Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.04.2012, Az. IV ZB 19/11

4. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7487

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Gegenstand

Bemessung der Berufungsbeschwer: Streitwerterhöhung nach übereinstimmender Erledigungserklärung


Leitsatz

Zinsen und vorprozessuale Anwaltskosten sind als Streitwert erhöhender Hauptanspruch zu berücksichtigen, wenn der Hauptanspruch selbst übereinstimmend ganz oder teilweise für erledigt erklärt worden ist.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss der 23. Zivilkammer des [X.] vom 30. August 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

[X.]: bis 900 €

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt aus einer bei der [X.] gehaltenen privaten Krankenversicherung Erstattung von Arztkosten in Höhe von ursprünglich insgesamt 809,79 € und vorprozessualen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 186,24 €, jeweils nebst Zinsen. In erster Instanz haben die Parteien nach einer Zahlung der [X.] in Höhe von 169,78 € den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung weiterer 69,69 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger seine Klageforderung, soweit sie nicht erfüllt oder ihr nicht stattgegeben worden war, weiterverfolgt. Das [X.] hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Beschwer des [X.] lediglich 570,32 € betrage und damit nicht die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erreiche. Die auf den erledigten Teil der Hauptforderung anfallenden Nebenforderungen seien durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen nicht zur Hauptforderung geworden.

2

II. Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.

3

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Annahme des Berufungsgerichts, die Berufung sei im Hinblick auf die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unzulässig, verletzt den Kläger in seinem aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes. Dieses Verfahrensgrundrecht verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigenden Weise zu erschweren (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 4. Juli 2002 - [X.], [X.]Z 151, 221, 227 m.w.N.).

4

2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Berufung des [X.] kann nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verworfen werden. Der Wert des [X.] der Berufung übersteigt die Wertgrenze von 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

5

a) Das Berufungsgericht hat verkannt, dass mit der Berufung weiterverfolgte Nebenforderungen i.S. von § 4 Abs. 1 ZPO bei der Rechtsmittelbeschwer zu berücksichtigen sind, soweit sie Hauptforderung geworden sind. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] erhöhen die anteiligen Prozesskosten nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung den (Streitwert und) Wert der Beschwer zwar nicht, solange auch nur der geringste Teil der Hauptsache noch im Streit ist ([X.], Beschluss vom 20. September 1962 - [X.], NJW 1962, 2252, 2253; zuletzt Beschluss vom 31. März 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 1026 Rn. 7 m.w.N.). Etwas anderes gilt aber für den Anspruch auf Zinsen und Ersatz vorprozessualer Rechtsanwaltskosten. Diese erhöhen als Nebenforderungen den Streitwert und die Beschwer nicht, solange sie neben dem [X.] geltend gemacht werden, für dessen Verfolgung die Zinsen und Rechtsanwaltskosten angefallen sind. Sobald und soweit die Hauptforderung jedoch nicht mehr [X.] ist, etwa weil eine auf die Hauptforderung oder - wie hier - auf einen Teil der Hauptforderung beschränkte Erledigung beiderseitig erklärt worden ist, wird die Nebenforderung zur Hauptforderung, weil sie sich von der sie bedingenden Forderung gelöst hat und es ohne Hauptforderung keine Nebenforderung gibt ([X.], Beschlüsse vom 4. Dezember 2007 - [X.], [X.], 999 Rn. 8; vom 11. Januar 2011 - [X.]/10, [X.], 177 Rn. 5; vom 31. März 2011 aaO).

6

b) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass der Wert des [X.] hier 600 € übersteigt und die Berufung zulässig ist. Von der ursprünglich geltend gemachten Hauptforderung ist Gegenstand des Berufungsverfahrens noch der nicht zugesprochene Teilbetrag von 570,21 €. Selbst wenn nur prozentual anteilig in Höhe des für erledigt erklärten Teils die vorprozessualen Rechtsanwaltskosten hinzugerechnet werden, übersteigt der [X.] die Wertgrenze von 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), ohne dass es noch auf die darüber hinaus gesondert geltend gemachten Zinsen ankommt.

[X.]                                               Felsch                                                      Harsdorf-Gebhardt

                        [X.]                                            Dr. Brockmöller

Meta

IV ZB 19/11

04.04.2012

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Köln, 30. August 2011, Az: 23 S 35/11

§ 4 ZPO, § 511 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 574 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.04.2012, Az. IV ZB 19/11 (REWIS RS 2012, 7487)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7487

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