Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 08.03.2022, Az. 1 ABR 20/21

1. Senat | REWIS RS 2022, 3275

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Gegenstand

Technische Überwachungseinrichtung - Gesamtbetriebsrat


Leitsatz

Die unternehmenseinheitliche Nutzung von Microsoft Office 365 mit der Möglichkeit einer zentralen Kontrolle von Verhalten und Leistung der Arbeitnehmer erfordert aus zwingenden technischen Gründen eine betriebsübergreifende Regelung, für die der Gesamtbetriebsrat zuständig ist.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des zu 1. beteiligten Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 21. Mai 2021 - 9 TaBV 28/20 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Zuständigkeit des antragstellenden Betriebsrats bei der Einführung und Anwendung des [X.] 365 (jetzt [X.] 365).

2

Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin unterhält mehrere Betriebe, darunter ein als „[X.]“ bezeichnetes Verteilzentrum in [X.] mit etwa 2.000 Arbeitnehmern. Der Antragsteller ist der für diesen Betrieb gebildete Betriebsrat. Die Beteiligten zu 5. bis 12. sind die in den übrigen Betrieben der Arbeitgeberin gewählten Betriebsräte. Der Beteiligte zu 4. ist der im Unternehmen errichtete Gesamtbetriebsrat.

3

Die Arbeitgeberin beabsichtigt, das Softwarepaket [X.] 365 von [X.] in allen Betrieben ihres Unternehmens zu nutzen. Das Produkt besteht aus den Desktop-Anwendungen [X.] 365 [X.] (jetzt [X.] 365 Apps) und den Diensten Teams, [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] (jetzt Power Automate), Forms, Power Apps und [X.]Do. Die Nutzung der Software soll in Form einer „1-[X.]-Lösung“ erfolgen. Dabei wird das gesamte Unternehmen bezogen auf die elektronische Datenverarbeitung als ein einheitlicher Mandant ([X.]) mit einer zentralen Administration geführt. Die bei der Nutzung der Software erstellten und erhobenen Daten werden in einer einheitlichen Cloud gespeichert.

4

Der Gesamtbetriebsrat stimmte dem unternehmensweiten Einsatz des [X.] im April 2019 zu.

5

Bis Ende Juni 2020 waren im Verteilzentrum in [X.] - neben den Arbeitnehmern der Arbeitgeberin - auch zwei Teams der [X.] mit insgesamt zwanzig Arbeitnehmern tätig. Die [X.] entwickelt und betreut die Informationstechnologie im Konzern. Am 22. Juni 2020 schlossen die Arbeitgeberin und die [X.] eine Vereinbarung, mit der sie die gemeinsame Betriebsführung für das Verteilzentrum mit sofortiger [X.]irkung beendeten. Ende Juni 2020 zogen die Arbeitnehmer der [X.] in ein anderes Betriebsgebäude um.

6

Der antragstellende Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, er habe bei der Einführung und Anwendung des [X.] - zumindest aber von Teilen desselben - mitzubestimmen. Für eine unternehmensweit einheitliche Regelung bestehe keine zwingende technische Notwendigkeit. Die zentralen Administrationsrechte könnten - jedenfalls für einige Module - auf [X.] geregelt und die Anwendung in den einzelnen Betrieben unterschiedlich ausgestaltet werden. Zudem bestehe die Möglichkeit, einzelne Module unabhängig von der Cloud zu nutzen. Jedenfalls sei der Gesamtbetriebsrat nicht zuständig, weil in ihn Arbeitnehmer entsandt seien, die nicht dem Unternehmen der Arbeitgeberin angehörten.

7

Der zu 1. beteiligte Betriebsrat hat zuletzt sinngemäß beantragt

        

festzustellen, dass er für die Einführung von [X.] [X.] 365 am Standort [X.] zuständig ist;

        

hilfsweise

        

festzustellen, dass er für die Einführung von [X.] [X.] 365 im Hinblick auf die Module Teams, [X.] 365 [X.], To Do, [X.], [X.], [X.] und [X.] zuständig ist;

        

hilfsweise

        

festzustellen, dass der Gesamtbetriebsrat der d GmbH + Co. KG für die Einführung von [X.] [X.] 365 unzuständig ist.

8

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

9

Das Arbeitsgericht hat den - zunächst allein anhängigen, sprachlich anders gefassten - Hauptantrag abgewiesen. Das [X.] hat die Beschwerde des antragstellenden Betriebsrats zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der antragstellende Betriebsrat sein Begehren weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde des antragstellenden Betriebsrats ist zulässig, aber unbegründet.

I. Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin ist der Betriebsrat [X.].

1. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist und mit seinem Rechtsmittel gerade die Beseitigung dieser Beschwer begehrt. Die Rechtsmittelbefugnis im Beschlussverfahren folgt der [X.]. Daher ist [X.] nur derjenige, der nach § 83 Abs. 3 ArbGG am Verfahren beteiligt ist. In einem Beschlussverfahren kann nach § 83 Abs. 3 ArbGG nur eine Person, Vereinigung oder Stelle zu hören sein, die nach § 10 ArbGG partei- und damit beteiligtenfähig ist (vgl. etwa [X.] 19. Dezember 2018 - 7 [X.] - Rn. 16 f. [X.]).

2. Der antragstellende Betriebsrat ist beteiligtenfähig.

a) Der [X.] kann auf der Grundlage der vom [X.] getroffenen Feststellungen allerdings nicht beurteilen, ob die Arbeitgeberin und die [X.] das Verteilzentrum in [X.] bis Ende Juni 2020 als gemeinsamen Betrieb iSd. § 1 Abs. 2 [X.] geführt haben.

aa) Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen besteht, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen [X.] gesteuert wird. Dazu müssen die Funktionen des Arbeitgebers in den [X.] und personellen Angelegenheiten des [X.]es institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden. Das verlangt nach einem arbeitgeberübergreifenden Betriebsmittel- und Personaleinsatz, der charakteristisch für den normalen Betriebsablauf ist. Der bloße Abschluss einer Führungsvereinbarung genügt nicht ([X.] 20. Februar 2018 - 1 [X.] - Rn. 11 [X.]).

bb) Der Inhalt der von der Arbeitgeberin und der [X.] geschlossenen Vereinbarung vom 22. Juni 2020 spricht zwar dafür, dass sie bis Juni 2020 die Arbeitgeberfunktionen in den [X.] und personellen Angelegenheiten institutionell einheitlich ausgeübt haben. Anders als vom [X.] angenommen, stünde auch der Unternehmenszweck der [X.], Informationstechnologie für den Konzern zu entwickeln und zu betreuen, der Annahme eines gemeinschaftlichen Betriebs nicht entgegen. Da den zwei Teams, die im Verteilzentrum eingesetzt waren, zumindest auch die Aufgabe oblag, dessen IT-Support sicherzustellen, hätten auch die Arbeitnehmer der [X.] zur Erfüllung des arbeitstechnischen Zwecks dieses Betriebs beitragen können. Es fehlen aber jegliche tatsächlichen Feststellungen, ob und inwieweit im Verteilzentrum ein gemeinsamer Einsatz von Betriebsmitteln beider Unternehmen und ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz erfolgte.

b) Die [X.] ist jedoch unabhängig davon gegeben, ob das Verteilzentrum tatsächlich bis Ende Juni 2020 ein Gemeinschaftsbetrieb der Arbeitgeberin und der [X.] war.

aa) Sollte es sich um einen gemeinsamen Betrieb beider Unternehmen gehandelt haben, hätte die Auflösung ihrer Betriebsführungsgemeinschaft durch die Vereinbarung vom 22. Juni 2020 und die getrennte Fortführung der einzelnen Betriebsteile zu einer Spaltung dieses Betriebs geführt (vgl. [X.] 31. Aufl. § 21a Rn. 9a; DK[X.]/[X.] 18. Aufl. § 21a Rn. 32; [X.]/Annuß [X.] 17. Aufl. § 111 Rn. 101). Diese Spaltung hätte allerdings nicht zur Folge gehabt, dass der Betriebsrat - neben einem zeitlich befristeten Übergangsmandat iSd. § 21a Abs. 1 Satz 1 [X.] für den neuen Betrieb der [X.] in [X.] - lediglich ein Restmandat iSd. § 21b [X.] für den ehemaligen Gemeinschaftsbetrieb und ein Übergangsmandat für das von der Arbeitgeberin allein weitergeführte Verteilzentrum erworben hätte. Vielmehr wäre er dort weiterhin im Amt verblieben.

(1) Eine Betriebsspaltung ist die Teilung des Betriebs in tatsächlicher Hinsicht. Sie kann sowohl in Form einer Betriebsaufspaltung als auch in Form einer Abspaltung eines Betriebsteils erfolgen. Bei einer Aufspaltung wird der [X.] aufgelöst; der Betriebsrat erhält unter den Voraussetzungen des § 21a Abs. 1 Satz 1 [X.] ein zeitlich begrenztes Übergangsmandat für die Betriebsteile und behält nach § 21b [X.] ein Restmandat für den [X.]. Bei einer Abspaltung bleibt die Identität des ursprünglichen Betriebs hingegen erhalten. Der Betrieb wird nicht aufgelöst, sondern besteht fort. Der Betriebsrat bleibt in diesem Fall im Amt und behält - neben einem Übergangsmandat iSv. § 21a Abs. 1 [X.] für den abgespaltenen Betriebsteil - das ihm durch die [X.]ahl übertragene Mandat zur Vertretung der Belegschaftsinteressen und zur [X.]ahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben (vgl. [X.] 24. Mai 2012 - 2 [X.] - Rn. 48 [X.], [X.]E 142, 36; 18. März 2008 - 1 [X.] - Rn. 12 [X.], [X.]E 126, 169).

(2) Diese Grundsätze gelten auch für einen von mehreren Unternehmen geführten Gemeinschaftsbetrieb. Die Auflösung der Betriebsführungsgemeinschaft und die getrennte Fortführung der Betriebsteile in eigenständigen Betrieben hat nicht stets zur Folge, dass damit der [X.] untergeht iSv. § 21b [X.] (aA wohl Kreutz GK-[X.] 12. Aufl. § 21a Rn. 97; [X.] 31. Aufl. § 21a Rn. 9a; [X.]PK/[X.]lotzke [X.] 4. Aufl. § 21a Rn. 22). Entscheidend ist vielmehr auch in einem solchen Fall, ob dessen Identität erhalten bleibt, weil ein räumlicher und funktionaler Zusammenhang mit dem [X.] gegeben und das betriebliche Substrat, auf das sich das [X.] bezieht, weitgehend unverändert geblieben ist (vgl. [X.] 24. Mai 2012 - 2 [X.] - Rn. 49 [X.], [X.]E 142, 36).

(3) Ausgehend hiervon hätte das Amt des Betriebsrats bei der Spaltung eines von der Arbeitgeberin und der [X.] gemeinschaftlich geführten [X.] nicht geendet. Die Identität dieses Betriebs wäre auch nach der Auflösung der Betriebsführungsgemeinschaft beider Unternehmen und dem Umzug der bei der [X.] beschäftigten Arbeitnehmer in ein anderes Betriebsgebäude unverändert geblieben. Der arbeitstechnische Zweck des [X.] besteht weiterhin darin, die [X.]are für die d-Märkte zu kommissionieren und an sie zu liefern. Der ganz überwiegende Teil der im Verteilzentrum beschäftigten Arbeitnehmer ist dort immer noch tätig. Auch in räumlicher Hinsicht ist die Situation unverändert geblieben. Das Verteilzentrum befindet sich am selben Standort und in denselben Betriebsräumen. Anhaltspunkte für die Annahme, die Identität des Betriebs prägende Strukturen wären nach dem Umzug der [X.] grundlegend verändert worden, sind weder dargetan noch ersichtlich. Der bloße Umstand, dass der betriebliche [X.] in diesem Fall nur noch von einem Rechtsträger - der Arbeitgeberin - gebildet würde, stünde einer Identitätswahrung nicht entgegen. Durch eine bloße Veränderung in der Betriebsführung wird die betriebliche Organisationseinheit, für die der Betriebsrat gewählt worden ist, nicht berührt (vgl. schon [X.] 19. November 2003 - 7 [X.] - zu I 2 a der Gründe, [X.]E 109, 1).

bb) Sollte das Verteilzentrum zuvor kein gemeinsam von der Arbeitgeberin und der [X.] geführter Betrieb gewesen sein, wäre im Ergebnis nichts anderes anzunehmen. Die [X.]ahl des für diesen Standort errichteten Betriebsrats wäre dann zwar wegen einer Verkennung des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs nach § 19 Abs. 1 [X.] anfechtbar gewesen. Ein solcher Verstoß hätte aber nicht ihre Nichtigkeit zur Folge gehabt (vgl. etwa [X.] 22. November 2017 - 7 [X.] - Rn. 22, [X.]E 161, 101; 27. Juli 2011 - 7 [X.] - Rn. 42 [X.], [X.]E 138, 377). Der Umzug der [X.] im Juni 2020 hätte lediglich eine räumliche Trennung der beiden „betrieblichen“ Einheiten der Unternehmen bewirkt und damit erst recht nicht zu einem Verlust der Identität des [X.] und der [X.] geführt. Hierfür wären keine anderen Maßstäbe als für einen von zwei Unternehmen zuvor gemeinsam geführten Betrieb anzulegen.

II. In der Sache bleibt die Rechtsbeschwerde aber ohne Erfolg.

1. Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet. Dem antragstellenden Betriebsrat steht das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 [X.] bei der Nutzung des [X.] 365 nicht zu.

a) Der Antrag ist nach gebotener Auslegung zulässig.

aa) Nach seinem [X.]ortlaut zielt er darauf ab, die Zuständigkeit des antragstellenden Betriebsrats „für die Einführung von [X.] [X.] 365“ festzustellen. Die Bezeichnung „[X.] [X.] 365“ umschreibt das Softwarepaket als Gesamtheit mit seinen einzelnen Modulen, das die Arbeitgeberin auf der Grundlage einer „1-[X.]-Lösung“ im Unternehmen einsetzen will. [X.]ie die Antragsbegründung des Betriebsrats zeigt, begehrt er die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts nicht lediglich bei der Einführung, sondern auch - und vor allem - bei seiner Anwendung. Dieses Verständnis entspricht auch dem Gebot rechtsschutzgewährender Antragsauslegung (vgl. dazu [X.] 28. Juli 2020 - 1 [X.] - Rn. 11, [X.]E 171, 340; 22. Oktober 2019 - 1 [X.] - Rn. 15). Bei der Einführung und Anwendung einer zur Überwachung geeigneten technischen Einrichtung handelt es sich um eine - untrennbare - Angelegenheit, die dem einheitlichen Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 6 [X.] unterfällt (vgl. [X.] 14. November 2006 - 1 [X.] - Rn. 36, [X.]E 120, 146).

bb) Für den so verstandenen Antrag ist das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei einem bestimmten betrieblichen Vorgang betrifft ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Betriebsparteien und kann daher Gegenstand eines Feststellungsbegehrens iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sein (vgl. nur [X.] 26. Januar 2016 - 1 [X.] - Rn. 17 [X.]; 25. September 2012 - 1 [X.] - Rn. 17 [X.]).

b) Der Hauptantrag ist unbegründet.

aa) Die Einführung und Anwendung von [X.] [X.] 365 im Unternehmen unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 [X.].

(1) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 [X.] hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- oder [X.] über den Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen. Auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an (vgl. etwa [X.] 11. Dezember 2018 - 1 [X.] - Rn. 24 [X.]).

(2) Danach handelt es sich bei dem Softwarepaket [X.] 365 um eine technische Einrichtung in diesem Sinn. Die im Zusammenhang mit einer Verwendung der Desktop-Anwendungen [X.] 365 [X.] und den einzelnen Diensten erstellten, anfallenden oder erhobenen Daten können für eine Leistungs- oder Verhaltenskontrolle der Arbeitnehmer genutzt werden. Dies steht zwischen den Beteiligten außer Streit.

bb) Für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts ist der Gesamtbetriebsrat zuständig. Bei der Einführung und Anwendung der neuen Software handelt es sich um eine Angelegenheit, die mehrere Betriebe betrifft und nicht durch die einzelnen Betriebsräte geregelt werden kann.

(1) Die Ausübung der Mitbestimmungsrechte nach dem [X.] obliegt grundsätzlich dem von den Arbeitnehmern unmittelbar gewählten Betriebsrat. Dem Gesamtbetriebsrat ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur die Behandlung von Angelegenheiten zugewiesen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Erforderlich ist, dass es sich zum einen um eine mehrere Betriebe betreffende Angelegenheit handelt und zum anderen objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung besteht ([X.] 12. Juni 2019 - 1 ABR 5/18 - Rn. 32, [X.]E 167, 43; 18. Juli 2017 - 1 [X.] - Rn. 19 [X.], [X.]E 159, 360). Ob ein zwingendes Erfordernis gegeben ist, bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des [X.], der einer zu regelnden Angelegenheit zugrunde liegt. Maßgeblich sind stets die konkreten Gegebenheiten im Unternehmen und in den einzelnen Betrieben. Allein der [X.]unsch des Arbeitgebers nach einer unternehmenseinheitlichen oder betriebsübergreifenden Regelung, sein Kosten- oder Koordinierungsinteresse sowie reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte genügen nicht, um in Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zustimmung des [X.] zu begründen ([X.] 18. Juli 2017 - 1 [X.] - aaO [X.]; 17. März 2015 - 1 [X.] - Rn. 29 [X.], [X.]E 151, 117).

(2) Ausgehend hiervon ist die Annahme des [X.]s, die unternehmensweite Nutzung des [X.] 365 von [X.] in Form einer „1-[X.]-Lösung“ erfordere aus zwingenden technischen Gründen eine betriebsübergreifende Regelung, rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.

(a) Die Administration der Software, die die Arbeitgeberin einführen will, kann nur einheitlich für das gesamte Unternehmen - den sog. [X.] - erfolgen. Entsprechend werden auch die Administrationsrechte zentral vergeben. Dadurch besteht die Möglichkeit einer Kontrolle des Nutzungsverhaltens von Arbeitnehmern in sämtlichen Betrieben. Diese zentrale Überwachungsmöglichkeit gebietet aus technischen Gründen zwingend eine betriebsübergreifende Regelung (vgl. für die Zuständigkeit eines [X.] [X.] 25. September 2012 - 1 [X.] - Rn. 26 f.).

(b) Der Umstand, dass bei einzelnen Modulen benutzerbezogene Einstellungen vorgenommen werden können, führt entgegen der Auffassung des antragstellenden Betriebsrats zu keiner anderen Bewertung. Die zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle geeigneten Komponenten oder Funktionen - die etwa die Erstellung von Verwendungsberichten, [X.] oder [X.] erlauben - sind technisch nicht auf bestimmte Personen oder Personengruppen einschränkbar. So ist der zentrale Administrator zB in der Lage, bei allen Nutzern in den einzelnen Betrieben nachzuverfolgen, zu welchen Zeiten sie mit dem [X.] verbunden sind oder waren. Er hat zudem die - technisch nicht einschränkbare - Möglichkeit, auf sämtliche Benutzerdaten aus den Anwendungen des Moduls [X.] 365 [X.] zuzugreifen. Auch der Einwand des antragstellenden Betriebsrats, eine zwingende technische Notwendigkeit bestehe allenfalls für die Einführung, nicht aber für die Anwendung, jedenfalls aber nicht für sämtliche Module des [X.], verfängt nicht. Er übersieht, dass es sich hierbei um eine einheitliche betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit handelt, innerhalb derer eine Aufspaltung der Zuständigkeit auf mehrere betriebsverfassungsrechtliche Organe nicht möglich ist (vgl. [X.] 18. Juli 2017 - 1 [X.] - Rn. 21, [X.]E 159, 360; 14. November 2006 - 1 [X.] - Rn. 33 ff. [X.], [X.]E 120, 146). Eine „Verschiebung“ der Zuständigkeiten von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat - wie vom antragstellenden Betriebsrat angenommen - findet dadurch nicht statt. Die Zuständigkeit knüpft weiterhin an die jeweilige betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit und damit hier an die Einführung und Anwendung des [X.] 365 als „1-[X.]-Lösung“ an.

(c) Unerheblich ist, dass in der Sache für die Nutzung einzelner Module betriebsspezifische Regelungen getroffen werden können. Nach dem Grundsatz der Zuständigkeitstrennung obliegt die Regelung einer Angelegenheit entweder ausschließlich den einzelnen [X.], dem Gesamtbetriebsrat oder dem Konzernbetriebsrat. Diese gesetzliche Kompetenzverteilung ist zwingend und unabdingbar ([X.] 14. November 2006 - 1 [X.] - Rn. 34 [X.], [X.]E 120, 146). Ist der Gesamtbetriebsrat zuständig, muss er die gesamte Angelegenheit mit dem Arbeitgeber regeln (vgl. [X.] 14. November 2006 - 1 [X.] - Rn. 33, aaO). Die Betriebsparteien dürfen sich dabei nicht auf diejenigen Aspekte oder Inhalte beschränken, die zwingend einer unternehmenseinheitlichen Ausgestaltung bedürfen. Sie haben vielmehr selbst ggf. bestehende örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen. Ob der Gesamtbetriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nicht oder - wie der antragstellende Betriebsrat meint - nicht im erforderlichen Maß ausübt, ist für die Zuständigkeitsverteilung nicht entscheidend.

(d) Ohne Bedeutung ist zudem, dass die Arbeitgeberin [X.] [X.] 365 bereits in einzelnen Betrieben des Unternehmens eingeführt hat. Die technisch bedingte Notwendigkeit einer betriebsübergreifenden Regelung ergibt sich aus der zentralen Überwachungsmöglichkeit, die mit dem Einsatz dieser Software verbunden ist. Der [X.] muss nicht darüber entscheiden, ob sie auch durch eine unternehmenseinheitliche Nutzung (vgl. dazu [X.] 25. September 2012 - 1 [X.] - Rn. 26 f.) bedingt wäre, zumal das [X.] insoweit keine Feststellungen getroffen hat.

2. Der erste Hilfsantrag bleibt ebenfalls erfolglos. Er ist zwar zulässig, insbesondere ist er mit der Bezeichnung der einzelnen Module, bei deren Einführung und Anwendung der antragstellende Betriebsrat mitbestimmen möchte, hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 [X.] bezieht sich auf diejenige technische Einrichtung, die der Arbeitgeber einführen möchte. Dabei handelt es sich um eine einheitliche Angelegenheit, deren Aufspaltung in Bestandteile, die in die Zuständigkeit des [X.] fallen, und solche, für welche die örtlichen Betriebsräte zuständig sein könnten, nicht möglich ist.

3. Der weitere Hilfsantrag ist bereits unzulässig. Der antragstellende Betriebsrat ist für die erstrebte Feststellung nicht antragsbefugt.

a) Im Beschlussverfahren ist die Antragsbefugnis gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner kollektivrechtlichen Rechtsposition betroffen sein kann. Das ist der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht und dies nicht von vornherein als aussichtslos erscheint (vgl. [X.] 25. Februar 2020 - 1 [X.] - Rn. 17 [X.], [X.]E 170, 41).

b) Die Antragsbegründung und der Umstand, dass der Betriebsrat dieses Begehren ausdrücklich hilfsweise angebracht hat, lassen erkennen, dass es ihm damit nicht - wie mit dem Hauptantrag - darum geht, seine eigene Zuständigkeit geltend zu machen. Vielmehr erstrebt er unabhängig hiervon die gesonderte Feststellung, der Gesamtbetriebsrat sei für die Einführung und Anwendung von [X.] [X.] 365 unzuständig, weil er wegen der Entsendung unternehmensfremder Arbeitnehmer nicht wirksam errichtet worden sei.

c) Für dieses Feststellungsbegehren fehlt dem antragstellenden Betriebsrat die Antragsbefugnis. Durch die Abweisung des [X.] steht rechtskräftig fest, dass er für die genannte Angelegenheit nicht zuständig ist. Eine weitergehende Berechtigung, die Unzuständigkeit einer anderen Arbeitnehmervertretung geltend zu machen, kommt ihm nicht zu, weil er durch einen entsprechenden gerichtlichen Ausspruch nicht in einer eigenen kollektivrechtlichen Rechtsposition betroffen sein könnte. Selbst wenn die Errichtung des [X.] unwirksam wäre, begründete dies nicht die Zuständigkeit des antragstellenden Betriebsrats. Den örtlichen [X.] kommt keine „Auffangkompetenz“ für den Fall zu, dass ein Gesamtbetriebsrat - gesetzwidrig - nicht oder nicht wirksam errichtet wird (vgl. [X.] 17. Mai 2011 - 1 [X.] - Rn. 18; [X.] 31. Aufl. § 50 Rn. 10; [X.]/Annuß [X.] 17. Aufl. § 50 Rn. 46; Franzen GK-[X.] 12. Aufl. § 50 Rn. 18; DK[X.]/Deinert [X.] 18. Aufl. § 50 Rn. 14).

        

    Gallner    

        

    Ahrendt    

        

    Rinck    

        

        

        

    [X.]ankel    

        

    P. Merkel    

                 

Meta

1 ABR 20/21

08.03.2022

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Bonn, 20. Mai 2020, Az: 2 BV 94/19, Beschluss

§ 21b BetrVG, § 50 Abs 1 S 1 BetrVG, § 87 Abs 1 Nr 6 BetrVG, § 256 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 08.03.2022, Az. 1 ABR 20/21 (REWIS RS 2022, 3275)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3275


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 9 TaBV 28/20

Landesarbeitsgericht Köln, 9 TaBV 28/20, 21.05.2021.


Az. 1 ABR 20/21

Bundesarbeitsgericht, 1 ABR 20/21, 08.03.2022.


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5 P 16/21

12 TaBV 10/22

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