Bundessozialgericht, Urteil vom 01.07.2014, Az. B 1 KR 29/13 R

1. Senat | REWIS RS 2014, 4463

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Krankenhausbehandlung - unbefristete Obliegenheit des Krankenhauses zur Darlegung der tatsächlichen Voraussetzungen einer berechneten Vergütung - objektive Beweislast - Beweisverwertungsverbot für Behandlungsunterlagen wegen Verfristung der Prüfanzeige nur bei Auffälligkeitsprüfungen


Leitsatz

1. Bestehen auch nur geringste Anhaltspunkte für eine sachlich-rechnerische Unrichtigkeit der Rechnung eines Krankenhauses oder für eine Missachtung seiner Obliegenheit, über die Abrechnungsgrundlagen zu informieren, obliegt es ihm unbefristet, die tatsächlichen Voraussetzungen der berechneten Vergütung darzutun.

2. Das Krankenhaus trägt das Risiko der Nichterweislichkeit der tatsächlichen Voraussetzungen geltend gemachter Vergütung für die Behandlung Versicherter.

3. Ein Beweisverwertungsverbot für Behandlungsunterlagen wegen Verfristung der Prüfanzeige greift nur bei Auffälligkeitsprüfungen, nicht bei Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit von Krankenhausrechnungen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 19. September 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 832,94 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung und die Zahlung einer Aufwandspauschale.

2

Die klagende Krankenhausträgerin behandelte in der Frauenklinik ihres nach § 108 [X.] zugelassenen Klinikums die bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherte, 1994 geborene [X.] (im Folgenden: Versicherte) vom 25. bis 28.3.2010 stationär wegen Unterleibsschmerzen, deren Lokalisation zwischen den Beteiligten streitig ist. Die Klägerin führte eine Laparoskopie durch, kodierte als Hauptdiagnose [X.] R10.3 (Schmerzen mit Lokalisation in anderen Teilen des [X.]) und berechnete die Fallpauschale [X.] mit 2850,44 Euro ([X.]). Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ([X.]), die Notwendigkeit und Dauer stationärer Behandlungsbedürftigkeit zu überprüfen (Prüfauftrag vom [X.], [X.]-Prüfanzeige vom [X.]). Der [X.] ging von einer keine [X.] bewirkenden, nur zweitägig notwendigen Behandlungsdauer aus (Krankenhausbegehung und Gutachten vom [X.]). Die Beklagte wandte sich erneut an den [X.] zwecks Überprüfung der Hauptdiagnose (20.7.2010) und zahlte 2317,50 Euro an die Klägerin ([X.]) unter der Annahme, die Klägerin hätte [X.] N94.4 (Primäre Dysmenorrhoe) kodieren und [X.] berechnen müssen. Der [X.] meinte, die Klägerin hätte - ebenfalls [X.] ansteuernd - [X.] R10.2 (Schmerzen im Becken und am Damm) kodieren müssen ([X.]), was die Klägerin bestritt. Die von der Klägerin in Rechnung gestellte Aufwandspauschale (26.7.2010) bezahlte die Beklagte unter Hinweis auf die [X.] nicht. Die Klägerin ist mit ihrer Klage, die Beklagte zur Zahlung von 832,94 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 532,94 Euro seit 28.8.2010 sowie aus 300 Euro seit [X.] zu verurteilen, beim [X.] erfolglos geblieben (Urteil vom 6.11.2012). Das L[X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Die Klägerin trage die objektive Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Kodierung von [X.] R10.3 als Hauptdiagnose vorgelegen hätten. Der Sachverhalt sei nicht weiter aufklärbar, weil die Klägerin sich geweigert habe, die Behandlungsunterlagen erneut zu [X.] zur Verfügung zu stellen (Urteil vom 19.9.2013).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung der §§ 275 ff [X.] und des § 242 BGB. Das ursprüngliche Prüfverfahren sei beendet gewesen. Eine Erweiterung des ersten Prüfauftrags sei nach Ablauf der Frist des § 275 Abs 1c S 2 [X.] ausgeschlossen. Das zweite, die Hauptdiagnose betreffende Prüfverfahren habe die Beklagte nicht einleiten dürfen. Sie habe schon keine Auffälligkeit aufgezeigt und zudem das Prüfverfahren weder fristgemäß eingeleitet noch überhaupt angezeigt. Da das erste Prüfverfahren zu keiner [X.] geführt habe, sei auch der Anspruch auf die Aufwandspauschale begründet.

4

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des [X.] vom 19. September 2013 und des [X.] vom 6. November 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 832,94 Euro nebst Zinsen von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 532,94 Euro seit 28. August 2010 und aus 300 Euro seit 11. August 2010 zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass die klagende Krankenhausträgerin gegen die beklagte [X.] keinen Anspruch auf Zahlung von 832,94 Euro hat. Die von der Klägerin im [X.] erhobene (echte) Leistungsklage ist zulässig (vgl [X.], 1 f = [X.] 3-2500 § 112 [X.]; [X.], 164 = [X.] 4-2500 § 39 [X.], Rd[X.] mwN; [X.], 172 = [X.] 4-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 9 mwN; [X.], 15 = [X.] 4-2500 § 109 [X.], Rd[X.]), aber unbegründet. Der Anspruch der Klägerin auf Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten (dazu 1.) übersteigt die von der Beklagten gezahlten 2317,50 Euro nicht (dazu 2.). Die dagegen von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch (dazu 3.). Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Zahlung einer Aufwandspauschale von 300 Euro (dazu 4.).

8

1. Die Klägerin erfüllte die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf [X.], indem sie die Versicherte vom 25. bis 28.3.2010 stationär behandelte. Die Zahlungsverpflichtung einer [X.] entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 [X.] erforderlich ist (stRspr, vgl zB [X.], 172 = [X.] 4-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 11; [X.], 15 = [X.] 4-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 15; BSG [X.] 4-2500 § 109 [X.] Rd[X.] 11; BSG [X.] 4-5565 § 14 [X.] Rd[X.] 11; [X.], 236 = [X.] 4-5560 § 17b [X.], Rd[X.], alle mwN). Diese Voraussetzungen waren nach den [X.], den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des [X.] erfüllt.

9

2. Der Klägerin stehen keine weiteren 532,94 Euro Vergütung als Differenzbetrag zwischen vergüteter [X.] und abgerechneter [X.] zu. Nach den [X.], den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des [X.] sind die tatsächlichen Voraussetzungen der von der Klägerin abgerechneten [X.] (Andere [X.]en an den Verdauungsorganen ohne komplexe oder mäßig komplexe [X.]) nicht erwiesen (dazu a). Dafür trägt die Klägerin die objektive Beweislast. Es liegt nichts dafür vor, dass der Anspruch der Klägerin aus anderen Gründen höher ist als der von der Beklagten gezahlte Betrag von 2317,50 Euro (dazu b).

a) Die von der Klägerin geltend gemachte [X.] bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich gesetzlich aus § 109 Abs 4 [X.] [X.] (idF durch Art 1 [X.] zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom [X.], [X.]) iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG - (idF durch Art 2 [X.] Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem [X.] vom [X.], [X.]) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz ([X.]; idF durch Art 1 [X.] 4 KHRG vom [X.], [X.]; vgl entsprechend BSG [X.] 4-2500 § 109 [X.] 14 Rd[X.] 15). Der Anspruch wird auf [X.] durch [X.] ([X.]) konkretisiert. Im vorliegenden Fall sind die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das [X.] (Fallpauschalenvereinbarung 2010 - [X.] 2010) einschließlich der Anlagen 1 bis 6 (insbesondere Anlage 1 Teil a) [X.] 2010) und die von den Vertragspartnern auf [X.] getroffene Vereinbarung zu den [X.] für das [X.] (Vereinbarung zu den [X.] Version 2010 für das G-DRG-System gemäß § 17b [X.]) maßgebend (zu deren normativer Wirkung vgl [X.], 236 = [X.] 4-5560 § 17b [X.], Rd[X.] 18).

Welche [X.] abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl [X.], 236 = [X.] 4-5560 § 17b [X.], Rd[X.] ff). Nach § 1 Abs 6 S 1 [X.] 2010 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der [X.], einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 S 1 [X.] und § 9 Abs 1 S 1 [X.] 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf [X.], zertifiziert worden sind.

Die Anwendung der [X.] und der [X.]-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des [X.] und des [X.] erfolgt eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl BSG [X.] 4-2500 § 109 [X.] Rd[X.] mwN; [X.], 236 = [X.] 4-5560 § 17b [X.], Rd[X.]7; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im [X.] vgl BSG [X.] 4-1500 § 160a [X.] 32 Rd[X.] ff, stRspr).

Aus den mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen (§ 163 SGG) von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] ergibt sich nicht, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des [X.] R10.3 (Schmerzen mit Lokalisation in anderen Teilen des [X.]) vorgelegen haben, der im Verbund mit [X.] 2010 1-694 (Diagnostische Laparoskopie) nach den aufgezeigten rechtlichen Grundlagen [X.] ansteuert. Die symptombezogene Diagnose [X.] R10.3 ist nach [X.] 2010 D002f dann als Hauptdiagnose zu kodieren, wenn keine die Symptomatik erklärende, definitive Diagnose ermittelt wurde oder bei bekannter Diagnose die Behandlung ausschließlich wegen der Symptomatik erfolgte. Den Ausführungen des [X.] ist insoweit noch hinreichend die Feststellung zu entnehmen, dass das [X.] trotz der zu diagnostischen Zwecken durchgeführten Laparoskopie auch bei Entlassung der Versicherten keine die Symptomatik erklärende Diagnose angeben konnte. Hingegen hat das [X.] ausgehend von den ihm allein zur Verfügung stehenden [X.] vom [X.] und [X.] sich nicht die Überzeugung bilden können, wo die Unterleibsschmerzen bei der Versicherten genau zu lokalisieren waren. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das [X.] hierfür weitere, ihm durch die Weigerung der Klägerin nicht mögliche Sachverhaltsermittlungen für erforderlich gehalten hat.

b) Zu Recht hat das [X.] das Risiko der Nichterweislichkeit der tatsächlichen Voraussetzungen des [X.] R10.3 nach den Grundsätzen über die objektive Feststellungslast der Klägerin zugeordnet. Das entspricht den allgemeinen Grundsätzen: Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen werden, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, hier also der Klägerin (vgl zB BSG [X.] 4-2500 § 44 [X.] Rd[X.] mwN; [X.], 181 = [X.] 4-2500 § 109 [X.] 15, Rd[X.]8 mwN). Die Klägerin trägt in diesem Sinne den rechtlichen Nachteil der Beweislosigkeit des von ihr lediglich behaupteten Sachverhalts, der zu einem Vergütungsanspruch nach [X.] führt. Es ist hierfür ohne Belang, dass die Beklagte nicht von der ihr vertraglich eröffneten Möglichkeit Gebrauch machte, zunächst einen Kurzbericht anzufordern (§ 2 Abs 1 Vertrag nach § 112 Abs 2 [X.] [X.] zwischen der [X.] und den Landesverbänden der [X.]n mit Wirkung vom 1.4.1991). Dies lässt die Beweislastverteilung unberührt. Für andere Vergütungsansprüche, die höher als 2317,50 Euro sind, liegt nichts vor.

3. Die dagegen erhobenen Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch, weder diejenigen aus den Anforderungen an [X.]en (vgl § 275 Abs 1c und Abs 1 [X.], dazu a) noch jene aus dem kompensatorischen Beschleunigungsgebot (dazu b).

a) Die Klägerin kann aus der Regelung des § 275 Abs 1c [X.] nichts für sich herleiten. Unerheblich ist, ob die von der Beklagten zunächst veranlasste [X.] mit dem [X.] vom [X.] abgeschlossen war oder ob ein Fall vorliegt, in dem der [X.] bei seiner Prüfung der Behandlungsunterlagen und der [X.] weitere, der Beklagten zunächst verborgene Auffälligkeiten feststellte, sodass der ursprüngliche Prüfauftrag keine Sperrwirkung entfaltete (vgl dazu [X.] vom 17.12.2013 - B 1 KR 14/13 R - Juris Rd[X.], vorgesehen für [X.] 4-2500 § 275 [X.] 15). Denn die Beklagte durfte die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung nach allgemeinen Grundsätzen überprüfen (dazu [X.]). Das Überprüfungsrecht der [X.]n auf sachlich-rechnerische Richtigkeit besteht unabhängig von den engeren Anforderungen einer [X.] (dazu [X.]).

[X.]) Das Überprüfungsrecht der [X.]n von Krankenhausabrechnungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit unterliegt einem eigenen Prüfregime. Die gesetzliche Regelung der Informationsübermittlung vom Krankenhaus an die [X.] (vgl § 301 [X.]) korrespondiert mit der Prüfberechtigung der [X.]. [X.]n sind jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung von [X.] mit Blick auf eine Leistungsverweigerung oder nicht verjährte Erstattungsforderungen zu überprüfen (§ 301 [X.]). Denn das Krankenhaus hat hierzu zutreffend und vollständig alle Angaben zu machen, deren es zur Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung bedarf (§ 301 Abs 1 [X.]; vgl zB 1. Senat des BSG in [X.], 214 = [X.] 4-2500 § 275 [X.] 3, Rd[X.], 21; 3. Senat des BSG in [X.], 58 = [X.] 4-2500 § 109 [X.]4, Rd[X.] 18 ff mwN; BSG [X.] 4-2500 § 275 [X.] 5 Rd[X.] 14 mwN, stRspr). Hierbei kann es keinerlei Obliegenheit oder gar Pflicht der [X.] geben, Zweifel an der Erfüllung einer Anspruchsvoraussetzung durch substantiierten Vortrag zu untermauern (vgl [X.], 15 = [X.] 4-2500 § 109 [X.], Rd[X.]8 mwN). Denn nach der Rechtsprechung des [X.] BSG (vgl [X.], 111 = [X.] 4-2500 § 39 [X.], jeweils Rd[X.]8 f) obliegt die Entscheidung über den Anspruch des Versicherten auf vollstationäre Krankenhausbehandlung allein der [X.] und im Streitfall dem Gericht, ohne dass diese an die Einschätzung des Krankenhauses oder seiner Ärzte gebunden sind (vgl [X.], 181 = [X.] 4-2500 § 109 [X.] 15, Rd[X.] 31).

Andererseits wäre es rechtsmissbräuchlich, wenn [X.]n flächendeckend ohne irgendeinen Anhaltspunkt jede Krankenhausabrechnung beanstandeten (vgl zur routinemäßigen und pauschalen Weigerung einer [X.], [X.] zu bezahlen, zB [X.], 104, 109 f = [X.] 3-2500 § 112 [X.] S 16 f). Dafür liegt hier aber nichts vor. Jedenfalls dann, wenn sich demgegenüber auch nur geringste Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Abrechnung nicht sachlich-rechnerisch richtig ist und/oder dass das Krankenhaus seine primären Informationsobliegenheiten und ggf -pflichten über die [X.] nicht erfüllt, trifft das Krankenhaus spätestens auf Anforderung der [X.] zumindest die Obliegenheit, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere auch die Behandlungsunterlagen an den [X.] oder das Gericht herauszugeben, soweit sich aus den [X.] nach § 112 [X.] keine weitergehenden Mitteilungspflichten ergeben.

Die Beklagte beachtete die genannten Anforderungen an die Überprüfung von Krankenhausabrechnungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit. Im vorliegenden Fall bestanden mehr als nur geringste Anhaltspunkte für eine sachlich-rechnerische Unrichtigkeit. Denn der [X.] ging in seiner gutachtlichen Stellungnahme ([X.]) kurz nach Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen und einer [X.] ([X.]) davon aus, die Behandlung sei mit [X.] [X.] zu kodieren. Die im Gerichtsverfahren urkundsbeweislich verwertbare Stellungnahme des [X.] ließ sogar ganz erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der von der Klägerin nach § 301 [X.] mitgeteilten Daten zur Hauptdiagnose und damit an der Richtigkeit ihrer Abrechnung aufkommen.

[X.]) Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht auf die Verletzung der Anforderungen an [X.]en, insbesondere des prüfrechtlichen Beschleunigungsgebots berufen. Anders als die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Abrechnung von [X.] unterliegt die Überprüfung von Auffälligkeiten der Abrechnung nach § 275 Abs 1c [X.] einem speziellen prüfrechtlichen Beschleunigungsgebot. § 275 Abs 1c S 1 [X.] ordnet in Bezug auf die Krankenhausbehandlung nach § 39 [X.] an, dass eine Prüfung nach § 275 Abs 1 [X.] 1 [X.] "zeitnah" durchzuführen ist. Dieses wird in § 275 Abs 1c [X.] dahin präzisiert, dass eine Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der [X.] einzuleiten und durch den [X.] dem Krankenhaus anzuzeigen ist (vgl [X.], 214 = [X.] 4-2500 § 275 [X.] 3, Rd[X.]; BSG [X.] 4-2500 § 275 [X.] 4 Rd[X.]; [X.], 58 = [X.] 4-2500 § 109 [X.]4, Rd[X.] 11). Leitet die [X.] die Prüfung nicht spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei ihr ein und zeigt der [X.] die Einleitung der Prüfung dem Krankenhaus nicht oder nicht rechtzeitig nach § 275 Abs 1c [X.] an, bewirkt dies ein sich auch auf Gerichtsverfahren erstreckendes Beweisverwertungsverbot (vgl [X.], 58 = [X.] 4-2500 § 109 [X.]4, Rd[X.] 30; [X.] 4-2500 § 301 [X.] 1 Rd[X.]8). Die abschließende, abgestufte Regelung des § 275 Abs 1c [X.] sanktioniert in diesem Sinne lediglich die kurze Frist des § 275 Abs 1c [X.] (vgl [X.], 141 = [X.] 4-2500 § 275 [X.] 8, Rd[X.] 33 ff; dem folgend auch [X.], 58 = [X.] 4-2500 § 109 [X.]4).

Die Überprüfung nach § 275 Abs 1c [X.] setzt eine Auffälligkeit der Abrechnung voraus. Nach § 275 Abs 1 [X.] 1 [X.] (idF durch Art 1 [X.] 6b Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom [X.], [X.], [X.]) sind die [X.]n in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des [X.] einzuholen. Es bestehen Auffälligkeiten, die die [X.] zur Einleitung einer Abrechnungsprüfung unter Anforderung einer gutachtlichen Stellungnahme des [X.] berechtigen, wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der [X.] verwertbare Informationen Fragen nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die [X.] aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den [X.] nicht beantworten kann ([X.], 141 = [X.] 4-2500 § 275 [X.] 8, Rd[X.] 18 mwN).

Die [X.] betrifft regelmäßig Fälle, in denen die [X.] Zweifel daran haben kann, dass das Krankenhaus seine Leistung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs 1 [X.]) erbracht hat (vgl zur Befugnis der [X.]n, die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung zu überprüfen, zB [X.], 15 = [X.] 4-2500 § 109 [X.]; [X.] vom selben Tage - B 1 KR 62/12 R - für [X.] und [X.] vorgesehen). Sie begründet in den Fällen, in denen es zu keiner Abrechnungsminderung kommt, einen Anspruch des Krankenhauses auf Zahlung einer Aufwandspauschale (vgl § 275 Abs 1c [X.] [X.]).

Soweit das Krankenhaus dagegen dem [X.] lediglich im Rahmen der Abklärung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung entsprechend seinen bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten oder -pflichten die Möglichkeit eröffnet, die Behandlungsunterlagen einzusehen und/oder eine [X.] durchzuführen, findet § 275 Abs 1c [X.] [X.] keine Anwendung. Das Krankenhaus hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale, wenn der sachlich-rechnerische Prüfvorgang nicht zu einer Rechnungsminderung führt. Denn es handelt sich nicht um eine [X.], sondern um eine Mitwirkung des [X.] zugunsten des beweisbelasteten Krankenhauses, um diesem die Möglichkeit zu eröffnen, seinen aus § 301 [X.] abzuleitenden Informationsobliegenheiten bzw eventuellen - hier möglicherweise aus § 12 [X.] abzuleitenden - Auskunfts- und Mitteilungspflichten zu entsprechen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die [X.] sachlich-rechnerische Auffälligkeiten zum Anlass nimmt, von sich aus gezielt eine [X.] einzuleiten.

b) Die Klägerin kann aus einer Verletzung des "kompensatorischen Beschleunigungsgebots" vorliegend nichts für sich herleiten. Dieses Gebot, zügig zu verfahren, beruht auf dem [X.] der gesetzlichen Zahlungspflichten, die mit der Vorleistungspflicht der Krankenhäuser korrespondieren. Aus den gesetzlichen Vorgaben der Vorleistungspflicht der Krankenhäuser erwächst ein gesetzlicher Beschleunigungsauftrag hinsichtlich der Vergütung. Diese Pflicht zur Beschleunigung findet ihren Niederschlag in den Regelungen über Abschlagszahlungen, angemessene monatliche Teilzahlungen und Verzugszinsen bei verspäteter Zahlung (vgl zB § 8 Abs 7 S 2 und [X.], § 11 Abs 1 [X.] Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG; siehe vorliegend § 9 Abs 6 [X.] - Landesvertrag: Vertrag nach § 112 Abs 2 S 1 [X.] 1 [X.] - Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung - geschlossen zwischen der [X.] einerseits und der Beklagten und den übrigen Krankenkassenverbänden im [X.] andererseits mit dem durch Schiedsspruch vom 19.11.1999 festgesetzten Inhalt). Die genannten Regelungen dürfen nicht dadurch unterlaufen werden, dass die [X.]n Abschlagszahlungen mit dem bloßen Argument verweigern, es sei nicht auszuschließen, dass eine - noch nicht abgeschlossene - Prüfung künftig ergeben könnte, die erbrachte Leistung sei nicht erforderlich gewesen. Sinn und Zweck der die Vorleistungen zunächst kompensierenden Abschlagszahlungen stehen einem Vorgehen der [X.]n entgegen, den Krankenhäusern - ohne Rechtfertigung durch ein konkretes Prüfergebnis - solche Zahlungen zu verweigern (vgl zum Ganzen zB [X.], 141 = [X.] 4-2500 § 275 [X.] 8, Rd[X.]7 f mwN; BSG [X.] 4-2500 § 301 [X.] 1 Rd[X.] 34).

Das kompensatorische Beschleunigungsgebots kann sich dementsprechend nicht mehr auswirken, wenn es nicht mehr um Abschlagszahlungen geht, sondern die genaue Vergütungshöhe feststeht. So liegt es hier (vgl oben II. 2).

4. Der Klägerin steht kein Anspruch auf die Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c [X.] [X.] in Höhe von 300 Euro zu. Führen - wie hier - berechtigte Zweifel an der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung erst im Gefolge eines zunächst keine Abrechnungsminderung begründenden [X.]s für eine [X.] dazu, dass die geltend gemachte Vergütungsforderung nicht oder nur zum Teil durchsetzbar ist, handelt es sich ebenfalls um eine Minderung des [X.] im Sinne des § 275 Abs 1c [X.] [X.]. Dies gilt selbst dann, wenn der [X.] die vom Prüfauftrag umfassten Fragen beantwortet hat und der Prüfauftrag insoweit abgeschlossen war.

Nach § 275 Abs 1c [X.] [X.] (idF durch Art 3 [X.] 8a Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem [X.] vom [X.], [X.], mWv 25.3.2009) hat die [X.], falls die Prüfung nach § 275 Abs 1c S 1 [X.] nicht zu einer Minderung des [X.] führt, dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro zu entrichten. Führt eine Einzelfallprüfung dagegen zu einer Minderung des [X.], entfällt die Aufwandspauschale (vgl Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung der Fraktionen der [X.] und [X.], BT-Drucks 16/3100 S 171). Hierin manifestiert sich nämlich, dass die [X.] die Prüfung gezielt durchgeführt hat. Es genügt dabei, dass die [X.] eine der Bedingungen dafür ist, dass letztlich die [X.] im Rahmen der sachlich-rechnerischen Prüfung der Abrechnung einen zunächst nicht beglichenen Teil der Abrechnung auch weiterhin nicht bezahlen muss oder berechtigt ist, eine Erstattungsforderung geltend zu machen. So verhält es sich hier.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die mit abgerechnete Restvergütung von 532,94 Euro. Dies beruht darauf, dass die Beklagte aufgrund der [X.] am [X.] durch den [X.]-Sachverständigen Kenntnis von Behandlungsunterlagen erhielt. Dieser konnte - wie bereits ausgeführt - aus eigener Anschauung der Beklagten über den seiner Auffassung nach unzutreffend kodierten, weil sich anders darstellenden Sachverhalt (Lokalisation der Schmerzen der Versicherten) berichten. Dadurch hatte die Beklagte Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Abrechnung, die die Klägerin - mit der Folge einer Abrechnungsminderung - nicht ausräumte.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 1 KR 29/13 R

01.07.2014

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Mainz, 6. November 2012, Az: S 16 KR 465/10, Urteil

§ 12 Abs 1 SGB 5, § 39 Abs 1 S 2 SGB 5, § 109 Abs 4 S 3 SGB 5 vom 23.04.2002, § 112 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB 5, § 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5 vom 23.04.2002, § 275 Abs 1c S 1 SGB 5, § 275 Abs 1c S 2 SGB 5, § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 vom 17.03.2009, § 301 Abs 1 SGB 5, § 7 KHEntgG vom 17.03.2009, § 8 Abs 7 S 2 KHEntgG, § 8 Abs 7 S 3 KHEntgG, § 11 Abs 1 S 3 KHEntgG, § 17b KHG vom 17.03.2009

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 01.07.2014, Az. B 1 KR 29/13 R (REWIS RS 2014, 4463)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4463

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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