Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.02.2018, Az. V ZR 76/17

5. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 13914

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde: Beginn der Notfrist mit Zustellung einer beglaubigten Abschrift des Berufungsurteils


Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 11. Januar 2017 wird auf Kosten der Kläger, die auch die Kosten der Streithelferin zu tragen haben, als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 20.000 €.

Gründe

I.

1

Die Kläger nehmen den Beklagten im Zusammenhang mit dem Abschluss eines notariellen Vertrags über den Kauf einer Eigentumswohnung auf Schadensersatz in Anspruch. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Ausweislich des von den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger unterzeichneten [X.] ist ihnen am 16. Januar 2017 eine „beglaubigte Abschrift“ des Berufungsurteils zugegangen. Eine Ausfertigung des Urteils haben sie nach entsprechendem Antrag am 13. Februar 2017 erhalten. Mit einem am 8. März 2017 bei dem [X.] eingegangenen Schriftsatz haben die Kläger gegen das Urteil des [X.]s Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und diese binnen der (verlängerten) Frist begründet. Der Beklagte und seine Streithelferin beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

2

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie auf der Grundlage der von dem [X.] wegen vorzunehmenden Prüfung (§ 552 Abs. 1 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung) nicht fristgerecht eingelegt worden ist.

3

1. Gemäß § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Hier begann die Frist am 16. Januar 2017, so dass die am 8. März 2017 bei dem [X.] eingegangene Nichtzulassungsbeschwerde die Frist nicht gewahrt hat.

4

a) Dass den Prozessbevollmächtigten der Kläger eine Ausfertigung des Urteils erst am 13. Februar 2017 zugestellt worden ist, führt nicht zur Wahrung der Frist. Zwar hat der [X.] in der Vergangenheit zu § 517 ZPO entschieden, dass der Beginn der einmonatigen Berufungsfrist die Zustellung einer Ausfertigung des in vollständiger Form abgefassten Urteils voraussetzt und die Übergabe einer beglaubigten Abschrift des Urteils die Zustellungswirkung des § 517 ZPO nicht begründen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juni 2010 - [X.] 132/09, [X.]Z 186, 22 Rn. 7 ff.). Für den Beginn der Frist des § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO galt Entsprechendes. An dieser Rechtsprechung kann jedoch nach der Neufassung des § 317 ZPO durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 ([X.]) nicht mehr festgehalten werden. § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist mit Wirkung vom 1. Juli 2014 dahingehend geändert worden, dass Urteile den Parteien von Amts wegen grundsätzlich in Abschrift zugestellt werden, die von der Geschäftsstelle nach § 169 Abs. 2 ZPO zu beglaubigen ist (BT-Drucks. 17/12634 S. 30). Ausfertigungen werden demgegenüber gemäß § 317 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur noch auf Antrag erteilt. Der [X.] geht deshalb davon aus, dass für Urteile, die - wie hier - nach dem Inkrafttreten der Neufassung des § 317 ZPO zum 1. Juli 2014 zugestellt worden sind, der Beginn der Frist zur Berufungseinlegung - für die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gilt Entsprechendes - nicht mehr die Zustellung einer Urteilsausfertigung voraussetzt, sondern dass die Zustellung einer beglaubigten Abschrift des Urteils genügt ([X.], Beschluss vom 27. Januar 2016 - [X.] 684/14, NJW 2016, 1180 Rn. 16).

5

b) Dass den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 16. Januar 2017 entgegen den Angaben auf dem unterschriebenen [X.] nur eine einfache statt einer beglaubigten Abschrift des Berufungsurteils zugegangen und deshalb die Zustellung an diesem Tag unwirksam ist, wie die Nichtzulassungsbeschwerde geltend macht, lässt sich nicht feststellen. Diese Unaufklärbarkeit geht zu Lasten der Kläger.

6

aa) Es steht der Wirksamkeit der Beglaubigung nicht entgegen, dass der [X.] nicht von dem Urkundsbeamten unterschrieben ist. Gemäß § 169 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO kann eine in Papierform zuzustellende Abschrift auch durch maschinelle Bearbeitung beglaubigt werden, wobei anstelle der handschriftlichen Unterzeichnung die Abschrift mit dem Gerichtssiegel zu versehen ist.

7

bb) Fehlt das Gerichtssiegel bei einer maschinellen Bearbeitung ganz oder ist nicht erkennbar, von welchem Gericht das Siegel herrührt, fehlt es allerdings an einer wirksamen Beglaubigung. Hierauf beruft sich die Nichtzulassungsbeschwerde und verweist auf eine Kopie der den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger übersandten Urteilsabschrift, auf der kein Gerichtssiegel erkennbar sei, sondern nur der leicht unterbrochene Umriss eines [X.], in dem lediglich die Buchstaben „[X.]“ zweifelsfrei lesbar seien. Dieses Vorbringen schließt es nicht aus, dass die Abschrift mit einem ordnungsgemäßen Siegel versehen war.

8

(1) In aller Regel lässt sich nur durch Vorlage des Originals der übersandten Abschrift verlässlich feststellen, ob der Einwand, das Urteil sei nicht ordnungsgemäß gesiegelt, zutreffend ist. Wie die Streithelferin zu Recht geltend macht, kann mit dem Kopiervorgang eine Druckbildveränderung einhergehen, die zu einem von dem Original abweichenden Erscheinungsbild führt. Dass es sich hier so verhält, ist jedenfalls deshalb nicht ausgeschlossen, weil sowohl die von der Streithelferin - im Original - vorgelegte, ihr zugegangene beglaubigte Urteilsabschrift als auch die in den Akten befindliche beglaubigte Abschrift ein ordnungsgemäßes Gerichtssiegel aufweisen.

9

(2) Vor diesem Hintergrund hat der Senat den Klägern aufgegeben, das Original der Urteilsabschrift zu den Akten zu reichen. Dieser Auflage sind sie nicht nachgekommen. Da sonstige Erkenntnisquellen, aus denen sich die Unwirksamkeit der Beglaubigung ergeben soll, nicht zur Verfügung stehen, bleibt die Frage ungeklärt. Dies geht zu Lasten der Kläger, weil die Beweislast für die Tatsachen, von denen die Zulässigkeit des Rechtsmittels abhängt, grundsätzlich der Rechtsmittelkläger trägt (vgl. [X.], Beschluss vom 26. März 1981 - [X.], NJW 1981, 1789, 1790; Beschluss vom 30. Januar 1991 - [X.], [X.], 896 - jeweils für die Rechtzeitigkeit der Berufung). Eine Ausnahme gilt nur für - hier nicht in Rede stehende - gerichtsinterne Vorgänge, von denen der Rechtsmittelkläger keine Kenntnis haben kann (vgl. [X.], Urteil vom 5. Dezember 1980 - [X.], NJW 1981, 1673, 1674).

2. Da hiernach von einem Zustellungsmangel nicht ausgegangen werden kann, stellt sich die von der Nichtzulassungsbeschwerde weiter erörterte und verneinte Frage, ob die Heilungsvorschrift des § 189 ZPO anwendbar ist, wenn statt einer beglaubigten Abschrift eines Urteils eine einfache Abschrift zugestellt wird, nicht (vgl. zur Heilung durch die Zustellung einer einfachen statt einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift [X.], Urteil vom 22. Dezember 2015 - [X.], [X.]Z 208, 255 Rn. 14 ff.; siehe zur Heilung bei der Zustellung von [X.] im Sinne des § 750 Abs. 2 ZPO auch Senat, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - [X.], [X.], 411 Rn. 21 ff.).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Brückner     

      

Weinland

      

Göbel     

      

Haberkamp     

      

Meta

V ZR 76/17

15.02.2018

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 11. Januar 2017, Az: 9 U 15/16

§ 169 Abs 3 S 1 ZPO, § 169 Abs 3 S 2 ZPO, § 317 Abs 1 S 1 ZPO, § 317 Abs 2 S 1 ZPO, § 544 Abs 1 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.02.2018, Az. V ZR 76/17 (REWIS RS 2018, 13914)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13914

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