Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.01.2018, Az. 14 W (pat) 10/16

14. Senat | REWIS RS 2018, 15189

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – "Hexavalenter Impfstoff" – zur Frage der Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für eine durch Formulierungspatent geschützte Wirkstoffkombination


Leitsatz

Hexavalenter Impfstoff

Zur Frage der Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für eine durch ein Formulierungspatent geschützte Wirkstoffzusammensetzung

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Schutzzertifikatsanmeldung 12 2010 000 015.7

für das Grundpatent EP 0 835 663 ([X.] 693 34 297)

hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 23. Januar 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Dr. Maksymiw, des [X.] [X.], der Richterin [X.] und des [X.] Dr. Jäger

beschlossen:

1. Der angefochtene Beschluss der [X.] des [X.] vom 23. September 2015 wird aufgehoben.

2. Der Antragstellerin wird ein ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel für das Erzeugnis "

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des am 15. Mai 1993 angemeldeten und am 30. September 2009 erteilten [X.] Patents EP 0 835 663 ([X.] 693 34 297), das mittlerweile durch Zeitablauf erloschen ist. Das Patent betrifft Formulierungen vorbekannter Impfstoffe mit speziellen Adjuvantien zu hexavalenten Kombinationsimpfstoffen, die das [X.] von Hepatitis B umfassen, sowie Verfahren zur Herstellung solcher [X.]. Im Einspruchsverfahren vor dem [X.] wurde das Grundpatent in erster Instanz wegen fehlender Patentfähigkeit widerrufen. Über die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde der Patentinhaberin wurde bislang noch nicht entschieden.

2

Auf Grundlage des [X.] Teils des [X.] Patents beantragte die Beschwerdeführerin am 26. März 2010 beim [X.] ([X.]) die Erteilung eines ergänzenden [X.]s für das Erzeugnis

3

Mit Beschluss vom 23. September 2015 hat die [X.] des [X.] den Antrag zurückgewiesen. Ausgehend von den Entscheidungen "[X.]/[X.]", "[X.]" sowie "[X.]/[X.]" des [X.] sei ein Erzeugnis nur dann gemäß Art. 3 (a) der Verordnung ([X.]) Nr. 469/2009 ([X.]) geschützt, wenn der fragliche Wirkstoff oder die [X.] durch das Grundpatent als solches geschützt werde. Damit in diesem Sinne ein Schutz "als solches" bejaht werde könne, müsse es sich bei dem betreffenden Erzeugnis um die "zentrale erfinderische Tätigkeit" des [X.] handeln. Im vorliegenden Fall liege die zentrale erfinderische Idee des [X.] aber nicht in der Bereitstellung der mit dem Hauptantrag beantragten [X.] an sich, sondern in der Verwendung eines speziellen Adjuvans bei der Herstellung von [X.]. Somit werde die [X.] durch das Grundpatent nicht als solches geschützt. Des Weiteren gehe die [X.] gemäß dem Hauptantrag auch über den Schutzbereich des [X.] hinaus, da sich dieser nur auf die speziell formulierten [X.] erstrecke. Die Erteilungsvoraussetzung des Art. 3 (a) [X.] sei daher vorliegend nicht erfüllt.

4

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Soweit die [X.] fordere, für das Vorliegen der Voraussetzung des Art. 3 (a) [X.] müsse das Erzeugnis "als solches" durch das Grundpatent geschützt sein bzw. "die zentrale erfinderische Tätigkeit" des [X.] darstellen, stehe dies nicht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Gemäß Art. 1 (c) [X.] könnten [X.]e auch auf Basis von Verfahrens- oder Verwendungspatenten erteilt werden, die ein Erzeugnis gerade nicht "als solches" schützten, sondern ein Verfahren zur Herstellung eines vorbekannten Erzeugnisses oder die Verwendung eines Erzeugnisses zum Gegenstand hätten. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, weshalb nicht auch Formulierungspatente in gleichem Maße wie andere Patentarten der Verlängerung durch ein ergänzendes [X.] zugänglich sein sollten. Dementsprechend sei es bislang ständige Praxis des [X.] gewesen, auf Basis von [X.] ergänzende [X.]e zu erteilen. Nachdem die sechs Wirkstoffe der verfahrensgegenständlichen [X.] in den Ansprüchen des [X.] ausdrücklich benannt würden, stehe Art. 3 (a) [X.] der Erteilung des beantragten [X.]s nicht entgegen. Soweit die [X.] geltend gemacht habe, der Schutzumfang des beantragten [X.]s erscheine breiter als der des [X.], werde eine solche Annahme durch Art. 4 [X.] ausgeschlossen. Diese Norm stelle klar, dass sich der durch das [X.] gewährte Schutz stets nur innerhalb der Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes bewege.

5

Mit Zwischenverfügung vom 26. September 2017 hat der Senat der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass er die Erteilungsvoraussetzungen nach Art. 3 (a) und (b) [X.] als erfüllt ansehe, jedoch im Hinblick auf die [X.]-Rechtsprechung des [X.] zu diskutieren bleibe, inwieweit die Tatsache, dass sämtliche Wirkstoffe der verfahrensgegenständlichen [X.] bereits zuvor zugelassen waren, der Erteilung des beantragten [X.]s entgegenstehen könnte.

6

Die Beschwerdeführerin hat daraufhin ergänzend vorgetragen, die [X.]-Rechtsprechung des [X.] müsse auf vergleichbare Sachverhalte beschränkt werden. Aufgrund der grundsätzlichen Unterschiede der betreffenden Sachverhalte scheide eine Übertragbarkeit des insbesondere in "[X.]/[X.]" entwickelten Rechtsgedankens auf den vorliegenden Fall aus. Mit dem Zweck der Verordnung sei es unvereinbar, [X.] jeglicher Art vom Zertifikatsschutz auszunehmen. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass auch die Forschung, die zur Entwicklung des innovativen Arzneimittels [X.] geführt habe, eines ausreichenden Schutzes durch eine Zertifikatserteilung bedürfe.

7

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

8

1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Erteilung des beantragten ergänzenden [X.]s.

9

2. Der vorliegende Antrag bezieht sich auf die Erteilung eines ergänzenden [X.]s für eine Impfstoffkombination aus sechs vorbekannten Routine-Impfstoffen.

3. Ein ergänzendes [X.] wird für ein Erzeugnis erteilt, d. h. für den Wirkstoff oder die [X.] eines Arzneimittels (Art. 1 (b) [X.]). Der Begriff "Wirkstoff" ist dabei eng auszulegen und umfasst ausschließlich Stoffe mit einer eigenen arzneilichen Wirkung auf den menschlichen oder tierischen Organismus ([X.], [X.], 694, Rdn. 16 ff. – [X.]). Eine solche arzneiliche Wirkung setzt voraus, dass der betreffende Stoff eine eigene pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung ausübt ([X.], [X.], 245, Rdn. 23 ff. – [X.]). Dementsprechend sind Adjuvantien nicht als Wirkstoffe einzustufen, da sie keine eigenständigen arzneilichen Wirkungen entfalten ([X.], [X.] 2014, 98, Rdn. 35 ff. – Glaxosmithkline). Eine [X.] im Sinne von Art. 1 (b) [X.] liegt vor, wenn das fragliche Erzeugnis aus wenigstens zwei Wirkstoffen besteht. Wie die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu [X.]en zeigt, stellt es insoweit keine weitere Voraussetzung dar, dass die einzelnen Wirkstoffe synergistisch zusammenwirken oder einem gemeinsamen therapeutischen Zweck dienen müssen. Damit erfüllt die antragsgemäße Impfstoffkombination die Voraussetzungen einer [X.] i. S. v. Art. 1 (b) [X.].

4. Gemäß Art. 3 (a) [X.] setzt die Erteilung eines ergänzenden [X.]s voraus, dass das betreffende Erzeugnis durch ein in [X.] befindliches Grundpatent geschützt ist.

4.1 Im vorliegenden Fall wurde das Grundpatent im Einspruchsverfahren erstinstanzlich widerrufen, da gegen diese Entscheidung aber von Seiten der Patentinhaberin das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt wurde, ist das Patent weiterhin in [X.].

4.2 Nach Art. 1 (c) [X.] kann es sich bei dem Grundpatent um ein Erzeugnis-, Verfahrens- oder Verwendungspatent handeln. Im vorliegenden Fall stützt sich der Erteilungsantrag auf ein Erzeugnispatent, das sich gemäß den Ansprüchen 1 und 3 auf eine neue [X.] aus sechs vorbekannten Wirkstoffen bezieht, von denen mindestens einer an ein spezifisches [X.] adsorbiert ist.

4.3 Zur Frage, wann ein Erzeugnis im Sinne des Art. 3 (a) [X.] geschützt ist, hat der Gerichtshof in seinen Entscheidungen "[X.]" und "[X.]" klargestellt, dass hierzu das betreffende Erzeugnis in den Patentansprüchen genannt ([X.], [X.], 257, Rdn. 28 – [X.]) bzw. jedenfalls so weit individualisiert sein muss, dass die Ansprüche, die nach Art. 69 EPÜ und dem Protokoll über die Auslegung des EPÜ unter anderem im Lichte der Beschreibung der Erfindung auszulegen sind, den Schluss zulassen, dass sie sich stillschweigend, aber notwendigerweise auf das in Rede stehende Erzeugnis beziehen, und zwar in spezifischer Art und Weise ([X.], [X.], 163, Rdn. 39 – [X.]). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, da die einzelnen Wirkstoffe, aus denen sich die beanspruchte Wirkstoffkombination zusammensetzt, in den Ansprüchen des [X.] ausdrücklich benannt sind.

4.4 Soweit die [X.] in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt hat, das antragsgemäße Erzeugnis verkörpere nicht die zentrale erfinderische Tätigkeit des [X.] und werde deshalb durch dieses nicht als solches geschützt, stellt dies keinen Zurückweisungsgrund gemäß Art. 3 (a) [X.] dar. Die [X.] hat ihre Wertung auf die [X.]-Entscheidungen "[X.]/ [X.]", "[X.]" sowie "[X.]/[X.]" gestützt. Diese Entscheidungen sind aber vornehmlich auf die Erteilungsvoraussetzungen gemäß Art. 3 (c) [X.] bezogen und enthalten keine, über die in "[X.]" und "[X.]" aufgestellten Grundsätze hinausgehenden Prüfungskriterien für die Anwendung des Art. 3 (a) [X.].

4.4.1 Den Urteilen "[X.]/[X.]" und "[X.]/[X.]" lag ein Sachverhalt zugrunde, wonach in demselben Grundpatent ein neuer Wirkstoff A sowie in einem weiteren Anspruch eine Wirkstoffkombination aus diesem Wirkstoff A und einem vorbekannten, lediglich funktionell definierten Wirkstoff B beansprucht wurde, wobei die Patentfähigkeit dieser Kombination ausschließlich durch den innovativen Wirkstoff A getragen wurde. Das Grundpatent beinhaltete keinen allein auf den Wirkstoff B gerichteten Sachanspruch, was der Gerichtshof durch die Feststellung hervorhob, der zweite Wirkstoff B werde durch das Grundpatent "als solcher nicht geschützt" ([X.], [X.]. 2014, 153, Rdn. 30, 32 – [X.]/ [X.]; [X.], [X.]. 2015, 446, Rdn. 37 – [X.]/[X.]). Im Rahmen der Prüfung des Art. 3 (c) [X.] führte diese Feststellung dann zu der Wertung, dass die Wirkstoffkombination AB gegenüber dem Einzelwirkstoff A (für den die Patentinhaberin bereits ein [X.] erhalten hatte) als dieselbe Innovation zu werten war, so dass für die Wirkstoffkombination kein weiteres [X.] hätte erteilt werden dürfen.

4.4.2 Der Hinweis "wenn das Erzeugnis als solches durch das Grundpatent geschützt ist" bezog sich somit nicht auf ein eigenständiges Prüfungskriterium des Art. 3 (a) [X.], sondern auf die in den genannten Fällen einschlägige Patentkategorie des [X.] gemäß Art. 1 (c), 1. Alt. [X.] (vgl. [X.], [X.]. 2014, 153, Rdn. 27 – [X.]/[X.]; [X.], [X.]. 2014, 149, Rdn. 28 – [X.]). Im Hinblick auf die Prüfungskriterien des Art. 3 (a) [X.] hat der Gerichtshof in seinen Entscheidungen "[X.]/[X.]" und "[X.]/ [X.]" trotz ausdrücklicher Fragen der vorlegenden Gerichte keinen über "[X.]" und "[X.]" hinausgehenden Auslegungsbedarf gesehen und die Beantwortung dieser Fragen deshalb dahingestellt sein lassen ([X.], [X.]. 2014, 153, Rdn. 25, 44 – [X.]/[X.]; [X.], [X.]. 2015, 446, Rdn. 24, 41 – [X.]/[X.]).

4.4.3 In dem Urteil "[X.]" betrafen die Vorlagefragen von vornherein nur die Auslegung von Art. 3 (c) [X.] (vgl. [X.], [X.]. 2014, 149, Rdn. 25). Es war in diesem Fall zudem unstreitig, dass die betreffenden Erzeugnisse durch das Grundpatent im Sinne des Art. 3 (a) [X.] geschützt waren, so dass auch dieser Entscheidung keine Aussagen zu der Erteilungsvoraussetzung gemäß Art. 3 (a) [X.] zu entnehmen sind.

4.5 Die Tatsache, dass es gemäß den Ansprüchen des [X.] ein wesentliches Merkmal der patentgeschützten [X.] darstellt, dass einzelne der darin enthaltenen Wirkstoffe an spezifische Aluminium-Adjuvantien adsorbiert sind, ist für die Definition des verfahrensgegenständlichen Erzeugnisses nicht relevant. Denn das [X.] kann stets nur für arzneilich wirksame Stoffe oder für eine Zusammensetzung solcher Wirkstoffe erteilt werden, während in den Ansprüchen des [X.] aufgeführte Hilfs- oder Trägerstoffe insoweit nicht zu berücksichtigen sind. Die Bedenken der [X.], dass sich dadurch im vorliegenden Fall ein von dem des [X.] abweichender Schutzumfang des beantragten [X.]s ergeben könnte, sind unbegründet. Die Bestimmung des Schutzbereichs eines ergänzenden [X.]s erfolgt stets unter Rückgriff auf das Grundpatent (Art. 4 [X.]), wobei das Erzeugnis unabhängig von seiner Definition im konkreten [X.] die Schutzkategorie des [X.] übernimmt (Art. 1 (c) [X.]). Deshalb ist es ausgeschlossen, dass der Schutz des Zertifikats weiter reicht als der des [X.]. Dies gilt auch dann, wenn die Erzeugnisdefinition im Einzelfall breiter erscheinen mag, als die in den Ansprüchen des [X.] definierte Erfindung, weil sie patentgemäße Merkmale, wie Hilfs- oder Trägerstoffe, nicht berücksichtigen kann (vgl. hierzu auch [X.], Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl. 2018, Kapitel A, Rdn. 198 ff.).

5. Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit des zu entscheidenden Sachverhalts in dem auch bereits von der [X.] angesprochenen Umstand, dass die Innovation der [X.] weder auf dem Vorhandensein eines neuen Wirkstoffs noch auf einem synergistischen Zusammenwirken der einzelnen Wirkstoffe beruht, sondern in ihrer pharmazeutischen Formulierung, d. h. in den verwendeten Hilfsstoffen (Adjuvantien) begründet ist. Im Hinblick auf die durch die [X.]-Rechtsprechung aufgeworfenen, grundsätzlichen Fragen bleibt daher zu prüfen, ob der Erteilung des beantragten [X.]s möglicherweise die Schranken des Art. 3 (c) oder (d) [X.] entgegenstehen.

5.1 Eine Zurückweisung des [X.] nach Art. 3 (c) [X.] kommt unter keinem Gesichtspunkt in Betracht, da der Antragstellerin bislang weder für die verfahrensgegenständliche [X.] noch für die Einzelwirkstoffe der Kombination ergänzende [X.]e erteilt wurden.

5.2 Der Wortlaut von Art. 3 (d) [X.] ist ebenfalls erfüllt, da die von der Antragstellerin zu Art. 3 (b) [X.] angegebene Genehmigung die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses als Arzneimittel im Anmeldestaat ist.

Bei der Auslegung einer Norm darf jedoch nicht allein auf ihren Wortlaut abgestellt werden, sondern es müssen auch die allgemeine Systematik und die Ziele der Regelung berücksichtigt werden, in die sie sich einfügt ([X.], [X.]. 2010, 41, Rdn. 27 – [X.]). So hat der Gerichtshof in seinen Entscheidungen "[X.]/[X.]", "[X.]/[X.]" und "[X.]" zur Auslegung des Art. 3 (c) [X.] den Grundsatz entwickelt, dass auch beim Vorliegen von zwei unterschiedlichen Erzeugnissen i. S. v. Art. 1 (b) [X.], die durch dasselbe Grundpatent geschützt sind, die Erteilung eines weiteren [X.]s dann nach Art. 3 (c) [X.] ausscheidet, wenn es sich bei dem zweiten Erzeugnis gegenüber dem Erzeugnis, für das bereits ein [X.] erteilt wurde, um keine eigenständige Innovation handelt. Dieser Grundgedanke wurde jedoch im Hinblick auf diese spezifische Fallkonstellation entwickelt und ist – wie die Beschwerdeführerin zu Recht geltend gemacht hat – nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, in dem die durch ein eigenes Grundpatent geschützte Wirkstoffkombination gegenüber den zuvor zugelassenen Einzelwirkstoffen als eigenständige Innovation anzusehen ist.

5.3 Es sind somit keine Anhaltspunkte ersichtlich, die im Rahmen der Anwendung von Art. 3 (d) [X.] der Erteilung des beantragten [X.]s entgegenstehen würden. So schließt die [X.] die Möglichkeit von Zertifikatsschutz für aus bekannten Wirkstoffen bestehende [X.]en nicht aus, auch wenn die darin enthaltenen Einzelwirkstoffe nicht synergistisch zusammenwirken. Vielmehr sollen alle im pharmazeutischen Bereich durchgeführten Forschungstätigkeiten unterschiedslos gefördert werden und für ein ergänzendes [X.] in Betracht kommen. Voraussetzung ist jedoch stets, dass diese Forschungen zu einer patentierfähigen Neuerung führen, sei es zu einem neuen Erzeugnis, zu einem neuen Verfahren zur Entwicklung eines neuen oder bereits bekannten Erzeugnisses oder zu einer neuen Zusammensetzung unter Einbeziehung eines neuen oder bereits bekannten Erzeugnisses (vgl. Vorschlag für eine Verordnung ([X.]) des Rates über die Schaffung eines ergänzenden [X.]s für Arzneimittel = [X.] [90] 101 endg., Rdn. 29). Dementsprechend sieht Art. 1 (c) [X.] vor, dass jede Patentkategorie zur Erteilung eines ergänzenden [X.]s berechtigen kann, wenn im Übrigen alle Voraussetzungen für die Anwendung der [X.] erfüllt sind.

5.4 Die Erteilung des beantragten [X.]s im vorliegenden Fall trägt auch dem Zweck der [X.] Rechnung, einen ausreichenden Schutz zur Förderung der Forschung im pharmazeutischen Bereich zu gewährleisten, die entscheidend zur ständigen Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung beiträgt (vgl. [X.], [X.], 257, Rdn. 34 – [X.]). Bei der verfahrensgegenständlichen [X.] handelt es sich um ein neues Erzeugnis, durch dessen Bereitstellung es erstmals möglich wurde, sechs von der [X.] empfohlene Routineimpfstoffe mit einer einzigen Injektion zu verabreichen. Für die Verbesserung der Volksgesundheit kommt solchen Kombinationsimpfstoffen eine erhebliche Bedeutung zu, da sie ein wichtiges Mittel darstellen, um Krankheiten vorzubeugen. Das im vorliegenden Fall maßgebliche Arzneimittel [X.] wurde von der [X.] als eine der ersten beiden hexavalenten [X.] zur Immunisierung gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, [X.] ([X.]) und Hepatitis B bei Kindern zugelassen. Bis dahin war es medizinischer Standard, zur Sicherstellung eines entsprechenden Impfschutzes die genannten Vakzine in 4-fach bzw. 5-fach Kombinationen mit ggf. gleichzeitiger Gabe von [X.] zu verabreichen. Es wurde jedoch als vorrangiges Ziel angesehen, die Zahl der erforderlichen Injektionen weiter zu verringern. Dies nicht allein aus [X.], sondern insbesondere auch deshalb, weil für die hier vorrangig betroffene Patientengruppe der Säuglinge und Kleinkinder die mit jedem Impfvorgang verbundenen Belastungen, wie Rötungen, Schwellungen, Fieber und Schmerzen sowie das durch die Impfung verursachte Trauma, als besonders gravierend eingestuft wurden. Zudem sollte durch die Verringerung der Zahl der erforderlichen Impfungen eine höhere Durchimpfungsrate erreicht werden, d. h. ein höherer Prozentsatz der Patienten, die den von den zuständigen Behörden empfohlenen [X.] bzw. Impfungsplan durchlaufen haben. Dieses Ziel wurde mit der Bereitstellung der vorliegenden hexavalenten Wirkstoffkombination erreicht.

6. Nach alldem war das [X.] antragsgemäß zu erteilen.

Die Laufzeit des Zertifikats errechnet sich nach Art. 13 (1) [X.] durch Bestimmung des Zeitraums zwischen der Anmeldung des [X.] (15. Mai 1993) und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung in der [X.] (2. Oktober 2000) abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren. Dadurch ergibt sich eine Schutzdauer von 2 Jahren, 4 Monaten und 17 Tagen. Die Laufzeit beginnt am 16. Mai 2013 und endet mit Ablauf des 2. Oktober 2015.

Meta

14 W (pat) 10/16

23.01.2018

Bundespatentgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.01.2018, Az. 14 W (pat) 10/16 (REWIS RS 2018, 15189)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15189

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