Bundessozialgericht, Urteil vom 03.12.2015, Az. B 4 AS 43/15 R

4. Senat | REWIS RS 2015, 1283

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss für Ausländer - Unionsbürger - Einschränkung des Gleichbehandlungsgebots des EuFürsAbk - Wirksamkeit der Vorbehaltserklärung der Bundesregierung - kein Leistungsausschluss bei Vorliegen eines Aufenthaltsrecht gem Art 10 EUV 492/2011 für Kinder in Ausbildung und deren Sorge ausübenden Eltern)


Leitsatz

1. Der von der Bundesregierung bezogen auf SGB II-Leistungen erklärte Vorbehalt zum Europäischen Fürsorgeabkommen bewirkte eine wirksame Einschränkung der Inländergleichbehandlung.

2. Einem Ausschluss von SGB II-Leistungen entgegenstehende andere Aufenthaltsrechte von Kindern und betreuenden Eltern können sich auch aus von Kindern von Arbeitnehmern erworbenen Rechten auf Fortführung der Ausbildung nach Art 10 VO (EU) 492/2011 ergeben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. Dezember 2012 aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer laufenden Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] für Mai 2012.

2

Die Kläger sind [X.] Staatsangehörige. Die 1966 in [X.] geborene Klägerin zu 1 reiste im Juni 2010 mit ihren Kindern, der im Mai 1994 geborenen Klägerin zu 2 sowie den in den Jahren 1998 und 1999 geborenen Klägern zu 3 und 4, erneut in die [X.] ein. Die Klägerin zu 1, die im streitigen [X.]raum Kindergeld für die Kläger zu 2 bis 4 bezog, erhielt am [X.] eine Bescheinigung nach § 5 [X.]/[X.], diejenigen für die weiteren Kläger datieren vom 11.7.2011. Mit Ausnahme eines weiteren im Jahre 2005 in [X.] geborenen Kindes, für das wegen des Bezugs von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz [X.]-Leistungen nicht streitig sind, sind die Kinder (Kläger zu 2 bis 4) während eines vorangegangenen langjährigen Aufenthalts in [X.] (B.) geboren.

3

Die erwerbsfähigen Klägerinnen zu 1 und 2 waren seit erneuter Einreise im Juni 2010 in kürzeren Beschäftigungen bzw Arbeitsgelegenheiten von weniger als einem Jahr tätig, jedoch nicht mehr in der [X.] ab Mai 2011. Im Übrigen bezogen die Kläger [X.]-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die der Beklagte zuletzt für die [X.] vom 1.12.2011 bis 31.5.2012 unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots des Art 1 des [X.] ([X.]) bewilligte (Bescheid vom 7.9.2011 idF der [X.] vom 26.11.2011 und 9.12.2011).

4

Unter Hinweis auf den von der [X.] [X.] im November 2011 erklärten Vorbehalt zum [X.] hob der Beklagte die [X.]-Bewilligungen für den Monat Mai 2012 in vollem Umfang auf (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Das [X.] hat diese Bescheide aufgehoben (Urteil vom 19.12.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es [X.] ausgeführt, die Kläger könnten auch im Mai 2012 [X.]-Leistungen beanspruchen, weil eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen nicht eingetreten sei. Zwar begründeten - bezogen auf die Klägerinnen zu 1 und 2 - "die Arbeitszeiten - für beide jeweils nicht mindestens sechs Monate seit Juni 2010 - kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht" und vermittele für beide "jeweils nach Beendigung der Beschäftigungen wieder ausschließlich die Arbeitsuche das Aufenthaltsrecht, so auch im Mai 2012". Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.] greife jedoch nicht, weil Art 4 [X.] ([X.]) [X.] jede Ungleichbehandlung von Unionsbürgern gegenüber den eigenen Staatsangehörigen bei den besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen untersage. Unabhängig hiervon werde die Ausschlussregelung weiterhin durch das speziellere Gleichbehandlungsgebot des Art 1 des [X.] verdrängt.

5

Mit seiner Sprungrevision macht der Beklagte geltend, der Ausschluss von [X.]-Leistungen verstoße nicht gegen [X.]-Recht. Bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] handele es sich um "Sozialhilfeleistungen" iS des Art 24 Abs 2 [X.] 2004/38/[X.], weshalb ein Leistungsausschluss für Arbeitsuchende möglich sei. § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.] verstoße nicht gegen die [X.] ([X.]) [X.]. Auch das [X.] stehe dem Leistungsausschluss nicht entgegen, weil der von der Bundesregierung erklärte Vorbehalt wirksam sei.

6

Mit Beschluss vom 12.12.2013 ([X.] [X.]/13 R) hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und dem [X.] [X.] die Frage vorgelegt, ob - ggf in welchem Umfang - Einschränkungen des Gleichbehandlungsgebots des Art 4 der [X.] ([X.]) [X.] durch Bestimmungen in nationalen Rechtsvorschriften in Umsetzung des Art 24 Abs 2 [X.] 2004/38/[X.] möglich seien, nach denen der Zugang zu besonderen beitragsunabhängigen Leistungen ausnahmslos nicht bestehe, wenn sich ein Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers in dem anderen Mitgliedstaat allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Hierzu hat der [X.] mit Urteil vom 15.9.2015 ([X.]/14 - [X.]b 2015, 638 ff) entschieden, dass Art 24 [X.] 2004/38/[X.] und Art 4 [X.] ([X.]) [X.] dahin auszulegen seien, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstünden, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten, die sich in der von [X.] b [X.] 2004/38/[X.] erfassten Sit[X.]tion befänden, vom Bezug bestimmter "besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen" iS von Art 70 Abs 2 [X.] ([X.]) [X.] ausgeschlossen würden, während Staatsangehörige des betreffenden Mitgliedstaats, die sich in der gleichen Sit[X.]tion befänden, diese Leistungen erhielten.

7

Der Beklagte beantragt weiterhin,
das Urteil des [X.] vom 19. Dezember 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie beziehen sich [X.] auf die Ausführungen des Generalanwalts beim [X.] [X.] (Schlussanträge vom 26.3.2015 in der [X.]/14) zu möglichen anderen [X.] der Kläger.

Entscheidungsgründe

Die Sprungrevision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das [X.] (vgl § 170 Abs 4 [X.]G) begründet, weil die bisher getroffenen Feststellungen (§ 163 [X.]G) keine abschließende Entscheidung darüber zulassen, ob die Aufhebung der [X.] für den Monat Mai 2012 rechtmäßig war.

1. Die Revision des Beklagten ist zulässig. Gemäß § 161 Abs 1 S 1 [X.]G steht den Beteiligten die Sprungrevision zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und sie vom [X.] zugelassen worden ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Das [X.] hat die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz im Tenor des angefochtenen Urteils ausdrücklich zugelassen. Der Beklagte hat auch das Schriftformerfordernis des § 161 Abs 1 [X.] [X.]G erfüllt, weil er seiner Revisionsschrift die Zustimmung der Kläger zur Einlegung der Sprungrevision im Original beigefügt hat.

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], soweit der Beklagte mit diesem die Bewilligung von [X.]B [X.][X.]-Leistungen für die Kläger zu 1 bis 4 für den Monat Mai 2012 aufgehoben hat. Hiergegen wenden sich diese zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 [X.]G).

3. a) [X.] vom [X.] idF des Widerspruchsbescheids vom [X.] ist formell rechtmäßig. Vor Erlass des Aufhebungsbescheids sind die Kläger ordnungsgemäß angehört worden. Nach § 24 [X.]B X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies sind alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, dh auf die sich die Verwaltung auch gestützt hat (vgl nur Urteil des Senats vom [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 113, 184 ff = [X.] 4-1300 § 45 [X.], Rd[X.]5). Die Kläger haben sich jedenfalls in ihrer Widerspruchsbegründung konkret zu den Gründen für die beabsichtigte Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zukunft äußern können.

b) Der angefochtene Bescheid genügt auch den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten. Als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt das [X.] nach § 33 Abs 1 [X.]B X, dass der [X.] nach seinem Regelungsgehalt vollständig, klar und in sich widerspruchsfrei ist. Dieses Erfordernis bezieht sich sowohl auf den [X.] der Entscheidung als auch auf den Adressaten des Verwaltungsaktes (vgl B[X.] Urteil vom 17.12.2009 - [X.] A[X.]0/09 R - B[X.]E 105, 194 = [X.] 4-4200 § 31 [X.], Rd[X.] mwN; B[X.] Urteil vom 17.12.2009 - [X.] AS 30/09 R - [X.] 4-4200 § 31 [X.] Rd[X.]6 mwN; B[X.] Urteil vom 7.7.2011 - [X.] [X.]/10 R - B[X.]E 108, 289 ff = [X.] 4-4200 § 38 [X.], Rd[X.]1). Zwar ist der Bescheid vom [X.] ausdrücklich nur an die Klägerin zu 1 gerichtet. Bereits der erste Satz der Begründung regelt jedoch erkennbar, dass auch die Bewilligungen für die Kinder der Klägerin, also die Kläger zu 2 bis 4, aufgehoben werden sollten. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der Beklagte die von ihm aufgehobenen Bescheide ausdrücklich bezeichnet hat und diese auch [X.]B [X.][X.]-Leistungen an die weiteren Kläger beinhalteten (zum Rückgriff auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte vgl nur Urteil des Senats vom [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 113, 184 = [X.] 4-1300 § 45 [X.], Rd[X.]6 mwN).

4. a) Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob der angefochtene Bescheid materiell rechtmäßig ist. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der mit den Bescheiden vom 7.9.2011, 26.11.2011 und 9.12.2011 bewilligten [X.]B [X.][X.]-Leistungen für den Monat Mai 2012 ist hier allein § 40 [X.]B [X.][X.] iVm § 48 Abs 1 S 1 [X.]B X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Zwar war die Bewilligung anfänglich rechtmäßig, sodass eine Rücknahme nach § 45 [X.]B X nicht in Betracht kam; eine wesentliche Änderung ist jedoch durch den von der [X.]regierung erklärten Vorbehalt zum [X.] eingetreten.

b) Bei Erlass der Bewilligungsbescheide bestand ein Anspruch der Kläger auf [X.]B [X.][X.]-Leistungen. Das [X.] hat - für den Senat bindend - festgestellt, dass sämtliche Kläger die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 [X.]B [X.][X.] erfüllten. Soweit das [X.] weiter angenommen hat, dass die [X.] zu 1 und 2 im streitigen Monat Mai 2012 weiterhin als Arbeitsuchende iS von § 2 Abs 2 [X.] [X.]/[X.] anzusehen waren (vgl zu den Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche: B[X.] Urteil vom 30.1.2013 - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 113, 60 ff = [X.] 4-4200 § 7 [X.]4, Rd[X.]1 ff mwN; B[X.] Urteil vom 19.10.2010 - [X.] A[X.]3/10 R - B[X.]E 107, 66 ff = [X.] 4-4200 § 7 [X.]1, Rd[X.]7 ff; B[X.] Urteil vom 3.12.2015 - [X.] AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen, Rd[X.]6 mwN), stand der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 [X.] [X.] [X.]B [X.][X.] ihren Ansprüchen anfänglich schon deshalb nicht entgegen, weil er durch Art 1 [X.] vom 11.12.1953 ([X.] 1956, 564) verdrängt wurde.

c) Nach Art 1 des Abkommens, das [X.] die [X.] und [X.] unterzeichnet haben, ist jeder der [X.]n verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der [X.] und Gesundheitsfürsorge (im Folgenden als "Fürsorge" bezeichnet) zu erbringen, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind. Das [X.] ist durch das Zustimmungsgesetz vom 15.5.1956 ([X.] 563) in innerstaatlich anwendbares, Rechte und Pflichten begründendes Recht transformiert worden (B[X.] Urteil vom 19.10.2010 - [X.] A[X.]3/10 R - B[X.]E 107, 66 ff = [X.] 4-4200 § 7 [X.]1, Rd[X.]4; BVerwG Urteil vom [X.] - 5 C 29/98 - BVerwGE 111, 200, 201). Als unmittelbar geltendes und spezielleres [X.]recht schließt Art 1 [X.] einen Leistungsausschluss für Staatsangehörige der Vertragsstaaten bei den von dem Abkommen erfassten Fürsorgeleistungen aus. Zu diesen Fürsorgeleistungen (vgl Begriffsbestimmung in Art 2 Abs a [X.] i [X.]) gehörte historisch die Sozialhilfe nach dem [X.] als "klassische" Fürsorgeleistung im Sozialleistungssystem der [X.]. Eine Einschränkung hinsichtlich der Gleichstellung ist nach Einführung des [X.] nur bezüglich der Leistungen nach § 30 [X.] (Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage) und nach § 72 [X.] (Hilfe zur Überwindung besonderer [X.] Schwierigkeiten) erfolgt (vgl Anhänge [X.] und [X.][X.] zum [X.], Fassung ab [X.], [X.] 686). Trotz der [X.] im Recht der Existenzsicherung zum 1.1.2005 durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl [X.] 2954 ff) und das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das [X.] (BGBl [X.] 3022), die auch das Außerkrafttreten des [X.] beinhalteten (vgl dessen Art 68), ist die [X.] ihrer Verpflichtung zur Mitteilung geänderter bzw neuer Rechtsvorschriften im Bereich der Fürsorge nach Art 16 [X.] nicht nachgekommen. Dies berücksichtigend hat der 14. Senats des B[X.] das Gleichbehandlungsgebot auch auf die zum 1.1.2005 neu geschaffenen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erstreckt (B[X.] Urteil vom 19.10.2010 - [X.] A[X.]3/10 R - B[X.]E 107, 66 ff = [X.] 4-4200 § 7 [X.]1, Rd[X.]2, 35).

5. a) Aufgrund des von der [X.]regierung zum [X.] erklärten Vorbehalts ist jedoch eine wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 S 1 [X.]B X eingetreten. Zwar hielten sich die [X.] zu 1 und 2 weiterhin "erlaubt" iS des Gleichbehandlungsgebots des Art 1 [X.] im [X.] auf, weil sie weiterhin über eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitsuchende verfügten (vgl zum "erlaubten Aufenthalt" iS des [X.] Urteil des Senats vom 3.12.2015 - [X.] [X.]/13 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Einer weiteren [X.]nländergleichbehandlung bezogen auf die hier allein streitigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B [X.][X.] stand jedoch der von der [X.]regierung am 19.12.2011 erklärte Vorbehalt entgegen. Eine Verletzung von Vorschriften des [X.], die aufgrund seiner Umsetzung als [X.]recht als revisibles Recht (§ 162 [X.]G) unmittelbar für die gesamte [X.] gelten (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - B 10 [X.] 3/04 R - B[X.]E 93, 194 = [X.] 4-7833 § 1 [X.], Rd[X.] mwN), ist mit dem Vorbehalt nicht verbunden.

b) Der Vorbehalt ist formell wirksam erklärt worden. Nach Art 16 Abs b [X.] hat jeder [X.] dem Generalsekretär des [X.] alle neuen Rechtsvorschriften mitzuteilen, die in Anhang [X.] noch nicht aufgeführt sind (Satz 1). Gleichzeitig mit dieser Mitteilung kann der [X.] Vorbehalte hinsichtlich der Anwendung dieser Rechtsvorschriften auf die Staatsangehörigen der anderen [X.]n machen (Satz 2). Nach Art 16 Abs c [X.] hat der Generalsekretär des [X.] den übrigen [X.]n alle Mitteilungen, die ihm nach den Bestimmungen der Absätze a und b zugehen, zur Kenntnis zu bringen. Auf der Grundlage dieser Regelung hat die [X.]regierung am 19.12.2011 gegen die Anwendung des [X.]B [X.][X.] im Rahmen des [X.] gegenüber dem [X.] folgenden Vorbehalt angebracht: "Die Regierung der [X.] übernimmt keine Verpflichtung, die im [X.] Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden" (idF der Bekanntmachung vom [X.], [X.] 144, berichtigt durch die Bekanntmachung zum [X.] Fürsorgeabkommen vom 3.4.2012, [X.] 470). Gleichzeitig hat sie erstmals die Regelungen des [X.]B [X.][X.] als neue Fürsorgevorschriften notifiziert. Der Vorbehalt wurde den übrigen vertragschließenden Parteien des Fürsorgeabkommens nach Art 16 Buchst c [X.] zur Kenntnis gebracht (s zur Veröffentlichung auf den Seiten des [X.] http://conventions.coe.int SEV [X.] 014).

c) Entgegen der Ansicht des [X.] musste der notifizierte Vorbehalt nicht durch ein entsprechendes Gesetz nach Art 59 Abs 2 S 1 [X.] im innerstaatlichen Recht umgesetzt werden. Nach Art 59 Abs 2 S 1 [X.] bedürfen Verträge, welche die politischen Beziehungen des [X.] regeln oder sich auf die Gegenstände der [X.]gesetzgebung beziehen, der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die [X.]gesetzgebung zuständigen Körperschaften in Form eines [X.]gesetzes. Dies gilt nicht nur für Gesetze, sondern auch für Handlungen, die konkludent eine Änderung des [X.] bewirken und soweit ein "Vertragsänderungswille" feststellbar ist ([X.] in Dreier, [X.], 3. Aufl 2015, Art 59 Rd[X.]6). Eine solche Änderung bereits in [X.]recht umgesetzter völkervertraglicher Verpflichtungen liegt hier jedoch nicht vor. Die Ermächtigung zur Erklärung von nachträglichen Vorbehalten bei Gesetzesänderungen der Vertragsstaaten im Bereich der Fürsorge nach [X.]nkrafttreten des Abkommens ist den Vertragsstaaten vielmehr von vornherein und ausdrücklich eingeräumt worden (vgl Art 16 Abs b [X.] [X.], Denkschrift zum [X.] Fürsorgeabkommen und dem Zusatzprotokoll, BT-Drucks [X.][X.]/1882, [X.]3; Ausschussdrucksache 17<11>881, S 1).

Art 16 [X.] bringt zum Ausdruck, dass die Vertragsstaaten des [X.] die Entscheidung darüber, welche nationalen Fürsorgeleistungen bei einer Änderung der nationalen Gesetzgebung in welchem Umfang in die [X.]nländergleichbehandlung einbezogen werden (sollen), dem jeweils vertragschließenden Staat übertragen wollten. Auch wenn der 14. Senat des B[X.] in seiner Entscheidung vom 19.10.2010 davon ausgegangen ist, dass es sich sowohl bei den Regelleistungen nach dem [X.]B [X.][X.] als auch bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem [X.]B X[X.][X.] um "Fürsorge" im Sinne des [X.] handelt ([X.] A[X.]3/10 R - B[X.]E 107, 66 ff = [X.] 4-4200 § 7 [X.]1, Rd[X.]2), hinderte dies die [X.]regierung nicht an der Anbringung eines Vorbehalts unter Berücksichtigung der erst durch die Rechtsprechung des 14. Senats höchstrichterlich geklärten Zuordnung der [X.]B [X.][X.]-Leistungen. Es war ihr unbenommen, für die Hilfebedürftigen aus den [X.]-Staaten die Anwendbarkeit des [X.]B [X.][X.] als eines von mehreren Existenzsicherungssystemen auszuschließen. [X.]nsbesondere waren mit der Einführung des [X.]B [X.][X.] materielle und über redaktionelle hinausgehende Änderungen insofern verbunden, als die Grundsicherung für Arbeitsuchende mit einer stärkeren Erwerbszentrierung, begleitenden Vermittlungstätigkeiten (s Eingliederungsvereinbarung) und einem - durch die Zusammenführung mit der ehemaligen Arbeitslosenhilfe bedingt - deutlich günstigeren Einsatz von Einkommen und Vermögen verbunden ist.

d) Der im Vorbehalt erklärte Ausschluss bei [X.]B [X.][X.]-Leistungen ist auch nicht als Einschränkung der durch das innerstaatlich umgesetzte [X.] materiell gewährleisteten [X.]nländergleichbehandlung (BVerwG Urteil vom [X.] - 5 C 29/98 - BVerwGE 111, 200 ff, 206) unwirksam und daher weiterhin für den Leistungsanspruch der Kläger unbeachtlich. Es handelt sich bei den [X.]B [X.][X.]-Vorschriften um "neue Rechtsvorschriften" iS der Vorbehaltsregelung des Art 16 Buchst b [X.] [X.].

Zwar war das [X.]B [X.][X.] - in seinen hier maßgeblichen leistungsrechtlichen Bestimmungen - im Dezember 2011 bereits seit einigen Jahren in [X.]. Der Begriff der "neuen Rechtsvorschriften" begründet aber keine "(Ausschluss-)Frist" zur Anbringung des Vorbehalts nach nationalem [X.]nkrafttreten eines neuen Gesetzes. Vielmehr steht der Begriff der "neuen Rechtsvorschriften" in einem Zusammenhang damit, ob das Gesetz bzw die konkrete Fürsorgeleistung bereits im Anhang [X.] zum [X.] erfasst worden ist. Unter Berücksichtigung dessen muss die Mitteilung "neuer Rechtsvorschriften" nach Art 16 Buchst b S 1 [X.] nicht unverzüglich nach dem innerstaatlichen [X.]nkrafttreten dieser Normen, sondern kann - wie hier zeitgleich mit der Erklärung eines Vorbehalts - auch zu einem späteren [X.]punkt erfolgen.

e) [X.]n der Erklärung kann auch keine eine Unwirksamkeit des Vorbehalts herbeiführende "faktische Kündigung" iS des Art 24 [X.], also eine den Vertragsstaaten nicht über eine bloße Vorbehaltserklärung erlaubte einseitige Lösung bereits vorbestehender völkerrechtlicher Verpflichtungen - in der Auslegung durch die Rechtsprechung des 14. Senats des B[X.] - gesehen werden. Die Staatsangehörigen der [X.]-Mitgliedstaaten haben weiterhin einen Anspruch auf [X.]B X[X.][X.]-Leistungen unter Außerachtlassung der nur für Ausländer geltenden Ausschlussregelung des § 23 Abs 3 [X.]B X[X.][X.], weil ein Vorbehalt für die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht erklärt worden ist. Leistungen nach dem [X.]B X[X.][X.] sind für den Personenkreis der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, für welche die Ausschlussregelungen des [X.]B [X.][X.] eingreifen, auch nicht aus Gründen des nationalen Rechts ausgeschlossen (vgl hierzu ausführlich Urteil des Senats vom 3.12.2015 - [X.] AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen, Rd[X.]6 ff; vgl auch Ausschussdrucksache 17<11>881 vom 25.4.2012 - Schriftlicher Bericht des [X.]ministeriums für Arbeit und Soziales zur Erklärung eines Vorbehalts gegen die Anwendung des [X.] Fürsorgeabkommens <[X.]>, [X.] zu möglichen [X.]B X[X.][X.]-Ansprüchen für [X.]-Staatsangehörige; [X.], [X.], 245, 246) (vgl hierzu ausführlich Urteil des Senats vom 3.12.2015 - [X.] AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen, Rd[X.]6 ff; vgl auch Ausschussdrucksache 17<11>881 vom 25.4.2012 - Schriftlicher Bericht des [X.]ministeriums für Arbeit und Soziales zur Erklärung eines Vorbehalts gegen die Anwendung des [X.] Fürsorgeabkommens <[X.]>, [X.] zu möglichen [X.]B X[X.][X.]-Ansprüchen für [X.]-Staatsangehörige; [X.], [X.], 245, 246).

f) Liegt demnach eine wesentliche Änderung durch den von der [X.]regierung erklärten Vorbehalt vor, können sich die Kläger - für einen weiter bestehenden Anspruch auf [X.]B [X.][X.]-Leistungen - auch nicht darauf beziehen, dass der Ausschluss von [X.] Unionsbürgern in ihrem Fall gegen europäisches Recht (Art 24 [X.] 2004/38/[X.] und Art 4 der [X.] <[X.]> [X.]) verstößt. Nach der Entscheidung des [X.] in dieser Sache (Urteil vom 15.9.2015 - [X.]/14 - [X.]b 2015, 638 ff) ist als geklärt anzusehen, dass der in § 7 Abs 1 [X.] [X.]B [X.][X.] normierte, ausnahmslose Ausschluss von [X.]B [X.][X.]-Leistungen auch bereits im [X.] beschäftigt gewesene Unionsbürgerinnen und Unionsbürger erfasst, die weniger als ein Jahr gearbeitet haben. Haben diese - wie hier die [X.] zu 1 und 2 - nach Ablauf der Aufrechterhaltung ihrer Erwerbstätigeneigenschaft für den [X.]raum von sechs Monaten erneut ein Aufenthaltsrecht nur (noch) zur Arbeitsuche, steht der nachfolgende ausnahmslose Ausschluss von [X.]B [X.][X.]-Leistungen (vgl Frage 2 des Vorlagebeschlusses des Senats vom 12.12.2013 - [X.] [X.]/13 R) unabhängig von der Dauer des rein tatsächlichen gewöhnlichen Aufenthalts der (wieder) [X.] im [X.] sowie deren familiärer Umstände nach dieser Entscheidung des [X.] im Einklang mit Art 4 der [X.] ([X.]) [X.] und Art 24 Abs 2 [X.] 2004/38/[X.].

6. Der Senat konnte dennoch nicht abschließend beurteilen, ob die durch den Vorbehalt zum [X.] bewirkte Änderung in den rechtlichen Verhältnissen iS von § 48 Abs 1 S 1 [X.]B X wesentlich war, der Verwaltungsakt also dem Grunde oder der Höhe nach so nicht mehr ergehen dürfte (vgl [X.] in jurisPK-[X.]B X, 2013, § 48 Rd[X.]0; B[X.] Urteil vom 3.10.1989 - 10 [X.] 7/89 - B[X.]E 65, 301, 302 = [X.] 1300 § 48 [X.]0 "wahre Rechtslage"). Es sind bisher nicht getroffene Feststellungen zu möglichen anderen [X.] der [X.] zu 1 und 2 im Monat Mai 2012 erforderlich.

a) Nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des B[X.] erfordert die Anwendbarkeit der Ausschlussregelung des § 7 Abs 1 [X.] [X.] [X.]B [X.][X.] eine Prüfung des Grundes bzw der Gründe für eine im streitigen Leistungszeitraum (weiterhin) bestehende Freizügigkeitsberechtigung nach dem [X.]/[X.] bzw eines Aufenthaltsrechts nach den - im Wege eines Günstigkeitsvergleichs - anwendbaren Regelungen des Aufenthaltsgesetzes (§ 11 Abs 1 S 11 [X.]/[X.]; vgl hierzu B[X.] Urteil vom 30.1.2013 - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 113, 60 = [X.] 4-4200 § 7 [X.]4, Rd[X.]1 ff). Bereits das Vorliegen der Voraussetzungen für ein anderes materiell bestehendes Aufenthaltsrecht als ein solches aus dem Zweck der Arbeitsuche hindert sozialrechtlich die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 [X.] [X.] [X.]B [X.][X.] (B[X.] Urteil vom 30.1.2013 - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 113, 60 = [X.] 4-4200 § 7 [X.]4, Rd[X.]1 f; B[X.] Urteil vom 19.10.2010 - [X.] A[X.]3/10 R - B[X.]E 107, 66 ff = [X.] 4-4200 § 7 [X.]1, Rd[X.]7 ff) bzw lässt den Leistungsausschluss "von vornherein" entfallen (B[X.] Urteil vom 25.1.2012 - [X.] [X.]/11 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.]8 Rd[X.]0 f). Ein anderes Aufenthaltsrecht iS des § 7 Abs 1 [X.] [X.] [X.]B [X.][X.] kann sich auch aus einem - bei der Klägerin zu 2 - eigenständigen oder - im Falle der Klägerin zu 1 - abgeleiteten Aufenthaltsrecht nach der unionsrechtlichen Regelung des Art 10 [X.] ([X.]) [X.] 492/2011 ergeben (vgl BVerwG [X.]-Vorlage vom 13.7.2010 - 1 C 15/09 - juris Rd[X.]9; ein Verbleiberecht bereits unmittelbar aus Art 10 [X.] ([X.]) [X.] 492/2011 bejahend auch [X.] in [X.], § 3 [X.]/[X.] Rd[X.]3 ff, Stand 7/2013; ebenso zu einem eigenständigen Aufenthaltsrecht des Kindes eines Wanderarbeitnehmers zusammen mit dem Recht auf Zugang zur Ausbildung bejahend auch [X.] in [X.]/[X.], [X.]V/A[X.]V, 4. Aufl 2011, Art 45 A[X.]V Rd[X.] 91 f).

b) Zwar hat das [X.] ausgeführt, dass bei den [X.] zu 1 und 2 auch im streitigen Monat Mai 2012 wieder ausschließlich "die Arbeitsuche das Aufenthaltsrecht" vermittelte. Hierin liegt jedoch keine Tatsachenfeststellung entsprechend den og Anforderungen, wie sie von der zeitlich überwiegend erst nach dem angegriffenen Urteil ergangenen Rechtsprechung des B[X.] zur Auslegung der Ausschlussregelung des § 7 Abs 1 [X.] [X.]B [X.][X.] formuliert worden sind. Zudem sind Aufenthaltsrechte nach Art 10 [X.] ([X.]) [X.] 492/2011 bisher nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung des B[X.] gewesen.

7. Bei seiner Entscheidung wird das [X.] demnach bei möglichen [X.] der [X.] Folgendes zugrunde zu legen haben (§ 170 Abs 5 [X.]G):

Nach Art 10 [X.] ([X.]) [X.] 492/2011 können Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen. Nach Aufhebung der [X.] ([X.]) [X.]612/68 durch Art 41 [X.] ([X.]) [X.] 492/2011 des [X.]-Parlaments und dessen Rates vom 5.4.2011 ([X.] [X.] [X.] L 141/1 vom 27.5.2011) übernimmt Art 10 [X.] ([X.]) [X.] 492/2011 insofern inhaltsgleich die bisherige Regelung des Art 12 Abs 1 [X.] ([X.]) [X.]612/68 ([X.] Urteil vom 6.9.2012 - Rs - [X.]/11 und 148/11 - [X.] C [X.] <[X.]> [X.]612/68 Art 12 [X.], Rd[X.] 4).

Dieses - historisch an die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Schaffung bestmöglicher Bedingungen für die [X.]ntegration der Familie des Wanderarbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat anknüpfende - Ausbildungsrecht des Kindes (vgl [X.] Urteil vom 17.9.2002 - Rs C-413/99 - Slg 2002, [X.]-7091 ff, juris Rd[X.] 51 ff) setzt voraus, dass dieses Kind "in Ausbildung" mit seinen Eltern oder einem Elternteil in einem Mitgliedstaat in der [X.] lebte, in der dort zumindest ein Elternteil als Arbeitnehmer wohnte. Der Erwerb des Ausbildungsrechts ist an den Status als Kind eines Arbeitnehmers gebunden ([X.] Urteil vom 21.6.1988 - [X.]/86 - Slg 1988, 3105 ff, juris Rd[X.]0; [X.] Urteil vom [X.] - [X.]/94 - Slg 1995, [X.]-1031 ff, juris Rd[X.]7; [X.] Urteil vom 14.6.2012 - [X.]/09 - [X.] C A[X.]V Art 45 [X.], Rd[X.] 50 f; vgl auch [X.] Urteil vom 6.9.2012 - Rs [X.]/11 und C-148/11 - [X.] C [X.] <[X.]> [X.]612/68 Art 12 [X.], Rd[X.]0 zur ausschließlichen Anwendbarkeit des Art 12 [X.] <[X.]> [X.]612/68 auf Kinder von Arbeitnehmern). Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] impliziert das Ausbildungsrecht aus Art 10 [X.] ([X.]) [X.] 492/2011 gleichzeitig ein eigenständiges Aufenthaltsrecht der sich weiterhin in Ausbildung befindlichen Kinder, das grundsätzlich bis zum Abschluss der Ausbildung und insbesondere besteht, solange sie tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat in das Schulsystem eingegliedert sind ([X.] Urteil vom 17.9.2002 - Rs C-413/99 - Slg 2002, [X.]-7091 ff, juris Rd[X.] 53 f; [X.] Urteil vom 13.6.2013 - [X.]/12 - [X.] C [X.] <[X.]> [X.]408/71 Art 1 [X.]6, juris Rd[X.] 46 und 52; [X.] Urteil vom 23.2.2010 - [X.]/08 - Slg 2010, [X.]-1107, juris Rd[X.]6 und 53).

Soweit und solange die regelmäßig minderjährigen Kinder eines Arbeitnehmers oder ehemaligen Arbeitnehmers für die Wahrnehmung ihrer Ausbildungsrechte aus Art 10 [X.] ([X.]) [X.] 492/2011 weiterhin der Anwesenheit und der Fürsorge des Elternteils bedürfen, um ihre Ausbildung fortsetzen und abschließen zu können, besteht darüber hinaus in gleicher Weise für den Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich wahrnimmt, ein abgeleitetes Recht auf Aufenthalt aus Art 10 [X.] ([X.]) [X.] 492/2011. Dies hat der [X.] damit begründet, dass die Versagung der Möglichkeit für die Eltern, während der Ausbildung ihrer Kinder im Aufnahmemitgliedstaat zu bleiben, geeignet sein könnte, den Kindern ein - ihnen vom [X.] zuerkanntes - Recht zu nehmen ([X.] Urteil vom 13.6.2013 - [X.]/12 - [X.] C [X.] <[X.]> [X.]408/71 Art 1 [X.]6, juris Rd[X.] 46; [X.] Urteil vom 23.2.2010 - [X.]/08 - Slg 2010, [X.]-1107, juris Rd[X.]6, 53, 86). Ohne Belang ist, ob die Eltern der betreffenden Kinder inzwischen geschieden sind oder der die elterliche Sorge tatsächlich wahrnehmende Elternteil nicht mehr Wanderarbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat ist (vgl [X.] Urteil vom [X.] - [X.]/11 - [X.] C [X.] <[X.]> [X.]612/68 Art 12 [X.]4, Rd[X.]7 mwN; [X.] in [X.], [X.], 2010, § 3 [X.]/[X.] Rd[X.]9; Dienelt in [X.]/[X.]/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl 2013, § 3 [X.]/[X.] Rd[X.]0 ff).

Die einmal erworbenen Ausbildungs- und Aufenthaltsrechte der Kinder bzw der (sorgeberechtigten bzw die tatsächliche Sorge ausübenden) Elternteile bestehen nach der Rechtsprechung des [X.] unabhängig von den in der [X.] 2004/38/[X.] festgelegten Voraussetzungen ausreichender Existenzmittel sowie eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes (§ 4 [X.]/[X.]) fort und sind autonom gegenüber den unionsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden, die die Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat regeln ([X.] Urteil vom [X.]/08 <[X.]brahim und Secretary of State for the Home Department> - Slg 2010, [X.]-1065, juris Rd[X.] 42 ff, 50; [X.] Urteil vom 23.2.2010 - [X.]/08 - Slg 2010, [X.]-1107, juris Rd[X.] 53 ff; [X.] in [X.], [X.], 2010, § 3 [X.]/[X.] Rd[X.]0 mwN; [X.]/[X.]/[X.], Aufenthalts- und Ausländerrecht, § 3 [X.]/[X.] Rd[X.]04, Stand Juli 2011; [X.] in [X.], § 3 Rd[X.]7, Stand Juli 2013; [X.] in [X.]/[X.], [X.]V/A[X.]V, 4. Aufl 2011, Art 45 A[X.]V Rd[X.] 91 f). [X.]nsofern hat der [X.] der Entstehungsgeschichte (vgl [X.] <2003> 199 endg S 7) und den [X.]nhalten der [X.] 2004/38/[X.] entnommen, dass der Anwendungsbereich des Art 12 [X.] ([X.]) [X.]612/68 in seiner Auslegung durch den [X.] gerade nicht eingeschränkt werden sollte (vgl [X.] Urteil vom [X.]/08 <[X.]brahim und Secretary of State for the Home Department> - Slg 2010, [X.]-1065, juris Rd[X.] 46 mwN). Art 12 Abs 3 [X.] 2004/38/[X.] in seiner Anknüpfung an die [X.]-Rechtsprechung (vgl [X.] Urteil vom 17.9.2002 - Rs C-413/99 - Slg 2002, [X.]-7091, juris Rd[X.]3) - im [X.] Recht umgesetzt durch § 3 Abs 4 [X.] (vgl BT-Drucks 16/5065 [X.]10) - bestätigt dies. Hiernach führt der Wegzug des [X.] aus dem Aufnahmemitgliedstaat oder sein Tod weder für seine Kinder noch für den Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich wahrnimmt, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, bis zum Abschluss der Ausbildung zum Verlust des Aufenthaltsrechts, wenn sich die Kinder im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten und in einer Bildungseinrichtung zu Ausbildungszwecken eingeschrieben sind (vgl hierzu auch [X.]/[X.]/[X.], Aufenthalts- und Ausländerrecht, § 3 [X.]/[X.] Rd[X.]01, Stand Juli 2011; [X.] in [X.], § 3 [X.]/[X.] Rd[X.]0, Stand 7/2013).

Näher zu prüfen ist daher, welchen Umfang und Charakter die vom [X.] angesprochenen "Arbeitszeiten" der Klägerin zu 1 im [X.] hatten und ob es sich hierbei um Beschäftigungen als Arbeitnehmerin iS von Art 10 der [X.] ([X.]) [X.] 492/2011 handelte (vgl zur gemeinschaftlichen Bedeutung des Arbeitnehmerbegriffs zB [X.] Urteil vom 19.11.2002 - Rs C-188/00 - Slg 2002, [X.]-10691, juris Rd[X.]2; [X.] in [X.], § 3 [X.]/[X.] Rd[X.]6, Stand 7/2013 mwN). Ausgehend von seinem rechtlichen Ausgangspunkt hat das [X.] hierzu bisher keine Feststellungen treffen können, sondern lediglich - zusammenfassend für die [X.] zu 1 und 2 - ausgeführt, dass die "Arbeitszeiten - für beide jeweils nicht mindestens sechs Monate seit Juni 2010 - kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht europarechtlich begründeten".

Voraussetzung solcher Aufenthaltsrechte wegen fortdauernder Ausbildungen der Kläger zu 3 und/oder 4 ist weiter, dass diese im streitigen [X.]raum ihre bereits während einer etwaigen Beschäftigung der Klägerin zu 1 als Arbeitnehmerin wahrgenommenen Schulausbildungen in einer in [X.] gelegenen Einrichtung weiterhin regelmäßig nachgekommen sind (vgl zum Schulbesuch insb [X.] in [X.], § 3 [X.]/[X.] Rd[X.]1 f, Stand 7/2013 mwN). Schließlich muss die Klägerin zu 1 als Elternteil die elterliche Sorge tatsächlich ausgeübt haben, was hier jedoch naheliegt.

Auch bezogen auf die erst während des [X.] volljährig gewordene Klägerin zu 2 wird das [X.] noch feststellen müssen, ob ihr ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach der [X.] ([X.]) [X.] 492/2011 zustand. Anders als bei der Klägerin zu 1 kann sich ihre Freizügigkeitsberechtigung nicht aus derjenigen der Kläger zu 3 und 4 ableiten, weil die Geschwister im Verhältnis zu einem stammberechtigten Unionsbürger keine Familienangehörigen iS des § 3 Abs 2 [X.]/[X.] und des Art 2 [X.] [X.] 2004/38/[X.] sind (vgl - auch zur Berücksichtigung familiärer Umstände - BVerwG Urteil vom 13.6.2013 - 10 C 16/12 - [X.]nfAuslR 2013, 364 ff). Zu klären ist ggf auch, ob sie im Mai 2012 ein Aufenthaltsrecht aus einer etwaigen Aufenthalts- bzw Freizügigkeitsberechtigung ihres Vaters ableiten konnte.

Das [X.] wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 4 AS 43/15 R

03.12.2015

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Berlin, 19. Dezember 2012, Az: S 55 AS 18011/12, Urteil

§ 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 2, § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2, Art 1 EuFürsAbk, Art 16 Buchst b S 1 EuFürsAbk, Art 16 Buchst b S 2 EuFürsAbk, Art 59 Abs 2 S 1 GG, Art 10 EUV 492/2011

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 03.12.2015, Az. B 4 AS 43/15 R (REWIS RS 2015, 1283)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1283

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