Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.09.2012, Az. 30 W (pat) 537/11

30. Senat | REWIS RS 2012, 2990

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "MC4 (IR-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die international registrierte Marke [X.] 962 958

hat der 30. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 20. September 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des [X.] am [X.] beschlossen:

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 [X.] des [X.] vom 7. April 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Um Schutz in der [X.] wird nachgesucht für die international registrierte Marke [X.] 962 958

2

[X.]

3

deren Warenverzeichnis lautet:

4

Klasse 9:

5

« Composants électriques, électromécaniques et électroniques; connecteurs et dispositifs de contact électriques ».

6

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 9 [X.] hat der Marke mit Beschluss vom 7. April 2011 den Schutz in der [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert. Das Zeichen „[X.]“ werde auf dem beanspruchten [X.] von verschiedenen Herstellern als Hinweis auf (Standard-)Steckverbindungen verwendet, die mit sonstigen Komponenten kompatibel seien und bestimmte Systemanforderungen erfüllten. Es werde von den angesprochenen Verkehrskreisen in diesem Sinne beschreibend und nicht als Betriebskennzeichen gesehen.

7

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie ist der Auffassung, dass der Zeichenfolge „[X.]“ keine beschreibende Bedeutung im Hinblick auf die angemeldeten Waren entnommen werden könne. Die von der Markenstelle festgestellten Benennungen Dritter bezögen sich auf das Produkt der Beschwerdeführerin. Das werde von den beteiligten Verkehrskreisen auch so und deshalb im Sinne eines unternehmerischen [X.] verstanden. Es handele sich auch nicht um einen Standard im Sinne einer technischen Norm. Die Beschwerdeführerin habe lediglich als Marktführerin auf dem Gebiet der Steckverbinder für Photovoltaikanlagen einen Qualitätsstandard etabliert, der allein mit ihrer Marke und ihrem Unternehmen verbunden werde.

8

Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

9

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 [X.] vom 7. April 2011 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Markeninhaberin ist gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 [X.] zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der [X.]-Marke kann der Schutz nicht nach §§ 119, 124, 113, 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] i. V. m. Art. 5 PMMA, Art. 6

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marke erfassten Waren (oder Dienstleistungen) als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. [X.] GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 f. - [X.]; [X.], 825, 826 Rn. 13 - [X.]; [X.], 935 Rn. 8 - [X.]; [X.], 850, 854 Rn. 18 - [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren (bzw. Dienstleistungen) zu gewährleisten (vgl. [X.] [X.], 233, 235 Rn. 45 - Standbeutel; [X.], 229, 230 Rn. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 - [X.]; [X.], 710 Rn. 12 - [X.]; [X.], 949 Rn. 10 - My World; [X.], 850, 854 Rn. 18 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.], 825, 826 Rn. 13 - [X.]; [X.], 411 Rn. 8 - [X.]; [X.], 778, 779 Rn. 11 - [X.]; [X.], 949 f. Rn. 10 - My World; [X.], 850, 854 Rn. 18 - [X.]).

Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] GRUR 2004, 674, 678 Rn. 86 - Postkantoor; [X.] 2012, 270, 271 Rn. 11 - Link economy; [X.], 952, 953 Rn. 10 - [X.]; [X.], 850, 854 Rn. 19 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch; [X.], 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] [X.], 850, 854 Rn. 19 - [X.]; GRUR 2003, 1050, 1051 - [X.]; [X.], 1043, 1044 - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.], 1100 Rn. 23 - [X.]!; [X.], 850, 855 Rn. 28 f. - [X.]).

2. Nach diesen Grundsätzen kann dem Zeichen „[X.]“ die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

Die Markenstelle hat nicht festgestellt, dass der Zeichenfolge „[X.]“ auf dem vorliegenden [X.] ein bestimmter beschreibender Sinngehalt zukommt. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Zwar liegt es nahe, in den Buchstaben „[X.]“ eine Abkürzung für die Bezeichnung „[X.]“ zu sehen, unter der die Markeninhaberin am Markt auftritt. Daraus ergibt sich aber kein beschreibender Aussagegehalt im markenrechtlichen Sinne; dies gilt erst recht für die kombinierte Bezeichnung „[X.]“.

Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann auch nicht festgestellt werden, dass es sich bei dem Zeichen „[X.]“ um einen Hinweis auf einen herstellerunabhängigen technischen Standard handelt. Die Markenstelle hat zwar eine Reihe von Fundstellen ermittelt, in denen im Zusammenhang mit Steckverbindungen für Photovoltaikanlagen von einem „[X.]-Stecker“ oder einem „Marktstandard [X.]“ gesprochen wird. Die Bezeichnung „[X.]-Stecker“ lässt jedoch ohne weiteres auch ein markenmäßiges Verständnis zu. Soweit von einem „Marktstandard [X.]“ gesprochen wird, bezieht sich dies ersichtlich auf die Kompatibilität anderer, von [X.] hergestellter Steckverbinder zu dem Produkt „[X.]“ der Beschwerdeführerin und damit auf die unternehmensbezogene Herkunft dieses Produkts. Dies zeigt deutlich der von der Markenstelle nicht beachtete Kontext dieser Nennungen. So heißt es in der Fundstelle „[X.]“ im Zusammenhang: „…kompatibel zum Marktstandard [X.]…Die Kompatibilität zu [X.] von [X.]“. In der Fundstelle „mc4-stecker.de“ lautet die Gesamtaussage: „…kompatibel zum Marktstandard [X.]…Dieser [X.] kompatible PV Stecker ist…in manchen Punkten…sogar besser als das Original von der [X.].“ Die Bedeutung dieser Kompatibilität folgt - wie die Markeninhaberin im Beschwerdeverfahren überzeugend dargetan hat - aus ihrer Stellung als Marktführerin für Steckverbindungen an Photovoltaikanlagen, nicht aber aus einem allgemein verbindlichen technischen Standard. Besonders deutlich wird dies anhand der vorgelegten Auszüge aus den Fachzeitschriften „Erneuerbare Energien“ 2/2010, „[X.]“ 5/2010, „Management und Qualität“ 4/2010, „Photon“ 9/2007, „Photon Profi“ 9/2009 und 9/2010, „Photovoltaik“ 08/2009 und „Gebäudetechnik“ 17/2010. Diese enthalten sämtlich die genannten Hinweise auf das Produkt der Beschwerdeführerin und auf die Beschwerdeführerin selbst. Die Unterlagen zeigen ebenso wie die Fundstellen der Markenstelle auch auf, dass das als „[X.]“ bezeichnete Produkt der Beschwerdeführerin eine Vielzahl von Nachahmern gefunden hat, die damit werben, dass ihre Produkte in ihren Eigenschaften dem der Beschwerdeführerin entsprächen bzw. mit diesem kompatibel seien. Den insoweit angesprochenen Fachkreisen sind diese Zusammenhänge bekannt. Das ist durch die vorgenannten Publikationen nachgewiesen. Sie erkennen mit „[X.]“ bezeichnete Waren deshalb als solche aus dem Unternehmen der Beschwerdeführerin und das Zeichen „[X.]“ als Hinweis auf die Beschwerdeführerin selbst.

3. Bei dieser Sachlage kann auch kein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] festgestellt werden.

Der angegriffene Beschluss war deshalb aufzuheben.

Meta

30 W (pat) 537/11

20.09.2012

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.09.2012, Az. 30 W (pat) 537/11 (REWIS RS 2012, 2990)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2990

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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