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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Begriffsdefinitionen im Strafrecht: Mittäterschaft; sukzessive Mittäterschaft; fehlgeschlagener Versuch
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 3. Mai 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des [X.]s beschlossen der Angeklagte, drei Mitangeklagte und drei unbekannte Männer, gemeinsam den [X.] und [X.] wegen vorangegangener Streitigkeiten "eine Lektion zu erteilen". Zu diesem Zweck bewaffneten sich die Angeklagten und mindestens einer der Unbekannten mit Messern, die sie im Rahmen der erwarteten körperlichen Auseinandersetzung zur Verletzung ihrer Gegner einsetzen wollten. Dem gemeinsamen [X.] folgend zogen sie vor einem Lokal ihre Messer und gingen damit auf [X.] los; dieser zog einen Teleskopschlagstock und schlug damit zur Verteidigung auf die Angreifer ein. Als [X.] und sich seinem Bruder zuwandte, um ihm zur Hilfe zu kommen, stach der Angeklagte mit seinem Messer von hinten auf dessen Oberkörper ein, wobei er - abweichend von dem gemeinsamen [X.] der Angreifer - nun auch tödliche Verletzungen des Geschädigten billigend in Kauf nahm. Als er zum [X.] auf [X.], schlug ihm [X.] mit dem Schlagstock das Messer aus der Hand. Daraufhin floh der Angeklagte vom [X.]. Anschließend versetzte einer der unbekannten Angreifer [X.] einen Messerstich in den Oberkörper; auch diesem schlug [X.] das Messer aus der Hand. [X.]flüchtete in eine Spielhalle; er erlitt eine lebensgefährliche Stichwunde im Bereich der linken Flanke, durch die der [X.] eröffnet und eine Zwischenrippenschlagader verletzt wurde, sowie eine weitere - nicht lebensbedrohliche - Stichwunde im Rücken, konnte jedoch durch eine Notoperation gerettet werden.
Mindestens eine der beiden Stichwunden fügte ihm der Angeklagte zu; das [X.] vermochte indes nicht festzustellen, ob dieser den lebensgefährlichen Stich setzte. Es ist der Ansicht, dass der Angeklagte sich diese Verletzung zurechnen lassen müsse, da sie "seinem [X.]" entsprach. Einen Rücktritt vom Versuch des Totschlags hat das [X.] mit der Erwägung abgelehnt, dass ein Fehlschlag vorliege.
2. Die Zurechnung des - im Zweifel von dem unbekannten Angreifer gesetzten - lebensgefährlichen Stiches und die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs begegnen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Im Einzelnen:
a) Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objektiven Tatbeitrag leisten muss. Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen [X.] erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am [X.] selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich [X.] als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 15. Januar 1991 - 5 [X.], [X.]St 37, 289, 291 mwN; vom 17. Oktober 2002 - 3 [X.], [X.], 253, 254; Beschlüsse vom 2. Juli 2008 - 1 [X.], [X.], 25, 26; vom 4. April 2017 - 3 [X.], juris Rn. 7).
b) Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen eines mittäterschaftlichen Totschlagsversuchs nicht erfüllt, weil es an hinreichenden Feststellungen zu einem gemeinsamen Tatentschluss fehlt.
Die mit Tötungsvorsatz geführten Stiche des Angeklagten gegen den Oberkörper des Opfers gingen über den zuvor gefassten gemeinsamen [X.], der keine lebensgefährlichen Stiche vorsah, hinaus; insoweit handelte der Angeklagte im Exzess. Unmittelbar nach seinen Stichen, von denen zumindest einer traf, flüchtete der Angeklagte; eine vor oder während des Geschehens ausdrücklich oder konkludent getroffene Übereinkunft mit dem unbekannten Angreifer dahin, dass in der Folge ein weiterer lebensgefährlicher Stich gegen das Opfer geführt werden solle, hat das [X.] nicht festgestellt.
c) Auch die Voraussetzungen einer sukzessiven Mittäterschaft sind nach den getroffenen Feststellungen nicht erfüllt. Sie setzt voraus, dass ein weiterer Beteiligter in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen Handelns in das tatbestandsmäßige Geschehen als Mittäter eingreift und sich mit dem anderen vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung verbindet ([X.], Urteile vom 25. April 2017 - 5 [X.], [X.], 221 f.; vom 16. Juni 2016 - 3 [X.], juris Rn. 23 f.; vom 28. April 2016 - 4 StR 563/15, [X.], 607, 609; vom 7. August 1984 - 1 [X.], [X.], 507; Beschluss vom 31. Januar 1997 - 2 StR 620/96, [X.], 336). Daran fehlt es hier: Der unbekannte Angreifer setzte den lebensgefährlichen Stich erst nach der Flucht des Angeklagten; eine Übereinkunft mit dem Angeklagten hinsichtlich des weiteren Stiches gegen den Oberkörper ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die Erwägung des [X.]s, dass auch diese Handlung dem [X.] des Angeklagten entsprach, trägt die Annahme von Mittäterschaft ebenfalls nicht; insoweit fehlt es bereits an Feststellungen zu einem nach seiner Flucht fortbestehenden [X.], zumal denkbar ist, dass der Angeklagte im Moment seiner Flucht von seinem Tötungsvorsatz Abstand nahm. Eine bloß einseitige Kenntnisnahme und Billigung des bisherigen Geschehens durch den hinzutretenden unbekannten Angreifer genügt nicht, um dem Angeklagten die weitere Verletzungshandlung zuzurechnen; ein gegenseitiges Einverständnis über die Ausweitung des ursprünglichen [X.]s ist nicht belegt.
d) Die Begründung, mit der das [X.] einen fehlgeschlagenen Versuch angenommen hat, hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Fehlgeschlagen ist der Versuch, wenn der [X.] aus der Sicht des [X.] mit den bereits eingesetzten oder zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr erreicht werden kann, ohne dass eine ganz neue Handlungs- und Kausalkette in Gang gesetzt werden muss. Daher sind zur Annahme eines Fehlschlags regelmäßig Feststellungen zum entsprechenden Vorstellungsbild des Angeklagten im Moment seines [X.] (Rücktrittshorizont) erforderlich; fehlen in den Urteilsfeststellungen entsprechende Ausführungen, die zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch im Allgemeinen unerlässlich sind, so hält das Urteil sachlichrechtlicher Nachprüfung in der Regel nicht stand (vgl. [X.], Urteil vom 19. März 2013 - 1 [X.] , [X.], 275; Beschlüsse vom 29. September 2011 - 3 [X.], [X.], 263, 264; vom 11. Februar 2003 - 4 StR 8/03, juris Rn. 8; [X.], StGB, 65. Aufl., § 24 Rn. 7 mwN). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die festgestellte objektive Sachlage sichere Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Angeklagten gestattet (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Juni 1988 - 4 StR 266/88, [X.]R StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 7).
So liegt es hier nicht. Das Urteil enthält keine Ausführungen zum maßgeblichen Vorstellungsbild des Angeklagten im Moment seines [X.]. Ausführungen dazu waren nicht ausnahmsweise entbehrlich: In dem entscheidenden Zeitpunkt, als sich der Angeklagte zur Flucht wandte, standen dem Geschädigten immer noch mindestens fünf weitere mit Messern bewaffnete Angreifer gegenüber. In dieser Situation waren weitere Möglichkeiten zur Tötung des [X.] nicht von vornherein ausgeschlossen; vielmehr war es möglich, dass der mit dem Schlagstock bewaffnete [X.] überwältigt oder sonst gehindert werden würde, seinem verletzten Bruder beizustehen. Sollte der Angeklagte in dieser Situation von einem unbeendeten Versuch ausgegangen sein - was denkbar ist, da der Geschädigte schließlich noch in der Lage war wegzurennen - und die Vollendung der Tat im unmittelbaren [X.] mit anderen, ihm zur Verfügung stehenden Mitteln noch für möglich gehalten haben, käme im Zeitpunkt seiner Flucht ein freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB in Betracht (vgl. [X.], Beschluss vom 13. November 2012 - 3 [X.], juris Rn. 4).
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
[X.] |
Ri[X.] Gericke befindet sich |
[X.] |
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[X.] |
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Tiemann |
Hoch |
Meta
23.01.2018
Bundesgerichtshof 3. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Hannover, 3. Mai 2017, Az: 39 Ks 2/17
§ 24 StGB, § 25 Abs 2 StGB, § 267 StPO
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.01.2018, Az. 3 StR 451/17 (REWIS RS 2018, 15262)
Papierfundstellen: REWIS RS 2018, 15262
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
3 StR 451/17 (Bundesgerichtshof)
2 StR 364/18 (Bundesgerichtshof)
Feststellungen zum bedingten Tötungsvorsatz bei dynamischem Geschehen einer Auseinandersetzung
4 StR 197/12 (Bundesgerichtshof)
Notwehr: Erforderliche Verteidigungshandlung bei einem unbewaffneten Angreifer
5 StR 528/11 (Bundesgerichtshof)
Rücktritt vom Versuch eines Tötungsdelikts: Vorliegen eines unbeendeten oder beendeten Versuchs bei Korrektur des Rücktrittshorizonts
1 StR 424/15 (Bundesgerichtshof)
Mord: Subjektive Voraussetzungen der Mittäterschaft