Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.09.2021, Az. 20 W (pat) 4/21

20. Senat | REWIS RS 2021, 2360

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr – zur Frage des Verschuldens eines Anmelders bei der Nichteinhaltung der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr


Tenor

In der [X.]

hier: Wiedereinsetzung und Verfahrenskostenhilfe für das

Beschwerdeverfahren

hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] am 27.09.2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.], der Richterin [X.] sowie [X.] und [X.]. Ball

beschlossen:

1. Dem Anmelder wird Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gewährt.

2. Der Antrag des Anmelders auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das [X.] ([X.]) – Prüfungsstelle für Klasse [X.] – hat die vom Anmelder am [X.] eingereichte Patentanmeldung … mit der Bezeichnung „…“ mit Beschluss vom 17.09.2018 zurückgewiesen. Der Zurückweisung lagen die Patentansprüche 1 bis 6 in der Fassung vom 16.06.2007, eingegangen beim [X.] am 28.06.2007, zugrunde. Zur Begründung hat die Prüfungsstelle ausgeführt, dass es sich bei dem [X.] um ein „perpetuum mobile“ handele, das als solches objektiv nicht realisierbar und damit seinem Wesen nach keine Erfindung i. S. d. § 1 Abs. 1 [X.] sei. Darüber hinaus fehle dem [X.] die zur Patentierung notwendige technische Brauchbarkeit und sei deshalb nicht ausführbar i. S. d. § 34 Abs. 4 [X.].

2

Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder mit Schreiben vom 13.10.2018, eingegangen beim [X.] am 18.10.2018, Beschwerde eingelegt, mit der er sinngemäß geltend macht, dass er die Einschätzung der Prüfungsstelle in der angefochtenen Entscheidung nicht teile. Der Anmelder hat seine Argumentation mit weiteren Schreiben vom 17.10.2018, 18.11.2018 und 10.01.2019 (dort „zweiter / dritter Teil der Beschwerde“) ergänzt.

3

Mit gerichtlichem Schreiben vom 08.03.2019 ist dem Anmelder mitgeteilt worden, dass keine [X.] entrichtet wurde, so dass die Beschwerde gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt gelten dürfte.

4

Der Anmelder hat daraufhin mit Schreiben vom [X.] auf die bereits gestellten bzw. bewilligten Verfahrenskostenhilfeanträge beim [X.] hingewiesen und um entsprechende Hilfe gebeten.

5

Mit Schreiben des Senats vom 14.07.2021 wurde der Anmelder zur Frage der Verfahrenskostenhilfe darauf hingewiesen, dass die diesbezüglichen Bewilligungsbeschlüsse des [X.] vom [X.] bzw. vom 13.12.2017 ausschließlich für das Patenterteilungsverfahren sowie hinsichtlich des am 18.12.2017 aufgehobenen Zurückweisungsbeschlusses vom 01.02.2017 gelten würden. Der Senat lege jedoch das Gesuch des Anmelders gemäß Schreiben vom [X.] zu seinen Gunsten als erneuten [X.] für das hier vorliegende Beschwerdeverfahren vor dem B[X.] aus. Allerdings fehle mangels hinreichender Erfolgsaussicht auf Erteilung eines Patents die gemäß § 130 Abs. 1 [X.] erforderliche Voraussetzung für eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Der Anmelder hat sich hierzu im Schreiben vom 24.07.2021 inhaltlich geäußert und die Durchführung entsprechender „Gegenexperimente“ beantragt.

6

Aus dem Prüfungsverfahren ist folgender Stand der Technik aktenkundig:

7

D1 [X.] 934 032 [X.].

8

Der Senat hat mit Schreiben vom 14.07.2021 die folgenden weiteren Druckschriften eingeführt:

9

[X.] [X.] 5 728 951 A

[X.] [X.] 696 29 824 T2

[X.] [X.] 31 02 490 [X.].

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

Abbildung

Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 6 sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.

II.

1. Dem Anmelder war Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der [X.] (§ 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG i. V. m. § 73 Abs. 2 Satz 1 [X.]) zu gewähren, da er nach Überzeugung des Senats ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war (§ 123 Abs. 1 [X.]).

Der Anmelder befand sich offensichtlich in einem Rechtsirrtum darüber, dass die ihm vom [X.] durch Beschluss vom 13.12.2017 „für das Beschwerdeverfahren“ bewilligte Verfahrenskostenhilfe nicht auch die Kosten eines Beschwerdeverfahrens vor dem [X.] (B[X.]) mit umfasst und er deshalb nicht von der Zahlung der [X.] befreit ist.

Die Bewilligung in dem vorgenannten Beschluss bezog sich ausweislich der Gründe zwar nur auf das Abhilfeverfahren, welches das [X.] als Folge der von ihm vorgenommenen Umdeutung des vom Anmelder am 02.08.2017 gestellten Antrags auf Weiterbehandlung analog § 140 BGB in eine Beschwerde gegen den Beschluss vom 01.02.2017 eingeleitet hat. Das [X.] hat daraufhin der Beschwerde des Anmelders mit Beschluss vom 18.12.2017 auch abgeholfen und die Sache erneut in Behandlung genommen.

Diese Beschränkung der Verfahrenskostenhilfebewilligung auf das fragliche Abhilfeverfahren vor dem [X.] war für den anwaltlich nicht vertretenen Anmelder aber offenbar nicht hinreichend erkennbar, denn anders lässt sich nicht erklären, dass er zwar fristgerecht Beschwerde eingelegt, aber nicht gleichzeitig Antrag auf Verfahrenskostenhilfe gestellt hat (vgl. auch B[X.], Beschluss vom 17.11.2009 – 19 W (pat) 137/09). Dieser Irrtum hat sich offenkundig erst durch das gerichtliche Schreiben vom 08.03.2019, zugestellt am 09.03.2019, aufgeklärt, mit welchem der Anmelder auf die fehlende Gebührenzahlung hingewiesen wurde, woraufhin er mit Schreiben vom [X.], eingegangen am [X.], unverzüglich auf den bereits gestellten [X.] beim [X.] hingewiesen und sinngemäß auch einen erneuten [X.] für das Verfahren vor dem B[X.] gestellt hat.

Zwar ist ein Rechtsirrtum bzw. mangelnde Rechtskenntnis grundsätzlich kein Wiedereinsetzungsgrund (vgl. [X.], [X.], 10. Aufl., § 123 Rn 140 m.w.[X.]). Vorliegend erachtet der Senat die irrige Rechtsauffassung des Anmelders aber ausnahmsweise für entschuldbar. Insbesondere ist dem Beschluss des [X.] vom 13.12.2017 kein aufklärender Hinweis dahingehend zu entnehmen, dass die Bewilligung nur für das erstinstanzliche Abhilfeverfahren vor dem [X.] gilt, nicht jedoch für ein anschließendes Rechtsmittelverfahren vor dem B[X.]. Zudem lässt auch die Rechtsmittelbelehrung zu dem die Patentanmeldung zurückweisenden Beschluss des [X.] vom 17.09.2018 einen gesonderten Hinweis auf die Notwendigkeit der gesonderten Beantragung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren vermissen. Vor diesem Hintergrund beruht die mangelnde Kenntnis der Rechtslage ausnahmsweise nicht auf einem Verschulden des Anmelders (vgl. auch B[X.] a.a.[X.]).

Die versäumte Handlung, hier die Stellung des Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren (anstelle der Zahlung der [X.]), wurde am [X.], also [X.]halb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses am 09.03.2019 (Zustellung des gerichtlichen Schreibens vom 08.03.2019) nachgeholt (§ 123 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 [X.]). Die Wiedereinsetzung konnte daher auch ohne ausdrücklichen Antrag des Anmelders von Amts wegen gewährt werden (§ 123 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 [X.]). Die Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 [X.] ist gewahrt.

2. Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist jedoch nicht begründet.

2.1 Verfahrenskostenhilfe kann – ungeachtet des Vorliegens der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für deren Bewilligung – gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur gewährt werden, wenn eine hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents besteht. Hierzu ist im Hinblick auf den Charakter des Verfahrenskostenhilfeverfahrens als einem summarischen Verfahren eine vorläufige Würdigung der Erfolgsaussichten erforderlich, aber auch ausreichend (vgl. [X.], Patentgesetz, 10. Aufl., § 130 Rn 41 m. w. [X.]).

Nach dieser Würdigung ist vorliegend eine hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents jedoch zu verneinen, wie im Folgenden näher ausgeführt wird:

2.2 Die objektive Aufgabe der vorliegenden Anmeldung … mit dem Titel „…“ bestehe darin, eine Vorrichtung zu schaffen, die einen Wirkungsgrad größer oder gleich 100% aufweise (vgl. [X.], Abs. [0011], dort „… über [X.] das ursprüngliche Drehsystem noch stärker antreiben als nur etwa zur Aufrechterhaltung der Tourenzahl nötig ist, also wird das Gesamtsystem immer schneller.“, Abs. [0020], dort „… ist im laufenden System die Arbeit der Kugelbeschleunigung im Mitnahmering der Scheibe nicht mehr gleich der gewonnenen Sekundärring-Rotationsenergie, letztere ist höher und steigt weiter.“, Abs. [0031] u. [0032], dort „… lässt sich daraus ein Überschuss herauslösen. Denn Primärring und Sekundärring werden immer schneller, liefern immer stärker Energie zurück, während gleichzeitig die …- …, siehe oben, immer weniger Erhaltungsenergie benötigt … kann dieselbe z.B. einen Schnellläufer-Generator antreiben.“).

Gemäß der Beschreibung wird ein Rotationssystem mit einer oder mehreren rotierenden waagerechten [X.]n vorgeschlagen, bei der bspw. Kugeln vom [X.] einer rotierenden, massiven, [X.]en [X.] ausgehend von einem Ruhezustand (dort „null Einsatzenergie“) ganz von alleine in einer radialen oder spiralförmigen Bahn nach außen rollen, wobei sie durch Einwirken der Zentrifugalkraft sowie der [X.]kraft beschleunigt würden, so dass die Kugeln am [X.], wenn (tangential) austretend bzw. die spiralige Rollbahn verlassend, eine bestimmte [X.]kraft-bedingte „Flug-Geschwindigkeit“ hätten (vgl. [X.], Abs. [0003], [0012]). Die in den Kugeln gespeicherte kinetische Energie bzw. Rotationsenergie soll an ein „Löffelwerk“ abgegeben werden, welches sich an einem ebenfalls drehbaren Außenring ([X.]) befinde und welches dadurch in entgegengesetzter Richtung zur Scheibe zu rotieren beginne (vgl. [X.], Abs. [0003]). Die so gewonnene Energie soll über ein Umkehrgetriebe zurückgekoppelt und wieder der ursprünglichen zentralen [X.] zur weiteren Beschleunigung der Rotation zugeführt werden, wobei sogar ein Energieüberschuss entstehe (vgl. [X.], Abs. [0011], dort „… und können so mit grösserer Rückwirkungsenergie aus Ihrer Flugbahn … über [X.] das ursprüngliche Drehsystem noch stärker antreiben als nur etwa zur Aufrechterhaltung der Tourenzahl nötig ist, also wird das Gesamtsystem immer schneller.“).

Anzumerken ist, dass gemäß [X.] Absatz [0002] die nicht reibungsfreie Vorrichtung sehr wohl Anschubenergie sowie Energie zum Aufrechterhalten der Rotation benötigt, welche gemäß Absatz [0017] durch einen Motor bereitgestellt wird, dessen Fremdstrom allerdings im Betrieb reduziert werden soll, bzw. auf welchen gemäß Absatz [0024] nachher (d.h. wohl „im laufenden Betrieb“) völlig verzichtet werden könne.

Hier geht die Anmeldung jedoch fehl. Die Vorrichtung aus rückgekoppelten [X.]n und rollenden Kugeln kann keine überschüssige Energie erzeugen. Sämtliche in den Kugeln gespeicherte kinetische Energie und Rotationsenergie muss zunächst vom Motor aufgebracht werden und über die rotierende [X.] mittels Reibungskräften auf die Kugeln übertragen werden. Beim Auftreffen der Kugeln auf das Löffelwerk des [X.]s kann durch Impulsübertragung bestenfalls diese vorab in die Kugeln hineingesteckte Bewegungs-/Rotations-Energie rekuperiert und mit dem Umkehrgetriebe zu der zentralen [X.] zurückgeführt werden.

Darüber hinaus dürfen der [X.] für die Kugeln bei der Rückführung zum [X.] in [X.] unterhalb der [X.] sowie die Reibungsverluste in den Lagern, im Getriebe sowie beim Rollen der Kugeln nicht vernachlässigt werden.

Die Anmeldung übersieht offensichtlich, dass hier zwei unterschiedlich rotierende Bezugssysteme vorliegen, nämlich zum einen die rotierende Scheibe und zum anderen die rotierende [X.]. Auf bewegte [X.] wirkt für einen auf der [X.] mitbewegten Beobachter die sogenannte [X.]), welche eine orthogonal zur Bewegungsrichtung einer Masse wirkende, reine Scheinkraft ist, und welche einem mitbewegten bzw. sich weiterdrehenden Beobachter in dessen Bezugssystem eine virtuelle Krafteinwirkung vortäuscht. Die spiralartige Bewegungstrajektorie der Kugel auf der [X.] rührt von der [X.] hinsichtlich des Bezugssystems der drehenden Scheibe her. Denn eine bewegte Kugel versucht aufgrund der [X.]-Trägheit ihren ursprünglichen Bewegungszustand stets beizubehalten. Daher kann die Vorrichtung – entgegen der Auffassung des Anmelders – weder den Rotationen noch aus der [X.] irgendeine überschüssige Energie entnehmen.

In einer weiteren Ausführungsform soll das Rotationssystem dann mittels eines gleichsinnig zur [X.] rotierenden [X.] auf [X.] unterhalb von [X.] und [X.] durch Festhalten, Beschleunigen und Wegschleudern von „kraftlos“ vom Löffelwerk des [X.]s herabfallenden Kugeln noch mehr zusätzliche Energie generieren (vgl. [X.], Abs. [0015]). Aber weder die Rückkopplung des [X.]s mittels Umkehrgetriebe noch die Mitkopplung eines potentiellen weiteren [X.] ist in der Lage, die Rotation der zentralen [X.] zu verstärken, da dies dem allseits anerkannten Energieerhaltungssatz der Physik widersprechen würde (vgl. [X.], Abs. [0030], dort „coriolisartige Energieabgabe am [X.]“, Abs. [0024], dort „sekundäre [X.] erfährt dadurch fortlaufend einen Drall, er wird dadurch immer schneller und treibt über ein Mitlaufgetriebe oder über von ihm angetriebenen Generator mit dessen Strom die Kugelroll-[X.] zusätzlich an, bzw. verstärkt deren Drall“).

Mittels der vermeintlichen Erfindung soll aus Sicht des Fachmannes also ein „perpetuum mobile“ realisiert werden, welches sogar Überschussenergie mittels eines Generators für eine anderweitige Verwendung erzeugt. Dies entnimmt er der Anmeldung explizit an mehreren Stellen unmittelbar und eindeutig (vgl. [X.], Abs. [0011], dort „also wird das Gesamtsystem immer schneller“, Abs. [0016], dort „Ein mit diesem sekundären Ring verbundener Generator liefert Strom für zusätzlichen Antrieb der Kugelroll-[X.]“, Abs. [0018], dort „Es ergibt sich eine stetige Steigerung der Rotation des [X.] mitsamt seiner ganzen Masse, was anderweitig nutzbar ist.“, Abs. [0019] - [0020], dort „ist im laufenden System die Arbeit der Kugelbeschleunigung im Mitnahmering der Scheibe nicht mehr gleich der gewonnenen Sekundärring-Rotationsenergie, letztere ist höher und steigt weiter.“ sowie Abs. [0031] - [0032], dort „lässt sich daraus ein Überschuss herauslösen. Denn [X.] und Sekundärring werden immer schneller, liefern immer stärker Energie zurück … einen Schnellläufer-Generator antreiben.“).

Die Lehre der Anmeldung ist vor dem o.g. Hintergrund technisch nicht brauchbar, da durch diese die Aufgabe, eine Vorrichtung zu schaffen, die einen Wirkungsgrad größer oder gleich 100% aufweist, nicht lösbar ist. Sie ist daher keine Erfindung im Sinne von § 1 [X.] und somit einer Patenterteilung nicht zugänglich (vgl. [X.], Beschluss vom 27.09.1984 – [X.], [X.] 1985, 117 – Energiegewinnungsgerät).

Ein experimenteller Versuchsaufbau – wie vom Anmelder beantragt – ist weder angezeigt noch geboten, da weder das [X.] noch das B[X.] zur Durchführung von praktischen Versuchen bzw. Gegenexperimenten bei der Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen verpflichtet sind; dies ist auch rechtlich nicht vorgesehen. Abgesehen davon kennt die Ermittlung von Amts wegen Grenzen und ist unzumutbar bzw. kann unterbleiben, wenn dazu bei sorgfältiger Überlegung kein Anlass besteht (vgl. [X.], [X.], 10. Aufl., [X.]. Rn 34). Dies ist vorliegend der Fall. Denn ein „perpetuum mobile“ verstößt gegen anerkannte physikalische Gesetze, so dass dessen Lehre objektiv ohnehin nicht realisierbar ist (vgl. [X.], a.a.[X.], § 1 Rn 35). Der alledem zugrundeliegende Satz von der Erhaltung der Energie ist von der Fachwelt durchweg und allgemein anerkannt und konnte trotz mannigfaltigster Widerlegungsversuche in Theorie und Praxis bisher nicht widerlegt werden, so dass sich ein Hinwirken auf weitergehende experimentelle Ermittlungen auch überhaupt nicht aufdrängt (vgl. [X.], a.a.[X.], [X.]. Rn 40).

2.3 Der geltende Patentanspruch 1 in der Fassung vom 16.06.2007 geht zudem über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und ist damit unzulässig gemäß § 38 Satz 2 [X.].

Der unabhängige Patentanspruch 1 lautet (Gliederung durch den Senat hinzugefügt und Merkmal [X.].3.1 orthographisch richtiggestellt):

[X.] Ein Rotationssystem

[X.].1 mit einer oder mehreren rotierten waagerechten [X.]n und

[X.] darauf bzw. an ihm/ihnen befindlichen Rollkugeln zum [X.] der Zentrifugalkraft auf diese Kugeln,

dadurch gekennzeichnet, dass

[X.].1 dieselben, der [X.]kraft folgend, während der [X.] eine nach der anderen zum [X.] hin rollen, bzw. in entsprechend der [X.] der Coriollskraftwirkung gelegten beispielsweise aufgeschweissten mehreren Bahnen dorthin rollen und dadurch eine eigene kinetische Energie bekommen,

[X.].2 die sie befähigt, nach Verlassen der Scheibe ein Stück weit sich weiter zu bewegen,

[X.].3 beispielsweise auf einem unabhängig von der genannten Scheibe dicht anschliessenden, drehbar gelagerten Ring,

[X.].3.1 welcher Löffelschaufel aufweist, die dabei angestossen werden,

[X.].3.2 wodurch der genannte Ring in Drehbewegung versetzt wird,

[X.].3.3 welche Drehung nun genutzt werden kann,

[X.].3.4 beispielsweise um durch Umkehrgetriebe den Antrieb der oben genannten rotierten [X.] zu verstärken.

In den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen vom [X.] sind die „aufgeschweißten Bahnen“ gemäß Merkmal [X.].1 des Patentanspruchs 1 lediglich in der Zusammenfassung offenbart, welche ausschließlich der technischen Unterrichtung gemäß § 36 Abs. 2 [X.] dient. Da die Zusammenfassung nicht Teil der [X.] ist, kann diese daher nicht für die Bestimmung des Schutzumfangs bzw. als ursprüngliche [X.] der Erfindung im Sinne von § 34 Abs. 4 [X.] herangezogen werden.

Darüber hinaus ist der „dicht anschließende Ring“ gemäß Merkmal [X.].3 des Patentanspruchs 1 den ursprünglichen Anmeldeunterlagen überhaupt nicht zu entnehmen.

Schließlich werden im Merkmal [X.].3.4 gemäß Patentanspruch 1 durch die Formulierung des „[X.]“ mit dem Wortlaut „beispielsweise“ als rein [X.] Merkmal nur einzelne Merkmale der beiden Ausführungsbeispiele der Erfindung aufgenommen, so dass die sich daraus ergebende Merkmalskombination über den Inhalt der Anmeldung hinausgeht, da sie in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre umschreibt, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann (vgl. [X.], Urteil vom 11.09.2001, [X.] - Drehmomentenübertragungseinrichtung).

2.4 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist darüber hinaus – bei Betrachtung seiner räumlich-körperlichen Vorrichtungsmerkmale – auch nicht patentfähig, da dieser dem Fachmann in sämtlichen genannten Merkmalen aus dem Stand der Technik nahegelegt ist und somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 1 Abs. 1, § 4 [X.]).

Die vom Senat eingeführten Druckschriften [X.] 5 728 951 A ([X.]), [X.] 696 29 824 T2 ([X.]) und [X.] 31 02 490 [X.] ([X.]) betreffen jeweils Rotationssysteme mit rotierenden waagerechten [X.]n.

Als zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Diplom-Physiker mit abgeschlossenem Universitätsstudium.

Die Druckschrift [X.] betrifft einen [X.]durchflussmesser basierend auf der [X.] (vgl. [X.] Titel, dort „[X.] using concentric rotors“) umfassend (Merkmalsgliederung des Patentanspruchs 1 mit markierten optionalen und fakultativen Merkmalen durch den Senat):

[X.] Ein Rotationssystem (vgl. [X.], [X.]. 3, [X.] 30 - 36, dort „[X.] flowmeter“; Anspruch 1, dort „a rotor positioned within said housing and having a center axis of rotation“)

[X.].1 mit einer oder mehreren rotierten waagerechten [X.]n (vgl. [X.], [X.]. 10, 13, 14 und 18, [X.]. 3, [X.] 30 - 36, dort „[X.], an [X.] ([X.]) coaxial rotor“) und

[X.] darauf [optional, bzw. = „oder“] bzw. an ihm/ihnen befindlichen Rollkugeln zum [X.] der Zentrifugalkraft auf diese Kugeln (vgl. [X.], [X.]. 19, [X.] 38 – 41, dort „the fluid travels radially outward and thus centrifugal force enhances fluid flow and reduces pressure drop“; [X.], [X.]. 27, [X.] 46 - 55, dort „It is to be understood that the apparatus of the present invention may accommodate not only fluids per se but any other material that may flow or be pumped by the disclosed apparatus. Such other materials may include air, [X.], [X.], and liquids, as well as fluids.“),

dadurch gekennzeichnet, dass

[X.].1 dieselben, der [X.]kraft folgend, während der [X.] eine nach der anderen zum [X.] hin rollen, [optional, bzw. = „oder“] bzw. in entsprechend der [X.] der [X.]kraftwirkung gelegten [fakultativ] beispielsweise aufgeschweissten mehreren Bahnen dorthin rollen und dadurch eine eigene kinetische Energie bekommen (vgl. [X.], [X.]. 9 i. V. m. [X.]. 15, [X.] 55 – [X.]. 18, [X.] 2, dort „[X.]“; [X.] [X.]. 3, [X.] 41 – 51, dort „The fluid flowing through aligned holes spins the rotors and imparts a torque to the rotors that is proportional to the fluid mass flow rate. This torque applies equally to both the outer and [X.] rotors … experiences [X.] torque. The resultant angular deflection of the [X.] rotor with respect to the [X.] is proportional to mass flow rate.“),

[X.].2 die sie befähigt, nach Verlassen der Scheibe ein Stück weit sich weiter zu bewegen (vgl. [X.], [X.]. 13, 14, [X.]. 3, [X.] 30 - 36, dort „[X.]“; [X.], [X.]. 4, [X.] 10 - 14, dort „The holes of the [X.] rotor extend the fluid to mating holes in [X.] decoupler which rotates with the [X.] and which transforms the fluid from radial flow as received from the holes of the [X.] rotor to an axial flow that is applied to the fluid outlet of the flowmeter.“),

[X.].3 [fakultativ] beispielsweise auf einem unabhängig von der genannten Scheibe dicht anschliessenden, drehbar gelagerten Ring (vgl. [X.], [X.]. 13, 14, 16, 18, [X.]. 3, [X.] 30 - 36, dort „[X.]“),

[X.].3.1 welcher Löffelschaufel aufweist, die dabei angestossen werden (vgl. [X.], [X.]. 8, 10, 16, 18 i. V. m. [X.]. 4, [X.] 20 – 21, dort „the holes in the [X.] rotor are radial, while the holes in the [X.] have a 90° bend“ und [X.]. 13, [X.] 59 - 60, dort „The incoming fluid is abruptly accelerated tangentially as it enters the [X.]“),

[X.].3.2 wodurch der genannte Ring in Drehbewegung versetzt wird (vgl. [X.], [X.]. 9, 10 und [X.]. 18, [X.] 6 – 20, dort „The reaction force of the fluid as it makes this 90° turn in holes 1002 causes [X.] 1001 to spin.“; [X.]. 19, [X.] 23, [X.] 65, dort „[X.]“, „rotor phase angle“),

[X.].3.3 welche Drehung nun genutzt werden kann (vgl. [X.], [X.]. 3, [X.] 30 - 36, dort „[X.] displacement between the [X.] and the [X.] rotor.“),

[X.].3.4 [fakultativ] beispielsweise um durch Umkehrgetriebe den Antrieb der oben genannten rotierten [X.] zu verstärken.

Der [X.]-Flussmesser gemäß Druckschrift [X.] kann zwar für beliebige Materialien – insbesondere Flüssigkeiten sowie Gase - verwendet werden (vgl. [X.], [X.]. 27, [X.] 46 – 55, dort „any other material that may flow or be pumped“), die [X.] schweigt jedoch explizit hinsichtlich der beanspruchten Rollkugeln gemäß Merkmal [X.]. Der Fachmann kennt zum Anmeldezeitpunkt neben Flüssigkeiten und Gasen eine Vielzahl weiterer Materialien, welche für eine Flussmessung mittels [X.]-Flussmesser geeignet sind. Als Beleg für dieses fachmännische Wissen dient bspw. die [X.], welche eine Durchflussmessung mittels [X.]-Flussmesser von Körnern, Pulver oder granularen Festkörpern lehrt, vgl. [X.] [X.].1 und Abs. [0001] bis [0003]. Bei den genannten Körnern bzw. granularen Festkörpern handelt es sich offensichtlich um „Rollkugeln“ im Sinn der Anmeldung.

Damit sind dem Fachmann sämtliche Merkmale [X.] bis [X.].3.3 des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 alleine aus der Druckschrift [X.] in Verbindung mit seinem Fachwissen bzw. ebenfalls aus der Zusammenschau der Druckschriften [X.] und [X.] nahegelegt.

In der Druckschrift [X.] fehlt zwar das derzeit fakultative Merkmal [X.].3.4 eines [X.], welches zwischen die beiden rotierenden [X.]n geschaltet wird. Der Fachmann würde jedoch ein solches, sich zwischen zwei gegensinnig drehenden, scheibenförmigen Rotationstriebkörpern befindendes Umkehrgetriebe zwanglos der Druckschrift [X.], [X.]. 5 und [X.]. 6 i. V. m. Seite 22 zweitletzter Absatz sowie Seite 27 vierter Absatz (zu Ziffer 18) entnehmen.

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass es sich bei dem [X.]-Flussmesser gemäß [X.], trotz der Analogien zum [X.] bezüglich des [X.] bei gleichzeitiger Verwendung derselben physikalischen Prinzipien, keinesfalls um einen zur Energiegewinnung geeigneten Generator, sondern letztendlich „nur“ um ein empfindliches Messgerät handelt, welches zum Erzielen genauer Messwerte eine dauerhafte Zuführung von Energie mittels der Bewegungsenergie des zu messenden [X.] bzw. mittels der Antriebsenergie des [X.] benötigt (vgl. [X.], [X.]. 19, [X.] 37 – [X.]. 20, [X.] 54, dort „motor assist“, „signal to noise ratio“, „accurate meter“).

Nach alledem beruht der beanspruchte Gegenstand daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.5 Sonstige Anhaltspunkte, die eine hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents rechtfertigen könnten, sind den Anmeldeunterlagen nicht zu entnehmen.

Der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war daher zurückzuweisen.

3. Die durch den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zunächst gehemmte, restliche Zahlungsfrist zur Entrichtung der [X.] beginnt nach Maßgabe des § 134 [X.] wieder zu laufen (vgl. [X.], a.a.[X.], § 134 Rn 9). Der Anmelder hat daher grundsätzlich die Möglichkeit, die [X.] noch bis zum endgültigen Ablauf der Zahlungsfrist zu entrichten. Allerdings wird auf die fehlende Aussicht auf Erteilung des nachgesuchten Patents aus den oben dargelegten Gründen hingewiesen.

4. Die Entscheidung erging gemäß § 136 [X.] i. V. m. § 127 Abs. 1 Satz 1 ZPO ohne mündliche Verhandlung.

Meta

20 W (pat) 4/21

27.09.2021

Bundespatentgericht 20. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 73 Abs 2 S 1 PatG, § 123 Abs 1 PatG, § 6 Abs 1 S 1 PatKostG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.09.2021, Az. 20 W (pat) 4/21 (REWIS RS 2021, 2360)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2360

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