Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.08.2018, Az. 4 StR 250/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 4769

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Gegenstand

Gesamtstrafenbildung im Falle der Einbeziehung einer Bewährungsstrafe: Anrechnung erfüllter Bewährungsauflagen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 22. Januar 2018 wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben:

a) im Ausspruch über die aus den Einzelstrafen für die Taten [X.] Fälle 1 und 2 der Urteilsgründe und den (Einzel-)Strafen aus den rechtskräftigen Urteilen der Amtsgerichte [X.] und [X.] vom 25. September 2015 und 11. November 2015 gebildeten Gesamtstrafe;

b) soweit eine Entscheidung über die Anrechnung von Leistungen unterblieben ist, die nach der Strafaussetzung zur Bewährung im Urteil des Amtsgerichts [X.] vom 11. November 2015 zur Erfüllung von Auflagen erbracht worden sind;

c) soweit dem Angeklagten die Aussetzung der Freiheitsstrafe von drei Monaten für die Tat unter [X.] Fall 3 der Urteilsgründe ohne Begründung versagt worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung „unter Einbeziehung der Verurteilung“ des [X.] vom 25. September 2015 und „unter Einbeziehung der Verurteilung“ des [X.] vom 11. November 2015 unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten und darüber hinaus wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitstrafe von drei Monaten verurteilt. Seine hiergegen eingelegte und auf die Sachrüge gestützte Revision hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

2

1. Die Überprüfung des Schuldspruchs und der verhängten Einzelstrafen hat keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StGB).

3

Die Darstellung des Ergebnisses der molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung entspricht den von der Rechtsprechung dazu entwickelten Anforderungen (vgl. [X.], Urteil vom 24. März 2016 - 2 [X.], [X.], 490, 492; Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, [X.], 477, 478 f., Urteil vom 21. März 2013 - 3 [X.], [X.]St 58, 212, 217).

4

Der Umstand, dass die Feststellungen im Fall II. 1 der Urteilsgründe eine gefährliche Körperverletzung in der Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht tragen, begründet keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, weil das [X.] eine gefährliche Körperverletzung in der Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zutreffend bejaht und bei der Bemessung der Einzelstrafe die Annahme einer gefährlichen Körperverletzung auch in der Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht straferschwerend berücksichtigt hat.

5

2. [X.] aus den Einzelstrafen für die Taten II. Fälle 1 und 2 der Urteilsgründe und den (Einzel-)Strafen aus den rechtskräftigen Urteilen der Amtsgerichte [X.] und [X.] vom 25. September 2015 und 11. November 2015 hält dagegen revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Denn die [X.] teilt nicht mit, welche Einzelstrafen das Amtsgericht [X.] für die am 5. und 8. September 2015 begangenen Diebstähle festgesetzt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Januar 2011 - 4 StR 450/10, Rn. 6 mwN). Der [X.] kann daher nicht überprüfen, ob die Gesamtstrafenbildung rechtsfehlerfrei erfolgt ist.

6

3. Soweit eine Entscheidung über die Anrechnung von Leistungen unterblieben ist, die im Rahmen der für die einbezogenen Strafen gewährten Strafaussetzung zur Bewährung erbracht worden sind, war das Urteil ebenfalls aufzuheben. Werden - wie hier mit den Strafen aus dem Urteil des [X.] vom 11. November 2015 - Strafen nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB in eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitstrafe einbezogen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war, entfällt die ursprünglich gewährte Strafaussetzung zur Bewährung. Das [X.] war daher gehalten, gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2, § 56 f Abs. 3 Satz 2 StGB über die Anrechnung von Leistungen zu entscheiden, die der Angeklagte zur Erfüllung von Auflagen aus dem Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts erbracht hat. Eine Berücksichtigung bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe genügt regelmäßig nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Februar 2017 - 1 [X.], [X.], 199 f. [[X.]]; Beschluss vom 18. Februar 2014 - 3 [X.], [X.], 138 [[X.]]; Beschluss vom 20. März 1990 - 1 StR 283/89, [X.]St 36, 378, 381 ff.; jeweils mwN). Die fehlende Anrechnung ist hier auch auf die Sachrüge hin zu beachten (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 22. Februar 2007 - 4 StR 49/07, [X.], 249; Beschluss vom 7. März 2001 - 2 StR 43/01, Rn. 3; Beschluss vom 17. März 1988 - 1 [X.], [X.]St 35, 238, 241), weil das Urteil des [X.]s Angaben zu „bereits geleisteten Arbeitsstunden und Zahlungen“ enthält ([X.]) und diese - rechtsfehlerhaft - bei der Gesamtstrafenbildung zu seinen Gunsten Beachtung gefunden haben (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Mai 1992 - 4 StR 207/92). Die Kammer hätte daher darlegen müssen, welche Leistungen der Angeklagte auf die Bewährungsauflagen erbracht hat und diese durch eine die Vollstreckung verkürzende Anrechnung auf die Gesamtfreiheitsstrafe ausgleichen müssen (zu einem möglichen Anrechnungsmaßstab vgl. [X.], Beschluss vom 2. April 2009 - 2 StR 11/09, [X.], 201).

7

4. Schließlich unterliegt der Strafausspruch auch insoweit der Aufhebung, als das [X.] dem Angeklagten eine Aussetzung der (weiteren) Freiheitsstrafe von drei Monaten für die Tat II. Fall 3 der Urteilsgründe ohne Begründung verweigert hat (§ 56 Abs. 1 StGB). Die [X.] hat sich mit der Frage einer möglichen Strafaussetzung in den Urteilsgründen nicht befasst. Erörterungen hierzu wären hier aber - ungeachtet der Vorschrift des § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO - erforderlich gewesen, um eine revisionsgerichtliche Nachprüfung dieser Entscheidung zu ermöglichen (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Juli 2011 - 4 StR 283/11, Rn. 3 mwN).

Sost-Scheible     

        

Roggenbuck     

        

Cierniak

        

[X.]     

        

Quentin     

        

Meta

4 StR 250/18

15.08.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Zweibrücken, 22. Januar 2018, Az: 4144 Js 2718/16 - 1 KLs

§ 55 Abs 1 S 1 StGB, § 56f Abs 3 S 2 StGB, § 58 Abs 2 S 2 StGB, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.08.2018, Az. 4 StR 250/18 (REWIS RS 2018, 4769)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 4769

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