Bundespatentgericht, Urteil vom 09.10.2020, Az. 3 Ni 4/19, verb. mit 3 Ni 8/19, verb. mit 3 Ni 9/19, verb. mit 3 Ni 10/19, verb. mit 3 Ni 11/19

3. Senat | REWIS RS 2020, 280

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Gegenstand

(Nichtigkeitsklageverfahren – "Wirkstoffkombination Ezetimib/Simvastatin" – Zur Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikates für Arzneimittel – Zum Ausgleich des Rückstandes in der wirtschaftlichen Verwertung einer Erfindung durch ein ergänzendes Schutzzertifikat – Für die Bestimmung des durch das ergänzende Schutzzertifikat mit einem verlängerten Schutz zu versehenden Erfindungsgegenstandes kommt es allein auf die Angabe im Grundpatent an – Zur Bewertung der Frage, ob eine Wirkstoffkombination als gesonderte Erfindung anzusehen ist - Für die Beurteilung der Voraussetzungen in Art. 3 lit. c) EGV 469/2009  (AMVO), dass für das Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt wurde, ist allein auf den Zeitpunkt der ersten arzneimittelrechtlichen Genehmigung für das Inverkehrbringen eines der Wirkstoffe abzustellen – Zur Frage, ob ein Grundpatent einen Wirkstoff schützt oder ob eine Wirkstoffkombination eine eigenständige Innovation bildet.)


Leitsatz

Ezetimib

1. Durch das ergänzende Schutzzertifikat soll allein – wenigstens zum Teil - der Rück-stand in der wirtschaftlichen Verwertung einer Erfindung ausgeglichen werden, der aufgrund der Zeitspanne von der Einreichung der Patentanmeldung bis zur Erteilung der Marktzulassung eingetreten ist, nicht aber dem Patentinhaber die Verwertung aller möglichen Formen der Erfindung, auch in Gestalt verschiedener Zusammensetzungen mit demselben Wirkstoff, die für sich genommen entweder nicht vom Grundpatent geschützt oder nicht eigenständig innovativ sind, ermöglicht werden (Anschluss an EuGH, Urteil vom 12. Dezember 2013, Az. C-443/12, Rn. 31 und 40 - Actavis 1).

2. Für den Fall, dass ein Grundpatent mehrere Erzeugnisse i.S.v. Art. 1 lit. b) AMVO schützt, hängt die Erteilung mehrerer Schutzzertifikate für diese Erzeugnisse daher nach der insoweit einschränkend zu verstehenden Voraussetzung in Art. 3 lit. c) AMVO davon ab, dass es sich bei den fraglichen Erzeugnissen um unterschiedliche Innovationen handelt. Die Ertei-lung mehrerer Schutzzertifikate für jedes sukzessive Inverkehrbringen eines innovativen Wirkstoffs in Kombination mit einem anderen, durch das Grundpatent nicht als solchen geschützten Wirkstoff, ist demgegenüber unzulässig; ein Zertifikatsschutz kommt vielmehr nur für solche Erzeugnisse in Betracht, die gemäß den Zielen der AMVO eine echte Neuerung darstellen (Anschluss an EuGH, Urteil vom 12. Dezember 2013, Az. C-443/12 - Actavis 1, und Urteil vom 12. März 2015, Az. C-577/13 - Actavis 2).

3. Dem stehen die weiteren EuGH-Entscheidungen in den Sachen Georgetown (Urteil vom 12. Dezember 2013, Az. C-484/12), Teva ./. Gilead (Urteil vom 25. Juli 2018, Az. C-121/17) und Royalty Pharma (Urteil vom 30. April 2020, Az. C-650/17) nicht entgegen. Viel-mehr bestätigen sie die Grundentscheidungen von Actavis 1 und Actavis 2.

4. Für die Bestimmung des durch das ergänzende Schutzzertifikat mit einem verlängerten Schutz zu versehenden Erfindungsgegenstandes kommt es allein auf die Angaben im Grundpatent an. Erkenntnisse, die erst nach dem für das Grundpatent maßgeblichen Zeitrang, also seinem Prioritäts- oder Anmeldetag, gewonnen wurden, sind daher nicht zu berücksichtigen. Dieser vom EuGH in den Sachen Teva ./. Gilead (a.a.O. Rn. 49) und Royalty Pharma (a.a.O. Rn. 47) zu Art. 3 lit. a) AMVO aufgestellte Grundsatz gilt auch für die Ermittlung des Erfindungsgegenstands bei der Prüfung des Art. 3 lit. c) AMVO.

5. Für die Bewertung der Frage, ob eine Wirkstoffkombination als gesonderte Erfindung anzusehen ist, welche die Erteilung eines eigenen ergänzenden Schutzzertifikats für diese Wirkstoffkombination neben ggf. bestehenden Schutzzertifikaten für die Monowirkstoffe rechtfertigen kann, spielt die Qualifizierung eines der in der Wirkstoffkombination enthaltenen Monowirkstoffes als „first in class“- Wirkstoff keine Rolle.

6. Wie sich aus den Ausführungen des EuGH in seiner Entscheidung Actavis 1 ableiten lässt, ist für die Beurteilung der Voraussetzung in Art. 3 lit. c), dass für das Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt wurde, allein auf den Zeitpunkt der ersten arzneimittelrechtlichen Genehmigung für das Inverkehrbringen eines der Wirkstoffe abzustellen. Erfolgten die arzneimittelrechtlichen Genehmigungen aufgrund des vom Anmelder nicht zu beeinflussenden Verwaltungsverfahrens am selben Tag, sind zusätzlich die jeweiligen Zeitpunkte der Beantragung dieser Genehmigungen zu berücksichtigen, weil sich der Anmelder bis zur jeweiligen Genehmigung jederzeit noch entscheiden kann, ob er lediglich für einen Monowirkstoff oder für die Wirkstoffkombination Schutz beanspruchen möchte.

Tenor

In der Nichtigkeitssache

betreffend das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel

12 2004 000 026

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Oktober 2020 durch den Vorsitzenden [X.], den [X.] Schwarz, die [X.]in Dipl.-Chem. [X.] sowie die [X.] Dipl.-Chem. [X.] und Dipl.-Chem. Dr. Freudenreich

für Recht erkannt:

[X.] Das ergänzende [X.] 000 026 wird für nichtig erklärt.

II Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

[X.] Das Urteil ist gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klage richtet sich gegen das am 2. April 2019 durch Zeitablauf erloschene ergänzende Schutzzertifikat (im Folgenden: [X.]) für das Erzeugnis "[X.] oder pharmazeutisch annehmbare Salze davon in Kombination mit [X.]", das von der Rechtsvorgängerin der Beklagten beim [X.] am 22. Juni 2004 angemeldet und mit Beschluss vom 4. April 2005 unter dem Aktenzeichen 12 2004 000 026.1 erteilt worden ist (vgl. Anlagen [X.] und [X.] zur Klageschrift der Klägerin zu 1).

2

Grundlage dieser Erteilung bildete eine Reihe von Marktzulassungen vom 2. April 2004 für die Kombination der Wirkstoffe [X.] und [X.] durch das [X.], darunter eine Zulassung für das Produkt "[X.]" (vgl. Anlage [X.] zur Klageschrift der Klägerin zu 1), sowie das in [X.] Verfahrenssprache erteilte [X.] Patent EP 0 720 599 [X.] (vgl. Anlage [X.] zur Klageschrift der Klägerin zu 1; im Folgenden: Grundpatent). Das Grundpatent war für die Rechtsvorgängerin der Beklagten aufgrund der internationalen Anmeldung vom 14. September 1994, veröffentlicht als [X.] am 30. März 1995 unter Inanspruchnahme der Prioritäten aus den [X.] Anmeldungen 102440 vom 21. September 1993 und 257593 vom 9. Juni 1994, erteilt worden. Die Schutzdauer des beim [X.] unter dem Aktenzeichen 694 18 613.9 geführten [X.] (vgl. Anlage [X.] zur Klageschrift der Klägerin zu 1) endete am 14. September 2014.

3

Das Grundpatent mit der Bezeichnung "[X.] AZETIDINONE COMPOUNDS USEFUL AS HYPOCHOLESTEROLEMIC [X.]" (in [X.] laut Grundpatent: "[X.] [X.] ALS [X.] MITTEL") umfasst in der erteilten Fassung 21 Patentansprüche, von denen die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 9 und die auf diese mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 7, 8, 16 und 17 lauten:

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4

In [X.] laut Grundpatent lauten sie:

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5

Für den zweiten, nur in der [X.] vom 9. Juni 1994 erwähnten Wirkstoff [X.] (vgl. Anlage [X.] zur Klageschrift der Klägerin zu 1) wurde auf der Grundlage des [X.]n Patents zur Anmeldung 0 033 538 (vgl. jeweils Anlage [X.] zu den [X.] der Klägerinnen zu 2 und 3) das ergänzende [X.] 193 75 002.3 erteilt, dessen Schutzdauer am 7. Mai 2003 und somit vor der Anmeldung des [X.] endete (vgl. [X.]1 zur Klageschrift der Klägerin zu 1).

6

Ebenfalls auf Grundlage des [X.] sowie der Marktzulassung vom 17. Oktober 2002 durch das [X.] für das Produkt "[X.]" mit dem Wirkstoff [X.] (vgl. Anlage [X.]0 zur Klageschrift der Klägerin zu 1) wurde vom [X.] am 4. April 2005 aufgrund der Anmeldung der Beklagten vom 2. Januar 2003 ein ergänzendes Schutzzertifikat auch für das Produkt "[X.] oder ein pharmazeutisch annehmbares Salz hiervon" (vgl. Anlage [X.] zur Klageschrift der Klägerin zu 1) unter dem Aktenzeichen 103 99 001.1 erteilt (im Folgenden: [X.]). Die Schutzdauer dieses Schutzzertifikats endete einschließlich der pädiatrischen Verlängerung durch Zeitablauf am 17. April 2018.

7

Die Beklagte hat beim [X.] gegen die Klägerinnen zu 1, 2, 3 und 5 jeweils einstweilige Verfügungen vom 3. Mai 2018 ([X.] …) und vom 16. Mai 2018 ([X.] …, …, …) sowie gegen zwei mit der Klägerin zu 4 durch Beherrschungs- und Ergebnisabführverträge verbundene Konzernunternehmen ([X.] … und …) erwirkt, mit denen den Antragsgegnerinnen jeweils untersagt worden war, Arzneimittel, enthaltend [X.] oder pharmazeutisch annehmbare Salze davon in Kombination mit [X.] im Inland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen. Mit Urteilen vom 1. Oktober 2018 und vom 18. Dezember 2018 hat das [X.] die einstweiligen Verfügungen wieder aufgehoben und die jeweiligen Anträge der Beklagten auf den Erlass einstweiliger Verfügungen zurückgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungen der Beklagten hat das [X.] zurückgewiesen. Die Beklagte hat im vorliegenden Verfahren erklärt, an ihren Ansprüchen gegen die Klägerinnen bzw. deren Tochterunternehmen wegen möglicher Verletzungen des streitgegenständlichen Schutzzertifikats festzuhalten.

8

Mit ihren Nichtigkeitsklagen begehren die Klägerinnen die Nichtigerklärung des streitgegenständlichen Schutzzertifikats [X.]. Die Klägerin zu 1 hat dabei das Verfahren aufgrund ihres Schriftsatzes vom 31. Mai 2019 anstelle der ursprünglich klagenden [X.] ([X.]) mit Zustimmung der früheren Klägerin und der Beklagten übernommen.

9

Die Klägerinnen sind der Ansicht, das angegriffene [X.] sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach Art. 3 lit. a), c) und d) der Verordnung ([X.]) Nr. 469/2009 des [X.] und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende [X.] (ABl. [X.], [X.]; im Folgenden: [X.]) für nichtig zu erklären. Die Beklagte ist dem Vorbringen im Einzelnen entgegengetreten. Soweit für die vorliegende Entscheidung aber möglicherweise singuläre relevante Rechtsfragen vom [X.] (im Folgenden: [X.]) noch nicht geklärt seien, regen die Klägerinnen zu 2 und 3 sowie die Beklagte jeweils die Einholung einer Vorabentscheidung durch den [X.] an, wozu sie ausgearbeitete Vorschläge unterbreiten.

Zur Stützung ihrer Vorträge haben die Parteien neben den bereits erwähnten Dokumenten zahlreiche weitere Unterlagen eingereicht. Zur Rechtsprechung werden u.a. angeführt (mit der nachfolgend verwendeten Abkürzung und mit Angabe der von den Parteien verwendeten Kurzzeichen):

Actavis 1 [X.], Urteil vom 12. Dezember 2013, [X.] [X.]/12 ([X.], [X.], ABNK4),

[X.] [X.], Urteil vom 12. März 2015, [X.] [X.]/13

 ([X.], [X.], ABNK3),

[X.] [X.], Urteil vom 25. Juli 2018, [X.] [X.]/17

 ([X.]3, [X.], ABNK20),

[X.] [X.], Urteil vom 12. Dezember 2013, [X.] [X.]/12 ([X.], [X.], AB[X.]),

[X.] [X.], Urteil vom 30. April 2020, [X.] [X.]/17

 (ABNK41),

[X.] ´19 High Court Commercial, [2019] [X.] 814 vom 29. November 2019 ([X.], N30),

Gerechtshof ´18 Gerichtshof [X.], Urteil vom 23. Oktober 2018, [X.]. 200.242.287/01, [X.] Übersetzung (N18a),

[X.] ´18 Handelsgericht [X.], [X.] Beschluss 231/2018 vom 12. September 2018, [X.] Übersetzung (N21a),

[X.] ´19 [X.], Urteil vom 15. März 2019, [X.]. I-2 U 62/18 (N28),

Cour d’appel de [X.] ´20 Berufungsgericht [X.], Urteil vom 25. September 2020, [X.]. 18/23642 (HW35).

Zum technischen Hintergrund wurden u.a. folgende Druckschriften behandelt:

[X.] ´88 D.R. [X.], [X.] 36 (Suppl. 3), 1988, [X.] ([X.]2, [X.], NK21),

[X.] ’048 [X.] 93/02048 A1 ([X.]3),

Ärzteblatt [X.] Assmann, [X.] et al., [X.]. Ärzteblatt 87 (17), 1990, S. [X.] ([X.]/Exh.7),

Assmann ’15 Gutachten Prof. A…, 24. August 2015, in
[X.] Sprache mit [X.]r Übersetzung (ABNK8),

[X.] ´86 HO[X.], J.M. et al., Atherosclerosis 60, 1986, [X.] (ABNK31),

[X.] ´88 I. [X.] et al., [X.], 1988, [X.]573-1582 ([X.], HW21),

BfArM ’04 Zulassungsbescheid 58878.00.00 des [X.] für das Produkt [X.] vom 2. April 2004 ([X.], [X.], HW2).

Zur Begründung ihrer Klagen tragen die Klägerinnen vor:

Auch wenn die Schutzdauer des in Streit stehenden [X.] bereits abgelaufen sei, hätten sie ein Rechtsschutzbedürfnis an seiner Nichtigerklärung. Denn nachdem die Beklagte sie bzw. ihre Konzernunternehmen bereits im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn auch im Ergebnis erfolglos, in Anspruch genommen habe, müssten sie weiterhin eine erneute Inanspruchnahme durch eine Verletzungsklage befürchten, da sich die Beklagte nach wie vor entsprechender Ansprüche berühme. Zudem könnten sie ihren durch die zunächst erlassenen einstweiligen Verfügungen bis zu deren Aufhebung erlittenen Schaden nach § 945 ZPO lediglich dann geltend machen, wenn die fehlende Bestandsfähigkeit des [X.] feststehe, was nur mittels der Nichtigerklärung möglich sei.

Das [X.] sei entgegen Art. 3 lit. a), c) und d) [X.] erteilt worden, so dass es für nichtig erklärt werden müsse. Auch wenn das Schutzzertifikat ein Recht sui generis sei, müssten die erfindungsrelevanten Vorteile bereits im Grundpatent enthalten sein und könnten nicht erst durch die Anstrengungen bei der Marktzulassung begründet werden. Daher habe die Beurteilung des [X.] auf Basis des [X.] und Fachwissens am [X.] zu erfolgen, dahingehend, ob eine Wirkstoffkombination lediglich eine Ausführungsform des Monowirkstoffs oder eine eigenständige Innovation darstelle.

Nach der Rechtsprechung des [X.] seien dabei die Ziele der [X.] zu beachten, wonach die Erteilung eines Schutzzertifikats nicht von dessen zufälligem Erteilungsdatum abhängig sein könne und das sukzessive Inverkehrbringen eines Wirkstoffs mit weiteren Wirkstoffen, die als solche nicht Gegenstand der vom Grundpatent geschützten Erfindung bildeten, verhindert werden soll, wenn bereits ein Schutzzertifikat für den Monowirkstoff der Erfindung erteilt und in Anspruch genommen worden sei. Dabei sei auf das Datum der ersten Genehmigung des Inverkehrbringens abzustellen, hier also der älteren Zulassung von "[X.]" vor der Zulassung von "[X.]". Unter bestimmten Umständen wie gleicher Laufzeit könnten zwar Schutzzertifikate für Mono- und Kombinationswirkstoffe erteilt werden, sofern diese jeweils durch das Grundpatent geschützt seien, dies gelte aber nicht, wenn die Kombination keine eigene Innovation darstelle und daher nicht Gegenstand eines eigenen [X.] sein könne. Der [X.] folge dem Grundsatz, dass zumindest ein Teil des Rückstands der wirtschaftlichen Verwertung, der aufgrund der Zeitspanne von der Einreichung der Patentanmeldung bis zur Erlangung der Marktzulassung eingetreten ist, ausgeglichen werden soll. Dies bedeute indes keine Vollamortisierung. Nach der Actavis-Rechtsprechung des [X.] ermögliche nur das Vorliegen mehrerer Erfindungsgegenstände eine Mehrfachzertifizierung. Insoweit liefere Art. 1 lit. b) [X.] die Legaldefinition des [X.], während Art. 3 lit. a) und c) [X.] zwar beide denselben Erzeugnisbegriff verwendeten, Art. 3 lit. c) jedoch das Zusatzerfordernis von zwei Erzeugnissen als unterschiedliche Erfindungsgegenstände aufstelle, das von dem Erzeugnis gemäß [X.] nicht erfüllt werde.

Im Grundpatent sei die Kombination von [X.] und [X.] weder spezifiziert noch schreibe es dieser Kombination eine unerwartete Wirkung hinsichtlich etwa Synergie, Verträglichkeit oder verringerten Nebenwirkungen zu, die eine eigenständige Erfindung begründen könne. Im Fall des in [X.] thematisierten Wirkstoffs [X.] hätte das Grundpatent sogar Effekte zum Kombinationspräparat geschildert, welche in dem Urteil des [X.] als nicht ausreichend für die Erteilung eines zweiten Schutzzertifikates angesehen worden seien. Vorliegend bildeten neue hydroxy-substituierte [X.]etidinonverbindungen den offensichtlichen Mittelpunkt des [X.], während es zu besonderen Eigenschaften der als Kombinationspartner aufgelisteten Verbindungen schweige. Spezifische Erkenntnisse zum Monowirkstoff sagten auch nichts zur Kombination aus, die für den Fachmann im Lichte des im Grundpatent genannten Standes der Technik auf der Hand gelegen hätte. Mit der zertifikatsspezifischen Prüfung der erfinderischen Qualität werde spekulativen Vorschlägen im Grundpatent begegnet, was keine materielle Prüfung der Patentfähigkeit darstelle.

Im Übrigen belegten auch die nach Erteilung des [X.] im Rahmen der Zulassung von "[X.]" erhaltenen Ergebnisse zum Einfluss der Zugabe von [X.] zu Statinen, darunter [X.], auf die Plasmakonzentration von LDL-Cholesterin keine ungewöhnlichen Effekte. Auch die von der Beklagten vertretene Qualifikation von [X.] als "first in class" Wirkstoff bleibe als Eigenschaft des Monowirkstoffs ohne Konsequenz für die Kombination, ebenso wie ein spezifischer Wirkmechanismus von [X.] auf [X.]. Denn das Grundpatent treffe nur Aussagen zu den Wirkorten Darm und Leber, in welchen die Cholesterinabsorption bzw. die Produktion von Cholesterinestern verhindert oder vermindert werde, und diese Wirkung sei bereits in der vorveröffentlichten internationalen Anmeldung [X.] ´048 beschrieben. Der nach dem Prioritätszeitpunkt des [X.] ermittelte Wirkmechanismus des Wirkstoffs [X.] sei, wie in [X.] ’88 beschrieben, schon zum Prioritätszeitpunkt bei [X.] bekannt gewesen. Dazu komme, dass Kombinationstherapien mit Wirkstoffen, die auf unterschiedliche Angriffspunkte zielten, zum Prioritätszeitpunkt üblich und vorzugswürdig gewesen seien, wie sich bspw. schon aus [X.] ´88 ergebe und wie der Gutachter der Beklagten ebenfalls vor dem Prioritätszeitpunkt des [X.] im Ärzteblatt [X.] publiziert habe. Dagegen spreche auch nicht, dass manche Kombinationen keine hinreichende Wirkung zeigten. Da im Grundpatent der Wirkstoffkombination keine unerwartete Wirkung zugeschrieben sei, die eine eigenständige Erfindung begründen könnte, sei auf jeden Fall Art. 3 lit. c) [X.] nicht erfüllt. Nicht zuletzt habe mit dem Schutzzertifikat für "[X.]" bereits ein Schutz für die Verwendung von [X.] in Kombination mit [X.] bestanden, der vollständig ausgeschöpft worden sei.

Weiter sei das streitgegenständliche ergänzende Schutzzertifikat entgegen Art. 3 lit. a) [X.] erteilt worden, da es insoweit der Prüfung eines für die Lösung des technischen Problems erforderlichen Merkmals und eines damit notwendigen Mittels bedürfe, wonach das bloße Erwähnen eines Wirkstoffs im Patentanspruch nicht genüge. Vielmehr müsse das Erzeugnis nach der Rechtsprechung des [X.] die durch die Forschungsergebnisse im Grundpatent gedeckte Lösung für ein technisches Problem enthalten, welche vorliegend dem Grundpatent aber nicht zu entnehmen sei.

Schließlich sei auch Art. 3 lit. d) [X.] nicht erfüllt. Denn die Zulassung von "[X.]" beruhe auf denselben klinischen Studien wie die Zulassung von "[X.]", die über 1,5 Jahre früher beantragt wurde, was einer ungerechtfertigten Verlängerung des Monowirkstoffs in Form der Kombination gleichkomme. Mit der Zulassung für "[X.]" liege folglich eine erste Genehmigung auch für "[X.]" vor. Zwar betreffe die arzneimittelrechtlich notwendige Zulassung von "[X.]" eine neue Formulierung, dies sei aber nach der Rechtsprechung des [X.] unbeachtlich.

Soweit sich die Beklagte auf parallele ausländische Verfahren berufe, seien viele dieser Entscheidungen im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangen, welchen die Gerichtsentscheidungen des [X.], aber auch in den [X.] und in [X.] gegenüber stünden, die die Erteilung des in Streit stehenden [X.] als Verstoß gegen Art. 3 lit. c) [X.] gewertet hätten.

Die Klägerinnen beantragen,

das ergänzende [X.] 12 2004 000 026 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:

Die Voraussetzungen zur Erteilung des angegriffenen [X.] nach Art. 3 [X.] seien erfüllt. Ein Schutzzertifikat sei als Schutzrecht sui generis autonom und ohne Begriffe oder Voraussetzungen aus dem Patentrecht auszulegen. Dabei dürfe es sich auch auf Informationen der Marktzulassung stützen.

Vorliegend sei Art. 3 lit. a) [X.] nach der Rechtsprechung des [X.] erfüllt. Denn entsprechend der Entscheidung [X.] sei die Wirkstoffkombination von [X.] und [X.] in den Patentansprüchen des [X.] ausdrücklich genannt. Der "core inventive advance"-Ansatz (der Wirkstoff als alleiniger Gegenstand der Erfindung), den die Entscheidung des [X.] [X.] erwähne, sei infolge der späteren Entscheidungen des [X.], insbesondere aufgrund von [X.] und [X.] überholt, wonach die Prüfung, ob die Wirkstoffkombination auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen nach Art. 3 lit. a) [X.] nicht zulässig sei.

Ebensowenig stehe die Regelung in Art. 3 lit. c) [X.] der Erteilung des Schutzzertifikats entgegen. Denn beide Schutzzertifikate seien am selben Tag erteilt worden. Damit könne keines dem anderen, wie dies aber Art. 3 lit. c) [X.] fordere, zeitlich vorgehen, so dass auch nicht entschieden werden könne, welche der beiden gleichzeitigen Erteilungen gegen Art. 3 lit. c) [X.] verstoße. Wenn ein Erzeugnis im Sinne des Art. 1 lit. b) [X.] die Voraussetzung nach Art. 3 lit. a) [X.] erfülle, könne bei Art. 3 lit. c) [X.] keine andere Erzeugnisdefinition verwendet werden. Da die Kombination aus [X.] und [X.], welche mit dem [X.] geschützt sei und unter den Schutz des [X.] falle, ein anderes Erzeugnis als [X.] allein sei, könne die Erteilung des [X.] für den Monowirkstoff [X.] der Erteilung des [X.] nicht entgegenstehen. Nach der Rechtsprechung des [X.] in [X.] sei es gerade nicht ausgeschlossen, mehrere Schutzzertifikate für mehrere durch ein Grundpatent geschützte Erzeugnisse bzw. Innovationen zu erteilen. Für die vom Senat in seinem qualifizierten Hinweis vom 7. April 2020 vorgenommene "core inventive advance"-Prüfung der Wirkstoffkombination fehle daher die Rechtsgrundlage.

Darüber hinaus stelle die Kombination aus [X.] und [X.] auch eine eigene Erfindung dar. [X.] sei als hydroxy-substituiertes [X.]etidinon, das am [X.] angreife, die "first-in-class"-Verbindung selektiver Inhibitoren der Cholesterinabsorption, vergleichbar mit seinerzeit der "first-in-class"-Verbindung Losartan unter den [X.] (Statinen). Hierin unterscheide sich der vorliegende Fall auch von den Sachverhalten in den Actavis-Entscheidungen des [X.], die keine Abgrenzungskriterien für unterschiedliche Innovationen konkretisiert hätten, sondern das Vorhandensein nur einer Innovation als bekannt vorausgesetzt hätten. In diesen Entscheidungen habe sich das [X.] nur auf Erzeugnisse mit einem Wirkstoff, der allein den Gegenstand der Erfindung im Grundpatent bilde, bezogen. Im Fall einer eigenständigen Innovation, hier der streitgegenständlichen "first in class"-Verbindung müsse für die Kombination die Erteilung eines Schutzzertifikats möglich sein. Zudem sei es wegen des zeitlichen und wirtschaftlichen Aufwands unrealistisch, für immer neue Ausschnitte der geschützten Verbindung eines [X.] eigene Schutzzertifikate anzumelden.

Das Grundpatent belege in den Abs. [0001], [0016], [0017], [0028] und [0066] die Kombination als eigenständige Innovation. Hierfür seien klinische Daten nicht erforderlich. Auch eine nähere Beschreibung der erfinderischen Tätigkeit sei hierfür nicht erforderlich und mangels vorveröffentlichter hydroxy-substituierter [X.]etidinone auch nicht möglich gewesen. Dabei könne nicht, wie die Klägerinnen meinen, auf einen "fiktiven Stand der Technik" abgestellt werden, denn dieser sei dem Patentrecht fremd. Kombinationstherapien seien damals nur in Ausnahmefällen und bei schwerer Hypercholesterinämie mit umstrittenem Nutzen angewandt worden, und zum [X.] des [X.] sei kein [X.] auf dem Markt gewesen. Der bei Anmeldung des [X.] vorbekannte Stand der Technik hätte solche Kombinationen wegen schwerer Nebenwirkungen auch nur in Betracht gezogen, nicht aber empfohlen. Auch bei dem innovativen [X.] habe ein großes Risiko bestanden. Zwar seien Statine als Therapeutika für Hypercholesterinämie bekannt gewesen, ihr Nutzen bei koronaren Herzkrankheiten sei hingegen nicht zweifelsfrei belegt gewesen. Daher hätten [X.], welche die Absorption von Gallensäure inhibierten, die erste Wahl für Kombinationstherapien dargestellt, welche aber keine Ähnlichkeit zu einem Biosyntheseinhibitor aufwiesen. Kombinationstherapien wären ohnehin nur mit hypocholesterinämischen Mitteln vorstellbar gewesen, deren Wirkmechanismen und Nebenwirkungen bekannt gewesen wären. Ein Stand der Technik zur Kombination von hydroxy-substituierten [X.]etidinonen mit einem anderen hypocholesterinämischen Mittel sei aber nicht nachgewiesen worden. Auch zeigten wissenschaftliche Arbeiten zur Kombination insoweit unterschiedlich wirkender Mittel wie [X.]/[X.], [X.]/Cholestyramin oder [X.]/Bezafibrate keine erkennbare Zusatzwirkung. Eine angemessene Erfolgserwartung für die im Grundpatent beschriebene Kombination habe daher auch nicht bestehen können und gehe an der Realität der Arzneimittelforschung vorbei. Auch fordere der [X.] in den Actavis-Urteilen insoweit keine experimentellen Daten.

Allerdings würden die überraschenden Effekte dieser Kombination durch nachveröffentlichte Daten, wegen derer die Beklagte auf verschiedene von ihr eingereichte Unterlagen verweist, belegt. Diese Erkenntnisse seien zu berücksichtigen, wie sich schon aus den Prüfungsrichtlinien des [X.] ergebe. Denn die Wirksamkeit sei bereits im Grundpatent beschrieben, weshalb auch keine Gefahr bestehe, durch die Erteilung des [X.] den Schutzbereich zu erweitern. Es sei zu beachten, dass die Kombination von [X.] mit [X.] die notwendige Menge an Statin reduziere, was zu überraschend besseren Ergebnissen führe.

Schließlich stehe auch Art. 3 lit. d) [X.] der Erteilung des [X.] nicht entgegen. Denn die Zulassung für "[X.]" stelle keine arzneimittelrechtliche Zulassung für ein Fertigarzneimittel wie das Kombinationsprodukt "[X.]" dar. Aus diesem Grund verwende der Zulassungsbescheid für "[X.]" den Ausdruck "mit angewendet", was im Gegensatz zur Forderung des Art. 10 (b) der Richtlinie 2001/83/[X.] und dem [X.] keine Zulassung bedeute.

Für die Schutzfähigkeit des [X.] spreche schließlich auch, dass nach derzeitigem Stand in den ausländischen Parallelverfahren wie in [X.] oder [X.] überwiegend zugunsten der Beklagten geurteilt worden wäre.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klagen sind zulässig. Zwar kann die Nichtigerklärung des angegriffenen [X.]s nach dessen Ablauf nur noch begehrt werden, sofern die es angreifenden Klageparteien ein Rechtsschutzbedürfnis nachweisen können. Diese für die Nichtigkeit von Patenten entwickelte allgemeine Rechtsprechung (vgl. [X.], 342 f. – Tafelförmige Elemente; st. Rspr.) gilt auch im hier in Rede stehenden Fall des Erlöschens eines ergänzenden [X.]s (vgl. Busse/Keukenschrijver, [X.], 9. Aufl., § 81 Rn. 72). Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist vorliegend für alle Klägerinnen zu bejahen, nachdem die Beklagte sie oder – wie im Fall der Klägerin zu 4 – die mit einer Klagepartei verbundenen Konzernunternehmen gerichtlich wegen einer angeblichen Verletzung des [X.]s in Anspruch genommen und ausdrücklich erklärt hat, die von ihr behaupteten Ansprüche trotz des für sie negativen Ausgangs dieser einstweiligen [X.] weiter verfolgen zu wollen; darüber hinaus setzt die Geltendmachung möglicher Schadenersatzansprüche der Klägerinnen wegen der infolge der zunächst erlassenen einstweiligen Verfügungen von ihnen erlittenen Umsatzausfälle nach § 945 ZPO eine Nichtigerklärung des angegriffenen [X.]s voraus, weil das für die Entscheidung über solche Schadenersatzklagen zuständige Gericht an die Entscheidungen, welche im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangen sind, nicht gebunden ist (vgl. [X.] in: [X.] Kommentar zur ZPO, 5. Aufl., § 945 Rn. 16 m.w.N.).

II.

Die auf Nichtigerklärung des erteilten ergänzenden [X.] 026 ([X.]) gerichteten Klagen sind auch begründet. Das streitgegenständliche ergänzende [X.] ist entgegen Art. 3 lit. c) i.[X.]. Art. 15 Abs. 1 lit. a) [X.]i.[X.]. § 16a Abs. 2 [X.] i.[X.]. § 22 [X.] erteilt worden und somit für nichtig zu erklären.

1. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. c [X.] setzt die Erteilung eines ergänzenden [X.]s voraus, dass für das Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt ist.

1.1. Bei dem in Art. 1 lit. b [X.] definierten Begriff des Erzeugnisses handelt es sich um einen eigenständigen Begriff, der weder mit der patentrechtlichen Erfindung noch mit dem Gegenstand der arzneirechtlichen Genehmigung für das Inverkehrbringen gleichzusetzen ist, sondern dessen Inhalt und Grenzen durch Auslegung der [X.] zu bestimmen sind (vgl. [X.] GRUR Int. 2013, 509). Nach Maßgabe von Art. 3 lit. c) [X.] darf die anmeldegegenständliche Wirkstoffkombination nicht im Zusammenhang mit demselben Erzeugnis stehen, für das der Patentinhaberin auf Basis des [X.] bereits ein [X.] erteilt worden ist (vgl. [X.], Rn. 42-43; [X.], Rn. 37-39 und [X.]). Hinsichtlich dieses Zusammenhangs ist zu prüfen, ob [X.] den alleinigen Gegenstand der von dem [X.] geschützten Erfindung bildet oder ob die auf die Kombination von [X.] mit anderen Stoffen, insbesondere mit [X.], gerichteten Patentansprüche weitere Gegenstände der von diesem [X.] geschützten Erfindung bilden, indem sie den Erfindungsgegenstand [X.] nicht nur mit schon bekannten und üblichen Mitteln näher ausgestalten.

Maßgeblich für die Bestimmung des Erfindungsgegenstandes ist das Verständnis des zuständigen Fachmanns, vorliegend eines mit einem klinisch tätigen Arzt der Fachrichtung Innere Medizin in Zusammenarbeit stehenden Pharmazeuten, zu den Ausführungen des [X.] hinsichtlich der Frage, ob das [X.] einen oder mehrere Wirkstoffe "als solche[n] schützt", mithin, ob sich ihm insoweit nur eine oder mehrere Innovationen erschließen. Entgegen dem Einwand der Beklagten zu den Ausführungen der Klägerinnen ist im Rahmen des Art. 3 lit. c) [X.] nicht zu prüfen, ob die im [X.] angegebenen Merkmale den Stand der Technik im Sinne der Patentfähigkeit tatsächlich bereichern oder nicht. Eine solche Prüfung würde lediglich bei einem auch auf Art. 15 Abs. 1 lit. c) [X.] gestützten Angriff gegen ein ergänzendes [X.] erfolgen, bei dem geltend gemacht wird, dass das [X.] zu Unrecht erteilt worden ist.

Im vorliegenden Fall müsste sich folglich die Kombination aus dem innovativen Wirkstoff [X.] und dem vorbekannten Wirkstoff [X.] gegenüber dem Monowirkstoff [X.] (für das der Patentinhaberin ebenfalls ein [X.] erteilt worden ist) als eine andere, eigenständige Innovation im Sinne eines von [X.] (allein) unterscheidbaren Erzeugnisses erweisen und dürfte sich nicht lediglich als sukzessives Inverkehrbringen des innovativen Wirkstoffs [X.] in Kombination mit einem anderen, durch das [X.] nicht als solchen geschützten Wirkstoff darstellen (vgl. [X.], Rn. 41 und [X.], Rn. 36 und 37).

Dies wäre dann der Fall, wenn die Innovation der Kombination ausschließlich durch die Verwendung des neuen Wirkstoffs [X.] getragen wird. Im umgekehrten Fall verbietet es Art. 3 lit. c) [X.] nicht, dem Inhaber eines [X.] und eines ergänzenden [X.]s für eine [X.] bei Vorliegen einer entsprechenden Genehmigung für das Inverkehrbringen ein weiteres [X.] für einen darin enthaltenen Wirkstoff zu erteilen, sofern dieser durch das [X.] auch einzeln als solcher geschützt ist (vgl. [X.], Rn. 41).

1.2. Im Einzelnen handelt es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Erzeugnis um die Kombination zweier sowohl in chemischer Hinsicht als auch in Hinblick auf ihre Wirkmechanismen unterschiedlicher Wirkstoffe.

[X.] gehört der Gruppe hydroxy-substituierter [X.] an, denen das [X.] zuschreibt, dass sie die Aufnahme von Cholesterin durch den Darm und die Bildung von Cholesterinestern in der Leber hemmen (vgl. a.a.[X.], [0061] [X.] 49 und 50 "to inhibit the intestinal absorption of cholesterol and to significantly reduce the formation of liver cholesteryl esters", sowie [0016-0017] und [0068]). Dieser Mechanismus war für [X.], darunter auch hydroxy-substituierte [X.] bereits beschrieben und plausibilisiert worden (vgl. [X.], [X.] 22-27, [X.] 1-9 sowie [X.] und [X.] 6-17 "hydroxy lower alkyl" für den am Azetidinongerüst befindlichen Rest A).

Das Statin [X.] wirkt wie [X.] als Inhibitor der 3-Hydroxy-3-methylglutaryl ([X.]) Coenzym A Reduktase ([X.]-CoA-Reduktase), die für den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der endogenen Cholesterinproduktion verantwortlich ist. Als Folge der gesenkten Cholesterinproduktion steigern die [X.]n die Anzahl der [X.] auf der Zelloberfläche, so dass die LDL-Aufnahme in die [X.] erhöht und damit der LDL-[X.]iegel im Blut verringert wird (vgl. [X.] ´88, [X.]. [X.]. bis [X.]. [X.]. [X.] 3). [X.] wurde, wie bereits ausgeführt, vor Erteilung des Streitzertifikats gemeinfrei.

Der Wirkstoff [X.] ist im [X.] mit [X.] (vgl. a.a.[X.], Patentanspruch 7, 13. Verbindung der Liste) und als Strukturformel beansprucht (vgl. a.a.[X.], Patentanspruch 8), während zur Kombination von [X.] allgemein gehaltene Inhibitoren der Cholesterinbiosynthese beansprucht werden (vgl. a.a.[X.], Patentanspruch 9). Diese wirken auf die [X.]-CoA-Reduktase, die [X.] sowie die [X.] inhibierend ein (vgl. a.a.[X.], Patentanspruch 16 und [0028]), was für den Fachmann ersichtlich unterschiedliche Wirkmechanismen von Seiten der Inhibitoren notwendig macht. In Patentanspruch 17 nach [X.] ist dann unter anderem eine Wirkstoffkombination aus [X.] mit [X.] neben einer Reihe anderer Statine wie [X.], [X.], [X.] und [X.] (Atorvastatin) beansprucht. Der beschreibende Teil des [X.] führt gleichermaßen die beanspruchten Kombinationen auf (vgl. a.a.[X.], [0001], [0016], [0028], [0066], [0068]). Zudem werden Verfahren zur Herstellung verschiedener hydroxy-substituierter [X.] beschrieben (vgl. a.a.[X.], [0029-0060]) und in den Beispielen die Herstellung solcher spezifischer [X.] dargelegt, sowie deren Wirksamkeit, einschließlich der von [X.], untersucht (vgl. a.a.[X.], Bsp. 6 und [0133] Tabelle, 6B).

Zur Kombination von [X.] mit Inhibitoren der Cholesterinbiosynthese stellt das [X.] keine weiteren Informationen bereit. Mithin steht dort die Bereitstellung der durch die [X.] (vgl. a.a.[X.], Patentanspruch 1) dargestellten, für die Behandlung oder Prävention von Atherosklerose geeigneten Verbindungen, einschließlich [X.], im [X.] der Lehre. Dagegen ist zur Kombination mit [X.] der Wirkstoff [X.] lediglich als einer von einer Vielzahl möglicher Inhibitoren der Cholesterinbiosynthese, speziell von Inhibitoren der [X.]-CoA-Reduktase, genannt und beansprucht (vgl. a.a.[X.], [0028] und Patentanspruch 17). Weiter ist das verfahrensgegenständliche Erzeugnis aus [X.] und [X.] im [X.] weder als spezifische Kombination genannt, noch werden mit der Kombination von erfindungsgemäßen hydroxy-substituierten [X.]n mit Inhibitoren der Cholesterinbiosynthese, speziell von Inhibitoren der [X.]-CoA-Reduktase, verbundene überraschende Effekte wie bspw. eine synergistische Wirksamkeit oder eine besondere Verträglichkeit beschrieben. Auch die weiteren Angaben zur Kombination der patentgemäßen Wirkstoffe sind genereller Natur und betreffen Angaben zur Formulierung als pharmazeutische Zusammensetzung bzw. in einem Kit zur separaten Verabreichung der Komponenten, zu Dosierung, Tagesdosis und Verabreichungsintervallen (vgl. a.a.[X.], [0016] und [0017], [0066-0068], [0132]).

Eine gegenteilige fachmännische Sicht auf das [X.] zum [X.], 9. Juni 1994, ergibt sich auch nicht durch das Beiziehen weiteren Fachwissens.

Bereits Abs. [0006] des beschreibenden Teils im [X.] führt aus, dass die [X.] in Menschen und Tieren in der Leber als Hauptorgan durch die Steuerung von dietätischem Cholesterin, die Modulierung der Cholesterinbiosynthese, der [X.] und des Katabolismus der [X.] geregelt wird. Damit waren dem Fachmann unterschiedliche, ersichtlich auch in Kombination anzuwendende Methoden bekannt, regulierend in diese Homöostase einzugreifen. Weiter gibt das [X.] in Abs. [0008], [X.] 41-43, unter Verweis auf den wissenschaftlichen Artikel [X.] ´88 bereits die Kombination eines [X.]-CoA-Inhibitors (also eines Statins) mit einem Gallensäure-Komplexbildner ("bile acid sequestrant") und damit die Kombination von Wirkstoffen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen als gegenüber dem Monowirkstoff vorteilhaft an (vgl. [X.] ´88, [X.]. [X.]. le. Abs. ab [X.] 3 "The concomitant use of a bile acid sequestrant and lovastatin or simvastatin represents a logical combination…”). Auch eine Publikation des Gutachters der Beklagten empfiehlt die Kombination von Wirkstoffen mit unterschiedlichen Angriffspunkten wie die Kombination von Statinen mit Ionenaustauschern (vgl. Ärzteblatt ´90, [X.], [X.]. [X.]. zu Frage 29.) und rät dabei lediglich von der Kombination von Statinen mit Fibraten oder [X.] ab. Ergänzend untermauert der wissenschaftliche Artikel [X.], dass am Prioritätsdatum des [X.] cholesterinsenkende Medikamente mit unterschiedlichen Wirkmechanismen in Kombination angewandt wurden (vgl. [X.], Zusammenfassung Satz 3), wenngleich die dort vorgestellten Ergebnisse keinen Synergismus belegen. Dass zum [X.] des [X.] keine Forschungsarbeiten zur Kombination von [X.] mit [X.] vorlagen, untermauert auch eine Zeugenaussage im parallelen [X.] Verfahren (vgl. [X.] ´19, S. 22 Abs. 39).

In Summe kann der Fachmann dem [X.] keine konkreten Anhaltspunkte entnehmen, weshalb die Kombination von [X.] und [X.] als besonders vorteilhaft, überraschend verträglich oder unerwartet wirkungssteigernd und damit als eigenständige Erfindung anzusehen wäre.

Nach allem stellt die Kombination des neuen Wirkstoffs [X.] mit dem bewährten Kombinationspartner [X.], für die eine gültige arzneimittelrechtliche Genehmigung vorliegt, hier mit den in einer Tablette enthaltenen wirksamen Bestandteilen [X.] 10,0 mg und [X.] 10,0 mg (vgl. [X.]), keine andere Innovation gegenüber dem Monowirkstoff [X.] dar, da das Erzeugnis nach den insoweit einzig beachtlichen Angaben im [X.] nicht "als solches" geschützt ist, sondern im Zusammenhang mit dem Monowirkstoff steht, für welchen der Patentinhaberin am selben Tag ein [X.] auf Basis des [X.] erteilt worden ist.

2. Die gegen diese Bewertung vorgebrachten Einwände der Beklagten vermögen nicht durchzugreifen.

2.1. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, dass Art. 3 lit. a) und lit. c) [X.] die gleiche Erzeugnisdefinition des [X.]. 1 lit. b) [X.] zugrunde liege und somit maßgeblich berücksichtigt werden müsse, dass es sich bei dem Monowirkstoff [X.] und der verfahrensgegenständlichen Wirkstoffkombination um unterschiedliche Erzeugnisse i.S.v. Art. 1 lit. b) [X.] handle, vermag diese Sichtweise nicht zu überzeugen. Denn ihr Vortrag lässt entsprechend den Ausführungen oben unberücksichtigt, dass es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des [X.] nicht schon ausreichend ist, dass es sich bei mehreren durch ein [X.] geschützten Erzeugnissen um verschiedene Erzeugnisse i.S.v. Art. 1 lit. b) [X.] handelt. Vielmehr leitet der [X.] aus der Schrankenfunktion des Art. 3 lit. c) [X.] die zusätzliche Voraussetzung ab, dass im Fall, dass ein [X.] mehrere Erzeugnisse i.S.v. Art. 1 lit. b) [X.] schützt, die Erteilung von [X.]en für diese Erzeugnisse nur dann zulässig ist, wenn es sich bei den fraglichen Erzeugnissen um unterschiedliche Innovationen handelt. Dagegen ist die Erteilung mehrerer [X.]e für jedes sukzessive Inverkehrbringen eines innovativen Wirkstoffs in Kombination mit einem anderen, durch das [X.] nicht als solchen geschützten Wirkstoff unzulässig (vgl. [X.], Rn. 41). Ein Zertifikatsschutz kommt folglich nur für solche Erzeugnisse in Betracht, die gemäß den Zielen der [X.] eine echte Neuerung darstellen. In diesem Zusammenhang verweist die Beklagte auf das am selben Tag wie [X.] ergangene [X.]-Urteil [X.], das allerdings [X.] berücksichtigt und somit keine Abkehr davon darstellt (vgl. [X.], a.a.[X.] Rn. 30). Bei dem insoweit anders gelagerten Fall [X.] sind alle miteinander zu kombinierenden Wirkstoffe ([X.]eils unterschiedlich spezifische rekombinante Proteine des Papillomavirus) nicht nur in dem betreffenden [X.] genannt, sondern weisen darüber hinaus auch [X.]eils eine eigenständige erfinderische Qualität in ihrer Eigenschaft als eigenständiger Wirkstoff des betreffenden [X.] auf (vgl. [X.], a.a.[X.] Rn. 13-15, 41 und [X.]).

2.2. Auch soweit die Beklagte einwendet, dass die [X.]-Entscheidungen [X.] und [X.] die Grundsätze der [X.]-Entscheidungen [X.] und [X.] einerseits und [X.] auf der anderen Seite in Frage stellten, sind diese nach Auffassung des Senats weiter maßgeblich. Insbesondere betreffen [X.] und [X.] nicht Art. 3 lit. c) [X.]. Ein Anhaltspunkt dafür, dass sich der [X.] von seiner bisherigen Rechtsprechung lösen will, ist schon deshalb nicht erkennbar, weil der [X.] in der Begründung von [X.] auf [X.] Bezug nimmt und die dort behandelte Interessensabwägung wiedergibt (vgl., [X.], Rn. 41 und 42). Das von der Beklagten bei dieser Entscheidung geltend gemachte erweiterte [X.] bedeutet zudem keine Revision der bisherigen Rechtsprechung. Weiter lassen sich [X.] und [X.] auch hinsichtlich der dort bewerteten Wirkstoffe nicht auf [X.] und [X.] anwenden. Denn diese Entscheidungen betreffen [X.]eils nur ein – erstes – [X.] für Kombinationspräparate mit einem durch funktionelle Merkmale gekennzeichneten Wirkstoff, und nicht, wie vorliegend, zwei auf einem [X.] basierende [X.]e mit chemisch bezeichneten Wirkstoffen, entsprechend dem in [X.] und [X.] behandelten Konzept "einzelner, unterschiedlicher Erzeugnisse" ([X.] und [X.], [X.]. Rn. 29 und 30).

2.3. Von der Beklagten in der Verhandlung unbestritten blieb, dass das [X.] keine Vorteile hinsichtlich der Wirkstoffkombination [X.] mit [X.] aufzeigt. Allerdings erachtete sie die Patentansprüche 12 bis 14 des [X.] als speziell auf die Bereitung des Kombinationspräparats gerichtet und die Kombination folglich nicht nur als einfache Abwandlung herausgestellt. Jedoch vermögen auch diese Patentansprüche die Erkenntnis des Fachmanns hinsichtlich besonderer Effekte der Kombination nicht zu erhellen. Denn das [X.] überlässt dem klinisch tätigen Arzt ohne eine Differenzierung nach [X.] sowohl die Auswahl und Abstimmung der Kombinationspartner als auch die Art und Weise der Dosierung zur Gänze (vgl. a.a.[X.], [0066-0068]) und kann daher nicht als Offenbarung einer weiteren Innovation angesehen werden.

2.4. Nicht durchzugreifen vermag auch der Einwand der Beklagten, dass der Fachmann am Prioritätstag des [X.] Vorurteile hinsichtlich der Kombination von Statinen mit auf anderen Wegen wirkenden cholesterinsenkenden Wirkstoffen gehabt habe. Im [X.] gibt es dazu keine Information. Das Vorbringen der Beklagten, solche Kombinationen seien unüblich gewesen und nur bei schweren Fällen der Hypercholesterinämie zur Anwendung gekommen, basiert auf der Prämisse eines zahlenmäßig geringen Patientenkollektivs als Voraussetzung für ein Vorurteil. Dessen Größe ist bei einer solchen Bewertung jedoch ohne Belang und die Kombination war im Gegenteil als vorzugwürdig beschrieben worden (vgl. [X.], [0008] und Ärzteblatt [X.], [X.] Frage 29). Selbst wenn manche Kombinationspräparate auf diesem Gebiet Nebenwirkungen zeigten oder nicht den erhofften Erfolg brachten, ändert dies nichts an der für Kombinationspräparate im Übrigen auch allgemein bekannten Vorzugswürdigkeit, die sich schon daraus ergibt, dass der Einsatz von [X.] oftmals nicht zum gewünschten Erfolg führt. Der von der Beklagten angesprochene Umstand, dass Statine zum [X.] des [X.] noch nicht hinreichend auf die Verringerung des [X.] untersucht gewesen seien, vermag diese Verbindungen als Partner für Kombinationstherapien gleichermaßen nicht zu disqualifizieren. Dagegen spricht bereits das [X.], das diese Verbindungen in Kombination empfiehlt, ebenso wie der Gutachter der Beklagten, der in seiner vor dem Zeitrang des [X.] erschienenen Publikation Ärzteblatt [X.] zu keinem anderen Schluss gelangt. Sofern die Beklagte aus fachmännischer Sicht für Kombinationstherapien nur solche Verbindungen als angeraten wertet, die komplementäre Wirkmechanismen aufweisen, war auch dieses Vorgehen, wie ausgeführt, bereits vorgeschlagen worden und setzt kein Verständnis detaillierter molekularer Vorgänge voraus.

2.5. Dem Einwand der Beklagten, die Rechtsprechung des [X.], insbesondere die Entscheidungen [X.] und [X.], sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da sich die zu Grunde liegenden Sachverhalte maßgeblich unterscheiden würden, kann auch nicht gefolgt werden. In allen drei Fällen ([X.], [X.] und vorliegend) wurde auf Basis des [X.] ein erstes [X.] für einen Einzelwirkstoff ([X.], [X.], [X.]) erteilt, und der [X.]eilige Wirkstoff gehörte zu einer größeren Gruppe im [X.] erstmals [X.] chemischer Verbindungen. Soweit die Beklagte [X.] bzw. [X.] als lediglich neue Verbindungen einer bereits bekannten Stoffklasse wertet, wohingegen [X.] als erster Wirkstoff einen völlig neuen Therapieansatz ermöglichte, steht diesem Einwand entgegen, dass es auch zum Anmeldezeitpunkt der [X.]e von [X.] (1990) bzw. [X.] (1991) keine zugelassenen Sartane gab, da [X.] zwar im [X.] von 1989 beschrieben ist, allerdings erst 1995 zugelassen wurde, ebenso wie vorliegend [X.] im [X.] von 1994 beschrieben ist und 2002 zugelassen wurde. Somit wurden in allen drei Fällen [X.]e erteilt, die auf eine Kombination des Einzelwirkstoffs mit einem weiteren, vorbekannten und gemeinfreien Wirkstoff gerichtet waren, welcher für sich keinen eigenständigen Gegenstand des [X.]eiligen [X.] bildete. Ebenso widmete sich das [X.]eilige [X.] in diesen drei Fällen ganz überwiegend den chemischen Strukturen neuer Verbindungen, beschrieb deren Herstellung und chemische Eigenschaften und zeigte mögliche Verwendungen der Stoffe auf, u.a. deren Verwendung in Kombination mit einem weiteren Wirkstoff. Hier wie dort beschäftigten sich die Beispiele ausschließlich mit ausgewählten Einzelverbindungen der neuen Stoffgruppe.

Weiter spricht gegen die Auffassung der Beklagten, dass es sich bei den Entscheidungen [X.] und [X.] um konkrete Einzelfallentscheidungen handeln solle, die nicht verallgemeinerungsfähig seien, im Grundsatz bereits, dass Vorabentscheidungen des [X.] in der Regel schon nach Wortlaut und Zielsetzung des Art. 267 Abs. 1 AEUV nicht dazu dienen, die europarechtlichen Fragen nur im Hinblick auf den konkreten Ausgangsfall zu beantworten, sondern den nationalen Behörden und Gerichten – zwar aus Anlass des Einzelfalls, aber über diesen hinausgehend – eine möglichst allgemeine, auch vergleichbare Fälle erfassende Auslegung der für die Entscheidung des Ausgangsfalls des vorlegenden Gerichts relevanten Normen des primären (vgl. Art. 267 Abs. 1 lit. a) AEUV) oder sekundären (vgl. Art. 267 Abs. 1 lit. b) AEUV) Gemeinschaftsrechts an die Hand zu geben. Aus diesem Grund erschöpfen sich die Ausführungen in [X.] und [X.] nicht in einer auf die Besonderheiten der [X.]eiligen Ausgangsfälle beschränkten Auslegung von Art. 3 [X.], sondern sind erkennbar allgemein gehalten; sie gelten damit für alle vergleichbaren Fallkonstellationen, in denen ein [X.], obwohl unter seinen Schutz auch eine Wirkstoffkombination fällt, nur einen Wirkstoff dieser Wirkstoffkombination als Erfindung offenbart, nicht aber auch den mit diesem kombinierten weiteren Wirkstoff.

2.6. Die Qualifizierung des durch das [X.] als solchen geschützten Wirkstoffs [X.] als "first in class" Wirkstoff durch die Beklagte bleibt ohne Einfluss auf die Bewertung der Kombination [X.] mit [X.] als gesonderte Erfindung, selbst wenn es sich um die erstmalige Zulassung eines [X.] handelt. Denn der Beklagten ist für die besondere Eigenschaft von [X.] bereits ein [X.] zuerkannt worden, das der Erteilung eines zweiten [X.]s entgegensteht. Soweit der Beklagtengutachter den Monowirkstoff [X.] in seiner Schlussfolgerung als bedeutende Innovation und die Kombination mit [X.] als weitere Verbesserung (vgl. [X.], Rn. 41 und 42) bewertet, waren deren [X.]eilige unterschiedliche Wirkmechanismen, wie ausgeführt, am [X.] bekannt gewesen.

Wenngleich den [X.]-Entscheidungen [X.] und [X.] insoweit keine Angaben zu entnehmen sind, kommt es für die Bestimmung des Erfindungsgegenstandes allein auf die Angaben im [X.] an, wonach erst nach dem für das [X.] maßgeblichen Zeitrang, also seinem Prioritäts- oder Anmeldetag, gewonnene Erkenntnisse nicht zu berücksichtigen sind. Dieser Grundsatz, den der [X.] für die sich bei Art. 3 lit. a) [X.] stellende Frage, ob das angemeldete Erzeugnis unter den Schutzbereich des [X.] fällt, ausdrücklich aufgestellt hat (vgl. [X.], Rn. 49; [X.], Rn. 47), gilt nach dem Verständnis des Senats auch bei der Ermittlung des [X.] bei der Prüfung des Art. 3 lit. c) [X.]. Dies bereits deshalb, weil der [X.] keine für Art. 3 lit. c) [X.] abweichende Auffassung zu erkennen gegeben hat und eine solche auch nicht ohne logischen Bruch vorstellbar ist. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage nach der Geltung patentrechtlicher Grundsätze im Sinne eines [X.] von Beispielen kann dahinstehen, da dieses Nachbringen nur dann erfolgen kann, wenn im [X.] nicht nur pauschale Angaben zur Wirksamkeit, sondern erkennbare Vorteile offenbart sind, welche im Verhältnis zur Aufgabe stehen.

Insoweit spielen nach dem [X.] des [X.] aufgezeigte Effekte des Monowirkstoffs [X.] wie ein spezifischer Wirkungsmechanismus auf [X.] über das "[X.]" weder für den Monowirkstoff [X.] noch für die Kombination mit [X.] eine Rolle.

2.7. Soweit Art. 3 lit. c) fordert, dass für das Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt wurde und vorliegend die Erteilung für das [X.] für die Wirkstoffkombination aus [X.] und [X.] und das [X.] für den Wirkstoff [X.], für das eine ältere arzneimittelrechtliche Genehmigung vorlag, am selben Tag erfolgte, spricht [X.] dafür, dass der Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen maßgeblich ist. Auch der Leitsatz in [X.] schweigt zu einer zeitlich späteren Erteilung und spricht nur von einem "zweiten ergänzenden [X.]". Diese Formulierung spiegelt ersichtlich den dort in Rn. 31 angeführten Erwägungsgrund für den Erlaß der [X.] wider, zumindest zum Teil den Rückstand in der wirtschaftlichen Verwertung einer Erfindung auszugleichen, der aufgrund der Zeitspanne von der Einreichung der Patentanmeldung bis zur Erteilung des Marktzulassung eingetreten ist, nicht aber den vollen Ausgleich oder alle möglichen Formen der Verwertung der Erfindung, auch in Gestalt verschiedener Zusammensetzungen (a.a.[X.], Rn. 40) mit, nach obigen Darlegungen, demselben Wirkstoff zu ermöglichen. Somit vermag auch die Auffassung der Beklagten, die Erteilung des [X.] sei zulässig, weil nicht feststellbar sei, welches das frühere [X.] bilde, nicht durchzugreifen. Soweit sie beanstandet, dass nationale Anmeldungen zum Nachteil für den Anmelder Zufälligkeiten unterworfen seien, ist zu berücksichtigen, dass zwischen den Anträgen der Beklagten auf Zulassung von "[X.]" und "[X.]" mehr als 1,5 Jahre liegen (vgl. [X.]. der Klägerin zu 3. v. 7. August 2020, Rn. 24-25), wonach ihr ein angemessener Zeitraum zur Verfügung stand, um durch Zurücknahme einer Anmeldung eine Wahl zwischen kürzerer Laufzeit und weiterem Schutzbereich ("[X.]") oder längerer Laufzeit und engerem Schutzbereich ("[X.]") zu treffen.

Nach alledem ist für das streitgegenständliche Erzeugnis ein ergänzendes [X.] entgegen Art. 3 lit. c) [X.] erteilt worden, das deshalb keinen Bestand haben kann.

Dieses Ergebnis steht in Einklang mit der Auffassung des [X.] im Verletzungsverfahren, dass das [X.] für die Kombination aus [X.] und [X.] keine zureichenden Anhaltspunkte liefert, um diese als eine mehr als bloß geläufige Abwandlung der Erfindung [X.] auszuweisen und somit Art. 3 lit. c) [X.] nicht erfüllt sei (vgl. [X.] ´19, S. 18 Abs. (4)). Auch der Gerichtshof [X.] bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz insoweit (vgl. [X.] ´18, Abs. 4.22). Nichts anderes erbrachten das Urteil des Handelsgerichts [X.] (vgl. [X.] ´18, S. 22 Abs. 7.1-7.3) und die Entscheidung des Berufungsgerichts [X.] vom 25. September 2020 (vgl. [X.]atz der Klägerin zu 4 vom 1. Oktober 2020, [X.]. Abs. mit Übersetzung einer Passage aus der beigefügten Anlage Cour d’appel de [X.] ´20).

3. Da das streitgegenständliche [X.] entgegen Art. 3 lit. c) [X.] erteilt wurde und aus diesem Grund nichtig ist, kommt es auf die Frage, ob die Erteilung auch entgegen Art. 3 lit. a) und d) [X.] erfolgt ist, nicht mehr an.

[X.]

Die von der [X.] angeregte Vorlage an den [X.] war nicht veranlasst, da die vorliegende Beschwerdesache keine entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts aufwirft, die nicht aus den gesetzlichen Quellen und der angeführten Rechtsprechung des [X.] zweifelsfrei zu beantworten wären.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 ZPO.

Meta

3 Ni 4/19, verb. mit 3 Ni 8/19, verb. mit 3 Ni 9/19, verb. mit 3 Ni 10/19, verb. mit 3 Ni 11/19

09.10.2020

Bundespatentgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

§ 16a Abs 2 PatG, § 22 PatG, Art 3 Buchst c EGV 469/2009, Art 15 Abs 1 Buchst a EGV 469/2009

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 09.10.2020, Az. 3 Ni 4/19, verb. mit 3 Ni 8/19, verb. mit 3 Ni 9/19, verb. mit 3 Ni 10/19, verb. mit 3 Ni 11/19 (REWIS RS 2020, 280)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 280

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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