Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.12.2014, Az. B 10 ÜG 15/14 B

10. Senat | REWIS RS 2014, 388

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - keine Bezeichnung eines Verfahrensmangels durch die Rüge der Verneinung einer unangemessenen Verfahrensdauer durch das LSG


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 24. Juli 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 6120 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt in der Hauptsache Entschädigung wegen überlanger Dauer des Verfahrens [X.] KA 871/06 = [X.] KA 8/10 vor dem [X.]L[X.] [X.]-Bremen.

2

Der Kläger nahm als Zahnarzt an der vertragsärztlichen Versorgung in [X.] teil. Das [X.] wies seine Klage vom 12.9.2006 gegen den Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.8.2006 der [X.] über den [X.] für 2005 ab (Urteil vom 21.9.2009 - [X.] KA 871/06). Die am 26.1.2010 erhobene Berufung zum L[X.] [X.]-Bremen war ebenso erfolglos (Urteil vom [X.] - [X.] KA 8/10) wie die anschließende Nichtzulassungsbeschwerde vor dem B[X.] (Beschluss vom 9.2.2011 - [X.] [X.]/10 B).

3

Mit seiner am 9.1.2012 erhobenen [X.] hat der Kläger immateriellen Schadensersatz in Höhe von 15 000 Euro zuzüglich eines zunächst unbezifferten materiellen Schadensersatzes geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom [X.] hat er die geforderte immaterielle Entschädigung auf 6100 Euro und die materielle Entschädigung auf 20 Euro reduziert. Das L[X.] hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, dass es vorliegend dahinstehen könne, ob das Vorhandensein einer beim [X.] ([X.]) am 3.12.2011 anhängigen, aber unzulässigen Beschwerde (Beschwerde [X.]) den Voraussetzungen des Art 23 [X.] genüge. Jedenfalls sei eine unangemessene Dauer der Verfahren [X.] KA 871/06 und [X.] KA 8/10 nicht festzustellen. Der für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer maßgebliche Zeitraum erstrecke sich ohne Berücksichtigung des Verwaltungsverfahrens und das dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangene Vorverfahren bei einer Behörde (Widerspruchsverfahren) von der Einleitung des Klageverfahrens am 12.9.2006 bis zur Zustellung des Urteils des L[X.] an den Kläger am 2.9.2010. Dabei sei nicht zu berücksichtigen, dass das L[X.] am [X.] über die Änderung des festgesetzten Streitwertes und das [X.] am 13.11.2011 (dem Kläger zugestellt am 17.11.2011) über den erstinstanzlichen Streitwert entschieden habe. Insoweit komme es ausdrücklich auf die (endgültige) Entscheidung in der Hauptsache an. Unter Beachtung des Gestaltungsspielraums der Gerichte bei der Verfahrensführung ergebe sich bei Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der vergleichsweise geringen Bedeutung des Verfahrens für den Kläger vor dem Hintergrund, dass dieser durch sein Verhalten ganz maßgeblich zu der Dauer des Verfahrens beigetragen habe, bei einer [X.] von 4 ½ Jahren über drei Instanzen keine unangemessene Verfahrensdauer iS von § 198 Abs 1 S 1 [X.] (Urteil vom 2[X.] - L 10 SF 2/12 EK KA).

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Beschwerde und macht geltend, das Urteil des L[X.] weise diverse Verfahrensfehler auf. Das Gericht habe das rechtliche Gehör verletzt, indem es sich bei der Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer über verschiedene Vorgaben des [X.] hinweggesetzt und eine ihm bekannte Parallelentscheidung des [X.] ebenso wenig berücksichtigt habe wie Anhaltspunkte aus der Rechtsprechung des [X.] und des [X.]. Ferner rügt der Kläger als Verfahrensfehler eine Verfälschung der vom L[X.] unterstellten [X.], die Nichtberücksichtigung des Zeitpunktes des Beginns des Vorverfahrens sowie des Zeitpunktes der Streitwertfestsetzung, die Nichtberücksichtigung der einzelnen [X.] und den Umstand, dass das L[X.] über den Antrag auf Kompensation wegen des Fehlens eines Rechtsmittels bis zum 3.12.2011 sowie auf Entschädigung in anderer Weise nicht entschieden habe. Das Urteil des L[X.] verletze auch das [X.] und Willkürverbot sowie den Amtsermittlungsgrundsatz aus § 103 [X.]G.

5

II. [X.] des [X.] ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 [X.]G zu verwerfen. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil kein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 [X.]G).

6

1. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers stützt (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr, vgl zB B[X.] SozR 1500 § 160a [X.], 24, 36; B[X.] SozR 4-1500 § 153 [X.] RdNr 4 mwN). Dies hat der Kläger versäumt.

7

Indem der Kläger sich unter Berufung auf rechtliches Gehör in umfangreichen Ausführungen gegen die Art und Weise wendet, wie das L[X.] die Verfahrensdauer im Entschädigungsverfahren ([X.] KA 871/06; [X.] KA 8/10; [X.] [X.]/10 B) berechnet und auf dieser Grundlage eine unangemessene Verfahrensdauer iS des § 198 [X.] verneint hat, rügt er der Sache nach keinen Verstoß gegen Verfahrensrecht, sondern macht eine falsche Anwendung materiellen Rechts geltend. Dies gilt ebenso hinsichtlich der gerügten Nichtberücksichtigung des Zeitpunktes des Beginns des Vorverfahrens sowie des Zeitpunktes der Streitwertfestsetzung. Ein Verfahrensmangel ist dadurch nicht dargelegt. Zu den Verfahrensfehlern zählen nur Verstöße gegen das Prozessrecht einschließlich der Vorschriften, auf die das [X.]G unmittelbar oder mittelbar verweist. [X.] sind folglich nur Fehler, die dem Gericht auf dem Weg zu seiner Entscheidung (bis zur Zustellung an den Beteiligten) unterlaufen sind (error in procedendo; vgl [X.], [X.], 2. Aufl 2010, RdNr 445; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 16a und § 144 Rd[X.]2; [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, [X.]). Mit seinem Vortrag, das L[X.] habe verschiedene Vorgaben des [X.] zur Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer sowie weitere Entscheidungen des [X.] und des [X.] missachtet, rügt der Beschwerdeführer der Sache nach nur einen in Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unerheblichen [X.] (error in [X.]): Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des L[X.] im Einzelfall ist jedoch nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl B[X.] SozR 1500 § 160a Nr 7).

8

Den von ihr behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz fairen Verfahrens hat die Beschwerde ebenfalls nicht dargelegt. Der aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip bzw Art 6 [X.] abgeleitete Anspruch auf ein faires Verfahren ist nur verletzt, wenn grundlegende Rechtsschutzstandards, wie das Gebot der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten (vgl [X.], NJW 1995, 1413 - [X.]), das Verbot von widersprüchlichem Verhalten oder von Überraschungsentscheidungen gewahrt werden (vgl B[X.] SozR 4-1500 § 118 [X.] mwN). Der Anspruch auf ein faires Verfahren verbietet es daher ua, dass ein Gericht aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen [X.] für die Beteiligten ableitet (B[X.] Beschluss vom 24.10.2013 - [X.] [X.]/13 B - Juris RdNr 11 mwN). Soweit der Kläger dem L[X.] eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens vorwirft, weil es Entscheidungen des [X.] und des [X.] übergangen und nicht von Amts wegen weiter ermittelt habe, legt er nicht substantiiert dar, auf welche Weise das L[X.] insoweit das [X.]verfahren zu seinem Nachteil geführt haben sollte. Gleiches gilt hinsichtlich der behaupteten Verletzung des Willkürverbots durch das L[X.].

9

Soweit vom Kläger Verstöße gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 [X.]G) gerügt werden, fehlt es überdies an der Darlegung eines Beweisantrags, dem das L[X.] nicht gefolgt sein könnte sowie letztendlich auch an der Schilderung, dass und warum die Entscheidung des L[X.] auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das L[X.] mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl B[X.] SozR 1500 § 160 [X.], 35, 45; B[X.] SozR 1500 § 160a [X.], 34).

Mit seinem Vortrag, das Entschädigungsgericht habe nicht über sämtliche seiner Anträge (Entschädigung aus Art 13 [X.]; Feststellung der Unangemessenheit) entschieden, rügt der Kläger allerdings einen Verstoß gegen § 123 [X.]G. Danach entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Der Kläger legt jedoch schon nicht substantiiert dar, was ausgehend von seinem zuletzt gestellten Sachantrag und dem materiell-rechtlichen Standpunkt des L[X.] im Einzelnen entscheidungserheblich offen geblieben ist (zur Abgrenzung des Verfahrensfehlers von der Urteilsergänzung iS des § 140 [X.]G vgl zB B[X.] SozR 4-1500 § 140 [X.] RdNr 10).

2. Auch die sinngemäß behauptete Divergenz der Entscheidung des L[X.] zu Entscheidungen des [X.] und des [X.] hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt. Divergenz iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das L[X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des B[X.], des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat. Eine rechtserhebliche Abweichung liegt folglich bereits dann nicht vor, wenn die Entscheidung des L[X.] nicht den Kriterien entspricht, die der [X.] zur Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer aufgestellt hat. Darüber hinaus stellt der Kläger aber auch keine sich gegenüberstehenden tragenden Rechtssätze des L[X.] oder des [X.] dar.

3. Ebenso wenig hat die Beschwerde zumindest sinngemäß eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 [X.]G) substantiiert vorgetragen. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl B[X.] SozR 3-1500 § 160a [X.]4 S 70 mwN). Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerdebegründung deutlich.

Weder hat der Kläger eine klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert noch setzt er sich mit der zu § 198 [X.] bisher ergangenen oberstgerichtlichen Rechtsprechung auseinander.

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]G).

5. [X.] beruht auf § 183 [X.], § 197a Abs 1 S 1 [X.]G iVm § 154 Abs 2 VwGO.

6. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 S 1 [X.]G iVm § 47 Abs 2 und 3, § 52 Abs 1 und 3, § 63 Abs 2 S 1 GKG. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger nur noch, wie zuletzt mit seinem schriftsätzlich am [X.] gestellten Antrag, einen materiellen Schadensersatz von 20 Euro sowie einen immateriellen Schaden in Höhe von 6100 Euro geltend.

Meta

B 10 ÜG 15/14 B

12.12.2014

Bundessozialgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 24. Juli 2014, Az: L 10 SF 2/12 EK KA, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 198 GVG, Art 2 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 6 MRK, ÜberlVfRSchG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.12.2014, Az. B 10 ÜG 15/14 B (REWIS RS 2014, 388)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 388

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