Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.05.2020, Az. 4 BN 44/19

4. Senat | REWIS RS 2020, 3911

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Gegenstand

Großflächiger Einzelhandelsbetrieb als Anlagentyp i.S.v. § 1 Abs. 9 BauNVO


Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 16. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die [X.]eschwerde beimisst.

3

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, z.[X.]. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91> und vom 9. April 2014 - 4 [X.] 3.14 - [X.] 2014, 479 Rn. 2). Daran fehlt es hier.

4

a) Die [X.]eschwerde wirft die Fragen auf,

ob bei Einzelhandelsbetrieben ein Anlagentyp nach § 1 Abs. 9 [X.] (1990) nach einer festen [X.]eschränkung der Zulässigkeit von maximal 700 qm Verkaufsfläche bestimmt werden und hierbei auf die Großflächigkeit von Einzelhandelsbetrieben nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] (1990) als [X.]etriebstyp abgehoben werden kann

und ob ein [X.]etriebstyp - wie der der wohnungsnahen Versorgung dienende Einzelhandelsbetrieb - überhaupt mit dem alleinigen Merkmal der Großflächigkeit nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] bestimmt werden kann, oder ob hierzu auch die städtebaurechtliche Einordnung mit wesentlichen Auswirkungen erforderlich ist.

5

Diese Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision, denn sie lassen sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung beantworten, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 13. März 1992 - 4 [X.] 39.92 - NVwZ 1993, 268 = juris Rn. 11 und vom 12. Juli 2012 - 4 [X.] 13.12 - [X.]uchholz 406.11 § 34 [X.]auG[X.] Nr. 214 = juris Rn. 3).

6

In der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass § 1 Abs. 9 [X.] - über § 1 Abs. 5 [X.] hinausgehend - gestattet, einzelne Unterarten von Nutzungen, welche die [X.]aunutzungsverordnung selbst nicht angeführt hat, mit planerischen Festsetzungen zu erfassen (vgl. Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 77.84 - [X.]VerwGE 77, 317). Differenzierungen nach § 1 Abs. 9 [X.] dürfen sich indes nur auf bestimmte Anlagentypen beziehen. Zulässige Differenzierungskriterien können sowohl Gattungsbezeichnungen und ähnliche typisierende [X.]eschreibungen, aber auch auf die Größe einer Anlage bezogene Kriterien wie z.[X.]. die Verkaufs- oder Geschossfläche sein. Die gewählten Kriterien müssen eine ausreichende Abgrenzung von anderen Anlagentypen gewährleisten und sich auf einen Anlagentyp beziehen, der in der [X.] und ökonomischen Realität bereits vorhanden ist ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 5. Juni 2014 - 4 [X.] 8.14 - [X.] 2014, 574 = juris Rn. 10 m.w.N.). Einzelhandelsbetriebe, die im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] großflächig sind, stellen einen solchen eigenständigen Anlagentyp (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 77.84 - juris Rn. 25 insoweit nicht abgedruckt in [X.]VerwGE 77, 317) dar, und zwar unabhängig davon, ob von ihnen die in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] beschriebenen Wirkungen ausgehen oder nicht. Nur im letzteren Fall macht der Ausschluss großflächigen Einzelhandels im - wie hier - festgesetzten Gewerbegebiet im Übrigen Sinn. Da großflächige Einzelhandelsbetriebe mit den Wirkungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig sind, müssen sie im Gewerbegebiet nicht ausgeschlossen werden; sie sind dort ohne Weiteres unzulässig.

7

Wählt eine Gemeinde die Verkaufsfläche als Differenzierungskriterium, so sind [X.]etriebe, die diese Fläche über- bzw. unterschreiten, nicht schon allein deshalb eine eigenständige Anlagenart. Vielmehr muss die Gemeinde darlegen, warum [X.]etriebe unter bzw. über den von ihr festgesetzten Größen generell oder doch jedenfalls unter [X.]erücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse einem bestimmten Anlagentyp entsprechen (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 22. Mai 1987 - 4 C 77.84 - [X.]VerwGE 77, 317 und - 4 C 19.85 - [X.]uchholz 406.12 § 11 [X.] Nr. 9 sowie [X.]eschlüsse vom 27. Juli 1998 - 4 [X.] 31.98 - [X.]uchholz 406.12 § 1 [X.] Nr. 25, vom 8. November 2004 - 4 [X.] 39.04 - [X.]uchholz 406.12 § 8 [X.] Nr. 20 und vom 18. Februar 2009 - 4 [X.] 54.08 - [X.]auR 2009, 1102 <1103>).

8

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich diese Rechtsprechung ausdrücklich zu eigen gemacht ([X.]). Er hat dargelegt, dass mit der Flächenbeschränkung auf 700 m² im [X.]ebauungsplan aus dem [X.] der großflächige Einzelhandelsbetrieb von dem nicht großflächigen [X.]etrieb abgegrenzt werden sollte. Der Satzungsbestimmung der Antragsgegnerin lasse sich - auch infolge des Klammerzusatzes "überregionale [X.]edeutung" - entnehmen, dass sie damit wegen seines erweiterten Einzugsbereichs den Anlagentyp "großflächiger Einzelhandelsbetrieb" habe ausschließen wollen. Für den Typ des großflächigen Einzelhandelsbetriebs sei nach der im Zeitpunkt des [X.] maßgeblichen Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 19.85 - [X.]uchholz 406.12 § 11 [X.] Nr. 9 = juris Rn. 12) die Grenze bei einer Verkaufsfläche verlaufen, die jedenfalls nicht wesentlich unter 700 m² gelegen habe. In der Sache geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die Antragsgegnerin mit der beanstandeten Festsetzung den Anlagentyp des im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] - nach den damals geltenden Maßstäben - großflächigen Einzelhandelsbetriebs und damit eine Unterart eines Gewerbebetriebes i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] (vgl. etwa Stock, in[X.]/[X.]/Stock, [X.], 4. Aufl. 2019, § 8 Rn. 14a) ausgeschlossen hat. Die Antragstellerin tritt dieser Würdigung zwar entgegen. Sie zeigt indessen nicht auf, woraus sich ein weitergehender Klärungsbedarf ergeben soll.

9

b) Die weiter von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage,

ob eine [X.] bei einem Fachmarktzentrum mit verschiedenen (zentrenrelevanten) Einzelhandelsbetrieben für die Frage des [X.]estandsschutzes ausschließlich auf einzelne Einzelhandelsbetriebe innerhalb des Fachmarktzentrums abheben kann oder ob sich die Frage des Inhalts, der Grenzen und Auswirkungen des [X.]estandsschutzes auch auf das Einkaufszentrum bzw. Fachmarktzentrum als eigenständigen Gewerbebetrieb bezieht,

rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Sie ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich, weil ihre [X.]eantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 5. Oktober 2015 - 4 [X.] 31.15 - [X.] 2016, 157 Rn. 5). Abgesehen davon erschöpft sich die [X.]egründung der Grundsatzrüge darin, die tatrichterliche Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs anzugreifen, die Antragsgegnerin habe den Umfang des [X.]estandsschutzes der [X.]etriebe auf dem Grundstück der Antragstellerin im Rahmen der Abwägung (§ 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3 [X.]auG[X.]) ordnungsgemäß ermittelt und bewertet ([X.] f.). Mit einer Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung lässt sich die grundsätzliche [X.]edeutung der Sache indes nicht darlegen ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 7. Juni 2012 - 4 [X.] 36.11 - [X.] 2012, 672 = juris Rn. 4 und vom 29. Januar 2019 - 4 [X.] 73.17 - juris Rn. 35).

2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) des angefochtenen Urteils zu Entscheidungen des [X.]undesverwaltungsgerichts zuzulassen. Die [X.]eschwerde verfehlt die Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des [X.]undesverwaltungsgerichts widerspricht (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 [X.] 35.95 - [X.]uchholz 310 § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Nr. 9; stRspr). § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass der Tatbestand der Divergenz nicht nur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch eine präzise Gegenüberstellung der divergierenden Rechtssätze dargelegt wird (stRspr, [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 17. Dezember 2010 - 8 [X.] 38.10 - [X.] 2011, 45 = juris Rn. 15 und vom 17. Februar 2015 - 1 [X.] 3.15 - juris Rn. 7). Hieran fehlt es.

Eine Abweichung von dem Urteil des Senats vom 22. Mai 1987 - 4 C 19.85 - ([X.]uchholz 406.12 § 11 [X.] Nr. 9 = juris Rn. 12) liegt schon deshalb nicht vor, weil der Senat die Frage, wo nach dem seinerzeitigen Einkaufsverhalten der [X.]evölkerung und den Gegebenheiten des Einzelhandels die [X.] für Einzelhandelsbetriebe liege, ausdrücklich offengelassen hat. Von der Vermutung, dass sie nicht wesentlich unter 700 m² (aber auch nicht wesentlich darüber) liege, hat sich der Verwaltungsgerichtshof leiten lassen ([X.]).

Auch eine Divergenz zum Urteil vom 24. November 2005 - 4 C 10.04 - ([X.]VerwGE 124, 364) ist nicht dargelegt. Der Senat ist davon ausgegangen, dass nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Entscheidung jedenfalls Einzelhandelsbetriebe mit nicht mehr als 800 m² Verkaufsfläche als [X.]etriebe einzustufen sind, die der Nahversorgung der [X.]evölkerung dienen. Die [X.]eschwerde zeigt nicht auf, dass dieser ausdrücklich auf die Verhältnisse zu [X.]eginn der 2000er Jahre bezogene Rechtssatz auch für die [X.]estimmung der Großflächigkeit von Einzelhandelsbetrieben im hier nach § 214 Abs. 3 Satz 1 [X.]auG[X.] maßgeblichen Zeitpunkt des [X.] im Jahre 1996 Gültigkeit beansprucht hätte.

Soweit die [X.]eschwerde in [X.]ezug auf § 1 Abs. 9 [X.] eine Abweichung vom [X.]eschluss des Senats vom 8. November 2004 - 4 [X.] 39.04 - ([X.]uchholz 406.12 § 8 [X.] Nr. 20) sowie hinsichtlich des [X.]estandsschutzes als abwägungserheblicher [X.]elang von den Entscheidungen vom 23. Juni 2003 - 4 [X.] 65.02 - ([X.]eckRS 2003, 23606), vom 7. November 1997 - 4 C 7.97 - ([X.]uchholz 11 Art. 14 GG Nr. 316) und vom 18. Dezember 1990 - 4 N 6.88 - ([X.]uchholz 406.11 § 1 [X.]auG[X.] Nr. 50) geltend macht, benennt sie schon keinen abstrakten Rechtssatz, mit welchem die Vorinstanz der Rechtsprechung des Senats nicht gefolgt sein könnte, sondern kritisiert in der Sache die Rechtsanwendung durch den Verwaltungsgerichtshof. Hierauf kann die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht gestützt werden (stRspr, vgl. z.[X.]. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 25. Januar 2005 - 9 [X.] 38.04 - [X.]uchholz 406.25 § 43 [X.]ImSchG Nr. 22 = juris Rn. 16 und vom 24. August 2017 - 4 [X.] 35.17 - juris Rn. 10).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO und die Festsetzung des Streitwerts aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 44/19

07.05.2020

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 16. Mai 2019, Az: 4 C 1850/17.N, Urteil

§ 1 Abs 7 BauGB, § 2 Abs 3 BauGB, § 1 Abs 5 BauNVO, § 1 Abs 9 BauNVO, § 11 Abs 3 S 1 Nr 2 BauNVO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.05.2020, Az. 4 BN 44/19 (REWIS RS 2020, 3911)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3911

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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