Bundessozialgericht, Urteil vom 03.07.2013, Az. B 12 KR 22/11 R

12. Senat | REWIS RS 2013, 4481

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 3. November 2011 geändert.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 9. September 2010 wird auch insoweit zurückgewiesen, als die Beklagte Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung für die besondere Zuwendung nach § 17a [X.] für die [X.] ab 1. Oktober 2009 fordert.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungs- und Revisionsverfahren in vollem Umfang.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die "besondere Zuwendung für [X.]" nach § 17a des Gesetzes über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet ([X.] - [X.], § 17a eingefügt durch Gesetz vom 21.8.2007, [X.]) bei der Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung berücksichtigt werden darf.

2

Die 1943 geborene Klägerin, die Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bezieht, ist seit [X.] freiwillig versichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Die Beklagte setzte die Beiträge für die [X.] ab [X.] auf 123,90 [X.] fest (Bescheid vom 9.5.2007).

3

Ab 1.2.2008 wurde der Klägerin eine besondere Zuwendung (Opferpension) nach § 17a [X.] in Höhe von monatlich 250 [X.] gewährt (Bescheid des [X.] vom 18.6.2008).

4

Mit Bescheid vom 1.10.2009 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 30.11.2009 - entschied die Beklagte, dass die monatlichen Beiträge der Klägerin zur gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) vom [X.] bis 31.12.2008 158,37 [X.] betrügen, ab 1.1.2009 163,31 [X.] sowie ab [X.] 159,69 [X.] monatlich. Dabei berücksichtigte sie zwischenzeitliche Änderungen der Rentenhöhe und des [X.] und legte auch die der Klägerin gewährte besondere Zuwendung nach § 17a [X.] der Beitragsbemessung zugrunde.

5

Das wegen der Beitragsbemessung auch nach der Opferpension angerufene SG hat den Bescheid vom 1.10.2009 und den Widerspruchsbescheid insgesamt aufgehoben, weil diese Leistung ohne spezielle Satzungsregelung der Beklagten - bzw ab 1.1.2009 ohne spezielle Regelung in den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler des [X.] - nicht den beitragspflichtigen Einnahmen freiwillig Versicherter zugerechnet werden dürfe; nach § 16 Abs 4 [X.] werde die Leistung bei der Gewährung von Sozialleistungen nicht leistungsmindernd berücksichtigt; bestimmungsgemäßer Zweck der Opferpension sei allein die Wiedergutmachung erfahrenen Unrechts, nicht dagegen die Sicherung bzw das Bestreiten des Lebensunterhalts (Urteil vom 9.9.2010).

6

Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] das SG-Urteil geändert, die angefochtenen Bescheide nur für die [X.] vom (gemeint) [X.] bis 30.9.2009 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Beitragsfestsetzung ab Oktober 2009 sei rechtmäßig, weil die Opferpension die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin iS von § 240 Abs 1 S 2 SGB V mitbestimme. Auch die Rechtsprechung des [X.] stehe einer Einbeziehung dieser Leistung in die Beitragsbemessung durch eine generalklauselartige Regelung nicht entgegen, weil die Feststellung der Beitragspflicht bei der Opferpension weder auf erhebliche Schwierigkeiten stoße noch hierfür verschiedene Berechnungsweisen zur Verfügung stünden. Die Opferpension sei auch nicht mit der sich durch eine Sonderstellung auszeichnenden Grundrente nach § 31 [X.] vergleichbar und daher beitragsrechtlich nicht privilegiert. Aus § 16 Abs 4 [X.] sei nichts herzuleiten, da es nicht um eine Sozialleistung, sondern es um die Beitragsbemessung gehe (Urteil vom 3.11.2011).

7

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 240 Abs 1 SGB V. Da die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder der [X.] die Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Mitglieds sicherzustellen habe, dürften nicht uneingeschränkt auf sämtliche erzielten Einkünfte Beiträge erhoben werden. Das [X.] habe wiederholt einzelne Einnahmen im Hinblick auf ihre konkrete Zielsetzung von der Beitragspflicht ausgenommen. Gleiches müsse hier für die Opferpension gelten. Das [X.] habe kein schlüssiges Konzept zur Abgrenzung zwischen beitragspflichtigen und nicht beitragspflichtigen Einnahmen herangezogen. [X.] werden müsse vielmehr an den konkreten Zweck der betreffenden Einnahme, während die bloße Möglichkeit, empfangene Leistungen (auch) zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwenden zu können, nicht entscheidend sein könne. Dem Gesetzgeber sei es bei der besonderen Zuwendung nach § 17a [X.] gerade darum gegangen, einen individuellen Ausgleich für erlittenes Unrecht zu bieten, der dem Betroffenen ungeschmälert erhalten bleiben müsse. Indiz für eben diese Zwecksetzung, die auch einer Beitragspflicht entgegenstehe, sei der Umstand, dass die Opferpension gemäß § 16 Abs 4 [X.] auf Transferleistungen nicht angerechnet werde.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 3. November 2011 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 9. September 2010 auch insoweit zurückzuweisen, als die Beklagte Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung für die besondere Zuwendung nach § 17a [X.] auch für die [X.] ab 1. Oktober 2009 fordert.

9

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, primäres Ziel der besonderen Zuwendung nach § 17a [X.] sei die Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen. Daher handele es sich um eine wiederkehrende Leistung mit Einkommensfunktion, auf die auch Beiträge erhoben werden dürften. Der Gesetzgeber habe die Leistung auf bedürftige Personen begrenzt, weil die übrigen Rehabilitierungsgesetze entsprechende Leistungen bereits in Form von Haftentschädigungen, rentenrechtlichem Nachteilsausgleich, Unterstützungsleistungen [X.] vorsähen. Die besondere Zuwendung unterscheide sich in ihrem Zweck deutlich von der Grundrente nach § 31 [X.], zumal sie nicht im gesamten Rechtssystem in vergleichbarer Weise privilegiert sei.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

Im Einverständnis mit den Beteiligten konnte der [X.] ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs 2 SGG).

Die zulässige Revision der [X.]lägerin ist begründet. Das Urteil des [X.], das (auf die Berufung der beklagten [X.]rankenkasse hin) das der [X.]lage insgesamt stattgebende [X.] geändert hat und von der Rechtswidrigkeit der Erhebung von Beiträgen zur freiwilligen [X.]rankenversicherung auf die besondere Zuwendung nach § 17a [X.] nur für die [X.] vom [X.] bis [X.] ausgegangen ist, war zu ändern. Die Berufung der Beklagten gegen das [X.] musste auch zurückgewiesen werden, soweit die Beklagte diese Beiträge für die [X.] ab 1.10.2009 fordert.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 1.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2009 nur insoweit, als die Beklagte bei der Bemessung der Beiträge zur freiwilligen [X.]rankenversicherung für die [X.] ab 1.10.2009 auch die besondere Zuwendung nach § 17a [X.] berücksichtigt hat; denn allein die [X.]lägerin hat das Urteil des [X.], durch das die genannten Bescheide bereits für die [X.] bis zum [X.] aufgehoben worden sind, mit der Revision angegriffen und sie hat ihren Angriff ausdrücklich auf die festgesetzte Höhe der Beiträge zur freiwilligen [X.]rankenversicherung beschränkt, soweit diese auf der Berücksichtigung der Opferrente beruht.

2. Der angefochtene, auf eine wesentliche Änderung der tatsächlichen bzw rechtlichen Verhältnisse iS von § 48 Abs 1 SGB X gestützte Bescheid vom 1.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist - entgegen der Auffassung des [X.] - auch rechtswidrig, soweit es die (nur noch streitige) Höhe der ab 1.10.2009 zu zahlenden Beiträge anbelangt; denn die besondere Zuwendung nach § 17a [X.] gehört nicht zu den Einnahmen, aus denen nach § 240 Abs 1 und 2 [X.] Beiträge zur freiwilligen [X.]rankenversicherung erhoben werden dürfen.

a) Grundlage für die (nur noch streitige) Bemessung der Beiträge der [X.]lägerin für die [X.] ab 1.10.2009 ist § 3 Abs 1 der ab 1.1.2009 geltenden "Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen [X.]rankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge" vom 27.10.2008 (idF vom 17.12.2008 - Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler; zu deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht allgemein: BSG Urteil vom 19.12.2012 - [X.] [X.]R 20/11 R - [X.] 4-2500 § 240 [X.], auch zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen), die der [X.] seines [X.] aus § 240 Abs 1 S 1 und 2 [X.] (in der hier maßgebenden Fassung des [X.] vom 26.3.2007, [X.]) erlassen hat. Danach wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder der [X.] ab 1.1.2009 - nicht mehr durch die Satzung der jeweiligen [X.]rankenkasse, sondern - einheitlich durch den [X.] geregelt; dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt.

Durch die Bezugnahme auf die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in § 240 Abs 1 S 2 [X.] (zum [X.] eingeführt durch das [X.] <[X.]> vom 20.12.1988, [X.] 2477) sollte erreicht werden, dass der Beitragspflicht "alle Einnahmen und Geldmittel zugrunde gelegt werden, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte", dies "ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung", jedoch auch "nicht automatisch …, ohne dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geprüft wird" (so Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.] und [X.] zum [X.], BT-Drucks 11/2237 [X.] zu § 249). Diese nach der Entstehungsgeschichte authentische inhaltliche Ausfüllung des Begriffs der "gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit" durch die Heranziehung aller "Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte" (in diesem Sinne auch die stRspr des BSG, vgl zuletzt [X.] 110, 62 = [X.] 4-2500 § 240 [X.], Rd[X.] 23; ferner zB [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 240 Rd[X.] 45 ) hatte bereits die Beklagte in ihrer bis 31.12.2008 für die Beitragsbemessung einschlägig gewesenen Satzung übernommen; Gleiches hat der [X.]-Spitzenverband getan, indem er eine inhaltsgleiche Formulierung in § 3 Abs 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler aufnahm.

Weil § 240 Abs 1 [X.] an die "gesamte" wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds anknüpft, ist nach der Rechtsprechung des [X.]s die Beitragspflicht nicht auf bestimmte, dem Arbeitsentgelt gleichstehende Einkunftsarten beschränkt, mögen die Einkünfte dem Versicherten auch als Sozialleistungen als Ausgleich für ein finanzielles Defizit zufließen (vgl zB BSG [X.] 4-2500 § 240 [X.] Rd[X.] 14). Der [X.] hat daher auch unter Geltung der [X.] noch als beitragsfrei angesehene Sozialleistungen nach Inkrafttreten des [X.] als der Beitragsbemessung unterworfene Einnahmen behandelt, etwa [X.] nach dem [X.] sowie Wohngeld ([X.] 87, 228, 235 ff = [X.] 3-2500 § 240 [X.] ff), Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG [X.] 3-2500 § 240 [X.] f) und von einem Sozialleistungsträger übernommene Aufwendungen für die [X.]ranken- und Pflegeversicherung oder für den allgemeinen Unterkunfts- bzw Wohnbedarf des Leistungsempfängers ([X.] 110, 62 = [X.] 4-2500 § 240 [X.], Rd[X.] 40). Das bedeutet allerdings nicht, dass sämtliche Sozialleistungen mit einer besonderen Zweckbestimmung bei einer anzulegenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise wegen ihrer bloßen Eignung zur Bestreitung des Lebensunterhalts beitragspflichtig wären. Vielmehr hat der [X.] schon in der Vergangenheit wiederholt einzelne Leistungen als beitragsfrei behandelt, die nicht in erster Linie auf die Befriedigung des allgemeinen Lebensunterhalts ausgerichtet sind, sondern denen eine besondere Zweckbestimmung innewohnt und bei denen die Gefahr bestünde, dass die Erfüllung des mit ihnen verfolgten Zwecks nicht mehr gewährleistet wäre, wenn dem Betroffenen die Leistung nicht ungekürzt zur Verfügung stünde. In diesem Sinne hat der [X.] die Beschädigtenrente nach § 31 [X.] (BSG [X.] 4-2500 § 240 [X.]), Leistungen in Form der (früheren) Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem [X.] ([X.] 71, 237, 240 f = [X.] 3-2500 § 240 [X.] 12 S 47 ff) und die (heutigen) Leistungen des [X.] zur Befriedigung des einen stationären Heimaufenthalt erfordernden Pflegebedarfs ([X.] 110, 62 = [X.] 4-2500 § 240 [X.], Rd[X.] 25 ff; BSG Urteil vom 19.12.2012 - [X.] [X.]R 20/11 R - [X.] 4-2500 § 240 [X.] Rd[X.] 47, auch zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) als nicht beitragspflichtig angesehen (vgl auch die Übersicht bei [X.] in jurisP[X.]-[X.], 2. Aufl 2012, § 240 Rd[X.] 18; kritisch zur fehlenden Beitragspflicht zweckgebundener Leistungen weiterhin [X.], [X.] 2013, 108, 110, 112).

Die Grenzziehung zwischen beitragspflichtigen und von der Beitragspflicht ausgenommenen Leistungen erfordert regelmäßig eine wertende Entscheidung dazu, ob die Leistungen der Bestreitung des Lebensunterhalts zugeordnet werden können oder ob sie - etwa weil sie Leistungen vergleichbar sind, für die das BSG in seiner Rechtsprechung zu § 240 [X.] Derartiges bereits anerkannt hat - eine besondere, eigenständige Zweckbestimmung außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts aufweisen (so bereits [X.] 110, 62 = [X.] 4-2500 § 240 [X.], Rd[X.] 29 f). So differenziert der [X.] zB auch weiterhin bei den Leistungen nach dem [X.] zur Befriedigung eines einen Heimaufenthalt erfordernden Pflegebedarfs zwischen der beitragspflichtigen Hilfe zum Lebensunterhalt (die ein außerhalb einer stationären Einrichtung lebender Hilfebedürftiger zur Befriedigung seines allgemeinen Lebensunterhalts erhalten hätte) und nicht beitragspflichtigen pflegebezogenen Zuwendungen, deren besondere Zweckbestimmung (vergleichbar der früheren Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem [X.]) ausschließlich in der [X.]ompensation der konkreten Auswirkungen der Pflegebedürftigkeit liegt ([X.] 110, 62 = [X.] 4-2500 § 240 [X.], Rd[X.] 27 ff; BSG Urteil vom 19.12.2012 - [X.] [X.]R 20/11 R - [X.] 4-2500 § 240 [X.] Rd[X.] 47, auch zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen).

b) In Anwendung dieser Grundsätze kann die besondere Zuwendung nach § 17a [X.] nicht der Beitragspflicht nach § 240 [X.] unterliegen. Sie prägt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten nicht mit. Ihre bloße Eignung, auch zum Bestreiten des allgemeinen Lebensunterhalts verwendet werden zu können, reicht insoweit nicht aus, weil die Erfüllung des mit ihr verfolgten Zwecks nicht mehr gewährleistet wäre, wenn dem Betroffenen die Leistung nicht ungekürzt zur Verfügung stünde. Die Opferpension kann nach der ihr vom Gesetzgeber beigelegten Sonderstellung bei wertender Betrachtungsweise nicht als der Befriedigung des allgemeinen Lebensunterhalts dienend eingestuft werden. Vielmehr liegt ihr der auch für das [X.] Entschädigungsrecht charakteristische Gedanke zugrunde, dass der Betroffene ein von der Allgemeinheit mit auszugleichendes Sonderopfer erlitten hat. In diesem Sinne weist die besondere Zuwendung eine Nähe zur Beschädigtengrundrente nach § 31 [X.] auf, die als Basisleistung des [X.]n Entschädigungsrechts von der Beitragspflicht ausgenommen ist. Eine solche Nähe besteht auch, soweit der [X.] mit Blick auf die der Beschädigtengrundrente innewohnende Sonderstellung darauf abgestellt hat, dass sie im gesamten Rechtssystem privilegiert ist, indem sie nahezu in allen Regelungszusammenhängen nicht als zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehendes Einkommen gewertet wird (BSG 4-2500 § 240 [X.] Rd[X.], 18; vgl auch zuletzt zur Privilegierung dieser Rente trotz fehlender expliziter Ausnahmeregelung im Asylbewerberleistungsrecht BSG Urteil vom [X.], [X.] 111, 79 = [X.] 4-3520 § 7 [X.] 1, Rd[X.] 21 ff).

aa) Schon der in den Gesetzesmaterialien formulierte Zweck der besonderen Zuwendung nach § 17a [X.] lässt eine Zuordnung als zur Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts dienende Mittel nicht zu.

Das [X.] in seiner Ursprungsfassung vom 29.10.1992 ([X.] 1814) ist - neben der daneben tretenden verwaltungsrechtlichen und beruflichen Rehabilitierung - Teil der Gesetze zur Bereinigung von [X.] und regelt [X.] in § 1 die Aufhebung rechtsstaatswidriger Entscheidungen im Beitrittsgebiet aus der [X.] vom 8.5.1945 bis 2.10.1990. Das Gesetz sieht in §§ 16 ff [X.] Ausgleichsleistungen für Berechtigte in Form von [X.]apitalentschädigung sowie Unterstützungs- und Versorgungsleistungen vor. Diese [X.]n Ausgleichsleistungen sollen Nachteile ausgleichen, die einem strafrechtlich rehabilitierten Betroffenen "durch eine Freiheitsentziehung entstanden" sind (§ 16 Abs 1 [X.]). Hiervon erfasst sind neben materiellen und gesundheitlichen insbesondere auch immaterielle Schäden (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 1. [X.]sbereinigungsgesetz, BT-Drucks 12/1608 [X.] unter 13. zu Art 1 <§ 16 Abs 1>; vgl hierzu zB [X.] in: [X.], Rehabilitierung, 2. Aufl 1997, § 16 [X.] Rd[X.] 1). An diese - für alle [X.]n Ausgleichleistungen nach §§ 16 ff [X.] geltende - Zweckbestimmung knüpfte der Gesetzgeber auch in Bezug auf die besondere Zuwendung nach § 17a [X.] an, die er erst durch das "[X.] für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen [X.]" vom 21.8.2007 ([X.] 2118) schuf und durch das Vierte Gesetz gleichen Namens vom 2.12.2010 ([X.] 1744) modifizierte (vgl ferner Art 11 des Gesetzes zur [X.]oordinierung der Systeme der [X.]n Sicherheit in [X.] und zur Änderung anderer Gesetze vom 22.6.2011, [X.] 1202). Nach dieser Regelung erhalten nach § 17 Abs 1 [X.] kapitalentschädigungsberechtigte Personen, die in ihrer wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt sind, auf Antrag eine monatliche besondere Zuwendung für [X.], wenn sie eine mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbare Freiheitsentziehung von insgesamt mindestens 180 Tagen erlitten haben; die Höhe der Zuwendung beläuft sich auf (einheitlich) laufend 250 Euro monatlich. Die als weitere Anerkennung und Würdigung des Widerstandes gegen die SED-Diktatur von ehemaligen politischen Häftlingen und ihren Verbänden seit langem geforderte Opferpension ergänzte in "Unterstützung für Opfer der SED-Diktatur" innerhalb des Regelungssystems die bereits geschaffenen Verfolgtenrenten, Haftentschädigungen und rentenrechtlichen Nachteilsausgleiche. Die Leistung setzt zum einen eine bestimmte Schwere der erlittenen politischen Verfolgung voraus (= mindestens sechsmonatige politische Haft), zum anderen die - in § 17a Abs 2 [X.] näher umschriebene - wirtschaftliche Bedürftigkeit der Betroffenen und dient nach der Gesetzesbegründung auf diese Weise der Berücksichtigung des individuellen Schadens und des Einzelfallunrechts sowie der in dessen Folge geschädigten Rechtsgüter wie Freiheit, Leben, Gesundheit und Vermögen (vgl zum Ganzen Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.] und [X.] zum Dritten Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen [X.], BT-Drucks 16/4842 [X.] unter [X.] und [X.], vgl auch [X.] f zu [X.] 4). Aus dieser Zielrichtung folgt, dass die besondere Zuwendung nach § 17a [X.] dem Ausgleich besonderer Beeinträchtigungen für einen eng begrenzten Personenkreis dient, ohne bei der Höhe des [X.] nach dem konkreten Einkommensausfall zu differenzieren. Die Leistung zielt auf diese Weise auf den Ausgleich eines erlittenen Sonderopfers ab, nicht aber kompensiert sie fehlendes Einkommen zur Ermöglichung eines angemessenen Lebensunterhalts. Eine dem Arbeitsentgelt ähnliche Einkommensfunktion kann ihr nicht beigelegt werden (aA - ohne Begründung - [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 240 Rd[X.] 70 ).

bb) Zudem ist die besondere Zuwendung nach § 17a [X.] in der Rechtsordnung in ähnlich weitreichender Weise privilegiert, wie die Beschädigtengrundrente nach § 31 [X.] (aA [X.], aaO, [X.] § 240 Rd[X.] 70, Stand der Einzelkommentierung 12/2011), indem sie nicht als anspruchsminderndes, zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehendes Einkommen gewertet wird: Nach der in § 16 Abs 4 [X.] spezialgesetzlich vorgenommenen Privilegierung bleiben die Leistungen nach den §§ 17 bis 19 [X.] - und damit auch die besondere Zuwendung nach § 17a [X.] - nicht nur bei einzelnen, enumerativ aufgeführten, sondern bei sämtlichen Sozialleistungen, deren Gewährung von anderem Einkommen abhängig ist, unberücksichtigt. Dies bedeutet, dass die besondere Zuwendung nach § 17a [X.] etwa bei der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II und nach § 82 Abs 1 S 1 [X.], aber auch bei den für bestimmte andere Leistungs- und Rentenarten geltenden Einkommensgrenzen (zB § 126 [X.], §§ 18a ff [X.], § 97 [X.]I, § 98 [X.]II, § 52 [X.]) nicht als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen ist. Die besondere Zuwendung ist darüber hinaus auch nicht bei der Ermittlung der Belastungsgrenzen bei Zuzahlungen in der [X.] nach § 62 Abs 1 und 2 [X.] zu beachten. Sie wird zwar - anders als die Beschädigtengrundrente nach § 31 [X.] - in § 62 Abs 2 S 4 [X.] nicht ausdrücklich als Ausnahme von den Einnahmen zum Lebensunterhalt erwähnt. Es handelt sich hierbei aber auch nicht um eine abschließende Aufzählung; vielmehr knüpft die Belastungsgrenze nach § 62 Abs 1 und 2 an den Begriff der "Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt" an und damit - wie § 240 Abs 1 [X.] - ebenfalls an die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten (vgl BSG [X.] 4-2500 § 62 [X.] 3 Rd[X.]). [X.] Zuwendungen, die einen besonderen schädigungs- oder behinderungsbedingten Mehrbedarf abdecken sollen, gehören jedoch nicht zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt (stRspr, vgl BSG [X.] 4 -2500 § 62 [X.] 4 Rd[X.] 13; [X.] 71, 299, 301 = [X.] 3-2500 § 61 [X.] 2 S 9 mwN). Daher sind auch Ausgleichsleistungen an Opfer politischer Verfolgung oder rechtswidriger Strafverfolgung im Beitrittsgebiet nicht den Einnahmen zum Lebensunterhalt zuzurechnen (so in diesem Zusammenhang auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 62 Rd[X.] 38 ). Dies entspricht selbst der Auffassung der Spitzenverbände der [X.]rankenkassen, die in einem Gemeinsamen Rundschreiben vom 22./23.1.2008 zu Einnahmen zum Lebensunterhalt Leistungen an Opfer politischer Verfolgung oder rechtswidriger Strafverfolgung im Beitrittsgebiet gleichfalls nicht zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt rechnen, weshalb diese nach der Verwaltungspraxis der [X.]rankenkassen bei der Ermittlung der Belastungsgrenzen nach § 62 Abs 1 und 2 [X.] nicht berücksichtigt werden. Dann aber lässt es sich nicht rechtfertigen, der Opferpension im Rahmen des § 240 [X.] einen anderen Charakter beizumessen.

cc) Gegen die Beitragsfreiheit der besonderen Zuwendung nach § 17a [X.] spricht schließlich auch nicht, dass die Leistung nur an diejenigen Berechtigten nach § 17 Abs 1 [X.] gezahlt wird, die in ihrer wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt sind (weil ihr Einkommen das Dreifache bzw - bei Verheirateten, in eheähnlicher Gemeinschaft oder in Lebenspartnerschaft Lebenden - das Vierfache der Regelbedarfsstufe 1 nach der [X.] zu § 28 [X.] nicht übersteigt, vgl § 17a Abs 2 S 1 und 7 bis 9 [X.]). Denn die wirtschaftliche Bedürftigkeit des Berechtigten als Tatbestandsvoraussetzung der Leistungsgewährung sagt für sich genommen noch nichts darüber aus, ob die Einnahme im [X.] des § 240 Abs 1 [X.] dem allgemeinen Lebensunterhalt zugeordnet werden kann oder ob ihr eine besondere Zweckbestimmung außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts innewohnt. So setzen etwa auch die in der Rechtsprechung des [X.]s einer besonderen Zweckbestimmung außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts zugeordneten (und daher in der freiwilligen [X.]rankenversicherung beitragsfreien) Leistungen zur Befriedigung des den Heimaufenthalt erfordernden Pflegebedarfs nach dem [X.] (vgl erneut [X.] 110, 62 = [X.] 4-2500 § 240 [X.]) wirtschaftliche Bedürftigkeit des Berechtigten in Gestalt der Beachtung bestimmter Einkommens- und Vermögensgrenzen voraus.

3. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 12 KR 22/11 R

03.07.2013

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Koblenz, 9. September 2010, Az: S 16 KR 576/09, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 03.07.2013, Az. B 12 KR 22/11 R (REWIS RS 2013, 4481)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4481

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