Bundespatentgericht, Beschluss vom 02.09.2020, Az. 14 W (pat) 12/17

14. Senat | REWIS RS 2020, 180

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Gegenstand

(Schutzzertifikatsanmeldung – ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel - "Sitagliptin V (Royalty Pharma)" – zur Frage der Anwendung der vom EuGH entwickelten Kriterien zur Prüfung der Erteilungsvoraussetzungen des Art. 3 (a) EGV 469/2009)


Leitsatz

Sitagliptin V (Royalty Pharma)

1. Zur Frage der Anwendung der vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Kriterien zur Prüfung der Erteilungsvoraussetzungen des Art. 3 (a) AMVO (juris-Abkürzung: EGV 469/2009).

2. Mit dem zweiten Leitsatz seiner Entscheidung "Royalty Pharma" (C-650/17) hat der Europäische Gerichtshof seine Auslegungsgrundsätze nicht um ein weiteres Prüfungskriterium ergänzt, sondern lediglich die Anwendung seiner beiden im Zusammenhang mit Art. 3 (a) AMVO (juris-Abkürzung: EGV 469/2009) zu prüfenden Testfragen beispielhaft veranschaulicht.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Schutzzertifikatsanmeldung 12 2014 000 122.7

für das Grundpatent EP 1 084 705 ([X.] 597 13 097)

hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] am 2. September 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richter [X.] und [X.] sowie der Richterin Dr. Wagner

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des am 24. April 1997 angemeldeten und am 25. Juni 2014 erteilten [X.] ([X.] 597 13 097), das inzwischen durch Zeitablauf erloschen ist. Das Patent betrifft ein Verfahren zur Senkung des Blutglukosespiegels bei Säugern durch die Verabreichung sogenannter [X.] zur Hemmung des Enzyms Dipeptidyl-Peptidase IV, um dadurch eine Regulation des Blutzuckerspiegels bei Diabetes mellitus-Patienten zu erreichen. Zu dieser Wirkstoffklasse zählt auch der Wirkstoff [X.], der nach dem Prioritätsdatum des [X.] von einer Lizenznehmerin entwickelt wurde, der hierfür ein Stoffpatent (EP 1 412 357) und auf dessen Basis ein ergänzendes Schutzzertifikat (12 2007 000 056) erteilt wurde.

2

Am 17. Dezember 2014 beantragte die Beschwerdeführerin beim [X.] ([X.]) auf Grundlage des [X.] Teils des Europäischen Patents die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für das Erzeugnis "[X.] in [X.] dem Schutz des [X.] unterliegenden Formen", hilfsweise für "[X.], insbesondere [X.]". Hinsichtlich der erforderlichen arzneimittelrechtlichen Genehmigung für das Inverkehrbringen stützte sie sich dabei auf die Zulassungen des Arzneimittels Januvia ([X.]/1/07/383/001-018) vom 21. März 2007 durch die [X.] ([X.]). Das [X.] hat den Erteilungsantrag mit Beschluss vom 12. April 2017 zurückgewiesen. Da das Grundpatent das antragsgemäße Erzeugnis nicht spezifisch offenbare, sei Art. 3 (a) der Verordnung ([X.]) Nr. 469/2009 des [X.] und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende [X.] ([X.]) nicht erfüllt.

3

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Der [X.] hat die Beschwerdeführerin mit einem Zwischenbescheid darauf hingewiesen, dass er die vom [X.] ([X.]) in seiner Entscheidung "[X.]" formulierten Auslegungskriterien zu Art. 3 (a) [X.] als hinreichend klar ansehe, um über die Beschwerde entscheiden zu können. Auf die Anregung der Beschwerdeführerin hat der [X.] das Verfahren jedoch im Hinblick auf die gravierenden Auslegungsunterschiede in den Mitgliedstaaten mit Beschluss vom 17. Oktober 2017 ([X.], 281) ausgesetzt und dem [X.] die drei folgenden Vorlagefragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

4

1. Ist ein Erzeugnis nur dann gem. Art. 3 Buchst. a der VO ([X.]) Nr. 469/2009 durch ein in [X.] befindliches Grundpatent geschützt, wenn es zu dem durch die Patentansprüche definierten Schutzgegenstand gehört und dem Fachmann somit als konkrete Ausführungsform zur Verfügung gestellt wird?

5

2. Ist es dementsprechend für die Erfordernisse des Art. 3 Buchst. a der VO ([X.]) Nr. 469/2009 nicht ausreichend, wenn das fragliche Erzeugnis zwar die in den Patentansprüchen enthaltene, allgemeine funktionelle Definition einer Wirkstoffklasse erfüllt, darüber hinaus aber nicht individualisiert als konkrete Ausführungsform der mit dem Grundpatent unter Schutz gestellten Lehre zu entnehmen ist?

6

3. Ist ein Erzeugnis bereits deshalb nicht durch Art. 3 Buchst. a der VO ([X.]) Nr. 469/2009 durch ein in [X.] befindliches Grundpatent geschützt, wenn es zwar unter die in den Patentansprüchen enthaltene funktionelle Definition fällt, jedoch erst nach dem Anmeldezeitpunkt des [X.] aufgrund eigenständiger erfinderischer Tätigkeit entwickelt wurde?

7

Diese Vorlagefragen hat der Gerichtshof mit seinem Urteil "[X.]" vom 30. April 2020 ([X.], 596) wie folgt beantwortet:

8

1. Art. 3 Buchst. a der VO ([X.]) Nr. 469/2009 des [X.] und des [X.] über das ergänzende [X.] ist dahin auszulegen, dass ein Erzeugnis durch ein in [X.] befindliches Grundpatent im Sinne dieser Bestimmung geschützt ist, wenn es einer in einem der Ansprüche des [X.] verwendeten allgemeinen funktionellen Definition entspricht und notwendigerweise zu der durch dieses Patent geschützten Erfindung gehört, ohne dass es aber individualisiert als konkrete Ausführungsform aus der Lehre des Patents zu entnehmen ist, soweit das Erzeugnis durch einen Fachmann unter Zugrundelegung seiner allgemeinen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich am Anmelde- oder am [X.] des [X.] und unter Berücksichtigung des Stands der Technik zu diesem Zeitpunkt im Licht aller durch das Patent offengelegten Angaben in spezifischer Weise zu identifizieren ist.

9

2. Art. 3 Buchst. a der [X.] ist dahin auszulegen, dass ein Erzeugnis nicht durch ein in [X.] befindliches Grundpatent im Sinne dieser Bestimmung geschützt ist, wenn es zwar unter die in den Patentansprüchen angegebene funktionelle Definition fällt, aber nach der Anmeldung des [X.] nach einer eigenständigen erfinderischen Tätigkeit entwickelt wurde.

Nach dieser Entscheidung hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 28. Juli 2020 geltend gemacht, es müsse maßgeblich berücksichtigt werden, dass zum Schutzgegenstand des [X.] nicht nur die Verwendung der drei konkret offenbarten DPIV-Inhibitoren gehöre, sondern ebenso die Verwendung aller weiteren bereits bekannten oder noch zu entwickelnden DPIV-Inhibitoren, wie etwa [X.]. Der [X.] habe dies in seinem Vorlagebeschluss verkannt und sich damit gegen die Feststellungen des [X.] sowie die von ihm entwickelten Auslegungsgrundsätze gestellt.

Bei [X.] handle es sich um einen DPIV-Inhibitor im Sinne der funktionellen Definition des [X.]. Dies hätte ein Fachmann, dem der Wirkstoff zur Verfügung gestellt worden wäre, anhand der im Grundpatent aufgeführten Tests auch zum Prioritätszeitpunkt feststellen können. Die in der Entscheidung [X.] aufgestellten Kriterien seien damit erfüllt.

Mit seiner Antwort auf die dritte Frage habe der Gerichtshof entschieden, dass Art. 3 (a) [X.] nicht erfüllt werde, wenn das Erzeugnis nach dem Prioritäts- oder Anmeldetag des [X.] durch eigenständige erfinderische Tätigkeit entwickelt worden sei. Insoweit komme dem Begriff "eigenständig" eine besondere Bedeutung zu. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin wolle der Gerichtshof damit verhindern, dass Schutzzertifikate für Erzeugnisse auf Basis von Grundpatenten erteilt werden, wenn bei der Entwicklung des Erzeugnisses nicht oder nur zufällig von der durch das Grundpatent geschützten Erfindung Gebrauch gemacht worden sei. Die Lizenznehmerin der Inhaberin des [X.] habe [X.] aber mit Wissen um die Erfindung des [X.] entwickelt und von dieser Erfindung nicht nur zufällig, sondern bewusst Gebrauch gemacht. Das spätere Stoffpatent für [X.] könne natürlich auf erfinderischer Tätigkeit beruhen, die dort geschützte Erfindung sei aber nicht eigenständig, sondern abhängig von dem Wissen um die Erfindung des Basispatents, was auch von Seiten der Erfinder des [X.] so anerkannt werde. Damit sei auch dieses vom Gerichtshof in der Entscheidung [X.] aufgestellte Kriterium im vorliegenden Fall erfüllt.

Die Beschwerdeführerin beantragt:

den angefochtenen Beschluss des [X.] aufzuheben und ein Schutzzertifikat für das Erzeugnis "[X.] in [X.] dem Schutz des [X.] unterliegenden Formen" zu erteilen,

hilfsweise für das Erzeugnis "[X.], insbesondere [X.]".

Weiter regt die Beschwerdeführerin hilfsweise die Zulassung der Rechtsbeschwerde an und hat hierzu die folgenden Fragen vorgelegt

1. Wie ist bei einer Auslegung eines unabhängigen Patentanspruchs gemäß Art. 69 EPÜ und dem Auslegungsprotokoll der Schutzgegenstand eines Patents von dem Schutzbereich abzugrenzen?

2. Unterscheiden sich die Kriterien für die Bestimmung des [X.] und des Schutzbereichs eines Patents abhängig davon, ob es um die Auslegung der Patenansprüche gemäß Art. 69 EPÜ im Erteilungsverfahren oder im Hinblick auf Art. 3 (a) der Verordnung geht?

3. Ist das Vorliegen eines jüngeren Patents, das ein Erzeugnis betrifft, das gleichzeitig Gegenstand eines Schutzzertifikatsantrags auf Basis eines älteren [X.] ist, per se ausreichend für die Feststellung, dass die Bereitstellung des Erzeugnisses gegenüber der Offenbarung des älteren [X.] eigenständige erfinderische Tätigkeit erfordert hat?

4. Wenn das Vorliegen eines jüngeren Patents für diese Feststellung per se nicht ausreichend ist, was sind dann die Kriterien, um die Bereitstellung des Erzeugnisses durch eigenständige erfinderische Tätigkeit gegenüber erfinderischer Tätigkeit abzugrenzen?

Mit Schriftsatz vom 31. August 2020 hat die Beschwerdeführerin eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren beantragt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, da die Erteilungsvoraussetzung des Art. 3 (a) [X.] im vorliegenden Fall nicht erfüllt ist.

2. Bereits in seinem Vorlagebeschluss vom 17. Oktober 2017 hat der [X.] ausgeführt, dass zum Schutzgegenstand des [X.] nicht nur die drei dort konkret offenbarten DPIV-Inhibitoren gehören, sondern darüber hinaus die Verwendung sämtlicher Stoffe, die als Inhibitoren der Dipeptidyl-Peptidase [X.] wirken, und sich dabei explizit auf die Feststellungen des [X.] in seiner zur Prioritätsanmeldung des [X.] ergangenen Entscheidung gestützt (vgl. [X.], [X.], 281, sowie die dort zitierte Entscheidung des [X.], [X.], 1210 - Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren). Auf die Bedenken der Beschwerdeführerin hin wird dies hier nochmals betont.

3. Gemäß Art. 3 (a) [X.] setzt die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats voraus, dass das Erzeugnis durch ein in [X.] befindliches Grundpatent geschützt ist. Der vorliegende Antrag bezieht sich auf die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für [X.], einem Wirkstoff, der zwar unter die funktionelle Definition der Ansprüche 1 und 2 des [X.] fällt, aber in der Patentschrift nicht weiter individualisiert ist.

4. In seinem zu dem vorliegenden Fall ergangenen Urteil "[X.]" ([X.], 596) hat der [X.] die maßgeblichen Kriterien für die Auslegung des Art. 3 (a) [X.] nochmals verdeutlicht. Danach ist ein Erzeugnis i. S. v. Art. 3 (a) [X.] durch ein in [X.] befindliches Grundpatent geschützt (vgl. Leitsatz 1 dieser Entscheidung), wenn es

1. einer in einem der Ansprüche des [X.] verwendeten allgemeinen funktionellen Definition entspricht und notwendigerweise zu der durch dieses Patent geschützten Erfindung gehört, ohne dass es aber individualisiert als konkrete Ausführungsform aus der Lehre des Patents zu entnehmen ist,

soweit das Erzeugnis

2. durch einen Fachmann unter Zugrundelegung seiner allgemeinen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich am Anmelde- oder am Prioritätstag des [X.] und unter Berücksichtigung des Stands der Technik zu diesem Zeitpunkt im Licht aller durch das Patent offengelegten Angaben in spezifischer Weise zu identifizieren ist.

(Hervorhebung durch den [X.])

5. Die erste vom Gerichtshof aufgestellte Voraussetzung führt zu folgender ersten Testfrage:

"Entspricht das Erzeugnis einer funktionellen Definition wie sie in einem der Ansprüche des [X.] verwendet wird?".

Dieses Kriterium ist im vorliegenden Fall erfüllt, da das antragsgemäße Erzeugnis unter die funktionelle Definition des [X.] fällt.

6. Dagegen ist die zweite vom Gerichtshof aufgestellte Voraussetzung nicht erfüllt.

7. Entspricht ein Erzeugnis einer in den Ansprüchen des [X.] verwendeten allgemeinen funktionellen Definition, ohne dass es aber individualisiert als konkrete Ausführungsform aus der Lehre des Patents zu entnehmen ist (wie dies hier unstreitig der Fall ist), muss das zweite Prüfungskriterium erfüllt sein: der Fachmann muss das konkrete Erzeugnis auch in diesem Fall in spezifischer Weise identifizieren können ([X.], [X.], 596, [X.]. - [X.]; [X.], [X.], 908, [X.] - [X.]). Hierfür müssen sich für den Fachmann im Licht aller durch das Grundpatent offengelegten Anhaltspunkte und unter Berücksichtigung des Stands der Technik am [X.] hinreichende Informationen ergeben, die ihm dies ermöglichen. Das vorliegende Grundpatent vermittelt dem Fachmann jedoch keine solchen Informationen.

8. Auch die Beschwerdeführerin hat keine solchen Anhaltspunkte aufzeigen können, sondern vorgetragen, ein Fachmann, dem [X.] zur Verfügung gestellt worden wäre, hätte zum Prioritätszeitpunkt mit den im Grundpatent angegebenen und aus dem Stand der Technik bekannten Nachweisverfahren feststellen können, dass es sich bei [X.] um einen DPIV-Inhibitor im Sinne des [X.] handelt. Dieser Vortrag beantwortet jedoch nicht die zweite Testfrage des Gerichtshofs:

"Ist das Erzeugnis unter Berücksichtigung der durch das Patent offengelegten Angaben für den Fachmann am [X.] spezifisch identifizierbar?"

Vielmehr ersetzt die Beschwerdeführerin diese Frage durch eine andere:

"Kann ein Fachmann, wenn ihm das Erzeugnis zur Verfügung gestellt wird, erkennen, dass es unter die funktionelle Definition des [X.] fällt?"

und wiederholt damit lediglich die erste Testfrage.

9. Der Gerichtshof hat aber deutlich gemacht, dass die Tatsache, dass ein Wirkstoff unter die funktionelle Definition des [X.] fällt (und damit das erste Prüfungskriterium erfüllt), nicht schon ausreichend ist, um ein Erzeugnis i. S. v. Art. 3 (a) [X.] als durch ein in [X.] befindliches Grundpatent geschützt ansehen zu können (vgl. [X.], [X.], 596, Rdn. 48 - [X.]). Auch wenn das Erzeugnis nicht ausdrücklich in den Patentansprüchen erwähnt sein muss, muss der Fachmann das Erzeugnis dennoch im Licht aller durch das Patent offengelegten Angaben nach dem Stand der Technik am Anmelde- oder [X.] des Patents identifizieren können (vgl. [X.], [X.], 596, Rdn. 37- [X.]; [X.], [X.], 908 Rdn. 52 - [X.]). Dass dem Fachmann diese Aufgabe durch ein fiktives Zurverfügungstellen des Wirkstoffs abgenommen wird, ist damit unvereinbar. Ein Rückgriff auf Ergebnisse von nach dem Anmelde- oder [X.] des [X.] durchgeführten Forschungen ist unzulässig, da die Patentinhaberin sonst unberechtigterweise in den Genuss eines Schutzes für diese Ergebnisse kommen könnte, obgleich sie zu dem maßgeblichen Zeitpunkt nicht bekannt waren (vgl. [X.], [X.], 596, Rdn. 45 - [X.]; [X.], [X.], 908, Rdn. 50 - [X.]).

10. Das antragsgemäße Erzeugnis war somit für den Fachmann am Anmelde- bzw. [X.] des [X.] nicht in der erforderlichen Weise identifizierbar, so dass die Voraussetzungen von Art. 3 (a) [X.] im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind.

11. Dieses Ergebnis wird im Übrigen auch durch die Tatsache bestätigt, dass die Lizenznehmerin der Beschwerdeführerin für ihre spätere Entwicklung von [X.] ein Stoffpatent erhalten hat, was nicht möglich gewesen wäre, wenn [X.] für den Fachmann bereits in dem vorliegenden Grundpatent identifizierbar offengelegt und damit bei der Anmeldung des späteren [X.] als vorbekannt anzusehen gewesen wäre.

12. Diese Fallgestaltung hat der Gerichtshof bei seiner Antwort auf die dritte Vorlagefrage aufgegriffen, um die Anwendung seiner beiden im Zusammenhang mit Art. 3 (a) [X.] zu prüfenden Testfragen nochmals beispielhaft zu veranschaulichen. Hierzu hat er darauf hingewiesen, dass ein Fachmann ein Erzeugnis jedenfalls dann nicht in der erforderlichen Weise identifizieren kann, wenn es erst nach dem Anmelde- oder dem [X.] des [X.] durch eine eigenständige (nach Ansicht des [X.]s also "nicht von der Anmelderin erbrachte") erfinderische Tätigkeit entwickelt wurde. Dass er damit seine Auslegungsgrundsätze bzw. den von ihm entwickelten "Test" nicht etwa um ein weiteres Prüfungskriterium ergänzt hat, ergibt sich dabei unzweideutig aus dem Wortlaut seiner Ausführungen (vgl. [X.], [X.], 596, Rdn. 48 f. - [X.]):

"Wie sich aus der Antwort auf die erste und die zweite Frage ergibt, kann ein Erzeugnis nämlich nur dann als durch ein in [X.] befindliches Grundpatent geschützt i. S. v. Art. 3 Buchst. a der [X.] angesehen werden, soweit es durch einen Fachmann unter Zugrundelegung seiner allgemeinen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich am Anmelde- oder am Prioritätstag des [X.] und unter Berücksichtigung des Stands der Technik zu diesem Zeitpunkt im Licht aller durch das Patent offengelegten Angaben in spezifischer Weise zu identifizieren ist. Dies ist jedoch bei einem Erzeugnis, das nach der Anmeldung oder dem Prioritätstag des [X.] nach einer eigenständigen erfinderischen Tätigkeit entwickelt wurde, nicht der Fall."

(Hervorhebungen durch den [X.])

Der Gerichtshof hat damit nochmals klargestellt, dass jegliches Einbeziehen von Ergebnissen von nach dem Anmelde- bzw. [X.] des [X.] durchgeführten Forschungen den Zielsetzungen der [X.] widerspricht und deshalb unzulässig ist (vgl. [X.], [X.], 596, Rdn. 45 ff. - [X.]; [X.], [X.], 908, Rdn. 50 - [X.]).

13. Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.

14. Die Beschwerdeführerin hat geltend macht, bei einem solchen Ergebnis würden die erheblichen Forschungsanstrengungen der Inhaberin des [X.] unbelohnt bleiben, obwohl ihre Grundlagenforschung unbestritten in die spätere Entwicklung des verfahrensgegenständlichen Wirkstoffs [X.] durch die Lizenznehmerin eingeflossen seien.

15. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich jede pharmazeutische Grundlagenforschung auf bereits zuvor erbrachte Forschungsergebnisse stützt. Auch die Inhaberin des [X.] konnte bei ihren Forschungen auf bereits zuvor erbrachte Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren zurückgreifen (vgl. hierzu bspw. den von ihr eingereichten Übersichtsartikel von [X.] “[X.] IV Inhibitors for the Treatment of Type 2 Diabetes” in “Analogue-based [X.]”, 2010, [X.], [X.]). Dass solche pharmazeutischen Grundlagenforschungen ohne eine über die Erteilung von [X.] in Form von Patenten hinausgehende Belohnung bleiben, ergibt sich aus dem bestehenden Regelungssystem und entspricht im Übrigen den Gegebenheiten auf [X.] anderen Technologiesektoren (mit Ausnahme von Pflanzenschutzmitteln).

16. Vor allem aber ist auf den Vortrag der Beschwerdeführerin erneut auf die Zielsetzung der [X.] hinzuweisen. Diese besteht nicht darin, jedwede pharmazeutische Forschung zu fördern, sondern lediglich diejenige, die zum erstmaligen Inverkehrbringen eines Wirkstoffs oder einer Wirkstoff-zusammensetzung als Arzneimittel führt. Um die Entwicklung solcher Arzneimittel zu fördern, wurde die Möglichkeit einer zusätzlichen Ausschließlichkeitsfrist eingeführt, die den durch die aufwändigen Genehmigungsverfahren bewirkten Rückstand bei der wirtschaftlichen Verwertung solcher Erfindungen, zumindest teilweise ausgleichen soll (vgl. den Vorschlag für eine Verordnung ([X.]) des Rates über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel, Einleitung, Punkt 2; sowie [X.], [X.], 908, Rdn. 39 ff. - [X.]). Solche Anreize auch für Grundlagenforschung zu schaffen, die erst den Ausgangspunkt für die spätere Entwicklung von konkreten Arzneimitteln bildet und nicht die entsprechenden Genehmigungsverfahren zu durchlaufen hat, war dagegen nicht beabsichtigt. Dass dies teilweise als nicht praxisgerecht oder ungerecht wahrgenommen wird, ändert nichts daran, dass diese legislative Zielsetzung die Basis der [X.] bildet und dementsprechend die Auslegung der Verordnung bestimmt. Der Vortrag der Beschwerdeführerin kann unter keinem rechtlich zulässigen Gesichtspunkt dazu führen, dass ein Gericht die eindeutigen gesetzgeberischen Vorgaben des Verordnungsgebers abändert bzw. ersetzt. Vielmehr muss die Grundentscheidung des Verordnungsgebers stets respektiert werden. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die spätere Entwicklung des Wirkstoffs "[X.]" als zertifikatsfähig anzusehen ist, die von der Inhaberin des [X.] erbrachte Grundlagenforschung dagegen nicht, da sie die Erteilungsvoraussetzungen des Art. 3 (a) [X.] nicht erfüllt.

17. Die von der Beschwerdeführerin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, da es den von ihr formulierten Fragen an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit fehlt (vgl. zu diesem Erfordernis [X.]/[X.], [X.], 10. Auflage, § 100, Rdn. 16). Alle für die Entscheidung der Beschwerdesache tatsächlich maßgeblichen Rechtsfragen sind bereits höchstrichterlich geklärt, und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 100 Abs. 2 [X.] für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Meta

14 W (pat) 12/17

02.09.2020

Bundespatentgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Art 3 Buchst a EGV 469/2009, § 16a Abs 1 PatG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 02.09.2020, Az. 14 W (pat) 12/17 (REWIS RS 2020, 180)

Papier­fundstellen: GRUR 2021, 953 REWIS RS 2020, 180

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