Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.05.2011, Az. X B 74/10

10. Senat | REWIS RS 2011, 6993

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

(Unwirksamkeit eines unter einer Bedingung erhobenen Ablehnungsantrags - Übersehen einer Verwaltungsanweisung kein schwerwiegender Rechtsfehler - Unanfechtbarkeit von Beschlüssen über die Ablehnung von Gerichtspersonen - Anwendungsbereich von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG - Keine Erweiterung des Gegenstands des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde)


Leitsatz

1. NV: Ein Ablehnungsantrag ist als Prozesserklärung nur wirksam, wenn er hinreichend klar, eindeutig, vorbehaltlos und unbedingt erhoben wird. Dies ist bei einem Ablehnungsantrag, der nur für den Fall erhoben wird, dass der Senat sich durch die in der Rechtsmittelbegründung enthaltene "Richterschelte" angegriffen fühlt, nicht der Fall .

2. NV: Wenn das FG in einem Billigkeitsverfahren eine einschlägige Verwaltungsanweisung übersieht, liegt darin zwar möglicherweise ein materiell-rechtlicher Fehler, der aber nicht zur Zulassung der Revision führen kann. Mit dem Übersehen einer einschlägigen Rechtsnorm, das als schwerwiegender materiell-rechtlicher Fehler die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) rechtfertigen kann, ist dies nicht vergleichbar .

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 1988 bis 1995 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der [X.]ater ([X.]) der Klägerin war [X.] Herkunft. Er wohnte in den 1930er Jahren in der damaligen [X.], wo er als Gewerbetreibender tätig war. [X.] --noch vor der Besetzung von Teilen der [X.] durch [X.] Truppen-- gelang ihm die Ausreise nach [X.], wo er einen neuen Gewerbebetrieb gründete. Gemeinsam mit seiner Ehefrau, der [X.]utter ([X.]) der Klägerin, erwarb er dort auch eine Wohnung zur Selbstnutzung. Nach Gründung der [X.] erhielt er für die Beeinträchtigung seines beruflichen Fortkommens eine Entschädigung von 10.000 D[X.] sowie für die Ermordung seines [X.] in einem Konzentrationslager eine monatliche Rente nach den [X.]orschriften des Bundesentschädigungsgesetzes.

2

Im Jahr 1985 verstarb [X.] und wurde von [X.] beerbt. Diese veräußerte die [X.] Immobilie und zog 1986 in die Nähe der Kläger nach Deutschland.

3

[X.]it notariell beurkundetem [X.]ertrag vom 15. Dezember 1986 ([X.]ertrag I) erklärte [X.], sie habe am 1. September 1986 an die Klägerin in vorweggenommener Erbfolge einen Betrag in Höhe von 100.000 D[X.] gezahlt. Im Gegenzug sollte die Klägerin mit Wirkung ab dem 1. September 1986 an [X.] auf deren Lebenszeit monatlich 650 D[X.] zahlen. Dieser Rentenbetrag war [X.]; die [X.]orschrift des § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) wurde ausdrücklich für anwendbar erklärt.

4

[X.]it privatschriftlicher Schenkungsvereinbarung vom 22. November 1987 ([X.]ertrag II) schenkte [X.] der Klägerin zum 1. Dezember 1987 die in einem bestimmten Depot verwahrten Wertpapiere im Gesamtwert von "ca. 200.000 D[X.]". Die Klägerin verpflichtete sich, [X.] für einen Zeitraum von zehn Jahren mit einer Geldleistung von 1.600 D[X.] monatlich zu versorgen. Auch dieser Betrag war [X.]; auf § 323 ZPO wurde Bezug genommen.

5

Die Klägerin verkaufte die ihr übertragenen Wertpapiere sogleich und verwendete den Erlös zur Tilgung von [X.]erbindlichkeiten, mit denen die Kläger ihr selbstgenutztes Einfamilienhaus finanziert hatten.

6

Aufgrund der [X.]erträge I und II leistete die Klägerin an [X.] in den Streitjahren die folgenden Zahlungen:

7

Jahr  

[X.]ertrag I  

[X.]ertrag II 

Summe

1988 

8.843 D[X.]  

17.687 D[X.] 

26.530 D[X.]

1989  

7.704 D[X.]  

15.410 D[X.] 

23.114 D[X.]

1990

7.756 D[X.] 

15.514 D[X.] 

23.270 D[X.]

1991   

8.038 D[X.]  

16.077 D[X.]

24.115 D[X.]

1992 

8.557 D[X.] 

17.114 D[X.] 

25.671 D[X.]

1993   

8.724 D[X.]  

17.448 D[X.] 

26.172 D[X.]

1994 

8.461 D[X.] 

16.923 D[X.] 

25.384 D[X.]

1995   

8.692 D[X.]

17.386 D[X.]  

26.078 D[X.]

                                                                                                                                                                                                                                                                                

8

Die Kläger machten diese Beträge in ihren Einkommensteuererklärungen als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes --EStG--) geltend. Das seinerzeit zuständige [X.] ([X.]) versagte den Abzug. Das Einspruchsverfahren ruhte zunächst im Hinblick auf ein von den Klägern wegen derselben Frage für den [X.]eranlagungszeitraum 1987 anhängig gemachtes Klageverfahren (15 K 2630/94; Klageverfahren I). Das Finanzgericht ([X.]) wies diese Klage am 12. Dezember 1996 ab. Hinsichtlich des [X.]ertrags I sei kein Abzug möglich, weil ein schlichter Geldbetrag keine ertragbringende Wirtschaftseinheit darstelle. Hinsichtlich des [X.]ertrags II könne offenbleiben, ob Wertpapiere tauglicher Gegenstand einer [X.]ermögensübergabe sein könnten; jedenfalls fehle es an der [X.]oraussetzung lebenslanger Leistungen. Der erkennende Senat wies die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger mit Beschluss vom 9. Oktober 1997 [X.]/97 ([X.]/N[X.] 1998, 447) zurück; das [X.] (B[X.]erfG) nahm die [X.]erfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an (Beschluss vom 5. [X.]ärz 1998  2 BvR 2145/97).

9

Anschließend, am 15. Juni 1998, beantragte die Klägerin, die Einkommensteuer der Jahre 1986 bis 1997 aus Billigkeitsgründen abweichend festzusetzen ([X.]). Sie begehrte, so gestellt zu werden, als habe sie von [X.] existenzsichernde Wirtschaftseinheiten erhalten. Hierzu behauptete sie, das übergebene Geld- bzw. [X.] stamme aus den [X.] für das erlittene [X.] Unrecht. Nach Ablehnung des Billigkeitsantrags durch das [X.] erhob die Klägerin Klage (15 K 2024/99 [X.]; Klageverfahren II), die das [X.] am 28. November 2002 abwies. Der erkennende Senat wies die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 12. September 2007 [X.] ([X.]/N[X.] 2008, 102) zurück. Zur Begründung führte er u.a. aus, die ablehnende Ermessensentscheidung des [X.] beruhe nicht auf einer herkunftsbedingten Diskriminierung.

Parallel zu diesem Billigkeitsverfahren betrieben die Kläger in dieser Sache ein weiteres Klageverfahren wegen der Einkommensteuer 1996 (15 K 5219/98 E; Klageverfahren III). Auch diese Klage wies das [X.] am 28. November 2002 mit der Begründung ab, die Übergabe von [X.] führe nicht zu einer dauernden Last. Während des anschließenden Rechtsmittelverfahrens stellte der [X.] des [X.] ([X.]) das Rechtsinstitut der [X.]ermögensübergabe gegen [X.]ersorgungsleistungen auf eine neue Grundlage und ließ auch den Abzug solcher [X.]ersorgungsleistungen zu, die in Zusammenhang mit der Übergabe von [X.] stehen ([X.]-Beschluss vom 12. [X.]ai 2003 GrS 1/00, [X.]E 202, 464, [X.], 95). Der erkennende Senat hob daraufhin im Klageverfahren III das finanzgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache an das [X.] zurück (Senatsurteil vom 1. [X.]ärz 2005 [X.], [X.]E 209, 302, [X.], 103): Hinsichtlich der auf dem [X.]ertrag I beruhenden Übergabe der 100.000 D[X.] könne eine abziehbare dauernde Last unter dem Gesichtspunkt der Schuldentilgung begründet worden sein. Allerdings sei hierfür die Ablösung langfristiger [X.]erbindlichkeiten erforderlich; dies müsse das [X.] näher aufklären. Demgegenüber komme hinsichtlich des [X.]ertrags II kein Abzug in Betracht, weil keine lebenslangen Leistungen vereinbart worden seien. Ergänzend fügte der Senat hinzu (unter [X.]): "Soweit sich die Kläger darauf beziehen, dass die [X.] 1986 ([X.]) eine auf die [X.]indestlaufzeit von zehn Jahren begrenzte dauernde Last als nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG abziehbar anerkannt haben, müsste ein auf den rechtlichen Gesichtspunkt der rückwirkenden [X.]erschärfung der Rechtsprechung gestützter Anspruch auf Erlass einer Billigkeitsmaßnahme in einem anderen [X.]erfahren (...) geltend gemacht werden. Dies würde freilich voraussetzen, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Abschlusses der [X.]erträge davon ausgehen konnte, mit der Übergabe von [X.] könne eine dauernde Last gestaltet werden."

Im zweiten Rechtsgang wies das [X.] die Klage erneut ab (Urteil vom 22. Februar 2007  15 K 2812/05 E). Es hatte sich nicht davon überzeugen können, dass das mit dem [X.]ertrag I übergebene Geldvermögen tatsächlich zur Tilgung langfristiger [X.]erbindlichkeiten verwendet worden ist.

Daraufhin stellten die Kläger am 27. [X.]ärz 2008 einen weiteren --den nunmehr streitgegenständlichen-- Billigkeitsantrag für die Einkommensteuer 1988 bis 1995 ([X.]I). Die Klägerin habe auf Abschn. 87 Abs. 2 [X.] 1986 vertraut, wonach eine [X.]indestlaufzeit von zehn Jahren für die Abziehbarkeit ausreiche. Der zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) lehnte den Antrag ab und wies den Einspruch zurück: Über einen Billigkeitsantrag sei bereits rechtskräftig entschieden worden. Jedenfalls fehle es deshalb an einer Grundlage für den begehrten [X.]ertrauensschutz, weil die Übertragung von Geld- oder [X.] nach damaliger [X.]erwaltungsauffassung keine abziehbare dauernde Last habe begründen können. Es wäre nicht ermessensgerecht, auf der einen Seite zwar die für die Kläger günstigen Aspekte der Rechtsprechungsänderung (Erweiterung auf die Übergabe von Geld- und [X.]) nachträglich zugunsten der Kläger zu berücksichtigen, andererseits aber die ungünstigen Aspekte der Rechtsprechungsänderung (Erfordernis lebenslanger Leistungen) auszublenden.

Die Kläger erhoben hiergegen Klage "wegen Ablehnung des Antrags auf abweichende Festsetzung der Einkommensteuer 1988 - 1995 gemäß §§ 163, 227 [X.]" (16 K 2195/08 [X.]; Klageverfahren I[X.]), die sie auf diejenigen Beträge beschränkten, die infolge des [X.]ertrags II gezahlt worden waren. Das [X.] wies die Klage ab; als Streitgegenstand ist im Rubrum ein Antrag nach § 163 der Abgabenordnung ([X.]) aufgeführt. Nach Auffassung des [X.] wäre ein Abzug der Zahlungen auf der Grundlage der im Zeitpunkt des Abschlusses des [X.]ertrags II geltenden [X.]erwaltungsauffassung zwar nicht bereits an der auf zehn Jahre beschränkten Laufzeit der Leistungen gescheitert. Allerdings sei eine Billigkeitsmaßnahme unter dem Gesichtspunkt des [X.]ertrauensschutzes nur dann geboten, wenn infolge einer [X.]erschärfung der Rechtsprechung die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit solcher Aufwendungen entfallen ist, die nach der im Zeitpunkt des [X.]ertragsschlusses geltenden eindeutigen Rechtslage, auf die der Steuerpflichtige vertraut hat und hat vertrauen können, abziehbar waren. Daran fehle es hier, weil bei der Übergabe von [X.] damals eine kauf- und darlehensähnliche [X.]ereinbarung angenommen worden sei, die nicht den Tatbestand der [X.]ermögensübergabe gegen [X.]ersorgungsleistungen erfüllt habe. Zudem sei im Zeitpunkt des [X.]ertragsschlusses noch die [X.] angewendet worden, wonach die an [X.] erbrachten laufenden Geldleistungen zunächst mit dem Wert des erhaltenen [X.]s hätten verrechnet werden müssen. Danach hätten sich jedenfalls für die Streitjahre aufgrund der vorrangig vorzunehmenden [X.]errechnung noch keine Abzugsbeträge ergeben.

Nach Ergehen des Urteils stellten die Kläger einen Ablehnungsantrag gegen einen [X.] sowie einen Tatbestandsberichtigungsantrag. Beide Anträge blieben erfolglos.

Parallel zu diesem Billigkeitsverfahren, das die auf dem [X.]ertrag II beruhenden Zahlungen betraf, hatten die Kläger für die Streitjahre ein weiteres Klageverfahren hinsichtlich der auf dem [X.]ertrag I beruhenden Zahlungen betrieben (16 K 2194/08 E; Klageverfahren [X.]). Hier kam es in der mündlichen [X.]erhandlung vor dem [X.] zu einer tatsächlichen [X.]erständigung, wonach ca. 20 % dieser Zahlungen als dauernde Last anzuerkennen seien.

Ihre gegen die finanzgerichtliche Entscheidung im Klageverfahren I[X.] erhobene Nichtzulassungsbeschwerde begründen die Kläger zunächst mit [X.]erfahrensmängeln. Das [X.] sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, da für Entscheidungen über [X.] nach § 227 [X.] nicht der 16., sondern der 12. Senat des [X.] zuständig sei. Sie hätten keinen Antrag nach § 163 [X.], sondern nur einen solchen nach § 227 [X.] gestellt. Zudem sei die Abgrenzung zwischen § 163 [X.] einerseits und § 227 [X.] andererseits von grundsätzlicher Bedeutung. Auch sei das [X.] parteilich gewesen.

[X.]on grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verletzt werde, wenn eine dem Steuerpflichtigen nachteilige Rechtsprechung auf den Zeitpunkt der Disposition zurückbezogen werde. [X.] sei auch, wie weit der Interpretationsspielraum der Rechtsprechung bei unklarem Gesetzeswortlaut reiche. Richtigerweise dürfe eine dauernde Last nicht vom Erfordernis lebenslanger Leistungen abhängig gemacht werden. Schließlich sei klärungsbedürftig, ob die [X.]erwaltung an ihre eigenen [X.]orschriften gebunden sei. Insoweit verweisen sie --in ihrem erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz vom 28. Juli 2010-- auf die Schreiben des [X.] (B[X.]F) vom 23. Dezember 1996 (BStBl I 1996, 1508, [X.]) und vom 26. August 2002 (BStBl I 2002, 893, [X.]), in denen für Wertpapierübertragungen, die vor dem 1. Januar 1997 erfolgt seien, jeweils vertrauensschützende Übergangsregelungen getroffen worden seien.

Ferner sei die Revision auch aus Gründen der Wiedergutmachung von [X.]m Unrecht zuzulassen. Zwar hätten die Kläger ihre Klage ausdrücklich nicht auf diesen Gesichtspunkt gestützt. Das [X.] wäre aber verpflichtet gewesen, dies von Amts wegen zu prüfen.

Das [X.] tritt der Beschwerde entgegen.

Entscheidungsgründe

II. Der erkennende [X.] ist für die Entscheidung über die Beschwerde zuständig.

1. Soweit die Kläger anführen, die Zuständigkeit sei im Geschäftsverteilungsplan nicht geregelt, so dass die Auffangzuständigkeit des II. [X.]s greife, ist auf Nr. [X.] der ergänzenden Regelungen des [X.] 2011 des [X.] hinzuweisen. Danach entscheiden grundsätzlich die Fachsenate über Fragen der [X.], zu denen auch Entscheidungen über [X.] gehören. Die Stellung des [X.] als "Fachsenat" für das vorliegende [X.]erfahren ergibt sich aus Nr. 3 Buchst. a seiner Zuständigkeit.

2. Die Äußerung der Kläger, "sollte sich der erkennende [X.] durch die in den vorstehenden Ausführungen enthaltene Richterschelte angegriffen fühlen, stellen wir anheim, die Entscheidung über die Zulassung der Revision aus [X.] einem anderen [X.] zu übertragen", wertet der [X.] nicht als förmlichen Ablehnungsantrag. Ein Ablehnungsantrag stellt eine Prozesserklärung dar. [X.] sind aber nur wirksam, wenn sie hinreichend klar, eindeutig, vorbehaltlos und unbedingt erhoben werden (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt [X.]sbeschluss vom 28. Dezember 2010 [X.]/10, [X.]/N[X.] 2011, 624, unter [X.], betr. Erledigungserklärung). Daran fehlt es bei der von den Klägern gewählten Formulierung.

III.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Die Kläger haben die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) entsprechenden Weise dargelegt.

1. Die von den Klägern behaupteten [X.]erfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) sind nicht schlüssig geltend gemacht worden.

a) Soweit die Kläger die Zuständigkeit des erstinstanzlich erkennenden 16. [X.]s des [X.] --und damit eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung i.S. des § 119 Nr. 1 [X.]O-- [X.], ist darauf hinzuweisen, dass ihre Behauptung, sie hätten ausschließlich einen Erlass nach § 227 [X.], nicht aber eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 [X.] begehrt, unzutreffend ist. [X.]ielmehr hatten sie in der Klageschrift ausdrücklich eine "abweichende Festsetzung ... gem. §§ 163, 227 [X.]" begehrt. Das [X.] hat ausweislich des Rubrums seines Urteils über einen Antrag nach § 163 [X.] entschieden. Hierfür war es zuständig (vgl. Geschäftsverteilungsplan des [X.] für das [X.], Anmerkung C.I.1.).

Im Übrigen hat sich der erkennende [X.] mit einer vergleichbaren Zuständigkeitsrüge der Klägerin bereits in seiner Entscheidung im [X.]/Klageverfahren II (Beschluss in [X.]/N[X.] 2008, 102, unter [X.]) befasst und diese für nicht durchgreifend erachtet. Trotz dieser Entscheidung bringen die Kläger keine neuen Gesichtspunkte vor, die zu einer anderen Beurteilung Anlass geben könnten.

b) Soweit die Kläger --unter Bezugnahme auf ihren Ablehnungsantrag vom 7. April 2010-- eine "Parteilichkeit" des [X.] behaupten, wird damit kein [X.]erfahrensmangel dargelegt. Beschlüsse über die Ablehnung von [X.] sind unanfechtbar (§ 128 Abs. 2 [X.]O). Damit unterliegen sie grundsätzlich auch nicht der Beurteilung in einem Revisionsverfahren (§ 124 Abs. 2 [X.]O), was entsprechend für das Beschwerdeverfahren gelten muss. Dies schließt es zwar nicht aus, im Zusammenhang mit der unzutreffenden Behandlung eines Ablehnungsantrags die [X.]erletzung des Anspruchs auf [X.] zu [X.]; Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes greift indes nur bei willkürlichen [X.]erstößen gegen [X.]erfahrensvorschriften ein. Deshalb hat eine Besetzungsrüge nur dann Erfolg, wenn der Beschluss über die Zurückweisung des [X.] nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich ist ([X.]-Urteil vom 10. August 2006 II R 59/05, [X.]E 214, 518, [X.], 758, unter [X.] aa, m.w.N.). Hierfür haben die Kläger nichts vorgetragen.

c) Welchen [X.]erfahrensmangel die Kläger mit ihrem [X.]orbringen [X.] wollen, die Berichterstattung im Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils sei "tendenziös" und "überflüssig", wird nicht ersichtlich.

2. Die Kläger haben auch nicht darlegen können, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O hätte.

Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache setzt voraus, dass die Beschwerdebegründung konkrete Rechtsfragen bezeichnet und auf deren Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit im angestrebten Revisionsverfahren sowie auf deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht ([X.]-Beschluss vom 18. November 2010 [X.]/10, [X.]/N[X.] 2011, 406, unter [X.], m.w.N.). Daran fehlt es hinsichtlich sämtlicher von den Klägern angesprochener Rechtsfragen.

a) Soweit die Kläger die Frage aufwerfen, ob das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verletzt werde, wenn Rechtsprechung, die einem Steuerpflichtigen nachteilig sei, auf den Zeitpunkt der Disposition zurückbezogen werde, fehlt es an der Darlegung der Klärungsfähigkeit in einem künftigen Revisionsverfahren. Denn bereits das [X.] hat die von den Klägern angeführte Problematik gesehen und den Sachverhalt im Rahmen der Prüfung einer vertrauensschützenden Billigkeitsmaßnahme auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Disposition geltenden [X.]erwaltungsauffassung beurteilen wollen. In diesem Zusammenhang hat es u.a. ausgeführt, die --erst nach Abschluss des [X.] ergangene-- höchstrichterliche Rechtsprechung zum Erfordernis lebenslanger Leistungen stehe einem Erlass nicht entgegen, weil nach den im Zeitpunkt der Disposition geltenden [X.]erwaltungsanweisungen auch solche Leistungen begünstigt gewesen seien, deren Laufzeit mindestens zehn Jahre habe betragen sollen.

Der Hinweis der Kläger auf die neuere Rechtsprechung des [X.] zur weiter eingeschränkten Zulässigkeit der Rückwirkung von Gesetzen führt ebenfalls nicht weiter, weil es vorliegend allein um vertrauensschützende Übergangsregelungen der Finanzverwaltung geht, die im Hinblick auf Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung erlassen werden.

b) Ferner begehren die Kläger die Klärung der Frage, wie weit der Interpretationsspielraum der Rechtsprechung bei unklarem Gesetzeswortlaut reiche. Insbesondere sei zu klären, ob die Rechtsprechung zur Begründung der These, nur lebenslange Leistungen seien begünstigt, auf den historischen Gesetzgeber vergangener Jahrhunderte sowie Entscheidungen des [X.] zurückgreifen dürfe.

Auch insoweit fehlt es indes an der Darlegung der Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren, da das [X.] --wie unter a ausgeführt-- unterstellt hat, dass nach damaliger [X.]erwaltungsauffassung auch Leistungen, die nicht auf Lebenszeit gewährt wurden, begünstigt waren. Im Übrigen setzen sich die Kläger mit der umfangreichen Rechtsprechung und Literatur zur Reichweite der Auslegungsbefugnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht auseinander.

c) Soweit die Kläger die Frage aufwerfen, ob eine Selbstbindung der [X.]erwaltung an [X.]erwaltungsvorschriften besteht, legen sie nicht dar, inwieweit diese Frage --bezogen auf vertrauensschützende [X.] umstritten ist. Sie befassen sich auch nicht mit den hierzu von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätzen.

Mit ihrem --erstmals in einem nach Ablauf der [X.] eingegangenen Schriftsatz enthaltenen-- [X.]erweis auf die zur Übertragung von Wertpapiervermögen ergangenen Übergangsregelungen in den BMF-Schreiben in [X.], 1508 und [X.], 893, legen die Kläger nicht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dar, sondern machen lediglich sinngemäß geltend, das [X.] habe diese --auch von den Klägern nicht ins finanzgerichtliche [X.]erfahren eingeführten-- [X.]erwaltungsanweisungen übersehen. Darin läge jedoch allenfalls ein materiell-rechtlicher Fehler in einem Einzelfall, der nicht zur Zulassung der Revision führen kann (vgl. [X.]-Beschluss vom 24. September 2008 IX [X.]/08, [X.]/N[X.] 2009, 39).

d) Die von den Klägern formulierte Frage zum [X.]erhältnis zwischen § 163 [X.] einerseits und § 227 [X.] andererseits ist ebenfalls erst nach Ablauf der [X.] vorgetragen worden. Im Übrigen fehlt es an Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit, insbesondere an der erforderlichen Auseinandersetzung mit der zu dieser Frage bereits vorhandenen Rechtsprechung und Literatur.

3. Das [X.]orbringen der Kläger, die Entscheidung des [X.] sei greifbar gesetzwidrig, weil es --unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des erkennenden [X.]s-- offensichtlich einschlägige Steuertatbestände in völlig unvertretbarer Weise auslege, bezieht sich ebenfalls auf das Erfordernis lebenslanger [X.]ersorgungsleistungen. Gerade dieses Erfordernis hat das [X.] für Zwecke des Billigkeitsverfahrens aber unangewendet gelassen. Die Einwendungen der Kläger gegen die [X.]srechtsprechung sind daher nicht entscheidungserheblich.

4. Mit ihrem weiteren Begehren, die Revision zur Wiedergutmachung [X.] Unrechts zuzulassen, legen die Kläger keinen der gesetzlichen Zulassungsgründe dar.

Sie hatten ihren Billigkeitsantrag ausdrücklich (vgl. Schreiben vom 7. April 2010) nicht auf diesen Aspekt, sondern ausschließlich auf die Gewährung von [X.]ertrauensschutz gestützt. Auch im Beschwerdeverfahren haben die Kläger nochmals ausdrücklich wiederholt ([X.]. 2 des Schriftsatzes vom 14. Januar 2011), die persönlichen Lebensumstände des [X.] hätten mit der eigentlichen Streitfrage, ob die Steuer unter dem Gesichtspunkt des [X.]ertrauensschutzes zu erlassen sei, nichts zu tun. Der Gegenstand des [X.]erfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde kann aber im [X.]ergleich zum vorangehenden [X.]erwaltungs- und Klageverfahren nicht erweitert werden.

Meta

X B 74/10

05.05.2011

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 25. März 2010, Az: 16 K 2195/08 AO, Urteil

§ 42 ZPO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 124 Abs 2 FGO, § 128 Abs 2 FGO, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 116 Abs 3 S 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.05.2011, Az. X B 74/10 (REWIS RS 2011, 6993)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6993

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