Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.03.2022, Az. 4 StR 223/21

4. Strafsenat | REWIS RS 2022, 2838

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafverfahren wegen Mordes: Voraussetzungen eines Rücktritts vom Versuch bei mehreren Beteiligten


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 6. Juli 2020, soweit es den Angeklagten [X.]betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit er vom Vorwurf des versuchten Mordes zum Nachteil des [X.] (Fall 2 der Anklage vom 15. Juli 2019) freigesprochen worden ist, sowie

b) im Rechtsfolgenausspruch.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den heranwachsenden Angeklagten der „gemeinschaftlichen Sachbeschädigung“ für schuldig befunden, ihn verwarnt, einen [X.] verhängt und ihm die Erbringung von 50 Arbeitsstunden auferlegt. Von den Vorwürfen des versuchten Mordes und der Verabredung zu einem Verbrechen des Mordes hat es ihn freigesprochen. Mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass der Angeklagte nicht auch wegen des Anklagevorwurfs des versuchten Mordes verurteilt worden ist. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2

Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten mit der zugelassenen Anklage unter anderem vorgeworfen, gemeinschaftlich mit den jugendlichen Mitangeklagten [X.]und [X.]versucht zu haben, den Nebenkläger heimtückisch zu töten. Das [X.] hat dazu die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

1. Anfang des Jahres 2019 beschloss der 16-jährige Mitangeklagte [X.] , der eine Gesamtschule in [X.] besuchte, den Nebenkläger, seinen Lehrer, zu töten. Auf sein Drängen erklärte sich schließlich der mit ihm befreundete 18-jährige Angeklagte bereit, an der Tötung des [X.] mitzuwirken. Hierzu gewann [X.]ferner den 17-jährigen Mitangeklagten [X.], der auf dieselbe Gesamtschule ging.

4

Am Tattag, dem 9. Mai 2019, erschien der Angeklagte auf dem Schulgelände und traf dort die Mitangeklagten. Auf Initiative [X.]s besprachen sie den endgültigen [X.]. Danach sollte [X.] in einem in der Nähe des [X.] gelegenen [X.] einen allergischen Schock vortäuschen und sich auf den Boden kauern; [X.]und der Angeklagte sollten in dem Moment, in dem sich der arglose Nebenkläger zu dem vermeintlich hilfsbedürftigen [X.] hinunterbeugen würde, mit bis dahin verborgen getragenen Hämmern auf den Hinterkopf des [X.] schlagen, um es zu töten. Der Angeklagte hängte sich einen [X.] hinten in den [X.] seiner Jogginghose, [X.]führte einen [X.] in einer Umhängetasche bei sich.

5

Auf dem nicht einsehbaren [X.] ließ sich [X.] an der Wand einer Garage nieder. [X.]fing den Nebenkläger tatplangemäß gemeinsam mit dem Angeklagten gegen 14.00 Uhr am [X.] ab. [X.]sprach den Nebenkläger an und bat ihn um Hilfe für [X.]; zugleich stellte er ihm den Angeklagten vor. Der Nebenkläger begab sich mit beiden auf den [X.] und sprach den unverändert auf dem Boden sitzenden [X.] an, worauf dieser erklärte, es gehe ihm nicht gut. Der Nebenkläger, der nicht mit einem gegen seine körperliche Integrität gerichteten erheblichen Angriff rechnete, beugte sich schließlich zu [X.] hinunter, um herauszufinden, was ihm fehle. Währenddessen standen [X.] und der Angeklagte „leicht hinter und seitlich von“ dem Nebenkläger.

6

In dieser Situation fasste der Angeklagte den Entschluss, dem gemeinsamen [X.] nicht weiter zu folgen. Er zog hinten an seinem Hosenbund und ließ den [X.] in ein Hosenbein rutschen, so dass er ihn nicht mehr ohne Weiteres ergreifen konnte. Dieser Umstand war für den Mitangeklagten [X.]nicht erkennbar. Vielmehr bedeutete er dem Angeklagten mehrfach durch Kopfnicken, dieser solle zuschlagen, und ging dabei davon aus, der Angeklagte werde dem tatplangemäß Folge leisten. [X.]hatte seine Umhängetasche mit dem Tatwerkzeug etwas abseits abgestellt und konnte daher nicht unbemerkt von dem Nebenkläger auf den [X.] zugreifen. Dies war dem Angeklagten unbekannt. Er ging vielmehr davon aus, dass der Mitangeklagte [X.]jederzeit seinen [X.] hervorziehen und dem [X.] entsprechend auf den Nebenkläger einschlagen könne.

7

Da der Angeklagte trotz mehrfacher Aufforderungen [X.]s den [X.] nicht hervorholte und zuschlug und auch der Mitangeklagte nichts weiter unternahm, konnte sich der Nebenkläger wieder aufrichten und rief über das Sekretariat der Schule einen Krankenwagen. Zu dessen Einweisung machte sich der Nebenkläger sodann auf den Weg an die nächste Straße. Zuletzt halfen [X.]und der Angeklagte im Beisein des [X.] dem Mitangeklagten [X.], sich zu dem eingetroffenen Rettungswagen zu begeben.

8

2. Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Mordes aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Er sei – anders als der wegen versuchten Mordes verurteilte Mitangeklagte [X.]und der wegen Beihilfe zu dieser Tat verurteilte Mitangeklagte [X.] – gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB zurückgetreten. Der Angeklagte habe die Tatvollendung aktiv verhindert, indem er den [X.] in sein Hosenbein habe rutschen lassen. Da [X.]keinen [X.] zugriffsbereit gehabt habe, sei eine Tatausführung ohne wesentliche Zwischenschritte zu diesem Zeitpunkt nur durch den Angeklagten denkbar gewesen. Dieser habe durch die freiwillige Neutralisierung seines [X.] die Vollendung der Tat unmöglich gemacht.

II.

9

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Freispruch vom Vorwurf des versuchten Mordes und den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Zwar hat die Staatsanwaltschaft einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt, ausweislich der Ausführungen in der Revisionsbegründung richtet sich ihr Rechtsmittelangriff aber allein gegen den Teilfreispruch des Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Mordes im Fall 2 der Anklage (= Fall II.6 der Urteilsgründe). Denn die Revisionsführerin hält das Urteil lediglich deshalb für rechtsfehlerhaft, weil das [X.] in diesem Fall zu Unrecht einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten bejaht habe.

Diese Beschränkung der Revision ist auch wirksam. Da die gegen den Angeklagten verhängten jugendrechtlichen Sanktionen nur einheitlich bestimmt werden können, unterliegen damit auch sie revisionsgerichtlicher Überprüfung.

III.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

1. [X.] vom Vorwurf des versuchten Mordes im Fall 2 der Anklage (= Fall II.6 der Urteilsgründe) hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zwar hat das [X.] zutreffend angenommen, dass der Angeklagte unmittelbar dazu ansetzte, einen Mord zu begehen; es hat aber einen strafbefreienden Rücktritt mit fehlerhafter Begründung bejaht.

a) Der Angeklagte und der Mitangeklagte [X.]setzten nach ihrer Vorstellung von der Tat unmittelbar dazu an (§ 22 StGB), als Mittäter den Nebenkläger heimtückisch zu töten (§ 211 Abs. 2, § 25 Abs. 2 StGB).

aa) Mittäter treten einheitlich in das Versuchsstadium ein, sobald auch nur einer von ihnen zu der tatbestandlichen Ausführungshandlung unmittelbar ansetzt (vgl. nur [X.], Beschluss vom 6. September 1989 – 3 [X.], [X.]St 36, 249, 250).

Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung von Vorbereitungshandlungen zum strafbaren Versuch liegt ein unmittelbares Ansetzen bei solchen Handlungen vor, die nach der Vorstellung des [X.] in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren [X.] nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass [X.] ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht, wobei auf die strukturellen Besonderheiten der [X.]eiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen ist (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 8. Dezember 2021 – 5 [X.] Rn. 27; Beschlüsse vom 28. April 2020 – 5 StR 15/20, [X.]St 65, 15 Rn. 4 ff. und vom 11. August 2011 – 2 [X.] Rn. 8; [X.], StGB, 69. Aufl., § 22 Rn. 9 ff.). Nicht als Zwischenakte in diesem Sinne anzusehen sind Handlungen, die wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des [X.] als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden; dies kann auch für ein notwendiges Mitwirken des Opfers gelten (vgl. [X.], Urteile vom 16. September 2015 – 2 [X.] Rn. 7 und vom 30. April 1980 – 3 [X.] Rn. 8 f.; Beschluss vom 16. Juli 2015 – 4 StR 219/15 Rn. 14). Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung im Einzelfall sind u. a. die Dichte des [X.]s und der Grad der Rechtsgutsgefährdung (vgl. [X.], Urteile vom 16. September 2015 – 2 [X.] Rn. 7, vom 9. März 2006 – 3 StR 28/06 Rn. 4 und vom 16. September 1975 – 1 [X.], [X.]St 26, 201, 203 f.).

bb) Hiervon ausgehend hat das [X.] rechtsfehlerfrei angenommen, der gemeinschaftliche Mordversuch habe begonnen, als der Angeklagte und [X.]tatplangemäß hinter bzw. neben dem sich hinabbeugenden Nebenkläger standen.

Nach seiner Vorstellung von der Tat setzte der Angeklagte zur Verwirklichung des Tatbestands spätestens unmittelbar an, als er sich wie der Mitangeklagte [X.]bei dem mit [X.] befassten Nebenkläger positionierte, um diesen zu erschlagen. Der gemeinsame [X.] richtete sich auf eine heimtückische Tötung. Die hierzu ersonnene Falle hatten die als Mittäter handelnden Angeklagten dem Nebenkläger vollständig und erfolgreich gestellt. Der Tatbegehung standen danach keine Hindernisse mehr entgegen. Vielmehr sollten dem Nebenkläger nach dessen Hinabbeugen die tödlichen [X.]schläge versetzt werden und [X.] der Angeklagten ohne weitere Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden (vgl. [X.], Urteile vom 9. August 2011 – 1 [X.] Rn. 14 und vom 26. August 1986 – 1 [X.] Rn. 6).

Unter Beachtung der strukturellen Besonderheiten des geplanten [X.] wäre es eine zu enge, nach körperlichen Bewegungen aufspaltende Betrachtung, im Hervorziehen der Hämmer noch einen den Versuch hindernden Zwischenakt sehen zu wollen (vgl. [X.], Urteil vom 16. September 1975 – 1 [X.], [X.]St 26, 201, 203 f.). Denn die Angeklagten mussten die Tatwaffen bis zuletzt gerade verbergen, um die Arglosigkeit des Opfers nicht zu gefährden. Zugleich waren sie nach ihrem [X.] aufgrund der womöglich nur kurzen Tatgelegenheit gehalten, mit den zur Hand befindlichen Tatwaffen zuzuschlagen, sobald sich das Opfer herunterbeugt. Mit den neben und hinter dem Nebenkläger eingenommenen Positionen war dessen Wehrlosigkeit verbunden, was – wie die weitere Mitwirkung des Opfers – notwendig zum Plan der Tat selbst gehörte und mit dieser eine natürliche Einheit bildete. Die Tatausführung hing nach dem detaillierten [X.] zudem nicht mehr von [X.] ab (vgl. [X.], Urteil vom 9. März 2006 – 3 StR 28/06 Rn. 5), weshalb das Rechtsgut aus Sicht des Angeklagten auch bereits in hohem Maße gefährdet war.

b) Die Annahme des [X.]s, der Angeklagte sei von dem gemeinschaftlichen Mordversuch gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB zurückgetreten, wird von den Feststellungen nicht getragen.

aa) § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB, der als persönlicher Strafaufhebungsgrund für jeden Tatbeteiligten gesondert zu prüfen ist (vgl. [X.], Urteil vom 20. April 2016 – 2 [X.], [X.]St 61, 188 Rn. 10; Beschluss vom 4. April 1989 – 4 [X.] Rn. 5; [X.] in [X.], 13. Aufl., § 24 Rn. 426), verlangt ohne Rücksicht auf die Frage, ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt, die bewusste Verhinderung der Tatvollendung. Dabei bestehen grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie beim Alleintäter, so dass insbesondere das Verhalten des Zurücktretenden für das Ausbleiben der Vollendung zumindest mitursächlich werden muss (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Februar 2012 – 4 StR 621/11 Rn. 8).

Das die Tatvollendung verhindernde Verhalten muss dabei nicht notwendig in einem auf die Erfolgsabwendung gerichteten aktiven Tun liegen (vgl. [X.], StGB, 69. Aufl., § 24 Rn. 40a). Kann einer von mehreren Tatbeteiligten den noch möglichen Eintritt des [X.] allein dadurch vereiteln, dass er seinen vorgesehenen Tatbeitrag nicht erbringt oder nicht fortführt, so verhindert bereits seine Untätigkeit oder sein Nichtweiterhandeln die Tatvollendung. Ist dem Beteiligten dies im Zeitpunkt der Verweigerung oder des Abbruchs seiner Tatbeteiligung bekannt und handelt er dabei freiwillig, liegen damit die Voraussetzungen für einen Rücktritt nach § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB vor (vgl. [X.], Beschlüsse vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11 Rn. 18 und vom 26. Juli 2011 – 4 [X.] Rn. 5). Ein solcher Rücktritt eines Tatbeteiligten durch schlichtes Unterlassen kommt in Betracht, wenn nach seiner Vorstellung ohne ihn der verabredete Plan nicht zu verwirklichen ist, etwa wenn nur er über die erforderlichen Tatwerkzeuge oder Fertigkeiten verfügt (vgl. [X.], Urteil vom 23. Oktober 1991 – 3 [X.] Rn. 8). Gleiches gilt, wenn ein Beteiligter seinen Tatbeitrag in der begründeten Überzeugung verweigert, die anderen Tatbeteiligten würden die Tat allein aufgrund seiner Untätigkeit nicht weiter durchführen (vgl. [X.], Urteile vom 21. Oktober 1983 – 2 [X.], [X.]St 32, 133, 134 f.; vom 7. Oktober 1983 – 1 [X.] Rn. 6, [X.]. zu § 31 StGB, und vom 16. März 1983 – 2 [X.] Rn. 17; [X.] in [X.], 9. Aufl., § 24 Rn. 108; [X.], [X.] bei mehreren Tatbeteiligten gemäß § 24 Absatz 2 StGB, 2010, [X.], 158 f.; s. auch [X.], [X.], 1982, [X.] ff.). Denn der Tatbeteiligte gibt auch in diesem Fall seinen Vollendungsvorsatz vollständig auf und wählt eine Rettungsmöglichkeit, die er für geeignet und ausreichend hält, den [X.] zu verhindern (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Dezember 2002 – 2 StR 251/02, [X.]St 48, 147, 152). Geht der Tatbeteiligte hingegen von der Gefahr der Tatvollendung durch den oder die Mittäter aus, bedarf der Rücktritt wie beim beendeten Versuch des Einzeltäters eines auf die Erfolgsabwendung gerichteten aktiven Tuns (vgl. [X.], Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11 Rn. 18).

Darüber hinaus kann ein Rücktritt aller Tatbeteiligten zu bejahen sein, wenn sie im Falle eines unbeendeten Versuchs einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie den [X.] noch herbeiführen könnten (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 29. August 2017 – 4 [X.] Rn. 5; vom 22. April 2015 – 2 [X.] Rn. 3 und vom 8. Februar 2012 – 4 StR 621/11 Rn. 8).

Maßgeblich ist in allen Fällen die subjektive Sicht des [X.] nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (sog. Rücktrittshorizont; vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. Oktober 2021 – 4 [X.] Rn. 10 und vom 3. März 2021 – 4 StR 514/20 Rn. 7). Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. [X.], Beschluss vom 24. März 2020 – 4 StR 596/19 Rn. 6).

bb) Daran gemessen ist den Feststellungen ein strafbefreiender Rücktritt nicht zu entnehmen. Denn es fehlt an Ausführungen zum maßgeblichen Vorstellungsbild des Angeklagten im Augenblick seines Nichtweiterhandelns; auf seinen Rücktrittshorizont kann auch nicht aus dem Urteil in seiner Gesamtheit geschlossen werden.

(1) Einem Rücktritt des Angeklagten durch die bloße Verweigerung seines Tatbeitrags, nachdem sich der Nebenkläger hinabgebeugt hatte, steht entgegen, dass sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass der Angeklagte dies als geeignet und ausreichend dafür ansah, die Gesamttat scheitern zu lassen. Dass sein Mittäter [X.]die Tasche mit dem [X.] abgestellt hatte und diesen nicht mehr zugriffsbereit bei sich führte, war von ihm nach den Feststellungen gerade nicht bemerkt worden. Stattdessen legen die Urteilsgründe – trotz des an ihn gerichteten Kopfnickens – nahe, dass der Angeklagte die Tatvollendung durch seinen Mittäter weiterhin für möglich hielt und von der Gefahr ausging, [X.] könne den [X.] jederzeit hervorziehen und auf den Nebenkläger entsprechend dem [X.] einschlagen.

Von dieser Vorstellung ausgehend genügt das festgestellte Verhalten des Angeklagten für einen Rücktritt nicht. In dem Versenken des [X.]s durch den Zug am Hosenbund liegt [X.], das sich auch nur auf eine Erfolgsvermeidung richtet. Mit Blick auf die aus Sicht des Angeklagten drohende Gefahr blieb er vielmehr untätig und setzte keine neue Kausalkette in Gang (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Oktober 1998 – 5 StR 176/98, [X.]St 44, 204, 207). Zudem lassen die Urteilsgründe offen, ob er – wie für den Rücktritt erforderlich – den [X.] verhindern wollte oder nur dem weiteren Verlauf der Tat gleichgültig gegenüberstand (vgl. [X.], [X.] bei mehreren Tatbeteiligten gemäß § 24 Absatz 2 StGB, 2010, S. 155).

(2) Den Urteilsgründen ist auch kein einvernehmlicher Rücktritt des Angeklagten und seines Mittäters zu entnehmen. Der Umstand, dass der Angeklagte und [X.]nach dem Scheitern des ursprünglichen [X.]s mit dem Wiederaufrichten des [X.] den Eintritt des [X.] nicht mehr aktiv weiterverfolgten, reicht dafür nicht aus.

Denn ein freiwillig erzieltes (konkludentes) Einvernehmen beider, die ihnen noch mögliche Tat nicht weiter auszuführen, ist weder festgestellt noch belegt. Stattdessen legen die Urteilsgründe nahe, dass der Angeklagte – zumal mit Blick auf das Verhalten des [X.] – den Versuch bereits für fehlgeschlagen hielt (vgl. zu den Kriterien [X.], Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11 Rn. 10; Urteil vom 30. November 1995 – 5 [X.] Rn. 29). Bei einem Fehlschlag des Versuchs scheidet ein Rücktritt gemäß § 24 Abs. 2 StGB aber aus (vgl. [X.], Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 [X.] Rn. 21).

2. Die Aufhebung des angefochtenen Teilfreispruchs mit den zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) bedingt die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs, der für sich betrachtet weder einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten noch zu dessen Nachteil (§ 301 StPO) aufweist. Insoweit entnimmt der Senat der Gesamtheit der Urteilsgründe, dass die [X.] auch die Verwarnung des Angeklagten (§ 14 JGG) aus erzieherischen Gründen angeordnet hat.

3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Das neue Tatgericht wird den gemeinsamen [X.] insbesondere in dem Punkt in den Blick zu nehmen haben, ob einer der Angeklagten zuerst hätte zuschlagen sollen. Der Angeklagte hat sein verabredetes „[X.]“ bekundet, ohne dass sich das angefochtene Urteil hiermit auseinandersetzt. Eine verabredete [X.] ließe zwar dessen mittäterschaftliche Tatbeteiligung unberührt, wäre aber bei der [X.] für die Frage von Bedeutung, ob er nach seiner Überzeugung den [X.] durch bloße Untätigkeit verhindern konnte.

Für diese Frage ist das Verhalten und die nonverbale Kommunikation der Angeklagten in der [X.] ebenfalls relevant. Insofern bedarf der tatrichterlichen Würdigung, ob sich der Angeklagte zumindest (auch) aufgrund des Gebarens des Mitangeklagten [X.](eigene Untätigkeit, ggf. wiederholtes Kopfnicken, früheres Verhalten bei der gemeinsam begangenen Sachbeschädigung) sicher gewesen sein könnte, dieser mache die weitere Tatausführung – und sei es durch eine [X.]änderung – allein vom Zuschlagen des Angeklagten abhängig. In diesem Fall hätte der Angeklagte mit der Verweigerung seines Tatbeitrags eine aus seiner Sicht geeignete und ausreichende Rettungsmöglichkeit gewählt. Zumindest die bisherigen Feststellungen legen auch eine nachträgliche Korrektur dieses möglichen Rücktrittshorizonts (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 17. Dezember 2019 – 2 [X.] Rn. 8 und vom 10. Oktober 2018 – 4 [X.] Rn. 8) nicht nahe.

Quentin     

        

Ri‘in[X.] Dr. Bartel ist wegen
Krankheit an der Unterschriftsleistung
gehindert.

        

Sturm 

                 

Quentin

                 
        

Maatsch     

        

     Scheuß     

        

Meta

4 StR 223/21

17.03.2022

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dortmund, 6. Juli 2020, Az: 31 KLs 53/19

§ 22 StGB, § 23 StGB, § 24 Abs 2 S 1 StGB, § 25 Abs 2 StGB, § 211 Abs 2 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.03.2022, Az. 4 StR 223/21 (REWIS RS 2022, 2838)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2838

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 244/16 (Bundesgerichtshof)

Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen: Zurschaustellung der Hilflosigkeit einer Person


4 StR 493/18 (Bundesgerichtshof)

Rücktritt vom Versuch des Totschlags: Vorliegen eines fehlgeschlagenen Versuchs


3 StR 451/17 (Bundesgerichtshof)

Begriffsdefinitionen im Strafrecht: Mittäterschaft; sukzessive Mittäterschaft; fehlgeschlagener Versuch


3 StR 5/16 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung: Einvernehmlicher Rücktritt bei mehreren Tatbeteiligten


5 StR 533/22 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.