Wohnungen, teilweise zu [X.], zum Gegenstand. Die Baugenehmigung wurde später erteilt.

4

Im Frühjahr 2004 wurde festgestellt, dass der Dachstuhl mit Holzschutzmitteln kontaminiert war. Ebenfalls im Frühjahr 2004 beantragte der Kläger für die [X.] ein [X.] über 1.230.000 €, welches im [X.] 2004 bewilligt wurde.

5

Die [X.] entschlossen sich - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Frühjahr 2004 -, einen neuen Dachstuhl nebst Fahrstuhl errichten zu lassen. Im Februar 2005 reichte der Kläger deshalb einen zweiten Bauantrag ein. Die Herstellungskosten gab er nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu niedrig an, nämlich mit 771.400 € brutto. Die Baugenehmigung wurde Ende Juni 2005 erteilt. Nachdem die Finanzierungsmittel der [X.] erschöpft waren, kam es im September 2005 zum Baustillstand. Eine Nachfinanzierung gelang nicht.

6

Anfang 2009 veräußerten die [X.] das Grundstück mit dem unfertigen Bauwerk. Der Kläger, der bereits ein Honorar von 102.122,37 € erhalten hatte, kündigte den Architektenvertrag fristlos und verlangte mit seiner Schlussrechnung weitere 107.907,72 €.

7

Mit der Klage hat der Kläger Zahlung des vorgenannten [X.] verlangt. [X.] hat der Beklagte zu 1 Rückzahlung des bereits entrichteten Honorars verlangt. Die Klage hatte in erster Instanz überwiegend Erfolg, die Widerklage hat das [X.] abgewiesen. Die Berufung der [X.] hatte Erfolg; die Anschlussberufung des [X.] hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt der Kläger sein Zahlungsverlangen und seinen Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter.

II.

8

1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass der Honoraranspruch des [X.] durch eine (Primär-)Aufrechnung der [X.] mit einem Schadensersatzanspruch erloschen sei. Der Schadensersatzanspruch führe auch zum Erfolg der Widerklage des [X.] zu 1. Der Kläger habe gegen seine Verpflichtung, das Bauvorhaben der [X.] auch wirtschaftlich zu betreuen und sie wegen der Kostenentwicklung fortlaufend und umfassend zu informieren, schuldhaft verstoßen.

9

Der Kläger habe es bereits im Rahmen der Grundlagenermittlung unterlassen, konkret zu ermitteln, ob den [X.] überhaupt finanzielle Mittel für das Bauprojekt zur Verfügung gestanden hätten. Ferner sei die Kostenschätzung, die dem zweiten Bauantrag zugrunde gelegen habe, deutlich zu niedrig gewesen. Eine weitere Pflichtverletzung sei darin zu sehen, dass die [X.] im weiteren Verlauf der Planung keine aktuellen Informationen mehr erhalten hätten. Den [X.] sei dadurch ein Schaden entstanden, weil sie in Unkenntnis der zu erwartenden Gesamtbaukosten dem Dachausbau nebst Fahrstuhleinbau zugestimmt hätten.

2. [X.] ist stattzugeben. Das Berufungsgericht geht zwar im Ansatz zutreffend davon aus, dass ein Schadensersatzanspruch gegen den Architekten wegen Verletzung seiner Vertragspflichten in Betracht kommt, wenn er den Auftraggeber unzutreffend über die voraussichtlichen Baukosten berät ([X.], Urteile vom 11. November 2004 - [X.], [X.], 400 = NZBau 2005, 158; vom 24. Juni 1999 - [X.], [X.], 1319 = [X.] 2000, 28; [X.] in: [X.], Bauvertragsrecht, 2012, § 633 BGB Rn. 99 ff., 107 ff.; [X.] in: [X.]/[X.], Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., Teil 12 Rn. 462). Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung allerdings erhebliches Vorbringen des [X.] im [X.] nicht berücksichtigt und damit gegen das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG auf Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 27. Januar 2011 - [X.], [X.], 876 Rn. 11; vom 24. November 2011 - [X.], [X.] 2012, 228 Rn. 7). Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 544 Abs. 7 ZPO.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger habe seine Pflicht zur Kostenberatung bereits dadurch verletzt, dass er es im Rahmen der Grundlagenermittlung unterlassen habe, konkret zu ermitteln, ob seine Pläne für die [X.] finanzierbar seien. Dabei hat das Berufungsgericht den Sachvortrag des [X.] übergangen, wonach die Kostenschätzung im [X.] 2003 die Zusammenlegung und den maisonetteartigen Umbau von Wohnungen noch nicht enthalten habe. Entsprechende [X.] hätten die [X.] erst später geäußert. Diesen Sachvortrag hat der Kläger bereits in erster Instanz gehalten.

b) Das Berufungsgericht hat ferner darauf abgestellt, der Architektenvertrag sei bereits im Frühjahr 2004 auf den Dachausbau erweitert worden. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Entscheidung, das kontaminierte Dach zu entfernen und im erneuerten Dach Wohnraum zu schaffen, so hat das Berufungsgericht weiter ausgeführt, sei ein Kredit in Höhe von rund 1.230.000 € beantragt worden. Dabei hat das Berufungsgericht erneut Sachvortrag des [X.] übergangen. Danach seien dem Kreditantrag nur die Kosten für bis dahin geplante Sanierung zugrunde gelegt worden, nicht jedoch für den Dachausbau, weil die Entscheidung darüber, ob dieser erfolge, noch gar nicht gefallen sei. Die [X.] hätten die Entscheidung für den Dachausbau erst im November 2004 auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens vom 29. Oktober 2004 getroffen. Auch dies hat der Kläger bereits in erster Instanz geltend gemacht.

c) Die [X.] sind entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einem anderen Urteil gekommen wäre, wenn es den Sachvortrag des [X.] zutreffend in seine Erwägungen einbezogen hätte. Hätte das Berufungsgericht berücksichtigt, dass die [X.] erst nach der Kostenschätzung vom [X.] 2003 [X.] geäußert hätten, wäre dem Kläger insoweit möglicherweise keine für den geltend gemachten Schaden ursächliche Pflichtverletzung zur Last zu legen. Hätte das Berufungsgericht ferner berücksichtigt, dass die Entscheidung für den Dachausbau erst nach der Kreditzusage gefallen sei, wäre dem Kläger möglicherweise auch unter diesem Gesichtspunkt keine ursächliche Pflichtverletzung zur Last zu legen.

Der Senat weist darauf hin, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Kostenschätzung, die dem (zweiten) Bauantrag im Februar 2005 zugrunde gelegen hat, für die Entscheidung, den Dachausbau vorzunehmen, nicht ursächlich geworden sein kann. Denn danach ist - was der Kläger allerdings bestreitet - diese Entscheidung bereits zuvor getroffen worden. Das gilt auch für die unterbliebene Information der [X.] im weiteren Verlauf der Planung.

3. Das Berufungsurteil kann daher mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich gegebenenfalls mit den weiteren [X.] der Nichtzulassungsbeschwerde zu befassen, insbesondere im Hinblick auf das Schreiben des [X.] vom 4. Mai 2006.

Zur Schadensberechnung weist der Senat darauf hin, dass die Vermögenslage mit und ohne eine eventuelle Falschberatung verglichen werden muss (vgl. [X.], Bauvertragsrecht, aaO, § 633 Rn. 107).

[X.]                        [X.]                         Halfmeier

                Kosziol                   Jurgeleit

Meta

VII ZR 3/12

07.02.2013

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 22. November 2011, Az: 6 U 181/10

§ 15 Abs 2 AIHonO, § 280 BGB, § 631 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.02.2013, Az. VII ZR 3/12 (REWIS RS 2013, 8343)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8343

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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