Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2018, Az. VI ZB 47/17

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 13694

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:200218BVIZB47.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI [X.]/17
vom

20. Februar 2018

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 85 Abs. 2, § 233 (B, Ff)
Ein Rechtsanwalt darf regelmäßig erwarten, dass einem ersten Antrag auf [X.] der Berufungsbegründungsfrist entsprochen wird, wenn er einen er-heblichen Grund vorträgt. Demgemäß besteht keine Verpflichtung, sich [X.] der Berufungsbegründungsfrist beim Gericht zu erkundigen, ob der Verlängerungsantrag rechtzeitig eingegangen ist und ob ihm stattgegeben werde ([X.] Senatsbeschluss vom 30. Mai 2017 -
VI
[X.], NJW-RR 2017, 1532 Rn. 12 mwN).

[X.], Beschluss vom 20. Februar 2018 -
VI [X.]/17 -
OLG Hamm

[X.]

-
2
-
Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
20. Februar 2018
durch den Vorsitzenden [X.], die
Richterinnen von [X.] und [X.] sowie [X.] [X.] und Dr. Allgayer

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 2 wird der Beschluss des 27. Zivilsenats des [X.] vom 26. Sep-tember 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.
Der Antrag des Beklagten zu 2 auf Gewährung von [X.] für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Das [X.] hat der Klage teilweise stattgegeben. Gegen das seinem Prozess-bevollmächtigen am 26. Mai 2017 zugestellte Urteil hat
der Beklagte zu 2 frist-1
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gerecht Berufung eingelegt und diese
mit Schriftsatz
vom 28. Juli 2017 begrün-det. Mit Beschluss vom 14.
September 2017 hat
das Berufungsgericht den [X.] zu 2 darauf hingewiesen, dass seine Berufung nicht innerhalb der am 26. Juli 2017
abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist begründet worden ist.
Beklagte zu 2
hat
daraufhin mit Schriftsatz vom 20. September 2017
Wieder-einsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt.
Zur Begründung hat der Beklagte zu 2
ausgeführt, sein Prozessbevoll-mächtigter habe mit Schriftsatz vom 8. Juli 2017 "wegen Arbeitsüberlastung"
die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. August 2017 be-antragt. Dem Wiedereinsetzungsantrag waren beigefügt ein Doppel des [X.]santrags vom 8. Juli 2017 und eine anwaltliche Versicherung
seines Rechtsanwalts. Dieser bestätigt darin, den Verlängerungsantrag am 8. Juli 2017 wie in dem beigefügten Doppel gefertigt, selbst ausgedruckt, frankiert und in den nächsten Briefkasten -
Briefschlitz für auswärtige Post -
geworfen zu ha-ben.
Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückge-wiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Ein Verlängerungsantrag sei nicht zu den Akten gelangt. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2 habe nicht auf die Bewilligung seines [X.]. Er hätte
sich spätestens am Tag des ursprünglichen Fristablaufs, also am 26. Juli 2017, über den Erfolg seines Antrags erkundigen müssen.
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 2.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 522 Abs.
1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zuläs-sig. Eine Entscheidung des [X.] ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Beklagten zu 2 in seinen Verfah-rensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs. 1 GG). Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Schutzwürdigkeit des Vertrauens
in den Erfolg eines Antrags auf Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist überspannt.
a) Nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO kann die Frist zur Berufungsbegrün-dung ohne Einwilligung des Gegners auf Antrag um bis zu einem Monat verlän-gert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit
durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Zwar muss ein Berufungsführer grundsätzlich damit rechnen, dass der Vorsitzende des [X.] in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Berufungsbe-gründungsfrist versagt. Daher kann er sich im Wiedereinsetzungsverfahren nur dann mit Erfolg auf sein Vertrauen in die Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte ([X.], [X.] vom 9. Mai 2017 -
VIII [X.], [X.], 2041 Rn. 11; vom 26.
Januar 2017 -
IX ZB 34/16, NJW-RR 2017, 564 Rn. 10; vom 9. Juli 2009
-
VII [X.], [X.], 3100 Rn. 8;
jeweils mwN).
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b) Das ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung des [X.] bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im [X.], sofern dieser auf erhebliche Gründe im Sinne des §
520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestützt wird.
Zu den erheblichen Gründen im Sinne dieser Vorschrift zählt insbesondere die Arbeitsüberlastung des [X.] (Senatsbeschlüsse vom 30. Mai 2017 -
VI [X.], NJW-RR 2017, 1532 Rn. 12; vom 24. November 2009 -
VI [X.], [X.], 789, Rn. 6;
[X.], Beschlüsse vom 9. Mai 2017 -
VIII [X.], [X.], 2041 Rn.
12; vom 26. Januar 2017 -
IX ZB 34/16, NJW-RR 2017, 564 Rn. 10). An die [X.] eines erheblichen Grundes für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der [X.] keine hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 16.
März 2010 -
VI [X.], NJW 2010, 1610 Rn. 7; [X.], Beschluss vom 9.
Mai 2017 -
VIII [X.], [X.], 2041 Rn.
12).
Daher reicht der bloße Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung zur Feststel-lung eines erheblichen Grundes im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedarf (Senatsbeschlüsse vom 12.
November 2013 -
VI [X.], NJW 2014, 700 Rn. 15; vom 16. März 2010
-
VI [X.], NJW 2010, 1610 Rn. 9; [X.], Beschluss vom 9.
Mai 2017
-
VIII
[X.], [X.], 2041 Rn.
13; jeweils mwN). Auf diese höchstrichter-liche Rechtsprechung darf der Anwalt regelmäßig vertrauen; die unteren [X.] dürfen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit nicht zum Nachteil der be-troffenen Parteien strengere Maßstäbe anlegen (vgl. Senatsbeschluss vom 16.
März 2010 -
VI [X.], NJW 2010, 1610 Rn. 7;
[X.], Beschluss vom 9.
Mai 2017 -
VIII [X.], [X.], 2041 Rn.
13).
c) Demgemäß war der
Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2 nicht verpflichtet, sich innerhalb des Laufs der ursprünglichen Berufungsbegrün-8
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dungsfrist bei Gericht zu erkundigen, ob der Verlängerungsantrag rechtzeitig eingegangen ist und ob ihm stattgegeben wurde (Senatsbeschlüsse vom 30.
Mai 2017 -
VI ZB
54/16, NJW-RR 2017, 1532 Rn. 12 ff.; vom 16. Oktober 2007 -
VI [X.], [X.], 234 Rn. 9; vom 13. Dezember 2005 -
VI [X.], [X.], 568
Rn. 6; jeweils mwN).
2. Die Rechtsbeschwerde ist somit auch begründet.

III.
Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob es das Parteivorbringen für glaubhaft, den vorgetragenen Geschehensablauf also für überwiegend wahrscheinlich (Senatsbeschluss vom 16. August 2016
-
VI ZB 19/16, VersR
2016, 1463 Rn. 12; vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. Februar 1998 -
II ZB 15/97, NJW 1998, 1870; vom 20. März 1996 -
VIII ZB 7/96, [X.], 1682; vom 3.
März 1983 -
IX ZB 4/83, [X.], 491) hält. Die Sache ist daher gemäß §
577 Abs. 4 Satz 1 ZPO zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

IV.
Der Antrag des Beklagten
zu 2 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren bleibt ohne Erfolg, weil er seine wirtschaft-lichen Verhältnisse nicht glaubhaft dargelegt hat
(§ 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO).

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Aus den vorgelegten Kontoauszügen
ergeben sich Einnahmen, zu denen sich der Antragsteller nicht widerspruchsfrei erklärt hat.
Galke
von [X.]
Roloff

[X.]
Allgayer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.05.2017 -
I-6 O 129/16 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 26.09.2017 -
I-27 [X.]/17 -

Meta

VI ZB 47/17

20.02.2018

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2018, Az. VI ZB 47/17 (REWIS RS 2018, 13694)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13694

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