Bundessozialgericht, Urteil vom 05.07.2018, Az. B 8 SO 32/16 R

8. Senat | REWIS RS 2018, 6518

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Gegenstand

(Sozialhilfe - örtliche Zuständigkeit - Wechsel von ambulant betreuter Wohnmöglichkeit in stationäre Einrichtung - Anwendbarkeit des § 98 Abs 2 S 2 SGB 12)


Leitsatz

Die Regelung über die fortgesetzte örtliche Zuständigkeit eines Sozialhilfeträgers beim Übertritt von einer stationären Einrichtung zu einer anderen ist auf den Wechsel aus einer ambulant betreuten Wohnmöglichkeit in eine stationäre Einrichtung (sog "gemischte Kette") weder direkt noch analog anwendbar.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 26. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 58 843,49 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

[X.] ist die Erstattung von Kosten in Höhe von 58 843,49 Euro für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem [X.] - ([X.]), die der Kläger in der [X.] vom 1.12.2011 bis 31.12.2013 für [X.] ([X.]) erbracht hat.

2

Der 1948 geborene [X.], der unter einer Alkoholabhängigkeit litt und seit Anfang April 2007 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezog, lebte im Zuständigkeitsbereich des beklagten [X.]. Von dort wurde er am 20.4.2007 in einem Therapiezentrum der "A. H." (AH[X.] Therapiezentrum) im Zuständigkeitsbereich des klagenden Landrats im [X.] aufgenommen und bis zum [X.] auf Kosten des Beklagten stationär untergebracht. Anschließend lebte er in einem von ihm selbst angemieteten Zimmer in einer Wohngemeinschaft weiterhin im Zuständigkeitsbereich des [X.]. Er wurde in dieser [X.] im Umfang von zwei Fachleistungsstunden pro Woche und der Leistung "Tagesstruktur" an drei Tagen pro Woche durch das AH[X.] Therapiezentrum betreut. Die Kosten dafür übernahm der Beklagte als Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem [X.] (Bescheide vom [X.] und 9.2.2011).

3

Am 28.9.2011 stellte [X.] nach mehrfacher [X.] einen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine erneute vollstationäre Unterbringung im AH[X.] Therapiezentrum. Der Beklagte leitete den Antrag an den Kläger weiter, weil dieser für die beantragte stationäre Leistung zuständig sei (Schreiben vom 6.10.2011). Am 1.12.2011 wurde [X.] erneut stationär in das AH[X.] Therapiezentrum aufgenommen, wo er im [X.] 2014 verstarb.

4

Der Kläger bewilligte [X.] ab Dezember 2011 unter Berücksichtigung der Rente Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt (Barbetrag) sowie der [X.]rundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ([X.]rundsicherungsleistungen) und als Eingliederungshilfe Leistungen in Höhe der monatlich ungedeckten Heimunterbringungskosten (Bescheid vom 16.12.2011). [X.]egenüber dem Beklagten machte der Kläger erfolglos einen Erstattungsanspruch geltend (Schreiben vom 10.9.2012).

5

Die auf Kostenerstattung in Höhe von 58 843,49 Euro gerichtete Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 19.3.2015; Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26.10.2016). Das LS[X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass ein Erstattungsanspruch des [X.] gegen den Beklagten, der sich nach § 14 Abs 4 [X.] behinderter Menschen - (S[X.]B IX) bzw § 106 [X.] richte, nicht bestehe, weil der Beklagte nicht nach § 98 Abs 2 Satz 2 [X.] örtlich zuständig gewesen sei. Weder sei diese Vorschrift direkt anwendbar; denn die Voraussetzungen einer stationären Unterbringung nach § 13 Abs 2 [X.] hätten während des Aufenthalts in der Wohngemeinschaft nicht vorgelegen. Noch komme eine analoge Anwendung von § 98 Abs 2 Satz 2 [X.] in Betracht, weil es angesichts der Änderungen, die § 98 Abs 2 und 5 [X.] seit seinem Inkrafttreten zum 1.1.2005 erfahren habe, an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Auf freiwillige Vereinbarungen anderer Bundesländer zum Innenverhältnis der Leistungsträger bei gemischten Einrichtungsketten könne sich der Kläger nicht berufen.

6

Mit seiner Revision macht der Kläger eine Verletzung von § 98 Abs 2 Satz 2 [X.] geltend. Bei dem hier vorliegenden lückenlosen Wechsel von der stationären Einrichtung in eine (ambulant) betreute Wohnform und zurück in eine stationäre Einrichtung sei diese Vorschrift jedenfalls analog anzuwenden. Im Bereich der Suchthilfe gebe es vielfach wechselnde Verläufe zwischen stationärer und ambulanter Hilfe. Dabei werde für die erste stationäre Aufnahme oft ein Standort in deutlicher Entfernung zum früheren Wohnort, für die anschließende ambulante Betreuung ein Wohnort in der Nähe zur stationären Einrichtung gewählt. Komme bei erneuter Aufnahme in eine stationäre Einrichtung § 98 Abs 2 Satz 2 [X.] nicht zum Zuge, widerspreche dies dem vom [X.]esetzgeber gewollten Schutz des Einrichtungsortes diametral. Dass der [X.]esetzgeber mehrfach § 98 [X.] geändert habe, ohne diese Lücke zu schließen, stehe einer analogen Anwendung nicht entgegen.

7

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 26. Oktober 2016 und des [X.] vom 19. März 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 58 843,49 Euro zu zahlen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die Entscheidung des LS[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet (§ 170 [X.] Sozialgerichtsgesetz ). Der [X.]läger, der den geltend gemachten Erstattungsanspruch gegen den [X.]n zutreffend mit einer allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 S[X.][X.]) verfolgt und der als Landrat aufgrund des in [X.] geltenden Behördenprinzips (§ 70 [X.] S[X.][X.] iVm § 2 des [X.]esetzes zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes , zuletzt geändert durch [X.] <[X.]VBl 581>) beteiligtenfähig ist, hat keinen Anspruch gegen den [X.]n auf Erstattung der [X.]osten für die anlässlich der erneuten stationären Unterbringung des [X.] in der [X.] vom 1.12.2011 bis 31.12.2013 getätigten Aufwendungen. Der [X.] ist unter keinem denkbaren [X.]esichtspunkt erstattungspflichtig (passiv legitimiert).

Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensfehler liegen nicht vor. Es waren im [X.] (nach erfolgter Bezahlung) weder der Leistungsberechtigte [X.] (bzw seine Rechtsnachfolger) noch der Träger des AH[X.] Therapiezentrums noch denkbare andere Rehabilitationsträger gemäß § 75 Abs 2 1. Alt S[X.][X.] (echte notwendige Beiladung) notwendig beizuladen (vgl BS[X.] [X.]-3500 § 106 [X.] Rd[X.]4 und BS[X.] [X.]-1750 § 524 [X.] Rd[X.]2, jeweils mwN). Da eine fehlende Beiladung nach § 75 Abs 2 2. Alt S[X.][X.] insbesondere des Landes [X.] als überörtlichem Sozialhilfeträger (vgl § 5 Abs 2, § 6 Landesgesetz zur Ausführung des [X.] Sozialgesetzbuch vom 22.12.2004 <[X.]VBl 571>) im Revisionsverfahren nicht gerügt ist (zu dieser Voraussetzung nur [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], S[X.][X.], 12. Aufl 2017, § 75 Rd[X.]3b mwN), hat der Senat über denkbare Erstattungsansprüche insoweit nicht zu befinden.

Alle denkbaren Anspruchsgrundlagen für die Erstattung von Leistungen der Eingliederungshilfe in stationären Einrichtungen, also § 106 Abs 1 S[X.]B XII iVm § 98 Abs 2 Satz 3 S[X.]B XII (Erstattung für den Fall der vorläufigen Leistungserbringung), § 14 Abs 4 Satz 1 S[X.]B IX (Erstattungsanspruch für den zweitangegangenen Träger der Rehabilitation bei Vorliegen eines neuen Rehabilitationsgeschehens mit Wechsel in das [X.]) bzw die allgemeinen Vorschriften der §§ 102 ff [X.]. und Sozialdatenschutz - (S[X.]B X) (insbesondere des § 105 S[X.]B X bei weiterhin bestehender Leistungszuständigkeit des [X.]n als erstangegangenem Rehabilitationsträger), scheiden aus. Der [X.] war unter keinem erdenklichen [X.]esichtspunkt der (eigentlich) zur Leistung verpflichtete Träger. Er war für die streitigen Leistungen nach erneuter stationärer Unterbringung des [X.] in der [X.] vom 1.12.2011 bis 31.12.2013 nicht örtlich zuständig. Ob der [X.]läger selbst der örtlich und sachlich zuständige Träger war, kann offenbleiben.

Die örtliche Zuständigkeit richtet sich gemäß § 98 Abs 2 Satz 1 S[X.]B XII (in der Normfassung des [X.]esetzes zur Änderung des S[X.]B XII und anderer [X.]esetze vom 2.12.2006 und ab 1.1.2013 des [X.]esetzes zur Änderung des S[X.]B XII vom 20.12.2012 ) für die stationäre Leistung nach dem gewöhnlichen Aufenthalt im [X.]punkt der Aufnahme in eine Einrichtung bzw dem gewöhnlichen Aufenthalt, der in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt bestand. § 98 Abs 2 Satz 2 S[X.]B XII bestimmt abweichend davon, dass bei [X.] der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, für unmittelbar daran anschließende Aufenthalte in stationären Einrichtungen im Rahmen einer sog [X.] entscheidend bleibt.

Vor der (erneuten) Aufnahme in die stationäre Einrichtung AH[X.] Therapiezentrum im Dezember 2011 hatte [X.] nicht im Zuständigkeitsbereich des [X.]n, sondern zuletzt im Zuständigkeitsbereich des [X.] seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 Abs 1 Sozialgesetzbuch [X.] - ). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LS[X.] (§ 163 S[X.][X.]) hielt sich [X.] dort im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs auf, was für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ausreichend ist (vgl nur BVerw[X.]E 145, 257 Rd[X.]3 mwN; BS[X.]E 113, 60 = [X.]-4200 § 7 [X.]4, Rd[X.]8; BS[X.]E 112, 116 = [X.]-1200 § 30 [X.], Rd[X.]2 ff; BS[X.] [X.] 3-1200 § 30 [X.] 8).

Ein seit dem 20.4.2007 durchgehender Aufenthalt in stationären Einrichtungen, der nach § 98 Abs 2 Satz 2 S[X.]B XII die Zuständigkeit des [X.]n ausgehend von einem letzten gewöhnlichen Aufenthalt davor im [X.] nach sich zöge (zum fehlenden gewöhnlichen Aufenthalt bei Unterbringung in einer stationären Einrichtung vgl § 109 S[X.]B XII), liegt nach den vom LS[X.] festgestellten Umständen nicht vor. Denn bei der von [X.] in der [X.] vom [X.] bis 30.11.2011 bewohnten Wohngemeinschaft handelte es sich nach den Feststellungen des LS[X.] nicht um eine stationäre Einrichtung.

Eine Einrichtung gemäß § 13 Abs 2 S[X.]B XII ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist (vgl nur BVerw[X.]E 95, 149, 152; BS[X.]E 106, 264 = [X.]-3500 § 19 [X.], Rd[X.]3; BS[X.] [X.]-3500 § 98 [X.] Rd[X.]8) und der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem S[X.]B XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dient (vgl § 13 Abs 2 S[X.]B XII; näher dazu BS[X.] [X.]-5910 § 97 [X.] Rd[X.]5). Soweit Personen dezentral untergebracht sind, ist erforderlich, dass der Wohnraum durch den Träger der Einrichtung selbst vorgehalten wird, und der [X.] von der Aufnahme bis zur Entlassung des Hilfeempfängers die [X.]esamtverantwortung für dessen tägliche Lebensführung übernimmt (vgl dazu zuletzt BS[X.] [X.]-1750 § 524 [X.] Rd[X.]8 und BS[X.] [X.]-3500 § 106 [X.] Rd[X.]9 ff).

Nach den bindenden Feststellungen des LS[X.] (§ 163 S[X.][X.]) fehlte es vorliegend sowohl an der räumlichen Verbindung der Wohngemeinschaft mit dem AH[X.] Therapiezentrum als auch an der verantwortlichen Trägerschaft im vorgenannten Sinne. Infolge der Anmietung der Wohnung durch [X.] selbst lag eine Vorhaltung von Wohnraum durch den Träger der Einrichtung nicht vor. Überdies hatte das AH[X.] Therapiezentrum in dieser [X.] keine Verantwortung für die Lebensführung des [X.] übernommen. [X.] nahm von diesem lediglich wöchentlich zwei Fachleistungsstunden und an drei Tagen pro Woche Einzelsitzungen ("Tagesstruktur") in Anspruch und war dementsprechend für seine Lebensführung insgesamt selbst verantwortlich.

Eine (weite) Auslegung des § 98 Abs 2 Satz 2 S[X.]B XII unter Einbeziehung auch (nahtloser) Wechsel zwischen [X.] und stationärer Einrichtung (sog "gemischte [X.]ette") kommt nach dem eindeutigen Wortlaut nicht in Betracht. § 98 S[X.]B XII unterscheidet schon tatbestandlich zwischen der Zuständigkeit in Fällen stationärer Unterbringung und in Fällen Ambulant-betreuten-Wohnens (vgl BS[X.] [X.]-3500 § 106 [X.] Rd[X.]5; BS[X.] Urteil vom [X.] [X.] 6/12 R - juris Rd[X.]5; insoweit einhellige Auffassung, vgl nur Hammel, [X.]/S[X.]B 2008, 67, 74).

Eine andere örtliche Zuständigkeit für stationäre Leistungen ergibt sich aber auch nicht durch eine analoge Anwendung des § 98 Abs 2 Satz 2 S[X.]B XII unter Berücksichtigung des Normzwecks von § 98 Abs 5 Satz 1 S[X.]B XII. Nach § 98 Abs 5 Satz 1 S[X.]B XII ist für die Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten [X.]apitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Mit dieser Norm ist - anders als noch unter [X.]eltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSH[X.]) - für [X.] eine der Regelung für stationäre Leistungen in § 98 Abs 2 Satz 1 S[X.]B XII vergleichbare Regelung mit Wirkung ab 1.1.2005 geschaffen worden.

Eine Analogie, also die Übertragung einer gesetzlichen Regelung auf einen Sachverhalt, der vom Wortsinn der betreffenden Vorschrift nicht umfasst wird, ist aber nur geboten, wenn dieser Sachverhalt mit dem geregelten vergleichbar ist, nach dem [X.]rundgedanken der Norm und dem mit ihr verfolgten Zweck dieselbe rechtliche Bewertung erfordert (BS[X.] [X.] 3-2500 § 38 [X.] S 10) und eine (unbewusste) planwidrige Regelungslücke vorliegt (BVerf[X.]E 82, 6, 11 ff mwN; BS[X.]E 77, 102, 104 = [X.] 3-2500 § 38 [X.] S 3; BS[X.]E 89, 199, 202 f = [X.] 3-3800 § 1 [X.]1 S 95 f mwN). An einer planwidrigen Regelungslücke fehlt es jedoch. Der Normzweck des § 98 Abs 5 Satz 1 S[X.]B XII allein rechtfertigt eine analoge Anwendung in Fällen einer "gemischten [X.]ette" von [X.] und Einrichtungen nicht.

§ 98 [X.] S[X.]B XII legt fest, dass sich die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich nach dem tatsächlichen Aufenthaltsort des Leistungsberechtigten richtet. Dieser Regelung liegt der [X.]edanke zugrunde, dass vor allem der ortsnahe Träger eine effektive und schnelle Beseitigung der gegenwärtigen Notlage ermöglichen kann (vgl BVerw[X.]E 96, 152; 97, 103; vgl dazu auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.], S[X.]B XII, 19. Aufl 2015, § 98 S[X.]B XII Rd[X.]3 mwN). Davon abweichend regeln § 98 Abs 2 S[X.]B XII für Leistungen in stationären Einrichtungen sowie § 98 Abs 5 S[X.]B XII für Leistungen des Ambulant-betreuten-Wohnens Sonderzuständigkeiten nach dem sog [X.]. Sinn und Zweck des § 98 Abs 2 S[X.]B XII ist der Schutz der Sozialhilfeträger am Ort stationärer Einrichtungen vor überproportionalen [X.]ostenbelastungen durch Leistungen an "Zuzügler" (BS[X.] [X.]-5910 § 97 [X.] Rd[X.]7; so ausdrücklich BT-Drucks 12/4401, 84). Dabei wird nach § 98 Abs 2 Satz 2 S[X.]B XII dieser Schutz auch dann gewährleistet, wenn der Leistungsberechtigte aus einer Einrichtung in eine andere und von dort in weitere Einrichtungen wechselt. Die gleiche Funktion erfüllt die Regelung in § 98 Abs 5 Satz 1 S[X.]B XII; auch hier setzt sich der Schutz des Einrichtungsortes bei ununterbrochenem Wechsel von einer (ambulant) betreuten Wohnmöglichkeit in die nächste fort (vgl BS[X.]E 109, 56 = [X.]-3500 § 98 [X.], Rd[X.]7).

Mit dem Schutz des Einrichtungsortes als Sinn und Zweck der Norm stünde daher im Einklang, auch bei einem Wechsel von einer betreuten Wohnform in eine stationäre Einrichtung die bisherige, auf § 98 Abs 5 Satz 1 S[X.]B XII beruhende Zuständigkeit fortzuschreiben (vgl [X.]/[X.], [X.] 2007, 85, 90 f; Hammel, [X.]/S[X.]B 2008, 67, 74; [X.] in [X.]/[X.], S[X.]B XII, [X.] § 98 [X.] 03/18 RdNr 96a; Hessisches LS[X.] Beschluss vom [X.] [X.] 60/11 B ER - juris Rd[X.]7). Beide Situationen, einheitliche wie gemischte [X.]ette, weisen jedenfalls aus Sicht der Sozialhilfeträger am Ort der jeweiligen Wohn- bzw [X.] eine vergleichbare Interessenlage im Hinblick auf ihre Schutzwürdigkeit auf. Hierauf hat der Senat bereits hingewiesen, die hier streitige Frage aber ausdrücklich offengelassen (BS[X.] Urteil vom [X.] [X.] 6/12 R - juris Rd[X.]5 f und BS[X.] [X.]-3500 § 106 [X.] Rd[X.]5).

Für eine analoge Anwendung des § 98 Abs 2 Satz 2 S[X.]B XII in Fällen gemischter [X.]etten fehlt es aber an der erforderlichen planwidrigen Regelungslücke (wie hier [X.] in [X.]/[X.]/[X.], S[X.]B XII, 19. Aufl 2015, § 98 S[X.]B XII Rd[X.]22.1; [X.] in [X.]rube/[X.], S[X.]B XII, 5. Aufl 2014, § 98 S[X.]B XII Rd[X.]9; Söhngen in jurisP[X.]-S[X.]B XII, 2. Aufl 2014, § 98 RdNr 59 f; LS[X.] Berlin-Brandenburg Urteil vom 29.10.2015 - L 23 [X.] 16/14; Thüringer LS[X.] Urteil vom 17.10.2012 - L 8 [X.] 74/11). Systematik und [X.]esetzeshistorie schließen das Vorliegen einer ungewollten Nichtregelung aus. Es ist daher auch unerheblich, ob es sich hier angesichts der Veränderung des Betreuungsaufwands des [X.] in der ambulanten Wohnsituation gegenüber der stationären Einrichtung um ein einheitliches Leistungsgeschehen des Betreuten-Wohnens handelt (zu dieser denkbaren Abgrenzung bei Bejahung einer analogen Anwendung BS[X.] Urteil vom [X.] [X.] 6/12 R - juris Rd[X.]5; BS[X.] [X.]-3500 § 106 [X.] Rd[X.]5).

Die interne Normsystematik des § 98 S[X.]B XII sowie die Systematik dieser Vorschrift im [X.]esamtgefüge des S[X.]B XII sprechen gegen ein gesetzgeberisches Versehen. § 98 S[X.]B XII selbst stellt unterschiedliche Regelungen für die örtliche Zuständigkeit bei stationären [X.] und solchen Ambulant-betreuten-Wohnens auf. Anders als § 98 Abs 4 S[X.]B XII (für die örtliche Zuständigkeit bei Aufenthalt in Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung) verweist § 98 Abs 5 S[X.]B XII nicht umfassend auf die Absätze 1 und 2 des § 98 S[X.]B XII, sondern ist von § 98 Abs 2 S[X.]B XII erkennbar abweichend formuliert (vgl bereits BS[X.] Urteil vom [X.] [X.] 6/12 R - juris Rd[X.]5). Eine vollständige [X.]leichstellung mit den Regelungen über die örtliche Zuständigkeit für Einrichtungen hat der [X.]esetzgeber daher [X.] gerade nicht gewählt. Er unterscheidet im Übrigen auch im [X.]esamtgefüge des S[X.]B XII zwischen ambulanten und stationären Leistungen (vgl nur § 13 Abs 2 S[X.]B XII) und knüpft mit § 46b S[X.]B XII seit dem 1.1.2013 (zur [X.]esetzesentwicklung sogleich) ausdrücklich auch wegen der Zuständigkeit für [X.]rundsicherungsleistungen an diese Unterscheidung an. Insbesondere die [X.]ostenerstattungsregelungen zwischen den Trägern der Sozialhilfe lassen erkennen, dass der [X.]esetzgeber hinsichtlich der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts unterschiedliche Rechtsfolgen daran knüpft, ob jemand stationär untergebracht ist oder ambulant betreut lebt. Im [X.]rundsatz folgt aus der gesetzlichen Fiktion des § 109 S[X.]B XII dabei ein Schutz der Sozialhilfeträger am Ort einer stationären Einrichtung (vgl dazu zB [X.]linge in [X.]/[X.], S[X.]B XII, [X.] § 109 [X.] 02/13 Rd[X.]), der [X.]esetzgeber hat diesen Schutz durch die Normierung von [X.]ostenerstattungsregelungen aber ausdrücklich auch auf die Betreuung durch die Einrichtung bei auswärtiger Unterbringung (Fälle des § 106 Abs 2 1. Alt S[X.]B XII; dazu BS[X.] [X.]-3500 § 106 [X.] Rd[X.]3) und die Unterbringung in einer Pflegefamilie erweitert (§ 107 S[X.]B XII iVm § 109 S[X.]B XII). Eine solche umfassende Erstattungsregelung hat der [X.]esetzgeber bei Einführung von § 98 Abs 5 S[X.]B XII jedoch gerade nicht auf ambulant-betreute Wohnformen gewählt bzw übertragen.

Das Vorliegen einer planwidrig fehlenden Einbeziehung gemischter [X.]etten in den Schutz des Einrichtungsortes nach § 98 Abs 2 Satz 2 S[X.]B XII wird auch durch die [X.]esetzeshistorie widerlegt. Der [X.]esetzesbegründung lässt sich ein umfassender Schutz des Einrichtungsortes in jeder denkbaren [X.]onstellation nicht entnehmen. Der [X.]esetzgeber hat dort lediglich "Formen betreuter ambulanter Wohnmöglichkeiten" (vgl BT-Drucks 15/1514, 67 zu § 93 S[X.]B XII; vgl entsprechend BT-Drucks 16/2711, 13: "Leistungen in ambulant betreuten Wohnmöglichkeiten") in den Blick genommen. Dass sich dahinter - mit der Einführung des § 98 Abs 5 S[X.]B XII - eigentlich ein umfassender Schutz der Einrichtungsorte verbirgt und der [X.]esetzgeber den [X.] bei gemischten [X.]etten übersehen hat, ist wie aus der eben dargestellten Systematik der Erstattungsregelungen auch aus dieser gerade auf ambulante Wohnformen ausgerichteten Formulierung nicht abzuleiten. Vor allem aber haben § 98 Abs 2 und Abs 5 S[X.]B XII seit ihrem Inkrafttreten zum 1.1.2005 mehrfach Änderungen erfahren (vgl die Änderung durch [X.]esetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21.3.2005 ; die Änderung mit [X.]esetz zur Änderung des S[X.]B XII und anderer [X.]esetze vom 2.12.2006 ; die Änderung durch das [X.]esetz zur Änderung des S[X.]B XII vom 20.12.2012 ), ohne dass der [X.]esetzgeber dies zum Anlass weiterer Ausnahmeregelungen vom [X.]rundsatz des § 98 Abs 1 S[X.]B XII genommen hätte (dazu bereits wegen teilstationärer Leistungen BS[X.] [X.]-3500 § 98 [X.] Rd[X.]7). Der [X.]esetzgeber hat vielmehr durch das Zweite [X.]esetz zur Änderung des [X.] Sozialgesetzbuch (2. S[X.]BXIIÄnd[X.]) vom 1.10.2013 mit Wirkung vom 1.1.2013 (B[X.]Bl I 3733) in § 46b S[X.]B XII eine neue bundesgesetzliche Zuständigkeitsregelung geschaffen, in dessen Abs 3 er das geltende Regelungsgefüge des § 98 S[X.]B XII und die dort enthaltenen unterschiedlichen Regelungen für die Behandlung stationärer und ambulanter Leistungen auf den Bezug von [X.]rundsicherungsleistungen übertragen und dadurch die Ausgangsregelungen in § 98 S[X.]B XII perpetuiert hat. Die bestehenden Regelungen des § 98 Abs 2 und Abs 5 S[X.]B XII werden dort - ausdrücklich unverändert - für entsprechend anwendbar erklärt (vgl BT-Drucks 17/14202, 6).

Der Einwand des [X.], dass der [X.]esetzgeber gerade die typische Sachverhaltskonstellation des (gescheiterten) Versuchs einer Rückkehr in das eigenständige Wohnen und des anschließenden Wechsels wieder in eine stationäre Einrichtung mehrfach planwidrig übersehen habe, ist vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Neuregelungen nicht plausibel. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass die Diskussion um die Einbeziehung sog gemischter [X.]etten in § 98 Abs 2 S[X.]B XII schon früh geführt wurde (vgl nur [X.]/[X.], [X.] 2007, 85, 90 f; Hammel, [X.]/S[X.]B 2008, 67, 74). Im Übrigen unterscheidet auch § 98 Abs 2 Satz 2 S[X.]B XII nicht danach, ob ein fortgesetztes Rehabilitationsgeschehen vorliegt oder die [X.] durch unterschiedliche Eingliederungsbedürfnisse bedingt wird. Die Schaffung eines eigenen (zusätzlichen) Tatbestandsmerkmals des einheitlichen Rehabilitationsgeschehens nur für die gemischte [X.]ette und die sich daraus ergebenden neuen Fragen der Abgrenzung oblägen damit erst recht dem [X.]esetzgeber. Dass eine entsprechende Regelung sinnvoll sein könnte, steht nicht zur Entscheidung durch den Senat.

Aus etwaigen öffentlich-rechtlichen Absprachen der örtlichen Sozialhilfeträger in [X.] über die [X.]ostenerstattung bei [X.] kann der [X.]läger gegen den [X.]n schon deshalb keine Rechte ableiten, weil der [X.] an entsprechenden Absprachen nicht beteiligt war. Um eine Normsetzung durch vertragliche Vereinbarung auch mit Wirkung für am Vertragsschluss nicht Beteiligte handelt es sich jedenfalls nicht, denn es fehlt an jeglicher Ermächtigung dafür (vgl dazu und zur Nichtigkeit koordinationsrechtlicher öffentlich-rechtlicher Verträge im Zusammenhang mit der Abbedingung einer - bundesrechtlichen - Zuständigkeitsregelung BS[X.] [X.]-3500 § 106 [X.] Rd[X.]9 ff).

Die [X.]ostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 und 3 S[X.][X.] iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (Vw[X.]O). Die [X.] beruht auf § 197a Abs 3 und [X.] S[X.][X.] iVm § 63 Abs 2 Satz 1 [X.]erichtskostengesetz ([X.][X.][X.]).

Meta

B 8 SO 32/16 R

05.07.2018

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Koblenz, 19. März 2015, Az: S 16 SO 32/14, Urteil

§ 98 Abs 1 S 1 SGB 12, § 98 Abs 2 S 1 SGB 12, § 98 Abs 2 S 2 SGB 12, § 98 Abs 5 S 1 SGB 12, § 13 Abs 2 SGB 12

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 05.07.2018, Az. B 8 SO 32/16 R (REWIS RS 2018, 6518)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6518

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