Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2010, Az. XII ZB 132/09

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 6051

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[X.]BESCHLUSS [X.] 132/09 vom 9. Juni 2010 in der Familiensache

Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: [X.] §§ 166, 317, 517 Der Beginn der einmonatigen Berufungsfrist des § 517 ZPO setzt die Zustellung einer Ausfertigung des in vollständiger Form abgefassten Urteils voraus. [X.], Beschluss vom 9. Juni 2010 - [X.] 132/09 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 9. Juni 2010 durch die [X.] [X.]in [X.], den [X.] Prof. Dr. [X.], die [X.]in [X.] und die [X.] Dose und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss des 8. [X.] des [X.] vom 1. Juli 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das [X.] zurückverwiesen. [X.]: 1.669 • Gründe: [X.] Die Parteien streiten um Abänderung eines Urteils zum nachehelichen Unterhalt aus der geschiedenen ersten Ehe des [X.]. Das Urteil des [X.] vom 5. Februar 2009 ist dem Kläger nicht in Ausfertigung, sondern in beglaubigter Abschrift am 27. März 2009 zugestellt worden. Die Berufung des [X.] gegen dieses Urteil ist am 23. Mai 2009 beim [X.], die Berufungsbegründung am 27. Mai 2009. 1 - 3 - Das [X.] hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der Berufungsfrist des § 517 ZPO eingegangen sei. Die Be-rufungsfrist habe mit Zustellung der beglaubigten Abschrift des Urteils begon-nen. 2 3 Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.], mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht begehrt. I[X.] Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 [X.] noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor [X.] Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 - [X.] ZR 50/08 - FamRZ 2010, 357 [X.]. 7 m.w.[X.]). 4 Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig. Sie ist auch begründet. 5 1. Die Monatsfrist zur Einlegung der Berufung beginnt nach § 517 ZPO mit Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Die Zustellung erfolgt nach § 317 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 166 Abs. 2 ZPO von Amts wegen. Freilich bleibt das Original des Urteils stets bei den Akten. Stattdessen ist eine Ausfertigung zuzustellen ([X.]/Schütze/[X.] ZPO 3. Aufl. § 317 Rdn. 7). 6 - 4 - a) Eine Ausfertigung ist eine in gesetzlich bestimmter Form gefertigte Abschrift, die dem Zweck dient, die bei den Akten verbleibende Urschrift nach außen zu vertreten (Senatsbeschluss vom 30. Mai 1990 - [X.] 33/90 - FamRZ 1990, 1227). Durch die Ausfertigung soll dem Zustellungsempfänger die Gewähr der Übereinstimmung mit der bei den Akten verbleibenden Urteils-urschrift geboten werden ([X.] 100, 234, 237 = NJW 1987, 2868 m.w.[X.] so-wie [X.] Beschlüsse vom 20. Juni 1989 - [X.] und vom 28. November 2006 - [X.] 116/05 Œ jeweils veröffentlicht bei juris). Der [X.] bezeugt als eine besondere Art der Beurkundung, dass die Ausfertigung mit der Urschrift des Urteils übereinstimmt. Wegen dieser Besonderheit verlangt das Gesetz, dass die Ausfertigung von einem [X.]n der Geschäfts-stelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen ist (§ 317 Abs. 4 ZPO). 7 Mit der Unterschrift erklärt der [X.], dass die in der Ausferti-gung wiedergegebenen Teile des Urteils gleich lautend mit denen der Urschrift sind. Diese Erklärung braucht nicht wörtlich in dem Ausfertigungsvermerk ent-halten zu sein. Das Gesetz sieht eine bestimmte äußere Form für den [X.] nicht vor ([X.] Urteil vom 13. März 1969 - [X.] - VersR 1969, 709, 710). Die [X.] muss aber zumindest durch die Unter-schrift des [X.]n, das Gerichtssiegel oder den Dienststempel und Worte wie "Ausfertigung" oder "ausgefertigt" erkennen lassen, dass es sich um eine Ausfertigung im Sinne des § 317 Abs. 4 ZPO handeln soll ([X.] Urteil vom 18. Mai 1994 - [X.] - [X.], 1495). Der [X.] hat deswegen bereits mehrfach die Zustellung beglaubigter Abschriften, die den [X.] nicht enthielten oder ihn unvollständig wiedergaben, für unwirksam gehalten, weil es damit für den Zustellungsempfänger an der Ge-währ fehle, dass das ihm zugestellte Schriftstück der Urschrift entsprach (vgl. [X.] 100, 234, 237 f. = NJW 1987, 2868). 8 - 5 - b) Ob an Stelle einer [X.] auch eine beglaubigte [X.] die Zustellungswirkung des § 517 ZPO begründen kann, ist in der Lite-ratur umstritten (vgl. [X.] Urteil vom 18. Mai 1994 - [X.] - [X.], 1495). 9 10 aa) Teilweise wird vertreten, dass die in § 517 ZPO vorausgesetzte Amtszustellung statt in der Form einer vollständigen [X.] auch durch eine beglaubigte Abschrift des Urteils erfolgen kann (Tho-mas/[X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. § 517 Rdn. 2; Hk-ZPO/[X.] 3. Aufl. § 517 Rdn. 2 und [X.][X.]. § 517 Rdn. 9). Überwiegend wird allerdings unter Hinweis auf die Bedeutung einer Aus-fertigung und die Vorschrift des § 317 Abs. 1 und 4 ZPO vertreten, dass nur die Zustellung einer Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung die Berufungsfrist nach § 517 ZPO in Lauf setzen kann ([X.]/Vollkommer ZPO 28. Aufl. § 317 Rdn. 4; Musielak/Musielak ZPO 7. Aufl. § 317 Rdn. 3; [X.]/Schütze/ [X.] ZPO 3. Aufl. § 317 Rdn. 7 und [X.]/[X.] ZPO § 517 Rdn. 5). 11 bb) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. 12 Die nach § 166 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zuzustellenden Dokumente können grundsätzlich in Urschrift, Ausfertigung oder (beglaubigter) Abschrift zugestellt werden. Dabei ist die Zustellung einer beglaubigten Abschrift stets dann ausreichend, wenn das Gesetz keine andere Regelung enthält (Zöl-ler/[X.] ZPO 28. Aufl. § 166 Rdn. 5). Denn eine besondere Form der Zustel-lung hat der Gesetzgeber ausdrücklich speziellen [X.] oder prozessrecht-lichen Vorschriften vorbehalten (BT-Drucks. 14/4554 S. 15). Eine solche spe-zielle Vorschrift enthält das Gesetz in § 317 ZPO für die Zustellung von Urteilen. 13 - 6 - Dass die Übergabe einer bloßen Abschrift des Urteils nicht die [X.] an eine ordnungsgemäße und wirksame Zustellung erfüllt, hat der [X.] bereits entschieden ([X.] Beschluss vom 20. Juni 1989 - [X.] - veröffentlicht bei juris). Soweit die Zustellung einer beglaubigten Abschrift für ausreichend erachtet wird, geht dies auf das frühere Recht zurück, das bis Juni 1977 eine Zustellung im Parteibetrieb vorsah. Die darauf beruhen-de Rechtsprechung beschränkt sich deswegen auf Fälle, in denen eine beglau-bigte Abschrift einer bereits vorliegenden [X.] zugestellt wurde ([X.] Urteil vom 10. Juni 1964 - [X.] - [X.] 1964, 916 und [X.] vom 1. Juli 1974 - [X.] 17/74 - [X.]Warn 1974, 475 und vom 29. September 1959 - [X.] 5/59 - NJW 1959, 2117, 2118 m.w.[X.]). Auf die Zustellung einer beglaubigten Abschrift des Urteils ohne vorliegende Ausferti-gung des Urteils ist diese Rechtsprechung nicht übertragbar. Solange keine Ausfertigung der in den Akten verbleibenden Urschrift des Urteils erstellt ist, ist der Zweck, das Urteil nach außen zu vertreten, nicht erreicht (vgl. [X.] Be-schluss vom 28. November 2006 - [X.] 116/05 - veröffentlicht bei juris). Nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] entspricht die Form der Ausfertigung der besonderen Bedeutung und Wichtigkeit der kundzugebenden Entscheidung. Erst der Ausfertigungsvermerk verleiht der Ausfertigung die [X.] einer öffentlichen Urkunde und bezeugt deren Übereinstimmung mit der in den Akten verbleibenden Urschrift ([X.] 100, 234, 237 = NJW 1987, 2868 m.w.[X.]; vgl. auch § 47 BeurkG). Entsprechend lautet die amtliche Über-schrift des § 317 ZPO auch "Urteilszustellung und -ausfertigung" und für schrift-lich vorliegende Urteile sieht § 317 Abs. 4 ZPO lediglich die Erstellung von [X.] und Auszügen vor. 14 Für die Zustellung als Voraussetzung für den Beginn der Rechtsmittelfrist kommt es entscheidend auf äußere Form und Inhalt der zur Zustellung verwen-deten Ausfertigung an; bei Abweichungen zwischen Urschrift und Ausfertigung 15 - 7 - ist allein die Ausfertigung maßgeblich, weil allein sie nach außen in Erschei-nung tritt und die [X.] ihre Rechte nur anhand der Ausfertigung wahrnehmen kann und muss (Senatsbeschluss vom 24. Januar 2001 - [X.] 75/00 - NJW 2001, 1653, 1654 und [X.] Beschluss vom 25. Mai 2006 - [X.]/05 - FamRZ 2006, 1114, 1115). 16 2. Die danach für den Beginn der Berufungsfrist nach §§ 517, 317 ZPO notwendige Ausfertigung des angefochtenen Urteils ist dem Kläger nicht bereits am 27. März 2009 zugestellt worden. a) Allerdings mangelt es nicht schon deshalb an einer wirksamen Zustel-lung des Urteils, weil - wie die Rechtsbeschwerde meint - die Unterschrift der mitwirkenden [X.]in in der zugestellten beglaubigten Abschrift nicht ord-nungsgemäß wiedergegeben sei. Das ist nach der Rechtsprechung des [X.]s der Fall, wenn die Unterschrift in Klammern gesetzt und kein weiterer Hinweis (etwa —gez.fi) hinzugefügt ist, dass der [X.] das Urteil unter-schrieben hat. Nach der Rechtsprechung des [X.] reicht es al-lerdings aus, wenn in der Ausfertigung die Namen der beteiligten [X.] in Ma-schinenschrift ohne Klammern angegeben sind. Dann ist im Allgemeinen ein weiterer auf die Unterzeichnung hinweisender Zusatz nicht erforderlich (Se-natsbeschluss vom 30. Mai 1990 - [X.] 33/90 - FamRZ 1990, 1227; [X.] Ur-teil vom 18. Mai 1994 - [X.] - [X.], 1495 und Beschluss vom 1. April 1981 - [X.] 24/81 - VersR 1981, 576). 17 b) Bei der dem Kläger zugestellten Abschrift handelt es sich jedoch nicht um eine Ausfertigung des Urteils. Denn dieser Abschrift fehlt ein Ausfertigungs-vermerk, der - wie ausgeführt - nicht durch den vorhandenen [X.] ersetzt werden kann. 18 - 8 - 3. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung ergibt sich eine wirksame Zustellung am 27. März 2009 auch nicht aus der früheren Rechtsprechung des [X.] zur Parteizustellung. 19 20 Soweit im Rahmen der bis Juni 1977 vorzunehmenden Parteizustellung eine beglaubigte Abschrift der [X.] zugestellt werden durfte, hing die Wirksamkeit der Zustellung davon ab, dass die beglaubigte Abschrift in allen wesentlichen Punkten mit der zuvor erteilten Ausfertigung übereinstimmte ([X.] Beschluss vom 1. Juli 1974 - [X.] 17/74 - [X.]Warn 1974, 475). Es folgt schon aus der Natur der Sache, dass eine beglaubigte Abschrift nicht erstellt werden kann, bevor das Original - und im Falle einer beglaubigten Abschrift der Ausfertigung die Ausfertigung selbst - erstellt ist. Entsprechend sieht § 317 Abs. 2 ZPO vor, dass Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften eines Urteils nicht erteilt werden dürfen, solange das Urteil nicht verkündet und nicht unter-schrieben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Mai 2007 - [X.] 82/06 - NJW 2007, 3640 [X.]. 20). Hier wurde die vollstreckbare Ausfertigung des angefochtenen Urteils ausweislich der Gerichtsakten erst am 4. Mai 2009 erstellt. Bei der schon zuvor am 27. März 2009 zugestellten beglaubigten Abschrift kann es sich mithin nicht um die Beglaubigung der erst später erstellten [X.] handeln. 21 4. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] beginnt der Lauf der einmonatigen Berufungsfrist aus § 517 ZPO nicht, wenn den [X.], die an eine ordnungsgemäße Ausfertigung und Zustellung des erstin-stanzlichen Urteils zu stellen sind, nicht Genüge getan ist ([X.] Urteil vom 18. Mai 1994 - [X.] - [X.], 1495). Das ist auch hier der Fall. 22 Im Zeitpunkt der Zustellung am 27. März 2009 war entgegen der zwin-genden Vorschrift des § 317 ZPO noch keine Ausfertigung des angefochtenen 23 - 9 - Urteils erteilt. Die Zustellung der beglaubigten Abschrift des Urteils hat die Beru-fungsfrist deswegen noch nicht in Lauf gesetzt. Selbst nach Erteilung der voll-streckbaren [X.] am 4. Mai 2009 ist keine weitere Zustellung an den Kläger erfolgt. Er hat folglich mit der am 23. Mai 2009 eingegangenen Be-rufungsschrift die Berufungsfrist des § 517 ZPO und mit der am 27. Mai 2009 eingegangenen Berufungsbegründung die Begründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO gewahrt. Das Berufungsgericht hat die Berufung deswegen zu Unrecht verworfen. Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] ist der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur weiteren Veranlassung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Hahne [X.] Vézina Dose Klinkhammer Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 05.02.2009 - 6 F 271/07 - [X.], Entscheidung vom 01.07.2009 - [X.] UF 103/09 -

Meta

XII ZB 132/09

09.06.2010

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2010, Az. XII ZB 132/09 (REWIS RS 2010, 6051)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6051

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