Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.11.2011, Az. XII ZB 328/10

12. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 957

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Gegenstand

Versorgungsausgleich: Anrechte in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung als Anrechte gleicher Art; Kapitalwert als Beurteilungsgrundlage für die Überschreitung der Bagatellgrenze; Ausschluss einzelner Anrechte bei geringem Ausgleichswert


Leitsatz

1. Bei Anrechten in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung, die jeweils in den alten Bundesländern erworben wurden, handelt es sich um Anrechte gleicher Art im Sinne des § 18 Abs. 1 VersAusglG.

2. Maßgebliche Bezugsgröße für die gesetzliche Rentenversicherung im Sinne des § 5 Abs. 1 VersAusglG sind Entgeltpunkte (§§ 63, 64 Nr. 1 SGB VI); für die Beurteilung, ob die Bagatellgrenze überschritten ist, ist der Kapitalwert heranzuziehen.

3. Auf Anrechte gleicher Art im Sinne von § 18 Abs. 1 VersAusglG findet § 18 Abs. 2 VersAusglG, der den Ausgleich "einzelner" Anrechte regelt, keine Anwendung.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 15. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.] vom 15. Juni 2010 aufgehoben.

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - [X.] vom 17. März 2010 in der Entscheidung zum Versorgungsausgleich zu Ziff. II 2. geändert und insoweit wie folgt neu gefasst:

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der [X.], Versicherungsnummer             , zu Gunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 0,3094 Entgeltpunkten auf sein Versicherungskonto Nummer            bei der [X.], bezogen auf den 30. September 2009, übertragen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden gegeneinander aufgehoben; die weiteren Beteiligten tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung der ersten Instanz.

[X.]: 1.000 €

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über den Versorgungsausgleich.

2

Auf den am 13. Oktober 2009 zugestellten Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 17. März 2010 die am 23. Juli 2004 geschlossene Ehe des Antragstellers (im Folgenden: Ehemann) und der Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) rechtskräftig geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.

3

Beide Eheleute haben während der Ehezeit (1. Juli 2004 bis 30. September 2009, § 3 [X.]) ausschließlich jeweils ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich derart durchgeführt, dass es, bezogen auf den 30. September 2009 als Ende der Ehezeit, zu Lasten des Anrechts des Ehemannes in der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege der internen Teilung 2,2579 Entgeltpunkte auf das Konto der Ehefrau übertragen und nach § 18 Abs. 2, 3 [X.] von einem Ausgleich des Anrechts der Ehefrau in Höhe eines Ehezeitanteils von 0,6188 Entgeltpunkten (Ausgleichswert: 0,3094 Entgeltpunkte) abgesehen hat.

4

Das [X.] hat die Beschwerde des Ehemanns, mit der er den Ausgleich auch der Anwartschaft der Ehefrau begehrt, zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine vom [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft. An die uneingeschränkte Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das [X.] ist der Senat gebunden (§ 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG). Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig.

6

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Abänderung des Beschlusses des Familiengerichts.

7

1. Das [X.] hat seine Entscheidung, die in [X.], 1805 veröffentlicht ist, wie folgt begründet:

8

Die Einbeziehung der Versorgungsanrechte der Ehefrau in den Versorgungsausgleich sei zwar nicht nach § 18 Abs. 1 [X.] ausgeschlossen; jedoch lägen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 [X.] vor, denn der Ausgleichswert sei gering. [X.], die eine Durchführung des Versorgungsausgleichs dennoch rechtfertigen würden, habe der Ehemann nicht dargelegt und seien auch nicht ersichtlich. Insbesondere die "versorgungswirtschaftliche" Lage der Beteiligten rechtfertige kein Abweichen von der gesetzlichen Regelung. Auch scheide eine Saldierung der beiderseitigen Anrechte der Ehegatten, wie sie § 18 Abs. 3 Satz 2 [X.]-RegE (BT-Drucks. 16/10144 S. 11) zunächst für Fälle der vorliegenden Art vorgesehen habe, aus. Die Ausnahme vom Grundsatz der Nichtdurchführung des Versorgungsausgleichs sei allein wegen der Belange der Ehegatten und nicht auch der Versorgungsträger zulässig.

9

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Im Ergebnis zutreffend ist das [X.] aber davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 [X.] nicht vorliegen. Danach soll das Familiengericht Anrechte gleicher Art nicht ausgleichen, wenn die Differenz ihrer [X.] gering ist. Anrechte gleicher Art sind also zu saldieren und der [X.] mit der jeweiligen Bagatellgrenze zu vergleichen.

aa) Beide Ehegatten haben jeweils ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten Bundesländern erworben. Dabei handelt es sich um Anrechte gleicher Art.

Die wertbildenden Faktoren der in den Versorgungsausgleich fallenden Anrechte unterscheiden sich teilweise erheblich. [X.] [X.], die am Ende der Ehezeit annähernd gleich hoch sind, können daher zu nicht mehr vergleichbaren Versorgungsleistungen führen. Normzweck des § 18 Abs. 1 [X.] ist, dass ein "wirtschaftlich letztlich nicht erforderlicher Hin-und-her-Ausgleich von beiderseitigen [X.] der Ehegatten" vermieden wird (BT-Drucks. 16/11903 S. 54). Dies kann sich aber nur auf Anrechte beziehen, die in den wesentlichen Fragen wie im Leistungsspektrum, im Finanzierungsverfahren, bei den Anpassungen an die wirtschaftliche Entwicklung und bei den weiteren wertbildenden Faktoren (etwa dem Insolvenzschutz) strukturell übereinstimmen, wobei [X.] nicht erforderlich ist (BT-Drucks. 16/11903 S. 54; 16/10144 S. 55). Entscheidend für die Gleichartigkeit ist also, dass den [X.] beider Ehegatten nicht nur annähernd vergleichbare kapitalisierte [X.] zuzuordnen sind, sondern dass diese Werte auch zu einer vergleichbaren Absicherung und zu ähnlich hohen Versorgungsleistungen führen (vgl. auch [X.]/[X.] 4. Aufl. § 18 Rn. 9; [X.]/[X.]/[X.] Familienrecht 5. Aufl. § 18 Rn. 4; [X.]/[X.] 5. Aufl. § 18 [X.] Rn. 7).

Für die Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung trifft § 120 f Abs. 1 [X.] eine ausdrückliche Regelung. Danach gelten als erworbene Anrechte gleicher Art im Sinne des § 10 Abs. 2 [X.] die in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte.

Auch wenn § 120 f Abs. 1 [X.] ausdrücklich nur auf "Anrechte gleicher Art im Sinne des § 10 Abs. 2 [X.]" Bezug nimmt, ist dessen Wertung im Rahmen des § 18 [X.] zu berücksichtigen. Dafür spricht die begriffliche Identität, die vom Gesetzgeber bewusst gewählt wurde. Dies wird daraus deutlich, dass die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses wegen des Begriffs der "Anrechte gleicher Art" auf die Begründung des [X.] zu § 10 Abs. 2 [X.] verweist (BT-Drucks. 16/11903 S. 54; im Ergebnis auch [X.]/[X.] 4. Aufl. § 18 Rn. 9; [X.] Versorgungsausgleich in der [X.] Rn. 49; [X.] Götsche § 18 Rn. 7; [X.]/[X.] 5. Aufl. § 18 [X.] Rn. 7). Auch sind keine wesentlichen Gründe ersichtlich, die es erfordern, den gleichlautenden Begrifflichkeiten unterschiedliche Bedeutungen zukommen zu lassen.

bb) Die Differenz der [X.] ist gering, wenn sie am Ende der Ehezeit die in § 18 Abs. 3 [X.] genannte Bagatellgrenze nicht überschreitet. Ist die maßgebliche Bezugsgröße ein Rentenwert, beträgt die Bagatellgrenze 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. In allen anderen Fällen kommt es darauf an, ob der Kapitalwert 120 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV übersteigt. Insoweit ist zu beachten, dass sich die Begriffe maßgebliche "Bezugsgröße" im Zusammenhang mit dem Renten- bzw. Kapitalbetrag und monatliche "Bezugsgröße" nach § 18 Abs. 1 SGB IV auf unterschiedliche Werte beziehen.

Soweit das [X.] bei der Prüfung, ob die Differenz der [X.] die Bagatellgrenze überschreitet, die Rentenwerte als monatliche Bezugsgrößen zugrunde gelegt hat, ist dies unzutreffend; es hätte vielmehr die Prüfung anhand der Kapitalwerte vornehmen müssen. Maßgebliche Bezugsgröße für die gesetzliche Rentenversicherung im Sinne des § 5 Abs. 1 [X.] sind Entgeltpunkte (§§ 63, 64 Nr. 1 [X.]), also nicht ein Rentenbetrag, so dass ein "anderer Fall" nach § 18 Abs. 3 [X.] vorliegt und der Kapitalwert heranzuziehen ist (im Ergebnis auch [X.] Beschluss vom 12. Januar 2011 - 15 UF 136/10 - juris Rn. 32; OLG Düsseldorf Beschluss vom 27. Dezember 2010 - 7 UF 182/10 - juris Rn. 18; [X.] FamRZ 2011, 646; [X.] Beschluss vom 4. November 2010 - 2 UF 349/10 - juris Rn. 26; OLG Dresden Beschluss vom 9. September 2010 - 23 UF 478/10 - juris Rn. 12; [X.] NJW 2010, 3310, 3311; [X.] [X.], 1664, 1665; OLG Celle [X.], 979, 980; [X.] NJW 2010, 3269, 3271; [X.] 2010, 344, 346; [X.] FuR 2011, 436, 438; aA [X.]/[X.] 5. Aufl. § 18 [X.] Rn. 15 ff.; [X.] Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 508).

Gründe, bei der Beurteilung der Geringwertigkeit von [X.] in der gesetzlichen Rentenversicherung von der gesetzlichen Vorgabe abzuweichen, sind nicht ersichtlich. Soweit in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses in einem Beispielsfall ohne nähere Erläuterung der Ausgleichswert in der gesetzlichen Rentenversicherung neben Entgeltpunkten ein Rentenbetrag genannt wird (BT-Drucks. 16/11903 S. 54), vermag dies das aus dem Gesetz folgende Ergebnis nicht in Frage zu stellen. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Versorgungsträger nach § 5 Abs. 3 [X.] im Verfahren lediglich einen Ausgleichswert (in Form der für das jeweilige Versorgungssystem maßgeblichen Bezugsgröße, in der gesetzlichen Rentenversicherung also in Entgeltpunkten) sowie - falls es sich dabei nicht um einen Kapitalwert handelt - den korrespondierenden Kapitalwert in [X.] vorzuschlagen hat, nicht aber den zugehörigen Rentenwert. Würde man bei der Prüfung der Bagatellgrenzen die gesetzliche Rente nach ihrem Rentenwert beurteilen, den der [X.] nach dem Gesetz gar nicht mitteilen muss, hätte der Begriff "Bezugsgröße" in § 5 [X.] eine andere Bedeutung als in § 18 [X.]: In § 5 [X.] ist es die Zahl der Entgeltpunkte, in § 18 [X.] wäre es das Ergebnis der Umrechnung dieser Bezugsgröße in eine Monatsrente. Für eine derartige Unterscheidung besteht kein Anlass (ebenso Gutdeutsch [X.], 949, 950).

Indessen ergibt auch die danach gebotene Überprüfung anhand des korrespondierenden [X.], dass die maßgebliche Bagatellgrenze überschritten ist und § 18 Abs. 1 [X.] einem Ausgleich beider Anrechte nicht entgegensteht. Der Versorgungsträger des Ehemannes, dessen Auskunft inhaltlich von keiner Seite angegriffen wird, schlägt einen Ausgleichswert von 2,2579 Entgeltpunkten vor. Dies entspricht einem korrespondierenden Kapitalwert von 13.874,62 €. Bei der Ehefrau beträgt der - ebenso unbestrittene - Ausgleichswert 0,3094 Entgeltpunkte. Dies ergibt einen korrespondierenden Kapitalwert von 1.901,24 €. Die Differenz der [X.] beträgt 11.973,38 € und liegt somit deutlich über der bei [X.] geltenden Bagatellgrenze von 3.024 € (120 % der monatlichen Bezugsgröße von 2.520 €).

b) [X.] hat jedoch das [X.] das Anrecht der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 18 Abs. 2 [X.] vom Versorgungsausgleich ausgenommen. § 18 Abs. 2 [X.] findet vorliegend keine Anwendung.

aa) Allerdings ist das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen, dass das hier betroffene Anrecht der Ehefrau einen geringen Ausgleichswert im Sinne von § 18 Abs. 2 und 3 [X.] aufweist. Er beläuft sich auf 0,3094 Entgeltpunkte; hieraus errechnet sich ein korrespondierender Kapitalwert von 1.901,24 €. Dieser Betrag unterschreitet die Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 [X.] von 3.024 €, so dass der Ausgleichswert "gering" im Sinne des § 18 Abs. 2 [X.] ist.

bb) Streitig ist jedoch, ob § 18 Abs. 2 [X.] überhaupt auf Anrechte "gleicher Art" im Sinne von § 18 Abs. 1 [X.] Anwendung findet. Nach § 18 Abs. 2 [X.] soll das Familiengericht einzelne Anrechte nicht ausgleichen, wenn sie einen geringen Ausgleichswert aufweisen.

Einerseits wird vertreten, dass auch ein Anrecht "gleicher Art" im Sinne des § 18 Abs. 1 [X.] im Falle eines geringen [X.]s nach § 18 Abs. 2 [X.] vom Ausgleich ausgeschlossen sein kann ([X.], 979, 980; [X.] FamRZ 2011, 899, 900; [X.] NJW 2010, 3310, 3311; [X.] NJW 2010, 3269, 3270; [X.] Versorgungsausgleich in der [X.] Rn. 62; [X.]/[X.] 5. Aufl. § 18 [X.] Rn. 11, 21; [X.]/[X.] Aufl. § 18 [X.] Rn. 4; vgl. auch [X.] FamRZ 2011, 646, wonach zwar die Anwendung des Absatzes 2 nicht ausgeschlossen sein soll, ein Ausgleich gleichwohl wegen nicht nennenswerten Aufwandes durchzuführen ist). Begründet wird dies u. a. damit, dass der Wortlaut der Vorschrift keine Einschränkung vorsieht.

Nach anderer Ansicht kommt § 18 Abs. 2 [X.] bei gleichartigen [X.], die nicht nach § 18 Abs. 1 [X.] aus dem Versorgungsausgleich ausgeschlossen sind, nicht zur Anwendung ([X.] vom 10. Ja-nuar 2011 - 2 UF 63/10 - juris Rn. 19 ff.; [X.] [X.], 1664, 1665; [X.] 2010, 344, 346; [X.] FuR 2011, 436, 438).

cc) Der zuletzt genannten Auffassung ist der Vorzug zu geben. Sie findet nicht nur im Wortlaut der Norm ihre Stütze, sondern wird auch durch eine teleologische bzw. verfassungskonforme Auslegung bekräftigt.

Der Wortlaut des § 18 [X.] unterscheidet zwischen [X.] "gleicher Art" (Absatz 1) und "einzelnen" [X.] (Absatz 2). Dabei ist "einzeln" als Abgrenzung zu "gleicher Art" zu verstehen.

Die beim Wortlaut vorgenommene Differenzierung beruht auf Sinn und Zweck der Norm des § 18 [X.]. Nach der Gesetzesbegründung gibt die Regelung in § 18 [X.] eine Antwort auf Fallkonstellationen, bei denen die Durchführung des Versorgungsausgleichs unverhältnismäßig und aus Sicht der Parteien nicht vorteilhaft sei. In den Fällen des § 18 Abs. 1 [X.] sei der [X.] bei Ehezeitende gering, weshalb sich ein Hin-und-her-Ausgleich unter dem Aspekt der Teilhabe in der Regel nicht lohne (BT-Drucks. 16/10144 S. 60). Der Verzicht auf die Teilhabe an kleinen [X.]n im Rahmen des § 18 Abs. 2 [X.] entlaste vor allem die Versorgungsträger, weil mit dem reformierten Teilungssystem durch die Teilung und Aufnahme eines neuen Anwärters ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand verbunden sei (BT-Drucks. 16/10144 S. 38, 60). [X.] ist danach vornehmlich die Vermeidung eines solchen.

Im Übrigen widerspräche die von der Gegenauffassung vorgenommene Auslegung den Grundsätzen einer verfassungskonformen Auslegung. Zwischen § 18 [X.] und dem im Versorgungsausgleich geltenden [X.] (§ 1 Abs. 1 [X.]) besteht ein Spannungsverhältnis. Mit der hälftigen Teilung der erworbenen Anrechte soll die gleiche Teilhabe der Ehegatten an dem in der Ehe erwirtschafteten Vorsorgevermögen gewährleistet werden (BT-Drucks. 16/10144 S. 31, 45; [X.]/[X.] 4. Aufl. § 1 [X.] Rn. 2). Zwar kann die Durchbrechung des [X.]es im Einzelfall durchaus gerechtfertigt sein. Eine entsprechende Regelung muss jedoch verhältnismäßig sein.

Die Regelung des § 18 [X.] ist zwar grundsätzlich geeignet, das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel zu erreichen, die Versorgungsträger vor einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand hinsichtlich eines für die Parteien nicht vorteilhaften Ausgleichs zu bewahren. Wenn jedoch ein Ausgleich von [X.] gleicher Art nach § 18 Abs. 1 [X.] stattzufinden hat, weil die [X.] über der Bagatellgrenze liegt, würde das [X.] nicht erreicht, wenn ein solches Anrecht zugleich als "einzelnes Anrecht" der weiteren Prüfung nach Absatz 2 unterworfen wird. Denn der Verwaltungsaufwand, der beim Versorgungsträger durch den Ausgleich dieses Anrechts entsteht, fällt neben dem ohnehin entstehenden Aufwand für den Ausgleich des vom anderen Ehegatten erworbenen Anrechts gleicher Art nicht entscheidend ins Gewicht (vgl. [X.] FuR 2011, 436, 439). Hinzu kommt, dass § 18 Abs. 2 [X.] neben der Reduzierung des Verwaltungsaufwands den weiteren Zweck hat, sog. Splitterversorgungen zu vermeiden. Solche entstehen aber nicht, wenn beide Eheleute ohnehin gleichartige Anrechte haben und der Ausgleich über die bestehenden Konten durch Umbuchung erfolgt.

Im Übrigen würden in Fällen der vorliegenden Art, in denen die [X.] der beiderseitigen Anrechte gleicher Art nach § 18 Abs. 1 [X.] hinreichend groß, der Ausgleichswert eines dieser Anrechte aber im Sinne von § 18 Abs. 2 [X.] gering ist, bei der kumulativ möglichen Anwendung des § 18 Abs. 2 [X.] die vom Gesetzgeber ebenfalls in den Blick genommenen Belange der Parteien (vgl. dazu BT-Drucks. 16/10144 S. 60) nicht hinreichend beachtet. Dies zeigt schon der vorliegende Fall. Für den Antragsteller wäre es durchaus vorteilhaft, wenn die Anwartschaft der Antragsgegnerin in den Ausgleich eingestellt würde, weil sich dadurch die Gesamtbelastung zu seinen Gunsten reduzierte, ohne allerdings - wie die Prüfung des § 18 Abs. 1 [X.] gezeigt hat - unter die Bagatellgrenze zu fallen.

Da die gesetzlichen Zielvorstellungen in dieser Fallkonstellation nicht erfüllt werden können, tritt der [X.] in den Vordergrund. Seine Durchbrechung durch die Anwendung der [X.] wäre in diesen Fällen sachlich nicht zu rechtfertigen. Sie wäre zur Erreichung des gewünschten Zwecks nicht geeignet und darüber hinaus auch im engeren Sinne unverhältnismäßig, weil insofern maßgeblich auf die Ausgleichsdifferenz abzustellen ist. Von daher schließt auch eine verfassungskonforme Auslegung die Anwendung des § 18 Abs. 2 [X.] aus.

3. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist. Da die Überprüfung nach § 18 Abs. 1 [X.] ergeben hat, dass die Differenz der [X.] der beiderseitigen Anrechte gleicher Art die maßgebliche Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 [X.] überschritten hat, sind unter Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts beide Anrechte im Wege der internen Teilung nach § 10 Abs. 1 [X.] auszugleichen.

[X.]                                               Dose

                      Schilling                                                             [X.]

Meta

XII ZB 328/10

30.11.2011

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Stuttgart, 15. Juni 2010, Az: 15 UF 85/10, Beschluss

§ 5 Abs 1 VersAusglG, § 18 Abs 1 VersAusglG, § 18 Abs 2 VersAusglG, § 18 Abs 3 VersAusglG, § 63 SGB 6, § 64 Nr 1 SGB 6

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.11.2011, Az. XII ZB 328/10 (REWIS RS 2011, 957)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 957

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Referenzen
Wird zitiert von

9 UF 29/08

XII ZB 609/10

XII ZB 501/11

XII ZB 328/10

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