Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.03.2021, Az. B 6 KA 21/20 B

6. Senat | REWIS RS 2021, 7793

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Tenor

Die Beschwerde des Beigeladenen zu 2. gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 10. Juni 2020 ([X.] KA 27/18) wird zurückgewiesen.

Der Beigeladene zu 2. trägt die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 1.

Der Streitwert wird für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde auf 324 482 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten um die Festsetzung eines [X.] wegen der Verordnung von Blutgerinnungsfaktoren in den Quartalen 1/2007 bis 4/2007 und 2/2008 bis 1/2009 für 14 bei der klagenden Krankenkasse Versicherte.

2

Der zu 2. beigeladene Facharzt für Transfusionsmedizin betreibt als Einzelunternehmer ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), das auf die Behandlung von Patienten mit Blutgerinnungsstörungen spezialisiert ist. Auf Antrag der klagenden Krankenkasse setzte die Prüfungsstelle gegen den Beigeladenen zu 2. auf der Grundlage von § 106 Abs 2 [X.] aF (heute: § 106b [X.]) mehrere Regresse in Höhe von insgesamt 648 963,15 Euro mit der Begründung fest, dass dieser verpflichtet gewesen wäre, näher bezeichnete [X.]zubereitungen direkt bei einem pharmazeutischen Unternehmen oder Großhändler zu bestellen. Die Verordnung und der Bezug über die Apotheke (Kosten: 3 360 784,30 Euro brutto) anstelle des [X.] sei unwirtschaftlich gewesen. Den Widersprüchen des Beigeladenen zu 2. gab der beklagte Beschwerdeausschuss mit der Begründung statt, dass die Behandlung von Patienten mit Von-Willebrand-Syndrom mit den hier verordneten [X.]zubereitungen unter Aufsicht des Arztes zu erfolgen habe und dass deshalb insoweit keine Selbstbehandlung von Blutern im Sinne des § 47 Abs 1 Satz 1 [X.] a [X.] stattgefunden habe (Bescheide vom 18.10.2012). Damit sei ein [X.] ausgeschlossen. Soweit [X.] bei zwei Blutern im Rahmen einer ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung eingesetzt worden seien, sei das Wirtschaftlichkeitsgebot aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles nicht verletzt. Bei einem [X.] von Blutgerinnungsfaktoren für lediglich zwei Patienten wäre es dem Beigeladenen zu 2. nicht möglich gewesen, wesentlich günstigere Preise zu erzielen, als beim [X.] über die Apotheke. Die dagegen erhobene Klage hatte in erster Instanz nur insoweit Erfolg, als der [X.] die Festsetzung eines [X.] auch bezogen auf die Verordnung von Blutgerinnungsfaktoren für die beiden Bluter abgelehnt hatte (Urteil des [X.]). Auf die Berufung der Klägerin und des Beigeladenen zu 2. änderte das [X.] das Urteil des [X.], hob die angefochtenen Bescheide des [X.]n insgesamt auf und verurteilte den [X.]n über den von der Klägerin gestellten Regressantrag gegen den Beigeladenen zu 2. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (Urteil vom 10.6.2020). Entgegen der Auffassung des [X.]n und des [X.] sei die Selbstbehandlung des Patienten nicht Voraussetzung für den sog [X.] durch den Arzt und dem Beigeladenen zu 2. entstünden durch diesen [X.] auch keine Kosten, die bei einem Bezug über die Apotheke nicht angefallen wären. Bei der Bemessung des Schadens müsse sich die Klägerin jedoch entgegenhalten lassen, dass sie bei einem vom Beigeladenen zu 2. organisierten [X.] auch von eigenen finanziellen Belastungen frei geworden wäre. Im Ergebnis müsse die Klägerin die Kosten tragen, die dem MVZ im Zusammenhang mit dem Einkauf der [X.] und der Abrechnung mit Lieferanten bzw Krankenkassen selbst entstehen.

3

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] macht der Beigeladene zu 2. die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Rechtsprechungsabweichungen geltend (Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 [X.] und [X.] [X.]G).

4

II. [X.] hat keinen Erfolg.

5

1. Der Zulassungsgrund der Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) liegt nicht vor.

6

Eine Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) setzt voraus, dass das [X.] seiner Entscheidung einen Rechtssatz tragend zugrunde gelegt hat, der einem Rechtssatz in einer Entscheidung des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.] widerspricht. Das ist hier nicht der Fall.

7

a) Der Beigeladene zu 2. entnimmt dem Urteil des Senats vom [X.] ([X.] [X.] 18/14 R - [X.] 4-2500 § 106 [X.]) den folgenden Rechtssatz:

"Der vertragsärztlich zugelassene Leistungserbringer ist zur Umsetzung des kostengünstigeren Bezuges der Arzneimittel nicht verpflichtet, [X.] dergestalt zu erbringen, dass über das in Arztpraxen Übliche hinausgehend, zusätzliche wirtschaftliche und/oder tatsächliche Investitionen getätigt werden müssen, um die Versorgung der Versicherten im Wege des [X.] und der Direktabgabe zu ermöglichen."

8

Dem stellt der Beigeladene zu 2. den folgenden Rechtssatz gegenüber:

"Der vertragsärztlich zugelassene Leistungserbringer ist zur Umsetzung des kostengünstigeren Bezuges der Arzneimittel auch verpflichtet, [X.] dergestalt zu erbringen, dass über das in Arztpraxen Übliche hinausgehend, zusätzliche wirtschaftliche und/oder tatsächliche Investitionen getätigt werden müssen, um die Versorgung der Versicherten im Wege des [X.] und der Direktabgabe zu ermöglichen."

9

Die Entscheidung des [X.] beruht entgegen der Auffassung des Beigeladenen zu 2. nicht auf dem zuletzt genannten Rechtssatz, sodass die geltend gemachte Rechtsprechungsabweichung nicht vorliegt. Das [X.] ist - jedenfalls soweit es sich in den Entscheidungsgründen mit der Rechtmäßigkeit des [X.] dem Grunde und nicht der Höhe nach befasst hat - davon ausgegangen, dass dem Beigeladenen zu 2. durch den Umgang mit [X.] keine über die allgemeinen Praxiskosten hinausgehenden Aufwendungen entstanden seien und dass die sachgerechte Lagerung, Dokumentation und Bereitstellung von Blutprodukten zu den selbstverständlichen Voraussetzungen der fachärztlichen hämostaseologischen Behandlung gesetzlich [X.] gehöre ([X.] f). Das [X.] mag die an die Praxisausstattung zu stellenden nicht über "das Übliche" hinausgehenden Anforderungen bezogen auf ein MVZ, das auf die Behandlung von Blutgerinnungsstörungen spezialisiert ist, anders beurteilt haben, als der Senat in dem og Urteil vom [X.], das den Regress gegenüber einer einzelnen Fachärztin für Allgemeinmedizin zum Gegenstand hatte. Damit hat das [X.] seiner Entscheidung jedoch keine von der Rechtsprechung des B[X.] abweichende Rechtsansicht zugrunde gelegt.

Selbst wenn mit dem Beigeladenen zu 2. von einer Abweichung in dem genannten Punkt auszugehen wäre, wäre diese nicht entscheidungserheblich, weil das [X.] seine Entscheidung (vgl [X.] [X.]: "Unabhängig davon …") auch damit begründet hat, dass besondere Aufwendungen des behandelnden Arztes für die sachgerechte Lagerung, Dokumentation und Bereitstellung in keinem Zusammenhang mit dem [X.] stehen würden. Ein darauf bezogener Revisionsgrund wird vom Beigeladenen zu 2. nicht geltend gemacht. Wenn ein Urteil - wie hier - auf mehrere Begründungen gestützt wird, setzt das Beruhen der Entscheidung auf der geltend gemachten Abweichung jedoch voraus, dass hinsichtlich aller Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt. Daran fehlt es hier.

Soweit der Beigeladene zu 2. geltend macht, das [X.] sei davon ausgegangen, dass ihm, dem Beigeladenen zu 2., finanzielle Belastungen für die Beschaffung und die Abrechnung beim Beschwerdeführer entstanden seien, ist dem entgegenzuhalten, dass das [X.] jedenfalls seine Auffassung zur Rechtmäßigkeit des [X.] dem Grunde nach nicht darauf gestützt hat. Vielmehr ist das [X.] allein im Zusammenhang mit der Frage, ob der Regress auch in zutreffender Höhe festgesetzt worden ist, davon ausgegangen, dass zugunsten des Beigeladenen zu 2. die Kosten in Ansatz zu bringen seien, die diesem "im Zusammenhang mit dem Einkauf der [X.] und der Abrechnung mit Lieferanten/[X.] selbst entstehen". Die Frage, ob das zutrifft, kann hier dahingestellt bleiben, weil der Beigeladene zu 2. durch die nach Auffassung des [X.] gebotene Reduzierung des [X.] begünstigt wird. Gegen diese Begünstigung könnte er sich auch mit der Revision nicht erfolgreich wenden, weil ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde. Damit fehlt das Rechtsschutzbedürfnis insoweit auch für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 160a Rd[X.]c). Soweit der Beigeladene zu 2. geltend machen möchte, dass das [X.] einen Gesichtspunkt, den es bei der Schadenshöhe berücksichtigt hat, bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des [X.] dem Grunde nach nicht unberücksichtigt lassen durfte, wird damit die Frage angesprochen, ob das Urteil des [X.] - auch bezogen auf die Schadenshöhe - zutreffend und widerspruchsfrei begründet worden ist. Daran bestehen auch nach Ansicht des Senats Zweifel. Die Begründung für die nach Auffassung des [X.] erforderliche Reduzierung des [X.] kann der Senat nicht ohne Weiteres nachvollziehen. Darauf kommt es hier jedoch nicht an. Eine Divergenz kann damit jedenfalls nicht erfolgreich begründet werden.

b) Der Beigeladene zu 2. entnimmt dem Urteil des Senats vom [X.] ([X.] [X.] 18/14 R - [X.] 4-2500 § 106 [X.]) ferner den folgenden Rechtssatz:

"Der pharmazeutische Unternehmer bzw. Großhändler ist nach § 47 Abs. 1 Satz 1 [X.]. 2a [X.] berechtigt, an Ärzte aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen oder gentechnologisch hergestellte Blutbestandteile direkt, als Ausnahme von der [X.] nach § 43 [X.] abzugeben. Soweit hiervon [X.]zubereitungen betroffen sind, unterfallen diese nur dann der Ausnahme von der [X.] nach § 43 [X.], wenn die [X.]zubereitungen von dem hämostaseologisch qualifizierten Arzt im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern an seine Patienten abgegeben werden dürfen."

Dem stellt der Beigeladene zu 2. den folgenden Rechtssatz gegenüber:

"§ 47 Abs. 1 Satz 1 [X.]. 2a [X.] (in der bis zum [X.] [richtig: 31.8.2020] gültigen Fassung) erlaubte es pharmazeutischen Unternehmen bzw. Großhändlern an Ärzte [X.]zubereitungen, als Ausnahme von der [X.] nach § 43 [X.], abzugeben, unabhängig davon, ob die [X.]zubereitungen von dem hämostaseologisch qualifizierten Arzt im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern an seine Patienten abgegeben werden dürfen."

Es trifft zwar zu, dass der Entscheidung des [X.] der zuletzt genannte Rechtssatz zugrunde liegt. Das [X.] weicht damit aber nicht von der Rechtsprechung des Senats ab. Unabhängig davon, ob § 47 [X.] - wie in den formulierten Rechtssätzen unterstellt - als "Ausnahme von der [X.] nach § 43 [X.]" verstanden werden kann (ablehnend: B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 18/14 R - [X.] 4-2500 § 106 [X.] Rd[X.] 34 mwN) kann dem genannten Urteil des Senats vom [X.] entgegen der Auffassung des Beigeladenen zu 2. jedenfalls nicht entnommen werden, dass ein [X.] von [X.]zubereitungen auf Fälle beschränkt ist, in denen der Arzt diese zur Selbstbehandlung an Bluter abgibt. Mit dieser Frage hatte sich der Senat in der genannten Entscheidung nicht zu befassen. Anders als in dem Fall, über den das [X.] hier zu entscheiden hatte, waren die [X.]zubereitungen dort zum Zwecke der Selbstbehandlung an Patienten abgegeben worden. Eine Aussage, nach der dies Voraussetzung für den [X.] wäre, enthält das Urteil nicht. Deshalb kann dem Urteil des Senats auch nicht der vom Beigeladenen zu 2. formulierte Rechtssatz entnommen werden, der einen Zusammenhang zwischen der Zulässigkeit des [X.] und der erfolgten Direktabgabe an den Patienten herstellt. Etwas anderes folgt auch nicht aus den Passagen des Urteils, in denen der Senat den - tatsächlich komplexen - Wortlaut des § 47 Abs 1 Satz 1 [X.] a [X.] wiedergegeben hat (vgl etwa aaO Rd[X.] 33 am Ende).

Allerdings hat der Senat nicht an jeder Stelle der Entscheidungsbegründung eindeutig zwischen den Voraussetzungen für den [X.] der [X.]zubereitungen auf der einen und den Voraussetzungen für die Abgabe der [X.]zubereitungen zur Selbstbehandlung an den Patienten auf der anderen Seite differenziert. Der Senat stellt vor diesem Hintergrund klar, dass er die Auffassung des [X.] teilt, nach der die Möglichkeit zum [X.] nicht davon abhängt, ob dem Patienten die [X.]zubereitungen in der Arztpraxis verabreicht wurden oder ob diese an den Patienten zur Selbstbehandlung weitergegeben wurden bzw jedenfalls weitergegeben werden durften: Nach § 47 Abs 1 Satz 1 [X.] a [X.] in der hier noch maßgebenden bis zum 31.8.2020 geltenden Fassung (zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung vgl Art 21 Abs 3 des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung vom [X.], [X.] 1202, idF von Art 12 [X.] des [X.] zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.5.2020, [X.] 1018) durften pharmazeutische Unternehmer und Großhändler Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur abgeben an

"Krankenhäuser und Ärzte, soweit es sich handelt um aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen oder gentechnologisch hergestellte Blutbestandteile, die, soweit es sich um [X.]zubereitungen handelt, von dem hämostaseologisch qualifizierten Arzt im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern an seine Patienten abgegeben werden dürfen".

Wie das [X.] zutreffend insbesondere unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte dargelegt hat, regelte die Vorschrift einerseits die Möglichkeit zur unmittelbaren Abgabe von [X.]zubereitungen durch pharmazeutische Unternehmen und Großhändler an Ärzte (sog [X.]) und andererseits die Voraussetzungen der Abgabe dieser [X.]zubereitungen durch den Arzt an den Patienten zum Zwecke der Selbstbehandlung. Sie wurde deshalb in der Literatur auch als "doppelte Ausnahmeregelung zu § 43 Abs. 1 Satz 1" [X.] ([X.]/[X.], [X.], [X.], 135. [X.] 2019, § 47 [X.] [X.]5) bezeichnet. Anders als die Weitergabe an die Patienten zur Selbstbehandlung war die Befugnis zur Direktabgabe von menschlichem Blut oder Gewebe durch Hersteller und Großhändler an Krankenanstalten und Ärzte bereits in § 34 Abs 1 [X.] des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln vom [X.] ([X.] 533; im Folgenden [X.] 1961) ausdrücklich geregelt. Mit Art 1 [X.]0 Buchst a des [X.] zur Änderung des [X.] vom [X.] ([X.] 365) ist die Direktabgabe bezogen auf Blutzubereitungen präzisiert worden (vgl dazu [X.]/1370, V. Zu Art 1 [X.] 7; vgl [X.], [X.], Stand 1.2.1976, § 34 [X.] 5b.) und mit dem [X.] des [X.]s vom [X.] ([X.] 2445) hat die Regelung ihren Standort in § 47 Abs 1 [X.] a [X.] erhalten. Erst mit § 34 [X.] 7 des [X.] ([X.]) vom 1.7.1998 ([X.] 1752) ist der Halbsatz "die, soweit es sich um [X.]zubereitungen handelt, von dem hämostaseologisch qualifizierten Arzt im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern an seine Patienten abgegeben werden dürfen," mWv 7.7.1998 angefügt und damit das ärztliche Dispensierrecht für diesen speziellen Bereich ausdrücklich geregelt worden (vgl [X.], [X.], 2021, § 47 Rd[X.] 41; [X.]/[X.], [X.], [X.], § 47 [X.] [X.]5). Der Regierungsentwurf eines Transfusionsgesetzes hatte noch vorgesehen, dazu einen eigenen Satz an die unverändert fortgeltende Regelung zum [X.] in § 47 Abs 1 [X.] a [X.] anzufügen, der wie folgt lauten sollte: "Der Arzt darf im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern [X.]zubereitungen an seine Patienten abgeben." Dabei sollte es sich mit Blick auf die in diesem Bereich bereits seit langem praktizierte Abgabe an Patienten zur kontrollierten Selbstbehandlung um eine Klarstellung handeln (BT-Drucks 13/9594, 30 zu § 34 [X.] 7). Auf Beschlussempfehlung des [X.]tagsausschusses für Gesundheit ist die Anforderung an die Qualifikation des abgebenden Arztes angefügt worden. Damit sollte sichergestellt werden, dass "nur bestimmte, entsprechend qualifizierte Ärzte diese Behandlungsform durchführen und das [X.] nur für sie gilt." (BT-Drucks 13/10643, 25 zu § 34 [X.] 7). Ebenfalls auf diese Beschlussempfehlung geht die Fassung der Neuregelung als Halbsatz und nicht mehr - wie noch im Regierungsentwurf vorgesehen - als eigener Satz zurück. Damit war aber auch nach dem Inhalt der Begründung zur Beschlussempfehlung des [X.] keine weitergehende inhaltliche Änderung beabsichtigt. Im Ergebnis kann ausgeschlossen werden, dass mit der seit 7.7.1998 geltenden Neuregelung die bereits im [X.] 1961 geregelte Möglichkeit zum [X.] eingeschränkt werden sollte. Vielmehr ging es allein um eine Klarstellung bezogen auf die Zulässigkeit einer Abgabe der [X.]zubereitung vom Arzt zur kontrollierten Selbstbehandlung an den Patienten und um die dafür vorauszusetzende Qualifikation des Arztes.

2. Auch die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor.

Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (stRspr; vgl zB B[X.] Beschluss vom 29.11.2006 - [X.] [X.] 23/06 B - [X.] 4-1500 § 153 [X.] 3 Rd[X.]3 mwN; B[X.] Beschluss vom 28.10.2015 - [X.] [X.] 12/15 B - [X.] 4-2500 § 116 [X.]1 Rd[X.] 5). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist und/oder wenn sich die Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus schon vorliegender Rechtsprechung klar ergibt (B[X.] Beschluss vom 11.10.2017 - [X.] [X.] 29/17 B - juris Rd[X.] 4). Ein über den Einzelfall hinausgehendes, die Allgemeinheit betreffendes Interesse wird in aller Regel für die Auslegung und Tragweite von bereits außer [X.] getretenen Vorschriften oder von [X.] nicht angenommen (B[X.] Beschluss vom 2.12.1998 - B 2 U 256/98 B - juris Rd[X.] 3 mwN). Etwas anderes gilt nur dann, wenn entweder noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des ausgelaufenen Rechts zu entscheiden ist, oder die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihrer Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat (vgl B[X.] Beschluss vom 28.11.1975 - 12 BJ 150/75 - [X.] 1500 § 160a [X.]9; ebenso zB B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] [X.] 23/09 B - juris Rd[X.] 32; B[X.] Beschluss vom 3.8.2016 - [X.] [X.] 12/16 B - juris Rd[X.] 6).

Der Beigeladene zu 2. hat die Rechtsfrage formuliert,

"ob das Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen der Hämophiliebehandlung die Wahl des [X.] nach § 47a [X.] alter Fassung auch dann gebietet, wenn die behandelnden Ärzte bzw. Zentren keinen Vertrag mit den Krankenkassen haben, der die Erstattung der Bezugskosten und die besonderen Aufwendungen zum Gegenstand hat."

Gemeint ist offensichtlich der [X.] von [X.]zubereitungen auf der Grundlage des § 47 Abs 1 Satz 1 [X.] a [X.] und nicht der [X.] nach § 47a [X.].

a) Bezogen auf die Klärung der so zu verstehenden Rechtsfrage fehlt es an einem über den Einzelfall hinausgehenden, die Allgemeinheit betreffenden Interesse, weil die Regelung, deren Auslegung der Beigeladene zu 2. für klärungsbedürftig hält, aufgrund der Änderungen durch das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung vom [X.] ([X.] 1202) in der Fassung von Art 12 [X.] des [X.] zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.5.2020 ([X.] 1018) mit Ablauf des 31.8.2020 außer [X.] getreten ist. Eine Direktabgabe von [X.]zubereitungen durch den pharmazeutischen Hersteller oder Großhändler an den behandelnden Arzt ist seitdem ausgeschlossen (vgl dazu zB [X.], [X.] 2019, 619 f). Gleichzeitig ist die Preisbildung in § 130d [X.] neu geregelt worden. Ergänzend bestimmt der neu eingeführte § 132i Satz 1 [X.], dass die Krankenkassen oder deren Landesverbände Versorgungsverträge mit ärztlichen Einrichtungen (oder deren Verbänden) schließen, die auf die Behandlung von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie durch hämostaseologisch qualifizierte Ärzte spezialisiert sind. In den [X.] soll die Vergütung von zusätzlichen, besonderen ärztlichen Aufwendungen zur medizinischen Versorgung und Betreuung von Patientinnen und Patienten mit Gerinnungsstörungen bei Hämophilie, insbesondere für die Beratung über die Langzeitfolgen von Gerinnungsstörungen, die Begleitung und Kontrolle der Selbstbehandlung, die Dokumentation nach § 14 des Transfusionsgesetzes und die Meldung an das [X.] nach § 21 Abs 1a des Transfusionsgesetzes sowie für die Notfallvorsorge und -behandlung geregelt werden (§ 132i Satz 2 [X.]).

Der vom Beigeladenen zu 2. formulierten Rechtsfrage kommt nach der seit dem 1.9.2020 geltenden Rechtslage keine Bedeutung mehr zu, weil einerseits der [X.] von [X.]zubereitungen durch den Arzt ausgeschlossen ist und weil andererseits die Frage der Erforderlichkeit einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Krankenkassen und ärztlichen Einrichtungen, die auf die Behandlung von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie durch hämostaseologisch qualifizierte Ärzte spezialisiert sind, durch den neu eingeführten § 132i [X.] geklärt ist. Darauf hat bereits das [X.] zur Begründung seiner Entscheidung, die Revision nicht zuzulassen, hingewiesen.

b) Dass trotz der grundlegenden Neuregelung durch das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung ein über den Einzelfall hinausgehendes, die Allgemeinheit betreffendes Interesse an der Klärung der formulierten Rechtsfrage bestehen würde, ist auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Beigeladenen zu 2. nicht ersichtlich. Soweit er geltend gemacht hat, dass die Änderungen durch das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung Rückschlüsse auf die Auslegung des alten Rechts zuließen, kann damit eine fortwirkende allgemeine Bedeutung bezogen auf die Auslegung des alten Rechts nicht begründet werden. Soweit der Beigeladene zu 2. geltend macht, dass "vergleichbare Verfahren für die alte Rechtslage nach wie vor zur Entscheidung anstehen" verweist er lediglich auf ein weiteres ihn selbst betreffendes Gerichtsverfahren sowie auf nicht abgeschlossene Verwaltungsverfahren ohne anzugeben, ob diese auch andere Personen als ihn selbst betreffen. Eine fortwirkende allgemeine Bedeutung der formulierten Rechtsfrage kann der Senat dem nicht entnehmen.

c) Im Übrigen fehlt es auch deshalb an der Klärungsbedürftigkeit der formulierten Rechtsfrage, weil sich die Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und aus schon vorliegender Rechtsprechung klar ergibt: Der Beigeladene zu 2. führt selbst in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde aus, dass es für die nach seiner Auffassung auch schon in der Vergangenheit üblichen Verträge über die Erstattung der Bezugskosten und der besonderen Aufwendungen keine Rechtsgrundlage gegeben habe bzw dass der Arzt gegenüber der Krankenkasse keinen Anspruch auf den Abschluss eines solchen Vertrags gehabt habe. Jedenfalls letzteres trifft auch nach Auffassung des Senats zu. Gesetzliche Regelungen, die die Krankenkassen zum Abschluss der vom Beigeladenen zu 2. angestrebten Vereinbarung verpflichten könnten, haben vor der Einführung des § 132i [X.] mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung nicht bestanden.

Ferner hat der Senat die aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1, § 70 Abs 1 Satz 2, § 106 Abs 1 [X.]) folgende Obliegenheit des Arztes, unter mehreren rechtlich zulässigen [X.]en den kostengünstigsten zu wählen, in dem Urteil vom [X.] ([X.] [X.] 18/14 R - [X.] 4-2500 § 106 [X.] Rd[X.] 35 ff) nicht davon abhängig gemacht, dass die Krankenkassen dem Arzt eine vertragliche Vereinbarung über die Erstattung von Bezugskosten und von besonderen Aufwendungen anbietet. Da - auch nach Auffassung des Beigeladenen zu 2. - keine Rechtsgrundlage für eine Verpflichtung der Krankenkasse zum Abschluss einer solchen Vereinbarung bestand, kann die Antwort auf die Frage nach dem wirtschaftlichsten [X.] nicht davon abhängen, ob die Krankenkasse eine solche Vereinbarung anbietet. Das gilt entgegen der Auffassung des Beigeladenen zu 2. unabhängig davon, ob ein die [X.]zubereitungen - wie in dem Fall, der der Entscheidung des Senats vom [X.] zugrunde lag - von einem einzelnen Arzt oder aber - wie vorliegend - von einem auf die Behandlung von Patienten mit Blutgerinnungsstörungen spezialisierten MVZ bezogen werden. Ausschlaggebend bleibt, ob sich die gerade aufgrund des [X.] zu erfüllenden Anforderungen ua bezogen auf die Lagerung der [X.]zubereitungen im zu beurteilenden Fall noch im Rahmen des Üblichen bewegen. Damit kann die vom Beigeladenen zu 2. aufgeworfene Rechtsfrage, ob das Wirtschaftlichkeitsgebot die Wahl des [X.] von [X.]zubereitungen nach § 47 Abs 1 Satz 1 [X.] a [X.] in der bis zum 31.8.2020 geltenden Fassung auch dann gebot, wenn kein Vertrag des behandelnden Arztes mit der Krankenkasse über die Erstattung von Bezugskosten und von besonderen Aufwendungen bestand, im Grundsatz bejaht werden, ohne dass es dazu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte.

3. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 [X.]G iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO. Die Kostenpflicht des Beigeladenen zu 2. als erfolglosem Rechtsmittelführer beruht auf § 154 Abs 2 VwGO. Diese Regelung ist im Falle eines erfolglosen Rechtsmittels die allein maßgebliche Kostenvorschrift; § 154 Abs 1 VwGO findet keine Anwendung (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 2/08 R - [X.] 4-2500 § 106 [X.]4 Rd[X.]5; B. [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 197a Rd[X.]2). Dementsprechend ist in einem solchen Fall kein Raum für eine Kostenpflicht auch des [X.]n, der selbst kein Rechtsmittel eingelegt hat, unabhängig davon, ob sein Bescheid aufgehoben wird. In einer derartigen Konstellation erfolglosen Rechtsmittels ist der unterlegene Hauptbeteiligte ([X.]), der keinen Antrag gestellt hat, vielmehr grundsätzlich sogar kostenerstattungsberechtigt (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 2/08 R - [X.] 4-2500 § 106 [X.]4 Rd[X.]5; BVerwG Urteil vom 11.11.1993 - 3 C 45/91 - NJW 1994, 3024, 3027 = juris Rd[X.] 45, insoweit in BVerwGE 94, 269 nicht abgedruckt). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn - anders als hier - der [X.] im weiteren Verlauf des Rechtsmittelverfahrens dem Hauptantrag eines anderen Beteiligten beigetreten ist und hiermit der Sache nach unterlegen ist; hierdurch entfiele - entsprechend dem Grundgedanken des § 154 Abs 1 VwGO - seine Kostenerstattungsberechtigung. Der Ausschluss der Kostenerstattungsberechtigung gilt im vorliegenden Fall jedoch gemäß § 162 Abs 3 VwGO für die Beigeladene zu 1., weil diese sich im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht beteiligt und vor allem keinen Antrag gestellt hat (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 62/04 R - B[X.]E 96, 257 = [X.] 4-1300 § 63 [X.] 3, Rd[X.]6).

4. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Das Begehren des Beigeladenen zu 2. im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wird durch den nach der Entscheidung des [X.] zu reduzierenden, aber in der Höhe noch nicht feststehenden [X.] bestimmt. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass das [X.] die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens dem [X.]n und dem Beigeladenen zu 2. jeweils zur Hälfte auferlegt hat, hat der Senat den Streitwert für das allein vom Beigeladenen zu 2. betriebene [X.] in Höhe der Hälfte des ursprünglichen [X.]es festgesetzt.

Meta

B 6 KA 21/20 B

17.03.2021

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Hannover, 25. April 2018, Az: S 65 KA 717/12, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.03.2021, Az. B 6 KA 21/20 B (REWIS RS 2021, 7793)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7793

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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