Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.07.2010, Az. 6 AZR 78/09

6. Senat | REWIS RS 2010, 4496

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) ARBEITSZEIT TARIFVERTRÄGE

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Gegenstand

Bereitschaftsdienst - Abgeltung durch Freizeit


Leitsatz

Der Freizeitausgleich nach § 12 Abs. 4 Satz 1 TV-Ärzte/VKA für Bereitschaftsdienstzeiten kann auch in die gesetzliche Ruhezeit gelegt werden.

Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 4. November 2008 - 1 [X.]/08 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob für geleistete Bereitschaftsdienste errechnete [X.] durch Freizeit während der gesetzlichen Ruhezeit abgegolten worden ist.

2

Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. Mai 2007 bis zum 31. März 2010 als Assistenzarzt beschäftigt. Zwischen den Parteien fand [X.] der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der [X.] ([X.]/[X.]) vom 17. August 2006 Anwendung. Der Kläger leistete außerhalb der regulären [X.] Bereitschaftsdienste mit jeweils zehn Stunden, von denen neun Stunden als [X.] gewertet wurden. Im [X.] erhielt der Kläger Freizeitausgleich noch innerhalb der gesetzlichen Ruhezeit des § 5 [X.]. Dadurch wurde er jeweils von seiner ansonsten am Folgetag bestehenden Arbeitspflicht freigestellt. Eine verbleibende aus dem Bereitschaftsdienst errechnete Stunde [X.] wurde vergütet. Auf diese Weise wurde die Regelarbeitszeit des [X.] in vollem Umfang vergütet und die gesetzliche Ruhezeit eingehalten. Die maßgeblichen Bestimmungen des [X.]/[X.] lauten:

        

§ 7   

        

Regelmäßige [X.]

        

(1)

Die regelmäßige [X.] beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich. Die regelmäßige [X.] kann auf fünf Tage, aus notwendigen betrieblichen/ dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt werden.

                 

...

        

§ 10   

        

Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft

        

(1)

Die Ärztin/ [X.] ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen [X.] an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). ...

                 

...

        

(3)

Wenn in die [X.] regelmäßig und in erheblichem Umfang Bereitschaftsdienst der Stufe III fällt, kann unter den Voraussetzungen einer

                 

-       

Prüfung alternativer [X.]modelle,

                 

-       

[X.] gemäß § 5 [X.] und

                 

-       

ggf. daraus resultierender Maßnahmen zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes

                 

im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 4, Abs. 2 Nr. 3 [X.] die tägliche [X.] im Sinne des [X.]gesetzes abweichend von den §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 und 6 Abs. 2 [X.] über acht Stunden hinaus auf bis zu 18 Stunden verlängert werden, wenn mindestens die acht Stunden überschreitende [X.] als Bereitschaftsdienst abgeleistet wird. ...

                 

…       

        

§ 12   

        

Bereitschaftsdienstentgelt

        

(1)

Zum Zwecke der Entgeltberechnung wird die [X.] des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit nach dem Maß der während des Bereitschaftsdienstes erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistungen wie folgt als [X.] gewertet:

                 

Stufe

Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes

Bewertung als [X.]

        
                 

I       

bis zu 25 v.H.

60 v.H.

        
                 

II   

mehr als 25 bis 40 v.H.

75 v.H.

        
                 

III

mehr als 40 bis 49 v.H.

90 v.H.

        
                 

...

        

(2)

Für die als [X.] gewertete [X.] des Bereitschaftsdienstes wird das nachstehende Entgelt je Stunde gezahlt:

        

EG I

22,30 [X.],

                 
        

  ...

                          
        

(4)

Die nach Absatz 1 errechnete [X.] kann bei Ärztinnen und Ärzten ... anstelle der Auszahlung des sich nach den Absätzen 1 bis 3 ergebenden Entgelts bis zum Ende des dritten Kalendermonats auch durch entsprechende Freizeit abgegolten werden (Freizeitausgleich). Für die [X.] des Freizeitausgleichs werden das Entgelt (§ 18) und die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen fortgezahlt.“

3

Der Kläger war in die [X.] eingruppiert. Seine [X.] wurden gemäß § 12 Abs. 1 Stufe III [X.]/[X.] mit 90 % als [X.] bewertet. Er begehrt zuletzt noch Vergütung für die von ihm zwischen dem 9. Juli 2007 bis zum 31. August 2008 geleisteten Bereitschaftsdienste, soweit ihm dafür Freizeitausgleich gewährt worden ist. Unstreitig sind dies in [X.] umgerechnet 640 Stunden. Den zunächst mit der Klage, Klageerweiterung vom 14. April 2008 sowie seiner [X.]berufung verfolgten Antrag auf Gewährung von Freizeitausgleich für 264 Stunden für die [X.] vom 9. Juli 2007 bis 3. Januar 2008, weitere 128 Stunden für die [X.] vom 7. Januar bis 31. März 2008 sowie weitere 208 Stunden für die [X.] vom 2. April bis 31. August 2008 hat der Kläger nach Ablauf der Frist des § 12 Abs. 4 Satz 1 [X.]/[X.] nicht weiterverfolgt.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Gewährung von Freizeitausgleich in der gesetzlichen Ruhezeit sei unzulässig. Freizeitausgleich setze eine Arbeitspflicht voraus. In der gesetzlichen Ruhezeit bestehe eine solche Pflicht nicht. Arbeitspflicht und gesetzliches Arbeitsverbot schlössen sich [X.] aus. Der Freizeitausgleich müsse darum in [X.]en gewährt werden, in denen der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer tatsächlich eine Arbeitsleistung verlangen könne. Andernfalls komme es infolge des Bereitschaftsdienstes zu einer längeren Anwesenheitszeit in der Klinik ohne einen Vergütungsanreiz in Form von Bezahlung oder zusätzlicher Freizeit. Der Freizeitausgleich solle aber ein Mehr an Freizeit gewährleisten. Die Beklagte müsse zunächst die Erfüllung der vertraglich vereinbarten [X.] ermöglichen. Ein etwaiger Freizeitausgleich für zusätzlich zur Regelarbeitszeit zu leistende Bereitschaftsdienste könne nur in dieser so geplanten [X.] gewährt werden. [X.] es dem Arbeitgeber nicht, die Regelarbeitszeit abzurufen, weil er den Beschäftigten mit Bereitschaftsdienst in Anspruch nehme, gerate er in Annahmeverzug.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.   

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.741,60 [X.] brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 5.887,20 [X.] seit dem 12. Februar 2008 und auf weitere 2.854,40 [X.] seit dem 18. April 2008 zu zahlen,

        

2.   

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 5.530,40 [X.] brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. September 2008 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag mit ihrer Auffassung begründet, Freizeitausgleich könne auch innerhalb der gesetzlichen Ruhezeit erfolgen.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Freizeitausgleich im tariflich noch möglichen Umfang stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 7.671,20 [X.] nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] die Klage abgewiesen und die [X.]berufung des [X.], mit der er die Zahlung weiterer 5.530,40 [X.] brutto für die [X.] vom 2. April bis 31. August 2008 begehrt hat, zurückgewiesen.

8

Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat mit rechtlich zutreffender Begründung angenommen, dass die mit der Klage und Anschlussberufung zuletzt noch verfolgten Ansprüche auf Vergütung von in Arbeitszeit umgerechnet 640 Bereitschaftsdienststunden durch Freizeitausgleich erfüllt sind.

I. Die nach § 12 Abs. 1 [X.]/[X.] für geleistete Bereitschaftsdienste errechnete Arbeitszeit kann gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 [X.]/[X.] durch Freizeit abgegolten werden. Entgegen der Auffassung des [X.] kann der Freizeitausgleich auch in die gesetzliche [X.] gelegt werden. Dem stehen weder der Zweck des Freizeitausgleichs noch § 5 [X.] entgegen.

1. Mit der Regelung in § 12 Abs. 4 Satz 1 [X.]/[X.] haben die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber die Möglichkeit eingeräumt, zwischen Vergütung der gemäß § 12 Abs. 1 [X.]/[X.] für geleisteten Bereitschaftsdienst errechneten Arbeitszeit und Abgeltung dieser [X.] durch Freizeit zu wählen. Dem betreffenden Arzt steht dabei weder ein Rechtsanspruch auf Freizeitausgleich noch ein solcher auf Vergütung zu. Es ist vielmehr ausschließlich Sache des Arbeitgebers, sein Wahlrecht in der einen oder anderen Richtung auszuüben(vgl. [X.] 7. Dezember 1989 - 6 [X.] - zu II 2 der Gründe, für Nr. 8 Abs. 4 Satz 1 SR 2c [X.]).

2. Freizeitausgleich bedeutet, bezahlte Freizeit zu erhalten statt Arbeitszeit ableisten zu müssen([X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 17, [X.] 2010, 1130). Freizeitausgleich wird dadurch gewährt, dass der Arbeitgeber den Arzt von seiner vertraglich bestehenden Pflicht, Arbeitsleistungen zu erbringen, freistellt und so dessen Sollarbeitszeit reduziert (vgl. [X.] 11. Februar 2009 - 5 [X.] - Rn. 13, [X.] § 1 Tarifverträge: [X.] Nr. 44 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 17). Der nach § 12 Abs. 2 und Abs. 3 [X.]/[X.] bei Ableistung von Bereitschaftsdiensten entstehende Entgeltanspruch wird also erfüllt, indem der Arbeitgeber gegenüber dem Arzt auf sein vertragliches Recht auf Leistung der geschuldeten Dienste in einem bestimmten Umfang verzichtet und damit die entsprechende Arbeitspflicht des Arztes zum Erlöschen bringt (vgl. [X.] 7. Dezember 1989 - 6 [X.] - zu II 2 der Gründe, für Nr. 8 Abs. 4 Satz 1 SR 2c [X.]; [X.] 12. Dezember 1990 - 4 [X.] - AP AVR Caritasverband Anlage 5 Nr. 1 = Ez[X.] [X.] SR 2c Bereitschaftsdienst Nr. 5, für § 9 Abs. 4 Anlage 5 AVR).

3. Danach hat die Beklagte den Entgeltanspruch des [X.] erfüllt.

a) Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s hat die Beklagte den Kläger nach Ableistung der streitbefangenen Bereitschaftsdienste jeweils von seiner am Folgetag bestehenden Arbeitspflicht freigestellt. Sie hat damit die am Folgetag wegen der einzuhaltenden gesetzlichen [X.] nach § 5 [X.] fehlende Regelarbeitszeit mit der für den Bereitschaftsdienst errechneten Arbeitszeit „aufgefüllt“. Eine verbleibende - nicht streitbefangene - Arbeitsstunde hat sie vergütet. Der Kläger hat, auch nach seinem Vortrag, keine Arbeitsstunden und keine in Arbeitszeit umgerechneten Bereitschaftsdienste geleistet, die er nicht vertrags- und tarifvertragsgemäß vergütet erhielt. Eine doppelte Vergütung von Bereitschaftsdienststunden kann er nicht verlangen.

b) Entgegen der Auffassung des [X.] ist der von der Beklagten beabsichtigte Freizeitausgleich also vollständig zum Tragen gekommen. Zwar bleibt der nach § 12 Abs. 2 und Abs. 3 [X.]/[X.] entstandene Vergütungsanspruch bestehen, wenn in der für den Freizeitausgleich bestimmten [X.] keine Verpflichtung des Arztes zur Arbeitsleistung besteht(vgl. [X.] 12. Dezember 1990 - 4 [X.] - AP AVR Caritasverband Anlage 5 Nr. 1 = Ez[X.] [X.] SR 2c Bereitschaftsdienst Nr. 5, für § 9 Abs. 4 Anlage 5 AVR). Ist der Arzt nach Ableistung eines Bereitschaftsdienstes jedoch nach den von den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarungen an sich zur Arbeitsleistung verpflichtet, kann aber tatsächlich nicht zur Arbeit herangezogen werden, weil die gesetzliche [X.] nach § 5 [X.] einzuhalten ist, und wird ihm in dieser [X.] unter Anrechnung auf die Sollarbeitszeit das Entgelt fortgezahlt, ist Freizeitausgleich iSd. § 12 Abs. 4 Satz 1 [X.]/[X.] erfolgt. Der Arzt hat keinen Anspruch darauf, nach Ableistung eines Bereitschaftsdienstes zunächst unbezahlte [X.] und anschließend bezahlten Freizeitausgleich gewährt zu bekommen. Freizeitausgleich kann auch in die gesetzliche [X.] gelegt werden. [X.] wird nicht nur gewährt, wenn der Arzt unentgeltlich von seiner Arbeitspflicht freigestellt wird. Der Entgeltanspruch des [X.] nach § 12 Abs. 2 und Abs. 3 [X.]/[X.] ist darum auch insoweit durch Freizeitausgleich erloschen, als dieser in der gesetzlichen [X.] nach § 5 [X.] erfolgt ist (vgl. [X.] 17. Dezember 2009 - 6 [X.] - Rn. 23, [X.] 120 [X.]-K § 8.1 Nr. 3; 13. Februar 1992 - 6 [X.] - [X.]E 69, 339, 345 f.). Die gegen diese Rechtsprechung gerichteten Angriffe des [X.] missverstehen Schutzzweck und Regelungsinhalt der gesetzlichen [X.].

aa) [X.] ist [X.] der in § 5 [X.] gesetzlich festgelegte arbeitsfreie [X.]raum zwischen dem Ende der täglichen Arbeitszeit und dem Beginn der nächsten täglichen Arbeitszeit bzw. zwischen zwei Schichten desselben Arbeitnehmers([X.] [X.] § 5 Rn. 4; vgl. [X.] 13. Februar 1992 - 6 [X.] - [X.]E 69, 339, 346). Zweck der [X.] ist es, dem Arbeitnehmer [X.] zum Ausruhen und zur Erholung von der Arbeit zu verschaffen ([X.]. zu [X.] 13. Februar 1992 - 6 [X.] - AR-Blattei [X.] 240.1 Nr. 20). Materiell setzt [X.] also voraus, dass der Arbeitnehmer innerhalb dieser [X.] nicht in einem Umfang beansprucht wird, der eine Einstufung als Arbeitszeit erfordert. Der Arbeitgeber muss demnach die Arbeitszeit so regeln, dass die im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers erforderliche [X.] gesichert ist. § 5 [X.] schreibt dem Arbeitgeber aber nicht vor, durch welche arbeitsvertragliche Arbeitszeitgestaltung er gewährleistet, dass der Arbeitnehmer nach der Beendigung der täglichen Arbeitszeit mindestens während der folgenden [X.] nicht zur Arbeitsleistung herangezogen wird. Die [X.] kann also auch durch eine Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Arbeitspflicht eingehalten werden ([X.] 13. Februar 1992 - 6 [X.] - aaO, mit zustimmender [X.]. von Zmarzlik AR-Blattei [X.] 240.1 Nr. 20; für § 5 [X.]: [X.]/[X.] Kommentar zum [X.]. § 5 Rn. 24; [X.]/[X.] [X.] 2. Aufl. § 2 Rn. 58; [X.] [X.] § 5 Rn. 13).

bb) Entgegen der Annahme der Revision gilt dies auch bei Gewährung des tariflichen Freizeitausgleichs für geleistete Bereitschaftsdienste nach § 12 Abs. 4 [X.]/[X.] in der gesetzlichen [X.] des § 5 [X.](ebenso [X.]/[X.]/[X.]/Wiese Stand April 2010 [X.]/[X.] § 12 Rn. 21).

(1) Legt der Arbeitgeber den Freizeitausgleich nach § 12 Abs. 4 Satz 1 [X.]/[X.] in die gesetzliche [X.], führt dies dazu, dass sich die Sollarbeitszeit des Arztes reduziert. Der Arbeitgeber verzichtet auf sein Recht, vom Arzt die vertraglich geschuldete Leistung, die wegen der [X.] nicht erbracht werden kann, zu einem späteren [X.]punkt zu verlangen. Dieser erhält außerdem Geld für einen [X.]raum, in dem ihm wegen Beachtung der gesetzlichen [X.] sonst kein Entgelt zustünde, obwohl er in dieser [X.] ohne die [X.] zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen wäre([X.] 13. Dezember 2007 - 6 [X.] - Rn. 20, [X.] 2008, 418; [X.] 5. Juli 1976 - 5 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.] § 12 Nr. 10). Damit ist der Zweck des Freizeitausgleichs nach § 12 Abs. 4 [X.]/[X.] erfüllt. Dem Arbeitgeber soll dadurch gerade die Möglichkeit eröffnet werden, bei Bereitschaftsdiensten, zu deren Ableistung der Arzt verpflichtet ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]/[X.]), die Regelarbeitszeit einzuhalten ([X.]/[X.] NZA 2009, 697, 701).

(2) Anders als die Revision annimmt, führt diese Auslegung des tariflich eingeräumten Rechts des Arbeitgebers, Freizeitausgleich für geleistete Bereitschaftsdienste zu gewähren, nicht dazu, dass der Arzt immer den Freizeitausgleich in der gesetzlichen [X.] erhält. Je nach dem Umfang der Personalausstattung und Struktur der arbeitsvertraglichen Gestaltung sind auch andere Möglichkeiten des Freizeitausgleichs, etwa per Saldo, denkbar (Einzelheiten zu verschiedenen Formen der Gewährung von Freizeitausgleich für Ärzte bei Ableistung von Bereitschaftsdiensten siehe [X.]/[X.] NZA 2009, 697, 698 f.).

(3) § 12 Abs. 4 Satz 1 [X.]/[X.] soll auch nicht „ein Mehr an Freizeit“ gewährleisten. Daraus, dass die Tarifvertragsparteien in § 12 Abs. 4 Satz 1 [X.]/[X.] den Freizeitausgleich als Abgeltung durch „entsprechende Freizeit“ definiert haben, während in Nr. 8 Abs. 4 Satz 1 SR 2c [X.] Freizeitausgleich als Abgeltung durch „entsprechende Arbeitsbefreiung“ umschrieben wird, ergibt sich der vom Kläger dem Begriff „Freizeitausgleich“ entnommene Bedeutungsinhalt nicht. Bedienen sich die Tarifvertragsparteien eines Rechtsbegriffs, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte Bedeutung hat, ist dieser Begriff in seiner allgemeinen juristischen Bedeutung auszulegen, sofern sich nicht aus dem Tarifvertrag etwas anderes ergibt([X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 13, [X.] 2010, 1406; [X.] 10. Juli 2003 - 6 [X.] - [X.]E 107, 72, 75). Freizeit ist im arbeitsrechtlichen Sinn lediglich das Gegenteil von Arbeitszeit ([X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 17, [X.] 2010, 1130). Ein „Mehr an Freizeit“ im Sinne des [X.] gewährleistet der in § 12 Abs. 4 [X.]/[X.] geregelte Freizeitausgleich also nicht.

(4) Allerdings weist die Revision zu Recht darauf hin, dass die Vorgehensweise der Beklagten zu einer Verlängerung der geschuldeten Anwesenheitszeit des [X.] führt, ohne dass ihm dafür ein höheres Entgelt zu zahlen ist. Dies beruht aber nicht auf der Gewährung des Freizeitausgleichs in der [X.] an sich, sondern auf dem in § 12 Abs. 1 [X.]/[X.] von den Tarifvertragsparteien festgelegten Vergütungsfaktor. Bereitschaftsdienst gehört, wie sich aus der Verpflichtung in § 10 Abs. 1 [X.]/[X.] zur Ableistung derartiger Dienste ergibt, zum ärztlichen Berufsbild. Auch bei anderen Berufsgruppen im öffentlichen Dienst werden aufgrund der Besonderheiten ihrer Tätigkeit Arbeitszeiten nicht vollständig auf die Regelarbeitszeit angerechnet, was zu einer Verlängerung ihrer Anwesenheitszeit im Betrieb führt, ohne dass ihnen dafür ein zusätzliches Entgelt gezahlt wird(für Bereitschaftszeiten nach dem Anhang zu § 9 [X.]: [X.] 17. Dezember 2009 - 6 [X.] - Rn. 21, [X.] 100 [X.]-AT Anhang zu § 9 A. Hausmeister Nr. 3; [X.] 24. September 2008 - 10 [X.] - Rn. 34, [X.] 100 [X.]-AT § 7 Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 5). Dem Interesse der Ärzte nach mehr Freizeit für die Ableistung von Bereitschaftsdiensten haben die Tarifpartner im Übrigen im Tarifabschluss vom 9. Juni 2010 Rechnung getragen. In den vereinbarten Eckpunkten ist ein Anspruch auf Zusatzurlaub von zwei Arbeitstagen je Kalenderjahr vorgesehen, sofern mindestens 288 Stunden Bereitschaftsdienst zwischen 21:00 und 6:00 Uhr geleistet werden.

II. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Sieberts    

        

    Spiekermann    

        

        

Meta

6 AZR 78/09

22.07.2010

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, 28. Mai 2008, Az: 11 Ca 11030/08, Urteil

§ 12 Abs 4 S 1 TV-Ärzte/VKA, § 12 Abs 1 TV-Ärzte/VKA, § 5 ArbZG, § 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.07.2010, Az. 6 AZR 78/09 (REWIS RS 2010, 4496)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4496

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