Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.10.2020, Az. 4 B 10/20

4. Senat | REWIS RS 2020, 4168

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Rechtsschutzinteresse für Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für Werbetafel


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 9. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 7 500 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die von der [X.]eschwerde behauptete Abweichung von Entscheidungen des [X.] ist nicht dargetan.

3

Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.] aufgestellten die Entscheidung des [X.] tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der [X.]eklagten nicht gerecht.

4

a) Soweit die [X.]eschwerde die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Gebietseinordnung nach § 34 Abs. 2 [X.]auG[X.] betrifft, zeigt sie abstrakte Rechtssätze, mit denen das Oberverwaltungsgericht von der in der [X.]eschwerdebegründung zitierten Rechtsprechung des [X.] abgewichen sein soll, nicht ansatzweise auf. Vielmehr erschöpft sich das Vorbringen in der Feststellung, das Oberverwaltungsgericht habe die höchstrichterlichen Vorgaben nicht beachtet oder jedenfalls unzutreffend umgesetzt. Damit wird eine Divergenz aber nicht dargetan (stRspr, [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 16. Juni 2020 - 4 [X.] 53.19 - juris Rn. 3).

5

b) In [X.]ezug auf das vom Oberverwaltungsgericht bejahte Rechtsschutzinteresse verweist die [X.]eklagte zunächst auf den [X.]eschluss des [X.] vom 20. Juli 1993 - 4 [X.] 110.93 - (NVwZ 1994, 482), in dem u.a. ausgeführt wird, dass eine Rechtsverfolgung nutzlos ist, wenn sie auf die Erteilung einer Genehmigung abzielt, die sich mit Rücksicht auf die rechtlichen Verhältnisse nicht verwirklichen lässt, wobei es nicht darauf ankommt, ob sich die Hinderungsgründe aus dem öffentlichen Recht oder dem Zivilrecht herleiten lassen. Dem entnimmt die [X.]eklagte - im Weg einer weiteren Konkretisierung - den Rechtssatz, dass die Genehmigungslage auf dem [X.]augrundstück zu berücksichtigen und eine dem [X.]auvorhaben entgegenstehende bestandskräftige und ausgenutzte [X.]augenehmigung als zwingender Hinderungsgrund anzusehen sei. Im Widerspruch hierzu habe das Oberverwaltungsgericht die Rechtsansicht vertreten, dass es allein dem Grundstückseigentümer obliege, die mögliche Nutzung auf dem Grundstück festzulegen.

6

Eine Divergenz folgt daraus nicht. Der vermeintlich divergenzfähige Rechtssatz findet sich in der von der [X.]eschwerde genannten Rechtsprechung des [X.] so nicht; es ist auch nicht dargetan, dass er darin der Sache nach enthalten oder jedenfalls schon eindeutig angelegt ist. Denn der durch eine [X.]augenehmigung gedeckte [X.]estand auf dem [X.]augrundstück hat nicht zur Folge, dass ein damit nicht zu vereinbarendes [X.]auvorhaben sich von vornherein nicht verwirklichen lässt und eine gleichwohl erteilte neue [X.]augenehmigung nutzlos ist. Die [X.]augenehmigung geht nicht mit der Verpflichtung einher, sie auch auszunutzen (siehe auch [X.]VerwG, Urteil vom 9. Februar 1995 - 4 [X.] 23.94 - [X.] 310 § 42 VwGO Nr. 213 = juris Rn. 12). Die bisherige Nutzung auf dem [X.]augrundstück kann vielmehr aufgegeben werden. Welche der baurechtlich möglichen Nutzungen auf dem [X.]augrundstück tatsächlich umgesetzt wird mit der Folge, dass die Verwirklichung der anderen gesperrt ist, wird vom [X.]aurecht nicht vorgegeben.

7

Auch mit dem Verweis auf die Urteile des [X.] vom 21. Oktober 1968 - 4 [X.] 13.68 - ([X.] 406.11 § 35 [X.][X.]auG Nr. 75 S. 246 f.) und vom 16. April 1971 - 4 [X.] 66.67 - ([X.] 406.11 § 35 [X.][X.]auG Nr. 90 S. 30) wird eine Divergenz nicht dargetan. Dies folgt zum einen daraus, dass damit der - wie oben bereits ausgeführt - zu Unrecht als divergenzfähig behauptete Rechtssatz gestützt werden soll. Zum anderen beziehen sich die Ausführungen des [X.] zum [X.] auf den Nachbarschutz im Rahmen des § 35 [X.][X.]auG/[X.]auG[X.].

8

2. Die geltend gemachten Verfahrensfehler rechtfertigen ebenso wenig die Zulassung der Revision.

9

a) Soweit die [X.] sich auf die Zulässigkeit der Klage bezieht und der Sache nach eine fehlerhafte Anwendung der in der Rechtsprechung aufgestellten Rechtssätze geltend gemacht wird, nimmt die [X.]eschwerde zugleich den Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in Anspruch (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 12. April 2001 - 8 [X.] 2.01 - [X.] 310 § 92 VwGO [X.]3 = juris Rn. 3). Ein Verfahrensfehler wird in dieser Hinsicht aber nicht aufgezeigt.

Verneint das [X.] fehlerhaft das Vorliegen von Sachurteilsvoraussetzungen und weist es die Klage folglich zu Unrecht durch Prozessurteil ab, kann dies grundsätzlich einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründen. Entsprechendes gilt, wenn eine Sachurteilsvoraussetzung unzutreffend bejaht wird und zu Unrecht ein Sachurteil ergeht. Ein rügefähiger Verfahrensfehler liegt aber nur dann vor, wenn die inkorrekte Entscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruht, etwa einer Verkennung ihrer [X.]egriffsinhalte und der zugrunde liegenden Maßstäbe; demgegenüber liegt ein materiell-rechtlicher Mangel vor, wenn die Vorinstanz deswegen zu einer unzutreffenden [X.]ewertung der Zulässigkeit gelangt ist, weil sie eine materiell-rechtliche Vorfrage fehlerhaft beantwortet (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 13. Januar 2016 - 7 [X.] 3.15 - juris Rn. 18 und vom 20. Dezember 2017 - 6 [X.] 14.17 - [X.] 402.41 Allg. [X.] Rn. 11, jeweils m.w.N.).

Ein Verfahrensmangel steht hiernach nicht in Rede. Die [X.]eschwerde macht nicht geltend, dass das Oberverwaltungsgericht den prozessrechtlichen Maßstab für die Verneinung des Rechtsschutzinteresses - die eindeutige und offensichtliche Nutzlosigkeit der Rechtsverfolgung (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 29. April 2004 - 3 [X.] 25.03 - [X.]VerwGE 121, 1 <3>, vom 18. Dezember 2014 - 7 [X.] 22.12 - [X.] 406.27 § 71 [X.][X.]ergG [X.] Rn. 22 und vom 10. Oktober 2019 - 10 [X.] 3.19 - [X.]VerwGE 166, 368 Rn. 14; [X.]eschluss vom 12. August 1993 - 7 [X.] 123.93 - [X.] 445.4 § 31 WHG [X.]6 = juris Rn. 3) - verfehlt habe. Sie wendet sich vielmehr gegen die Einschätzung, dass der Verwirklichung des [X.]auvorhabens derzeit unüberwindbare rechtliche Hindernisse nicht entgegenstehen. Damit wird eine materiell-rechtliche [X.]ewertung infrage gestellt.

b) Ebenfalls erfolglos bleibt der Einwand, das Urteil leide wegen einer zu Unrecht unterbliebenen [X.]eiladung der Grundstückseigentümer nach § 65 Abs. 2 VwGO an einem Verfahrensmangel. Diese Rüge führt jedenfalls deswegen nicht zur Zulassung der Revision, weil die [X.]eklagte nicht aufzeigt, dass sie durch den gerügten Mangel in eigenen Rechten betroffen ist. Eine materielle [X.]eschwer ist [X.] auch für die Nichtzulassungsbeschwerde ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 16. September 2009 - 8 [X.] 75.09 - NVwZ-RR 2010, 37 und vom 14. April 2010 - 4 [X.] 78.09 - NVwZ 2010; 1026 Rn. 5). Die notwendige [X.]eiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO bezweckt aber nicht, die Verfahrensposition des einen oder anderen Prozessbeteiligten zu stärken oder in dessen Interesse die Möglichkeit der Sachaufklärung zu erweitern. Sie soll vielmehr die Rechte des notwendig [X.]eizuladenden schützen und dient darüber hinaus der [X.], indem sie die Rechtskraft des Urteils auf alle am streitigen Rechtsverhältnis [X.]eteiligten erstreckt. Ein subjektives Recht der Prozessbeteiligten auf fehlerfreie Anwendung des § 65 Abs. 2 VwGO ist damit nicht verbunden.

c) Schließlich geht die Rüge fehl, das Urteil sei nicht mit Gründen versehen (§ 138 Nr. 6 VwGO). Nach § 117 Abs. 2 Nr. 5, § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO müssen im Urteil die Gründe schriftlich niedergelegt werden, die für die Überzeugungsbildung des Gerichts maßgeblich waren. Nicht mit Gründen versehen ist eine Entscheidung nur dann, wenn die Entscheidungsgründe keine Kenntnis darüber vermitteln, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte für die Entscheidung maßgebend waren, und wenn den [X.]eteiligten und dem Rechtsmittelgericht deshalb die Möglichkeit entzogen ist, die Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen. Das ist nur dann der Fall, wenn die Entscheidungsgründe vollständig oder zu wesentlichen Teilen des Streitgegenstandes fehlen oder rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Gründen derart unbrauchbar sind, dass sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den [X.] zu tragen. Der in § 138 Nr. 6 VwGO vorausgesetzte grobe Verfahrensfehler liegt indessen nicht schon dann vor, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind (stRspr, vgl. nur [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 21. April 2015 - 7 [X.] 9.14 - [X.] 451.222 § 3 [X.][X.]odSchG Nr. 3 Rn. 25 und 6. November 2019 - 4 [X.] 52.18 - juris Rn. 9). [X.]ei Anwendung dieses Maßstabs ist für einen [X.]egründungsmangel im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO nichts ersichtlich. Das Oberverwaltungsgericht hat dargelegt, nach welchen rechtlichen Maßstäben und aufgrund welcher tatsächlicher Feststellungen es zu der von ihm angenommenen bauplanungsrechtlichen Einordnung der näheren Umgebung des [X.]augrundstücks gelangt ist und auf dieser Grundlage die Klage für begründet erachtet. Die [X.]eklagte rügt angesichts dieser Ausführungen der Sache nach eine in ihren Augen unzureichende und letztlich unrichtige [X.]egründung, was allerdings den groben Verfahrensmangel des § 138 Nr. 6 VwGO nicht darzutun geeignet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 B 10/20

06.10.2020

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend OVG Lüneburg, 9. Oktober 2019, Az: 1 LB 147/17, Urteil

§ 34 Abs 2 BauGB, § 65 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.10.2020, Az. 4 B 10/20 (REWIS RS 2020, 4168)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4168

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 B 38/13 (Bundesverwaltungsgericht)

Bestimmung des Begriffs "nähere Umgebung" für die Kriterien in § 34 Abs. 1 Satz 1 …


4 BN 35/20 (Bundesverwaltungsgericht)

Wirksamkeit der Baugenehmigung bei Nutzungsunterbrechungen


4 B 5/21 (Bundesverwaltungsgericht)

Fiktionsbestätigung in der Sächsischen Bauordnung ist Frage des (irrevisiblen) Landesrechts


4 B 32/13 (Bundesverwaltungsgericht)

Zur Wirkung der Baugenehmigung bei Wohngebäuden im Sinne des § 35 Abs. 4 Satz 1 …


4 B 30/14 (Bundesverwaltungsgericht)

Mindeststandard für die Ausfertigung von landesrechtlichen Rechtsnormen; Zurückverweisung durch Berufungsgericht


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.