Bundessozialgericht, Urteil vom 14.10.2014, Az. B 1 KR 34/13 R

1. Senat | REWIS RS 2014, 2234

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Krankenhaus - unzutreffende Kodierung einer Neben- als Hauptdiagnose - freiwillige vorprozessuale Übergabe von Behandlungsunterlagen an MDK durch Krankenhaus - kein Beweisverwertungsverbot bei Zugang der Prüfanzeige erst nach Ablauf der sechswöchigen Anzeigefrist


Leitsatz

1. Kodiert ein Krankenhaus zu Unrecht eine Nebendiagnose als Hauptdiagnose, obliegt es ihm, die tatsächlichen Voraussetzungen der berechneten Vergütung darzutun.

2. Behandlungsunterlagen, die das Krankenhaus dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung vorprozessual freiwillig übergibt, unterliegen auch dann keinem Beweisverwertungsverbot, wenn die Prüfanzeige dem Krankenhaus erst nach Ablauf der sechswöchigen Anzeigefrist zugeht.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des [X.] vom 21. November 2013 und des [X.] vom 28. November 2011 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen [X.].

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 8921,15 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.

2

Die klagende Krankenhausträgerin behandelte die bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherte, 1924 geborene [X.] (im Folgenden: Versicherte) vom 17.2. bis 11.4.2009 stationär in ihrem Plankrankenhaus in [X.] Die stationäre Aufnahme der Versicherten erfolgte wegen einer sekundären Rechtsherzinsuffizienz ([X.] I50.01). Während der stationären Behandlung erlitt die Klägerin infolge eines Sturzes eine proximale Fraktur des Oberschenkelknochens und bei einem weiteren Sturz insbesondere eine Fraktur des 11. Brustwirbelkörpers. Die Klägerin behandelte beide Brüche (offene Reposition mit Osteosynthese des Oberschenkelknochens, Spondylodese über zwei Wirbelkörper, Kyphoplastie; sich anschließende geriatrische Frührehabilitation). Sie kodierte als Hauptdiagnose [X.] S22.06 (Fraktur eines Brustwirbels, [X.] und [X.]) und berechnete die Fallpauschale (Diagnosis Related Group - [X.]) [X.] ([X.] mit äußerst schweren [X.], ohne andere Kyphoplastie) mit 17 538,83 Euro (13.4.2009; Datenträgeraustausch am [X.]). Die Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ([X.]), die Kodierung und die Dauer stationärer Behandlungsbedürftigkeit zu überprüfen (Prüfauftrag vom [X.], [X.]-Prüfanzeige vom 14.6.2009, Eingang bei Klägerin am [X.]). Zwischenzeitlich informierte ua der zuständige Unfallversicherungsträger die Beklagte über die Brustwirbelkörperfraktur der Versicherten während ihres stationären Aufenthalts. Nach Einsichtnahme in die Krankenakte kam der [X.] zum Ergebnis, dass sekundäre Rechtsherzinsuffizienz ([X.] I50.01) als Hauptdiagnose zu kodieren und [X.] F48Z (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Kreislaufsystems) abzurechnen sei. Hierauf rechnete die Beklagte unter Zugrundelegung einer sich nach [X.] F48Z ergebenden Vergütung den nach ihrer Auffassung überzahlten Differenzbetrag von 8921,15 Euro mit einer unstreitigen Vergütungsforderung auf. Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung dieses Betrags nebst 5 Prozent Zinsen seit dem [X.] verurteilt (Urteil vom 28.11.2011). Das L[X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Es stehe nicht fest, welche [X.] abzurechnen sei und dass eine andere als die - wie anzunehmen sei - falsch abgerechnete [X.] einen niedrigeren Rechnungsbetrag ergäbe. Selbst wenn die kodierte Hauptdiagnose falsch sei, könne mit den verwertbaren Daten die richtige Hauptdiagnose nicht ermittelt werden. Dies gelte ohnehin für die Mitteilung des [X.]. Aber auch anhand der nach § 301 [X.]B V von der Klägerin vollständig übermittelten Daten sei dies nicht möglich. Die Klägerin unterliege auch keiner erweiterten Informationspflicht. Aus der Sicht der Klägerin sei die Auslegung und Anwendung von [X.] nicht offenkundig zweifelhaft oder offen umstritten. Hingegen dürften die Feststellungen des [X.] nicht verwertet werden. Dem stehe die von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c S 2 [X.]B V entgegen (Urteil vom 21.11.2013).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 109 Abs 4 [X.]B V. Die Klägerin habe die nach § 301 [X.]B V geforderten Daten nicht korrekt mitgeteilt. Deswegen habe die Frist des § 275 Abs 1c S 2 [X.]B V nicht zu laufen begonnen. Die Hauptdiagnose sei im Hinblick auf die Angaben des [X.] offensichtlich fehlerhaft. Die Klägerin weigere sich jedoch, eine neue korrekte Hauptdiagnose zu benennen. Das L[X.] verkenne, dass nicht sie, sondern die Klägerin korrekt kodieren müsse. Im Übrigen seien die [X.]-Feststellungen verwertbar, weil die Klägerin vorprozessual freiwillig die Krankenakte dem [X.] überlassen habe.

4

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 21. November 2013 und des [X.] vom 28. November 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der [X.] ist begründet. Das [X.] hat zu Unrecht die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Das [X.] ist unzutreffend. Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) ist im hier bestehenden [X.] zulässig (vgl zB [X.], 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 9 mwN; [X.], 15 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 12), aber unbegründet. Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung von Krankenhausbehandlungsleistungen für andere Versicherte (dazu 1.) erlosch dadurch in Höhe von 8921,15 Euro, dass die Beklagte wirksam mit ihrem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten aufrechnete (dazu 2. bis 4.). Der Klägerin stand wegen der stationären Behandlung der Versicherten neben den von der [X.] gezahlten und nicht zurückgeforderten 8617,68 Euro jedenfalls kein weitergehender Vergütungsanspruch in Höhe der darüber hinaus gezahlten 8921,15 Euro zu. Die dagegen von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch (dazu 5.).

8

1. Zu Recht ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Klägerin aufgrund stationärer Behandlungen anderer Versicherter der [X.] zunächst Anspruch auf die abgerechnete Vergütung in Höhe von 8921,15 Euro zustand; eine nähere Prüfung des erkennenden Senats erübrigt sich insoweit (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB BSG [X.]-2500 § 129 [X.] Rd[X.]; BSG [X.]-2500 § 130 [X.] Rd[X.] 15; BSG [X.]-5562 § 9 [X.] Rd[X.] 8).

9

2. Der anderweitige Vergütungsanspruch für Krankenhausbehandlung erlosch dadurch, dass die Beklagte wirksam mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten analog § 387 BGB die Aufrechnung erklärte (zur entsprechenden Anwendung auf überzahlte [X.] vgl zB [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.] 9 ff mwN, [X.]). Der Vergütungsanspruch der Klägerin und der von der [X.] aufgerechnete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch waren gegenseitig und gleichartig (vgl hierzu BSG [X.]-2500 § 264 [X.] Rd[X.] 16), der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch war fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllbar. Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs aus öffentlich-rechtlicher Erstattung in Höhe von 8921,15 Euro waren erfüllt. Die Beklagte konnte Erstattung in Höhe von 8921,15 Euro beanspruchen, weil die von ihr bezahlte Rechnung über die Behandlung der Versicherten jedenfalls um diesen Betrag überhöht war.

3. Die Klägerin erfüllte die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf [X.], indem sie die Versicherte vom 17.2. bis 11.4.2009 stationär behandelte. Die Zahlungsverpflichtung einer [X.] entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 [X.] erforderlich ist ([X.], vgl zB [X.], 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 11; [X.], 15 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 15; BSG [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.] 11; BSG [X.]-5565 § 14 [X.] Rd[X.] 11; [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]; alle mwN). Diese Voraussetzungen waren nach den [X.], den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des [X.] erfüllt.

4. Der Klägerin stehen aber keine weiteren 8921,15 Euro Vergütung als Differenzbetrag zwischen vergüteter [X.] und abgerechneter [X.] zu. Nach den [X.], den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des [X.] sind die Voraussetzungen für die [X.] ([X.] mit äußerst schweren [X.], ohne andere Kyphoplastie) nicht erwiesen (dazu a). Die tatsächlichen Voraussetzungen einer anderen [X.], die einen Anspruch auf weitere 8921,15 Euro begründen könnten, sind ebenfalls nicht erwiesen (dazu b ). Dafür trägt die Klägerin die objektive Beweislast.

a) Die von der Klägerin geltend gemachte [X.] bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage (dazu aa). Die von der Klägerin kodierte Hauptdiagnose [X.] (Fraktur eines Brustwirbels, [X.] und [X.]) ist zwar eine geeignete Diagnose, um eine der [X.] ([X.] - [X.]) 08 (Krankheiten und Störungen an Muskel-Skelett-System und Bindegewebe) zugeordnete [X.] - wie hier die [X.] - anzusteuern (vgl G-[X.] [X.] Version 2009, [X.], [X.], [X.] und [X.] und [X.] ). Nach den Feststellungen des [X.] war es aber aus Rechtsgründen ausgeschlossen, [X.] als Hauptdiagnose zu kodieren (dazu [X.]). Im Übrigen hat das [X.] ihm rechtlich mögliche Feststellungen zur Hauptdiagnose nicht getroffen (dazu [X.]). Insoweit sind die von den Beteiligten nicht mit Verfahrensrügen (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) angegriffenen Feststellungen des [X.] zwar unvollständig, aber vom erkennenden Senat als verbindlich (§ 163 SGG) und abschließend zugrunde zu legen (dazu dd).

aa) Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich gesetzlich aus § 109 Abs 4 S 3 [X.] (idF durch Art 1 [X.] Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom [X.], [X.]) iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG - (idF durch Art 2 [X.] Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem [X.] vom [X.], [X.], mWv 25.3.2009) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz ([X.]; idF durch Art 1 [X.] KHRG; vgl entsprechend BSG [X.]-2500 § 109 [X.] 14 Rd[X.] 15). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch [X.] ([X.]) konkretisiert. Im vorliegenden Fall sind die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das [X.] (Fallpauschalenvereinbarung 2009 - [X.] 2009) einschließlich der Anlagen 1 bis 6 (insbesondere Anlage 1 Teil a) [X.] 2009) und die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den [X.] ([X.]) für das [X.] (Vereinbarung zu den [X.] Version 2009 für das G-[X.]-System gemäß § 17b [X.]) maßgebend (zu deren normativer Wirkung vgl [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.] 18).

Welche [X.]-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.] ff). Nach § 1 Abs 6 S 1 [X.] 2009 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der [X.], einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 S 1 [X.] und § 9 Abs 1 S 1 [X.] 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind.

Die Anwendung der [X.] und der [X.]-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des [X.] und des [X.] ([X.]) erfolgt eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl BSG [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.] mwN; [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]7; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im [X.] vgl BSG [X.]-1500 § 160a [X.]2 Rd[X.] 12 ff, [X.]).

[X.]) Die Klägerin hätte unter Beachtung der danach maßgeblichen [X.] (2009) die Diagnose [X.] (Fraktur eines Brustwirbels, [X.] und [X.]) nur als Nebendiagnose kodieren dürfen. [X.] (2009) D002f definiert die Hauptdiagnose wie folgt: "Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist." Nach [X.] (2009) D003d ist eine Nebendiagnose dagegen definiert als: "Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt."Nach den Feststellungen des [X.] erlitt die Versicherte einen Brustwirbelkörperbruch erst während ihres stationären Aufenthalts. Dieser "entwickelte" sich also erst in diesem Zeitraum.

[X.]) Das [X.] hätte - entgegen seiner Auffassung - das [X.] als Beweismittel verwerten dürfen (§ 106 Abs 1 iVm Abs 3 SGG). Aus § 275 Abs 1c [X.] ergibt sich jedenfalls dann kein Beweisverwertungsverbot (vgl BSG [X.]-2500 § 301 [X.] 1 Rd[X.]8 mwN), wenn das Krankenhaus die als Grundlage des Gutachtens dienende Krankenakte freiwillig an den [X.] herausgibt, obwohl es sich auf § 275 Abs 1c [X.] berufen könnte. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (BSG [X.]-2500 § 275 [X.] 15 Rd[X.]1), konkretisiert und sichert § 275 Abs 1c [X.] abschließend den sich aus § 275 Abs 1c [X.] ergebenden Beschleunigungsgrundsatz durch die Einführung einer Frist (vgl [X.], 214 = [X.]-2500 § 275 [X.], Rd[X.]; [X.], 141 = [X.]-2500 § 275 [X.] 8, Rd[X.]0 und 33 ff; zur Nichtigkeit weitergehender vertraglicher Regelungen vgl [X.], 156 = [X.]-2500 § 114 [X.] 1, Rd[X.]5 ff). Die Regelung führt eine Frist von sechs Wochen nach Eingang des Rechnungsdatensatzes bei der [X.] ein, innerhalb derer die [X.] die Prüfung einzuleiten und der [X.] dem Krankenhaus die Prüfung anzuzeigen hat. In der Rechtsprechung der in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung hierfür zuständigen Senate des BSG ist geklärt, dass diese Frist nur Bedeutung erlangt, wenn dem [X.] weitere Angaben zu erteilen und Unterlagen vorzulegen sind, die über eine Anzeige nach § 301 [X.] und die Vorlage eines Kurzberichtes hinausgehen. Der ungenutzte Ablauf der Frist führt lediglich dazu, dass [X.] und [X.] bei einzelfallbezogenen Abrechnungsprüfungen auf die Daten beschränkt sind, die das Krankenhaus der [X.] im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhausaufnahme und zur Abrechnung - deren vollständige Erfüllung vorausgesetzt - jeweils zur Verfügung gestellt hat (vgl [X.], 156 = [X.]-2500 § 114 [X.] 1, Rd[X.]9 mwN; BSG [X.]-2500 § 301 [X.] 1 Rd[X.]8 mwN). Dies hindert das Krankenhaus nach Fristablauf nicht daran, dem [X.] angeforderte Sozialdaten aus freien Stücken zur Verfügung zu stellen. Es ist bloß berechtigt, entsprechende Anforderungen zu verweigern und ggf abzuwehren. Ebenso bleibt das Recht der [X.] unberührt, für eine Prüfung andere zulässige Informationsquellen zu nutzen (vgl zB BSG [X.]-2500 § 301 [X.] 1 Rd[X.]3 und 35 - 36). An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat fest. Ungeachtet dessen greift ein aus § 275 Abs 1c [X.] abzuleitendes Verwertungsverbot nicht bei Überprüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit (vgl dazu unten, [X.] 5.).

dd) Die Beklagte hat in ihrem Revisionsvorbringen insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass die vom [X.] in seinem Gutachten vom [X.] gewonnenen Erkenntnisse vom [X.] hätten verwertet werden dürfen. Damit hat die Beklagte aber keine Verfahrensrüge nach § 163 Halbs 2 SGG erhoben, sondern lediglich eine - zutreffende - Rechtsauffassung geäußert. Denn es fehlt an einem von § 164 Abs 2 S 3 SGG geforderten Vorbringen.

b) Aus den mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen (§ 163 SGG) von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] ergibt sich auch weder eine andere zu kodierende Hauptdiagnose noch zu kodierende [X.]-Nummern, die die von der Klägerin abgerechnete [X.] ansteuern oder eine andere [X.], welche einen Vergütungsanspruch begründet, der über den von der [X.] gezahlten Betrag hinausgeht. Die Klägerin trifft das Risiko der Nichterweislichkeit der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen eines höheren Vergütungsanspruchs (vgl entsprechend BSG Urteil vom 1.7.2014 - [X.] KR 29/13 R - Rd[X.] 14 mwN, für [X.] und [X.] vorgesehen).

5. Die gegen die Aufrechnung erhobenen Einwendungen der Klägerin aus den Anforderungen an [X.]en (vgl § 275 Abs 1c und Abs 1 [X.]) greifen nicht durch. Die Klägerin kann aus der Regelung des § 275 Abs 1c [X.] nichts für sich herleiten. Unerheblich ist, dass nach den [X.], den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) die von der [X.] zunächst veranlasste [X.] nicht innerhalb der Frist des § 275 Abs 1c [X.] der Klägerin angezeigt wurde. Denn die Beklagte durfte die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung nach allgemeinen Grundsätzen überprüfen (dazu a). Das Überprüfungsrecht der [X.]n auf sachlich-rechnerische Richtigkeit besteht unabhängig von den engeren Anforderungen einer [X.] (dazu b). Es entspricht nicht nur den gesetzlichen Vorgaben (§ 301 Abs 1 [X.]), sondern den eigenen Interessen des Krankenhauses, der [X.] die entsprechenden Sachverhalte vollständig und nachvollziehbar mitzuteilen, die es zu seiner Auslegung der [X.] veranlasst haben. Nur so beugt das Krankenhaus einer Irreführung und darauf beruhender täuschungsbedingter ungerechtfertigter Vermögensverfügung der [X.] vor, ermöglicht der [X.] die sachlich-rechnerische Richtigkeitskontrolle und schafft damit die für die Zusammenarbeit unerlässliche Vertrauensbasis (vgl zum Ganzen auch bereits Urteil des erkennenden Senats vom 1.7.2014 - [X.] KR 29/13 R - Rd[X.] 16 ff, für [X.] und [X.] vorgesehen; Urteil des erkennenden Senats vom 14.10.2014 - [X.] KR 26/13 R - Rd[X.]).

a) Das Überprüfungsrecht der [X.]n von Krankenhausabrechnungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit unterliegt einem eigenen Prüfregime. Die gesetzliche Regelung der Informationsübermittlung vom Krankenhaus an die [X.] (vgl § 301 [X.]) korrespondiert mit der Prüfberechtigung der [X.]. [X.]n sind jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung von [X.] mit Blick auf eine Leistungsverweigerung oder nicht verjährte Erstattungsforderungen zu überprüfen (§ 301 [X.]). Denn das Krankenhaus hat hierzu zutreffend und vollständig alle Angaben zu machen, deren es zur Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung bedarf (§ 301 Abs 1 [X.]; vgl z[X.]. Senat des BSG in [X.], 214 = [X.]-2500 § 275 [X.], Rd[X.], 21; 3. Senat des BSG in [X.] 111, 58 = [X.]-2500 § 109 [X.]4, Rd[X.] 18 ff mwN; BSG [X.]-2500 § 275 [X.] 5 Rd[X.] 14 mwN, [X.]). Hierbei kann es keinerlei Obliegenheit oder gar Pflicht der [X.] geben, Zweifel an der Erfüllung einer Anspruchsvoraussetzung durch substantiierten Vortrag zu untermauern (vgl [X.], 15 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.]8 mwN). Denn nach der Rechtsprechung des [X.] BSG (vgl [X.] 99, 111 = [X.]-2500 § 39 [X.], Rd[X.]8 f) obliegt die Entscheidung über den Anspruch des Versicherten auf vollstationäre Krankenhausbehandlung allein der [X.] und im Streitfall dem Gericht, ohne dass diese an die Einschätzung des Krankenhauses oder seiner Ärzte gebunden sind (vgl [X.], 181 = [X.]-2500 § 109 [X.] 15, Rd[X.]1).

Andererseits wäre es rechtsmissbräuchlich, wenn [X.]n flächendeckend ohne irgendeinen Anhaltspunkt jede Krankenhausabrechnung beanstandeten (vgl zur routinemäßigen und pauschalen Weigerung einer [X.], [X.] zu bezahlen, zB [X.] 89, 104, 109 f = [X.] 3-2500 § 112 [X.] S 16 f). Dafür liegt hier aber nichts vor. Jedenfalls dann, wenn sich demgegenüber auch nur geringste Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Abrechnung nicht sachlich-rechnerisch richtig ist, und/oder das Krankenhaus seine primären Informationsobliegenheiten und ggf -pflichten über die [X.] nicht erfüllt, trifft das Krankenhaus spätestens auf Anforderung der [X.] zumindest die Obliegenheit, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere auch die Behandlungsunterlagen an den [X.] oder das Gericht herauszugeben, soweit sich aus den [X.] nach § 112 [X.] keine weitergehenden Mitteilungspflichten ergeben.

Die Beklagte beachtete die genannten Anforderungen an die Überprüfung von Krankenhausabrechnungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit. Im vorliegenden Fall bestanden mehr als nur geringste Anhaltspunkte für eine sachlich-rechnerische Unrichtigkeit. Vielmehr stand hier sicher fest, dass die Klägerin eine unzutreffende Hauptdiagnose unter vorsätzlicher oder zumindest grob fahrlässiger Missachtung der [X.] kodiert hatte, um eine höhere Vergütung zu erzielen. Der [X.] war hier auf mehreren Wegen zur Kenntnis gegeben worden, dass die Versicherte erst während der stationären Behandlung einen Wirbelkörperbruch erlitten hatte. Dies ergab sich insbesondere sowohl aus der Mitteilung eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung als auch aus den sehr aussagekräftigen gutachtlichen Feststellungen, zu denen der [X.] bei Auswertung der die Versicherte betreffenden Behandlungsunterlagen gelangte.

b) Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht auf die Verletzung der Anforderungen an [X.]en, insbesondere des prüfrechtlichen Beschleunigungsgebots berufen. Anders als die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Abrechnung von [X.] unterliegt die Überprüfung von Auffälligkeiten der Abrechnung nach § 275 Abs 1c [X.] einem speziellen prüfrechtlichen Beschleunigungsgebot. § 275 Abs 1c [X.] ordnet in Bezug auf die Krankenhausbehandlung nach § 39 [X.] an, dass eine Prüfung nach § 275 Abs 1 [X.] 1 [X.] "zeitnah" durchzuführen ist. Dieses wird in § 275 Abs 1c [X.] dahin präzisiert, dass eine Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der [X.] einzuleiten und durch den [X.] dem Krankenhaus anzuzeigen ist (vgl [X.], 214 = [X.]-2500 § 275 [X.], Rd[X.]; BSG [X.]-2500 § 275 [X.] Rd[X.]; [X.] 111, 58 = [X.]-2500 § 109 [X.]4, Rd[X.] 11). Leitet die [X.] die Prüfung nicht spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei ihr ein und zeigt der [X.] die Einleitung der Prüfung dem Krankenhaus nicht oder nicht rechtzeitig nach § 275 Abs 1c [X.] an, bewirkt dies - wie bereits ausgeführt - ein sich auch auf Gerichtsverfahren erstreckendes Beweisverwertungsverbot (vgl [X.] 111, 58 = [X.]-2500 § 109 [X.]4, Rd[X.]0; BSG [X.]-2500 § 301 [X.] 1 Rd[X.]8). Die abschließende, abgestufte Regelung des § 275 Abs 1c [X.] sanktioniert in diesem Sinne lediglich die kurze Frist des § 275 Abs 1c [X.] (vgl [X.], 141 = [X.]-2500 § 275 [X.] 8, Rd[X.]3 ff; dem folgend auch [X.] 111, 58 = [X.]-2500 § 109 [X.]4).

Die Überprüfung nach § 275 Abs 1c [X.] setzt eine Auffälligkeit der Abrechnung voraus. Nach § 275 Abs 1 [X.] 1 [X.] (idF durch Art 1 [X.] 6b FPG vom [X.], [X.], [X.]) sind die [X.]n in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des [X.] einzuholen. Es bestehen Auffälligkeiten, die die [X.] zur Einleitung einer Abrechnungsprüfung unter Anforderung einer gutachtlichen Stellungnahme des [X.] berechtigen, wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der [X.] verwertbare Informationen Fragen nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die [X.] aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den [X.] nicht beantworten kann ([X.], 141 = [X.]-2500 § 275 [X.] 8, Rd[X.] 18 mwN).

Die [X.] betrifft regelmäßig Fälle, in denen die [X.] Zweifel daran haben kann, dass das Krankenhaus seine Leistung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs 1 [X.]) erbracht hat (vgl zur Befugnis der [X.]n, die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung zu überprüfen, zB [X.], 15 = [X.]-2500 § 109 [X.]; BSG Urteil vom 1.7.2014 - [X.] KR 62/12 R - für [X.] und [X.] vorgesehen). Sie begründet in den Fällen, in denen es zu keiner Abrechnungsminderung kommt, einen Anspruch des Krankenhauses auf Zahlung einer Aufwandspauschale (vgl § 275 Abs 1c S 3 [X.]).

Hier handelt es sich dagegen - wie ausgeführt - nicht um die Prüfung der Wirtschaftlichkeit des Verhaltens, sondern der sachlich-rechnerischen Richtigkeit.

6. [X.] folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 1 KR 34/13 R

14.10.2014

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hamburg, 28. November 2011, Az: S 6 KR 1006/11, Urteil

§ 39 Abs 1 S 2 SGB 5, § 109 Abs 4 S 3 SGB 5 vom 23.04.2002, § 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5 vom 23.04.2002, § 275 Abs 1c S 1 SGB 5, § 275 Abs 1c S 2 SGB 5, § 301 Abs 1 SGB 5, § 301 Abs 2 SGB 5, § 106 Abs 1 SGG, § 106 Abs 3 SGG, § 7 Abs 1 KHEntgG vom 17.03.2009, § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG vom 17.03.2009, § 17b Abs 2 S 1 KHG vom 17.03.2009, § 1 Abs 6 S 1 KFPVbg 2009, Anl 1 Teil a KFPVbg 2009

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 14.10.2014, Az. B 1 KR 34/13 R (REWIS RS 2014, 2234)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2234

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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B 1 KR 19/16 R (Bundessozialgericht)


B 1 KR 13/14 R (Bundessozialgericht)

(Krankenversicherung - Krankenhausabrechnung - Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit - keine Kodierung einer weiteren Nebendiagnose für …


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