Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.11.2008, Az. 3 StR 342/08

3. Strafsenat | REWIS RS 2008, 600

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 [X.] vom 27. November 2008 Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja [X.]: ja ___________________________________ [X.] § 100 a Abs. 2, § 477 Abs. 2 Satz 2 Zur Verwertbarkeit von Zufallsfunden aus der Überwachung der Telekommunikation, wenn sich zwischen der Durchführung der Maßnahme und der Verwendung der ge-wonnenen Erkenntnisse die Anordnungsvoraussetzungen geändert haben. [X.], [X.]. vom 27. November 2008 - 3 [X.] - [X.] in der Strafsache gegen wegen Betruges - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 27. November 2008, an der teilgenommen haben: Vorsitzender [X.] am [X.] [X.], die [X.] am [X.] [X.], [X.], die [X.]in am [X.] Sost-Scheible, der [X.] am [X.] [X.]als beisitzende [X.], Staatsanwalt als Vertreter der [X.], Rechtsanwältin als Verteidigerin des Angeklagten, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das [X.]eil des Land-gerichts [X.] vom 27. Februar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf des Betruges in neun Fällen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwalt-schaft mit Verfahrensrügen und sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat mit einer Aufklärungsrüge Erfolg. 1 1. Dem Angeklagten, der wegen vielfachen Betruges derzeit eine lang-jährige Freiheitsstrafe verbüßt, an deren Ende die Vollstreckung von Siche-rungsverwahrung notiert ist, liegt zur Last, während des Strafvollzuges die [X.], [X.]und [X.]in neun Fällen durch Vortäuschung [X.] Tatsachen zu Zahlungen von insgesamt mehr als 116.000 • an ihn bzw. an Dritte veranlasst zu haben, um sich dadurch eine nicht nur vorübergehende 2 - 4 - Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen. Das [X.] hat fest-gestellt, dass vom Zeugen [X.]und dessen Ehefrau sowie vom [X.] Zahlungen in dieser Höhe geleistet wurden. Der Zeuge [X.] leitete [X.] möglicherweise auch Gelder des Zeugen [X.] weiter. Das [X.] hat sich aber nicht davon überzeugen können, dass diese Zahlungen durch be-trügerische Einwirkungen des Angeklagten auf die genannten Personen bewirkt worden waren. 2. Mit einer Aufklärungsrüge wendet sich die Staatsanwaltschaft dage-gen, dass das [X.] es unterlassen hat, den Inhalt von 17 Telefonge-sprächen zwischen dem Angeklagten und dem [X.] sowie zwischen diesem und dem Zeugen [X.]und anderen Personen in die Hauptverhand-lung einzuführen. Die Rüge greift durch. Das vom [X.] angenommene Beweisverwertungsverbot besteht nicht. 3 a) Die Erkenntnisse über den Inhalt der 17 Telefongespräche, deren Verwertung von der Beschwerdeführerin vermisst wird, sind im Einzelnen wie folgt gewonnen worden: 4 Die Überwachung der Festnetzanschlüsse von [X.] und [X.]war in dem Ermittlungsverfahren gegen [X.] [X.] wegen des Verdachts der Geldwäsche durch Beschluss des Amtsgerichts [X.] vom 25. Januar 2006 angeordnet worden. Grundlage der Anordnung war die Erkenntnis der Strafverfolgungsbehörden, dass [X.] [X.] im Juli und Oktober 2005 jeweils 25.000 • in bar auf das Konto des Angeklagten eingezahlt hatte, die angesichts der Vermögenslage der Eheleute [X.] vermutlich nicht von diesen stammen konnten. Der Verdacht beruhte auch darauf, dass [X.] [X.]im Januar 2006 bestätigte [X.] im Wert von ca. 100.000 •, gezogen auf die [X.] - 5 - [X.], zur Einreichung auf sein Konto vorgelegt hatte, in seiner poli-zeilichen Vernehmung indes keinen plausiblen wirtschaftlichen Hintergrund für die Begebung der Schecks an ihn zu benennen vermochte. Die genannten Überweisungen sind Gegenstand der gegen den Angeklagten erhobenen Be-trugsvorwürfe zum Nachteil des [X.] [X.]

und des Rolf Dieter [X.] (Nr. 4a und Nr. 8a der Anklage). Die Überwachung des Mobilfunkanschlusses von [X.]war in demselben Ermittlungsverfahren gegen [X.] [X.]wegen des Verdachts der Geldwäsche durch Beschluss des Amtsgerichts [X.] vom 31. Januar 2006 angeordnet worden, nachdem festgestellt worden war, dass [X.] [X.] auch diesen [X.] zum Kontakt mit dem Angeklagten nutzte. 6 In Ausführung der Beschlüsse sind die 17 Telefongespräche, die zwi-schen dem 26. Januar 2006 und dem 23. März 2006 geführt worden sind, [X.] und hiervon Leseabschriften (TÜ-Protokolle) bzw. zusammenfas-sende Berichte der Kriminalpolizei über die Gesprächsinhalte gefertigt worden. 7 Das gegen [X.] [X.]geführte Ermittlungsverfahren wegen [X.] ist am 12. Oktober 2006 gem. § 170 Abs. 2 [X.] eingestellt worden, weil die Ermittlungen ergeben hätten, "dass er selbst als Geschädigter anzusehen" sei. Demgemäß hat die Staatsanwaltschaft auch wegen Betrugstaten zu sei-nem Nachteil im vorliegenden Verfahren im August 2006 Anklage gegen den Angeklagten erhoben. 8 Am 22. Februar 2008 hat die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhand-lung die TÜ-Protokolle sowie die zusammenfassenden Berichte dem Gericht übergeben und deren Inaugenscheinnahme bzw. Verlesung beantragt. 9 - 6 - b) Die Erkenntnisse über den Inhalt der Telefongespräche (die Kommu-nikationsdaten) sind in dem Ermittlungsverfahren gegen [X.] [X.] zulässig gewonnen worden, da bestimmte Tatsachen den Verdacht begründet hatten, dass dieser als Täter oder Teilnehmer eine Geldwäsche begangen oder zu be-gehen versucht hatte, und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert gewesen wäre (§ 100 a Nr. 2 [X.] aF). Dies ergibt sich zwar nicht aus den ermittlungsrichterlichen Anordnungsbeschlüssen, die sich in formelhaften Wendungen ohne näheren [X.] erschöpfen, folgt aber aus den mit der Revisionsbegründung vorgelegten polizeilichen [X.], die den Anordnungen zugrunde lagen (vgl. [X.]St 47, 362, 367 ff.). 10 c) Die Inhalte der Telefonate sind in dem gegen den Angeklagten wegen des Vorwurfs des Betrugs gerichteten Strafverfahren jedenfalls als sog. Zufalls-funde nach § 477 Abs. 2 Satz 2 [X.] verwertbar. Danach dürfen die auf Grund der Telefonüberwachung (rechtmäßig) erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maß-nahme nach der Strafprozessordnung hätte angeordnet werden dürfen. Dies ist hier der Fall: 11 § 100 a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. n [X.] erlaubt die Überwachung und Auf-zeichnung der Telekommunikation beim tatsachengestützten Verdacht des [X.] im schweren Fall (§ 263 Abs. 3 Satz 2 StGB). Diese Regelung ist zwar erst am 1. Januar 2008 in [X.] getreten (Art. 16 des [X.] und anderer verdeckter Ermittlungsmaß-nahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/[X.] vom [X.] 12 - 7 - 2007 - [X.] - [X.] 3198) und galt deshalb im Zeitpunkt der Anordnung der Überwachungsmaßnahmen und ihrer Durchführung noch nicht. Hierauf kommt es indes entgegen der Auffassung des [X.] nicht an. Ändern sich im Verlauf eines anhängigen Strafverfahrens strafprozes-suale Vorschriften, so ist für das weitere Verfahren grundsätzlich die neue Rechtslage maßgeblich (vgl. [X.]St 22, 321, 325; 26, 288, 289; 46, 310, 317 ff.; [X.] in Löwe/[X.], [X.]. [X.]. Abschnitt [X.]. 22; [X.] StV 2008, 599, 600; für Änderungen des Verfahrensrechts im Zeitpunkt zwi-schen dem tatrichterlichen [X.]eil und der Entscheidung des Revisionsgerichts vgl. § 354 a [X.] und [X.], [X.] 51. Aufl. § 354 a Rdn. 4). Dieser Grundsatz wird für die hier zu beurteilende Fallkonstellation durch folgende Überlegung bestätigt: Der Angeklagte war durch die im Verfahren gegen [X.] [X.] (rechtmäßig) angeordneten Telefonüberwachungen allenfalls mittelbar in seinen Rechten betroffen. Denn diese in Grundrechte eingreifende strafprozes-sualen Ermittlungsmaßnahmen richteten sich unmittelbar allein gegen den da-maligen Beschuldigten und dessen Ehefrau, während der Angeklagte lediglich reflexartig als einer der Kommunikationspartner [X.] [X.] s in seinen Rech-ten berührt wurde; soweit es sich um Telefonate zwischen den [X.]und [X.] handelt, sind durch die Überwachung und Aufzeichnung der Ge-spräche Rechte des Angeklagten nicht einmal mittelbar beeinträchtigt. Der ei-gentliche, unmittelbare Eingriff in die Rechtssphäre des Angeklagten lag viel-mehr erst darin, dass die Staatsanwaltschaft die durch die Telefonüberwachung gewonnenen Daten in das Verfahren gegen den Angeklagten einführte mit dem Begehren, sie zur Aufklärung des gegen diesen gerichteten [X.] zu [X.]. In einer derartigen Verwendung der gewonnenen Daten liegt eine [X.] Durchbrechung des Fernmeldegeheimnisses (vgl. [X.] 100, 313, 391 f.), die gesonderter rechtlicher Grundlage insbesondere deswegen bedarf, 13 - 8 - weil die Datenverwendung nunmehr der Strafverfolgung eines [X.] dienen soll, gegen den sich die ursprüngliche Anordnung der heimlichen [X.] nicht gerichtet hatte. Diese rechtliche Grundlage war im Zeitpunkt der von der Staatsanwaltschaft begehrten Datenverwendung durch § 477 Abs. 2 Satz 2 [X.] in Verbindung mit § 100 a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. n [X.] indes gegeben. Der vor dem 1. Januar 2008 bestehenden Rechtslage, die die Verwendung der durch die Telefonüberwachung rechtmäßig erlangten Zufallsfunde zur Aufklä-rung eines Betrugs im besonders schweren Fall (§ 263 Abs. 3 Satz 2 StGB) nicht zuließ (vgl. § 100 b Abs. 5 in Verbindung mit § 100 a Abs. 1 [X.] aF), kommt demgegenüber keine Bedeutung mehr zu. Ein berechtigtes Vertrauen des Angeklagten in die Fortgeltung dieses früheren Rechtszustands ist nicht anzuerkennen. Letztlich steht der Verwertung auch nicht entgegen, dass die Staatsan-waltschaft die Eheleute [X.]im November 2006 von den gegen sie durchge-führten Telefonüberwachungsmaßnahmen unterrichtet und ihnen mitgeteilt hat, die erlangten Unterlagen würden vernichtet, dies indes in der Folgezeit [X.] ist. Die Staatsanwaltschaft war berechtigt, von der Löschung der Daten abzusehen, da zeitgleich mit der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen [X.] [X.]und damit noch vor der Unterrichtung der Eheleute [X.] wegen desselben Sachverhalts ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche gegen Rechtsanwalt [X.]eingeleitet worden war, in dem die Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung als Beweismittel unmittelbar hätten verwertet werden können (vgl. § 100 b Abs. 6 StGB aF; § 101 Abs. 8 [X.] nF). Dieses Verfahren ist erst nach dem Erlass des hier angegriffenen [X.]eils einge-stellt worden. 14 - 9 - Nach alledem kann dahinstehen, ob es sich bei dem Verfahren gegen den Angeklagten, soweit es die betrügerische Erlangung der vom Zeugen [X.]

gezahlten Beträge von zweimal 25.000 • betrifft, überhaupt um ein im [X.] zu dem vormaligen Ermittlungsverfahren gegen den [X.]"an-deres Strafverfahren" im Sinne von § 477 Abs. 2 Satz 2 [X.] (= § 100 b Abs. 5 [X.] aF) handelt oder ob nicht vielmehr eine einheitliche Tat im prozessualen Sinn vorliegt, so dass jedenfalls in diesem Umfang die durch die Überwachung gewonnenen Beweisergebnisse ohne Einschränkung auch gegen den Ange-klagten verwertet werden durften. 15 d) Die unterlassene Beweiserhebung hat sich aufgedrängt, denn die von der Revision mitgeteilten Inhalte der Telefonate enthalten Indizien für ein mögli-ches täuschendes Verhalten des Angeklagten sowie dafür, dass die Ge-sprächsteilnehmer [X.]und [X.]nicht auf Seiten des Angeklagten in [X.] verstrickt, sondern selbst Opfer von Täuschungen des Angeklagten gewesen sein können. 16 - 10 - e) Das [X.]eil beruht auf der fehlerhaft unterlassenen Verwertung der [X.]. Es ist nicht auszuschließen, dass sich das [X.] durch deren Inhalt und den Umstand, dass der Angeklagte mit teilweise identischer Vorge-hensweise bereits in der Vergangenheit ganz erhebliche Summen ertrogen hat, die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten verschafft hätte. 17 [X.] Miebach [X.] Sost-Scheible [X.]

Meta

3 StR 342/08

27.11.2008

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.11.2008, Az. 3 StR 342/08 (REWIS RS 2008, 600)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 600

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