Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.04.2016, Az. 28 W (pat) 25/13

28. Senat | REWIS RS 2016, 13467

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "CityVal (IR-Marke, Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die international registrierte Marke 901 995

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 6. April 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. [X.], der Richterin [X.] und des [X.] am Landgericht Dr. Söchtig

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 12 – [X.] – des [X.] vom 11. Dezember 2009 und 4. März 2013 aufgehoben, soweit der [X.] der Schutz für die [X.] verweigert wurde.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin sucht um Schutz in der [X.] für ihre am 6. Oktober 2006 international registrierte Marke 901 995

Abbildung

2

(Ursprungsland [X.] mit Priorität vom 12. April 2006) für folgende Waren und Dienstleistungen (beschwerdegegenständliche in Fettdruck) nach:

3

Véhicules; [X.], par air ou par eau; chacun pouvant avoir un moyen d’autoguidage sans chauffeur, en particulier en tant que transport urbain de passagers et/ou de marchandises;

4

Transports ferroviaires.

5

Die Markenstelle für Klasse 12 – [X.] – des [X.] hat der [X.] mit [X.] vom 11. Dezember 2009 den Schutz im Inland wegen eines Freihaltebedürfnisses und fehlender Unterscheidungskraft vollständig verweigert.

6

Auf die Erinnerung der Beschwerdeführerin hat die Markenstelle mit Beschluss vom 4. März 2013 den [X.] vom 11. Dezember 2009 aufgehoben, soweit der Marke der Schutz für die Waren “apparatus for locomotion by air or water; each may have an automatic steering system without driver, [X.]“ verweigert worden ist. Im Übrigen hat sie die Erinnerung zurückgewiesen.

7

Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei der Wortzusammensetzung handele es sich um eine beschreibende Angabe. Der angesprochene Verkehr werde verstehen, dass es sich bei den gekennzeichneten Waren um solche Waren handele, die mit einem fahrerlosen, leichten Zugtyp für den städtischen Verkehr zu tun hätten. Die Marke sei [X.] aus dem in die [X.] eingegangenen Begriff „City“ für den innerstädtischen Bereich und „[X.]“ als Abkürzung für „vehicule automatique léger“, einen fahrerlosen leichten Zugtyp, zusammengesetzt und werde daher unmittelbar als ein bestimmtes Verkehrsmittel für den innerstädtischen Bereich verstanden. Der Begriff sei ohne weiteres verständlich und glatt beschreibend. Da der Verkehr immer von der für ihn naheliegenden Bedeutung ausgehe, sei ihm im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen bewusst, dass mit „[X.]“ ein bestimmter Zugtyp gemeint sei und kein Zusammenhang z. B. mit [X.] bestehe. Auf die Frage, wer einen bestimmten Zugtyp erfunden habe, komme es nicht an, wenn der Begriff sich wie der vorliegende zu einer Gattungsbezeichnung für eine bestimmte Art von Transportmitteln entwickelt habe. Dass die vergleichbare Wortfolge „[X.]-Züge“ bereits als Fachbegriff in diesem Sinn verwendet werde, ergebe sich aus der Internetrecherche des Amtes. Die Grafik des Zeichens in Form einer bestimmten Schriftart sei nicht geeignet, der Schutz suchenden Marke Unterscheidungskraft zu verleihen.

8

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Markeninhaberin, mit der sie sinngemäß beantragt,

9

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 12 – [X.] – des [X.] vom 11. Dezember 2009 und 4. März 2013 aufzuheben, soweit der [X.] der Schutz für die [X.] verweigert wurde.

Sie trägt vor, das Schutz suchende Zeichen sei nicht in [X.]er Weise gebildet, da es sich um eine ungewöhnliche Kombination des [X.] Begriffs „City“ mit einer [X.] Abkürzung handele. Zudem sei die Buchstabenfolge „[X.]“ keine allgemein verständliche Abkürzung. Es handele sich dabei weder um eine offizielle [X.] noch um eine offizielle [X.] Abkürzung. Das Verständnis der von der Markenstelle unterstellten Wortfolge „véhicule automatique léger“ setze zudem eine überdurchschnittliche Kenntnis der [X.] Sprache voraus. Die von der Markenstelle als Nachweis für die Verwendung der Buchstabenfolge „[X.]“ als Fachausdruck vorgelegten Recherchebelege stünden allesamt im Zusammenhang mit der Beschwerdeführerin als Entwicklerin der entsprechenden Metrosysteme. Die in [X.], in [X.] und in [X.] verkehrenden [X.]-Züge seien ausschließlich von der Markeninhaberin gelieferte Züge. Die Marke „[X.]“ sei für die Beschwerdeführerin in [X.] unter der Registernummer 512651 geschützt. In [X.] sei die Schutz suchende Marke ohne Geltendmachung von Eintragungshindernissen registriert worden, sodass nach der [X.] in [X.] keine strengeren Anforderungen bei der Prüfung der Eintragungshindernisse gestellt werden dürften als dort.

II.

Die zulässige Beschwerde der [X.]ninhaberin hat in der Sache Erfolg. Dem Schutz der [X.] 901 995 stehen für das Gebiet der [X.] keine absoluten Schutzhindernisse gemäß §§ 107, 113, 124, 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.], Art. 9

1. Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. [X.] [X.], 610, Rdnr. 42 - [X.]; [X.], 608, 611, Rdnr. 66 f. - [X.]; [X.], 569, Rdnr. 10 - [X.]; [X.], 731, Rdnr. 11 - [X.]; [X.], 1143, Rdnr. 7 - [X.]; [X.], 1044, 1045, Rdnr. 9 - [X.]; [X.], 825, 826, Rdnr. 13 - [X.]; [X.], 935, Rdnr. 8 - Die Vision; [X.], 850, 854, Rdnr. 18 - [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. [X.] [X.], 233, 235, Rdnr. 45 - Standbeutel; [X.], 229, 230, Rdnr. 27 - BioID; [X.], 608, 611, Rdnr. 66 - [X.]; [X.] [X.], 710, Rdnr. 12 - [X.]; [X.], 949, Rdnr. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] [X.], 1143, Rdnr. 7 - [X.]; [X.], 1044, 1045, Rdnr. 9 - [X.]; [X.], 270, Rdnr. 8 - Link economy).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.], 411, 412, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944, Rdnr. 24 - SAT.2; [X.] [X.], 935, Rdnr. 8 - Die Vision; [X.], 825, 826, Rdnr. 13 - [X.]; [X.], 850, 854, Rdnr. 18 - [X.]).

Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. [X.] [X.], 1143, Rdnr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.], 674, 678, Rdnr. 86 - Postkantoor; [X.] [X.], 270, 271, Rdnr. 11 - Link economy; [X.], 952, 953, Rdnr. 10 - [X.]Card; [X.], 850, 854, Rdnr. 19 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.]n Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] [X.], 850, 854, Rdnr. 19 - [X.]; [X.], 1050, 1051 - [X.]; GRUR 2001, 1143, 1144 - Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] [X.], 1100, Rdnr. 23 - [X.]!; [X.], 850, 855, Rdnr. 28 - [X.]). Dem Zeitpunkt der Anmeldung entspricht bei Prüfung der inländischen Schutzerstreckung international registrierter Marken der Zeitpunkt der Registrierung gemäß Art. 3 Abs. 4, Art. 4 Abs. 1 lit. a) PMMA. Denn dies ist der dem Anmeldetag entsprechende maßgebliche Zeitpunkt für den Beginn der Schutzerstreckung im Inland, wie sich aus §§ 124, 112 Abs. 1 [X.] ergibt. Danach hat die internationale Registrierung einer Marke, deren Schutz nach Artikel 3

Es setzt sich – durch die Binnengroßschreibung unmittelbar erkennbar – aus dem [X.] Begriff „City“ und der Buchstabenfolge „[X.]“ zusammen. Während der Begriff „City“ sich auch in der [X.]n Sprache zur Bezeichnung des Geschäftsviertels bzw. der [X.] einer Großstadt eingebürgert hat, hat „[X.]“ in der [X.]n Sprache keine Bedeutung. Als Abkürzung steht es im allgemeinen [X.]n Sprachgebrauch für [X.]enz, [X.]orisierung, [X.]uta ([X.], [X.], 6. Auflage, [X.], [X.] 2011) und die Programmiersprache [X.]. Die Buchstabenfolge „[X.]“ ist in dem Einwortzeichen „City[X.]“ zudem nach allgemeinem Sprachverständnis nicht unmittelbar als Abkürzung erkennbar. Der Durchschnittsverbraucher wird die Buchstabenfolge weder als Abkürzung noch als [X.] Begriff mit der [X.]n Bedeutung „Tal“ erkennen, da Kenntnisse der [X.] Sprache im Inland nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden können. Zudem ergibt die Wortkombination „[X.]“ keinerlei Sinn, sodass die Wortschöpfung nach allgemeinem Sprachverständnis als inhaltsloses Fantasiewort erscheint.

3. Für den Durchschnittsverbraucher, an den sich die in Klasse 39 beanspruchten Transportdienstleistungen (Transports ferroviaires) richten, stellt die Schutz suchende Marke deshalb einen bloßen [X.] ohne Sachzusammenhang zu den beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen dar, sodass ihrer Schutzerstreckung das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nicht entgegensteht.

4. Im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Waren der Klasse 12 „[X.]; [X.]; chacun pouvant avoir un moyen d’autoguidage sans chauffeur, en particulier en tant que transport urbain de passagers et/ou de marchandises“ (

Die Recherchen des Senats haben die Auffassung der Markenstelle, der Begriff „[X.]“ habe sich bereits vor der Anmeldung des Zeichens zu einer Sachangabe dahingehend entwickelt, dass es sich bei den beanspruchten Waren um leichte automatische Schienenfahrzeuge handele, nicht bestätigt. Zwar finden sich bereits in den 80er Jahren Berichte über das [X.]-System in [X.] und in der Folgezeit auch in anderen [X.] Städten. In den Berichten wird gelegentlich auch auf die Bedeutung der Buchstabenfolge als Abkürzung hingewiesen und das Verkehrssystem als fahrerloses gummibereiftes Schienensystem beschrieben. Alle Verwendungsnachweise beziehen sich jedoch auf eine namensmäßige Verwendung der Buchstabenfolge als Typenbezeichnung für die in den jeweiligen [X.] Städten betriebenen Verkehrsmittel der Beschwerdeführerin bzw. ihrer Vorgängerin. Ihre Verwendung auch als Abkürzung für vergleichbare fahrerlose leichte Schienenfahrzeuge anderer Hersteller und damit als herstellerunabhängiger Sachbegriff ist nicht nachweisbar. Entsprechend ist die Buchstabenfolge „[X.]“ in Alleinstellung für die Beschwerdeführerin in [X.] auch bereits seit 1987 als international registrierte Marke unter der Registernummer [X.] 512651 mit Ursprungseintragung in [X.] für die beschwerdegegenständlichen Waren geschützt.

Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass selbst die angesprochenen Fachkreise die Buchstabenfolge „[X.]“ – im maßgeblichen Zeitpunkt der internationalen Registrierung – in der Schutz suchenden Marke ausschließlich als gebräuchliche Abkürzung eines Sachhinweises auf die Bauweise der beschwerdegegenständlichen Waren und damit als beschreibende Angabe verstanden haben. Der Begriff „[X.]“ und damit auch der Gesamtbegriff „City[X.]“ wurden und werden entweder als [X.] wahrgenommen oder als Namensangabe für das Zugsystem eines bestimmten Herstellers verstanden. Die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis kann der Schutz suchenden Marke deshalb auch für diese Waren nicht abgesprochen werden.

5. Mangels ihrer Eignung, ein Merkmal der beanspruchten Waren zu beschreiben, besteht auch kein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Der Beschwerde war deshalb stattzugeben.

Meta

28 W (pat) 25/13

06.04.2016

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.04.2016, Az. 28 W (pat) 25/13 (REWIS RS 2016, 13467)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13467

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