Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.08.2011, Az. 24 W (pat) 34/09

24. Senat | REWIS RS 2011, 4135

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "WWW.DEUTSCHES-HYGIENEZERTIFIKAT.DE (Wort-Bild-Marke)" – Anmeldemarke erscheint als Siegel eines "Deutschen Hygienezertifikats" und das Bildelement als Variante des Äskulapstabes - keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 001 777.5

hat der 24. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie [X.] und Paetzold

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Dieses Zeichen

Abbildung

2

(farbig: rot, Vollton:[X.]; [X.]: [X.] 2002;

3

Euroskala: [X.]: 0 %, M: 85 %, [X.]: 100 %, K: 0 %)

4

ist angemeldet worden für die nachstehende Waren und Dienstleistungen:

5

„16: [X.], insbesondere Bücher, Broschüren, Zertifikate, Siegel;

6

35: Werbung; Geschäftsführung; Büroarbeiten; Öffentlichkeitsarbeit; Unternehmensberatung, insbesondere im Zusammenhang mit der Umsetzung und Befolgung von gesetzlichen und/oder branchenüblichen und/oder unternehmenseigenen Hygienestandards; Organisationsberatung; Personalmanagementberatung; Sammeln, Systematisieren und Zusammenstellen von Daten in Datenbanken;

7

38: Telekommunikation, insbesondere Bereitstellung des Zugriffs auf Daten und Informationen im [X.] und in Mobilfunknetzen; Bereitstellung von Zugangsmöglichkeiten zu Datenbanken;

8

41: Unterhaltung, insbesondere Durchführung von Live-Veranstaltungen, Veranstaltung von Wettbewerben; Erziehung; Ausbildung, insbesondere in Fragen der Einhaltung von Hygienestandards;

9

42: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen, insbesondere Erarbeitung von Hygienestandards für unterschiedliche Wirtschaftsbranchen; technische Überprüfung und Zertifizierung von Hygienestandards; Analyse- und Forschungsdienstleistungen, insbesondere Erforschung und Erstellung von Analysen der Anforderungen an Hygienestandards; Durchführung von Preisverleihungen für wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Hygiene; Entwurf und Entwicklung von [X.]hecklisten, Ablaufplänen und [X.]omputersoftware zur Prüfung von Hygienestandards, soweit in Klasse 42 enthalten;

44: medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen;

45: Verwaltung und Vergabe von Lizenzen an gewerblichen Schutz- und Urheberrechten; politische und wirtschaftliche Interessenvertretung, insbesondere durch Beratungsleistungen bei Gesetzgebung“.

Die Markenstelle für Klasse 42 des [X.] hat die Anmeldung beanstandet mit der Begründung, das Zeichen sei gem. § 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.] dazu geeignet, insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geographische Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu täuschen. Das angemeldete Zeichen erwecke den Anschein eines Gütesiegels oder eines Gütezeichens. Die angesprochenen Verkehrskreise gingen regelmäßig davon aus, „Zertifikate“ würden von einer neutralen, ausserhalb des gewerblichen Gewinnstrebens stehenden kompetenten Stelle erteilt, nachdem diese Stelle die Einhaltung bestimmter Mindestanforderungen - hier z. B. im Bereich der Hygiene - durch einen Unternehmer oder ein Unternehmen im Zuge einer Prüfung festgestellt habe. In dieser Erwartung würden die potentiellen Kunden der Inhaberin des angemeldeten Zeichens notwendig getäuscht, weil für die Erteilung des von der Anmelderin angebotenen „[X.]“ keine neutrale Stelle eingeschaltet werde. Die Markenstelle hat der Anmelderin daher anheimgestellt, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des [X.] oder einer anderen neutralen Stelle beizubringen, welche die Prüfung und Qualitätsüberwachung nach vergleichbar objektiven Maßstäben durchführt.

Die Anmelderin hat keine Unbedenklichkeitsbescheinigung des [X.] oder einer vergleichbaren Stelle vorgelegt. Sie meint, dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.] auf das von ihr angemeldete Zeichen nicht zuträfen. Die [X.] im Sinne dieser Vorschrift müsse von der angemeldeten Marke an sich ausgehen. Inhalt und Aussage der Marke müssten in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen irreführend sein. Gem. § 37 Abs. 3 [X.] könne im Eintragungsverfahren die Zurückweisung einer Anmeldung im übrigen nur dann auf § 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.] gestützt werden, wenn die [X.]

Die Anmelderin hat jedenfalls bis zur mündlichen Verhandlung vom 30. März 2011 ein privatwirtschaftliches Unternehmen betrieben, das entgeltlich jeweils für 12 Monate ein „[X.]“ vergeben hat.

Mit Beschluss vom 27. März 2009 hat die Markenstelle die Anmeldung aus den Gründen ihrer Beanstandung gem. § 8 Abs. 2 Nr. 4, § 37 Abs. 3 [X.] zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Mit richterlichen Verfügungen vom 14. Januar und vom 28. März 2011 hat der [X.] darauf hingewiesen, dass er sich bei einer abschließenden Entscheidung auch mit den absoluten Eintragungshindernissen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 [X.] auseinandersetzen werde. Auf diese Hinweise des Gerichts sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 30. März 2011 und seine Anlagen wird Bezug genommen.

Zu diesen Anlagen gehört ein zweiseitiger Ausdruck der Web-Site der Anmelderin mit Stand vom 30. März 2011. Auf der ersten der beiden Seiten ist oben links ein rundes [X.] abgebildet, das mit der angemeldeten Marke in seinen Wort- und Bildbestandteilen ganz überwiegend übereinstimmt. Das Bild auf der [X.]-Seite ist ein Negativ der angemeldeten Marke. Auf dem in der ganzen Fläche (im Ausdruck) grauen Kreis erscheinen die Wort- und Bildelemente der angemeldeten Marke in [X.]. Ausserdem verläuft um das [X.] mit Stab und Schlange eine weiße Kreislinie, die in der angemeldeten Marke fehlt. Rechts neben dem beschriebenen [X.] steht auf dem [X.]ausdruck: „[X.]“, darunter „Das Qualitätssiegel des [X.]“. Es folgt ein vergrößerter Bildausschnitt aus dem beschriebenen (im Ausdruck) grau-weißen Zeichen. Darunter steht folgender Text:

„Schaffen Sie ein vertrauensvolles Umfeld für Ihre Kunden

Das DHZ-Qualitätssiegel steht für einen hohen Hygienestatus und genau dieser ist für den Kunden ein entscheidendes Kriterium bei der Wahl seines Dienstleistungsunternehmens. Denn nur in einem hygienisch einwandfreien Umfeld fühlt sich Ihr Kunde sicher aufgehoben und dürfte bereit sein, einen angemessenen Preis für das Angebot Ihrer Einrichtung zu zahlen.

Das Siegel ist für jeden Kunden sofort zu sehen und auch in den Räumlichkeiten Ihres Betriebes weisen je nach persönlichem Bedarf Aufsteller auf Ihre Zertifizierung hin. Selbstverständlich können Sie das Siegel des [X.] zu Werbezwecken in ihre [X.]auftritt, in Anzeigen oder Flyern integrieren.

…“

Die Anmelderin meint, dass einer Eintragung des angemeldeten Zeichens kein markenrechtliches Schutzhindernis entgegenstehe, insbesondere nicht die Schutzhindernisse gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 [X.]. Es handele sich um ein komplexes farbiges [X.], dem sich weder auf den ersten noch auf einen zweiten Blick irgendein bestimmter, einheitlicher Sinngehalt entnehmen lasse, der für die angesprochenen Verkehrskreise ohne weiteres verständlich sei. In keinem Fall könne die Gesamtheit des [X.]s als beschreibende Angabe zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen verstanden werden. Sie stehe mit diesen auch nicht in einem engen sachlichen Bezug. Für die Dienstleistungen der Erteilung eines Hygienezertifikats sei die Marke nicht angemeldet worden. Das [X.] habe im Oktober 2010 die [X.] eingetragen, die graphisch ähnlich wie die angemeldete Marke aufgebaut sei und den Wortbestandteil „Deutsches-Hygienetest-Zertifikat“ enthalte.

Das in der Mitte des angemeldeten Zeichens befindliche Bildelement sei in seiner ikonographischen Bedeutung mehrdeutig und unterscheide sich in jeder dieser Bedeutungen deutlich vom Sachgehalt der Wort- und Buchstabenfolge „WWW.DEUTS[X.]HES-H[X.]GIENEZERTIFKAT.DE“. Bild- und Wortelemente des angemeldeten Zeichens könnten daher keinen einheitlichen Sinn ergeben. Ein nennenswerter Teil der angesprochenen Verkehrskreise werde das Bildelement als sogenannte „Feng-Shui-Schlange“ wahrnehmen, bei der der Stab für eine Wirbelsäule, die drei Sterne Körper, Geist und Seele (Schlangenenergie) und der Knopf des Stabes den Kopf symbolisierten. Sofern das Bildelement als eine Variante des [X.] eingeordnet werden könne, handele es sich in jedem Fall um die „ungewöhnliche Gestaltung“ eines Symbols, das vielleicht ein allgemein gültiges Attribut der Heilkunst sei, nicht dagegen ein allgemein gültiges Attribut für Hygieneleistungen.

Die Anmelderin hat zu bedenken gegeben, dass die Vorschriften des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 [X.] zum harmonisierten nationalen Markenrecht gehören. Die [X.] Praxis sei gerade bei der Eintragung komplexer [X.] in einer bestimmten Farbe äußerst großzügig. Sofern der [X.] von dieser Rechtsprechung abweichen wolle, müsse zunächst eine Vorlage an den [X.] gem. Art. 234 [X.] erfolgen. Auf den Kammerbeschluss des [X.] vom 25. Februar 2010, [X.], 439, 440 (Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters durch Unterlassen einer Vorlage an den [X.] - zu den Voraussetzungen, unter denen ein nationales Gericht von einem Vorabentscheidungsersuchen absehen darf) hat die Anmelderin hingewiesen

Sie beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des [X.] vom 27. März 2009 aufzuheben,

und regt für den Fall der vollständigen oder teilweisen Zurückweisung ihrer Beschwerde die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Der [X.] hat der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2011 [X.] bis zum 15. April 2011 gewährt. Die Anmelderin hat daraufhin am 14. April 2011 (zunächst per Telefax) unter demselben Datum einen weiteren Schriftsatz eingereicht.

Zu den weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Verfahrensakten.

II.

Der zulässige Beschwerde ist nicht begründet; denn einer Eintragung des angemeldeten Zeichens steht der absolute Schutzversagungsgrund der fehlenden Unterscheidungskraft entgegen, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Die vorliegende Entscheidung berücksichtigt auch den Sachvortrag der Anmelderin aus dem nachgelassenen Schriftsatz vom 14. April 2011. Dieser Schriftsatz enthält keinen neuen entscheidungserheblichen Vortrag, der einen Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung erforderlich gemacht hätte.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr.; [X.] GRUR 2006, 229, 230 (Nr. 27 ff.) - BioID; [X.], 850, 854 (Nr. 18) - [X.]; [X.], 710 (Nr. 12) - [X.]; [X.], 411 (Nr. 8) - [X.]; [X.], 778, 779 (Nr. 11) - [X.]; [X.], 952 (Nr. 9) - [X.][X.]ard). Keine Unterscheidungskraft kommt zunächst Bezeichnungen zu, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird ([X.], 1151, 1152 - marktfrisch; [X.], 417, 418 - Berlin[X.]ard; [X.], 952, 953 (Nr. 10) - [X.][X.]ard). Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu der betreffenden Ware oder Dienstleistung hergestellt wird ([X.], 850, 854 - [X.]; [X.], 411 (Nr. 9) - [X.]). Ein solcher enger beschreibender Bezug kann sich insbesondere daraus ergeben, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen in engem sachlichen Zusammenhang mit Waren oder Dienstleistungen stehen, für die die zur Beurteilung stehende Bezeichnung einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweist (BGH [X.], 949, 951 (Nr. 20) - My World).

Eine Prüfung des angemeldeten Zeichens nach diesen Maßstäben führt zu dem Ergebnis, dass das Zeichen nicht die in § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] geforderte Unterscheidungskraft hat. Das angemeldete Zeichen tritt als Siegel eines „[X.]“ in Erscheinung und erschöpft sich in einem Hinweis auf dieses Zertifikat. Dagegen vermittelt das Zeichen keinen Hinweis auf ein Herkunftsunternehmen, aus dem - im Unterschied zu anderen Unternehmen - die für die angemeldete Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen herstammen könnten.

2. Mit Blick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen richtet sich die angemeldete Marke sowohl an die allgemeinen Verkehrskreise als auch an Fachkreise. Es ist daher auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen (vgl. [X.] GRUR Int. 2005, 44 - SAT 2; [X.] GRUR Int. 2005, 135 [X.]. 19 - Maglite).

3. In der Wahrnehmung dieses Verbrauchers tritt das angemeldete Zeichen ausschließlich als Siegel eines „[X.]“ in Erscheinung.

Das Zeichen entspricht mit allen seinen Elementen den in [X.] verbreiteten und bekannten runden Siegeln, Stempeln und Plaketten, die u. a. als Gütezeichen, Unternehmens- oder Verbandszeichen und als Amtssiegel vorkommen. Typisch dafür sind die umlaufende Kreislinie, die am inneren Rand dieser Kreislinie eingeschriebene Wortfolge und ein emblematisches Bild in der Mitte. Dass der Begriff „[X.]“ eingeschrieben ist in eine [X.] [X.]-Adresse, relativiert nicht die Bedeutung des Begriffs für die Gesamtwirkung des angemeldeten Zeichens, sondern wird vom Verkehr nur als ein Hinweis darauf verstanden werden, dass er Näheres über das Zertifikat und das Zertifizierungsverfahren unter der angegebenen [X.]-Adresse erfahren kann.

Dagegen hat die Anmelderin die Auffassung vertreten, der Ausdruck „Zertifikat“ nehme in dem angemeldeten Zeichen eine schillernde Bedeutung an, weil er in verschiedenen Fachbereichen verwandt werde, z. B. im Finanzwesen auf bestimmte Typen von Wertpapieren hinweisen und im [X.] ein Ursprungszeugnis bezeichnen könne. Dem ist der [X.] schon deswegen nicht gefolgt, weil in dem angemeldeten Zeichen der Ausdruck „Zertifikat“ nicht als gesondertes Wort erscheint, sondern als Bestandteil des einheitlichen Begriffs „Hygienezertifikat“ und dieser Gesamtbegriff ohne weiteres den beschriebenen Sinn ergibt.

Mit Rücksicht auf die Wortbestandteile des angemeldeten Zeichens werden jedenfalls die überwiegenden Teile der angesprochenen Verkehrskreise das Bildelement in der Mitte ohne weiteres als eine Variante des [X.] einordnen. Der Äskulapstab ist in [X.] allgemein bekannt als ein Symbol der Heilkunde sowie des ärztlichen und pharmazeutischen Standes und wird in zahlreichen Abwandlungen verwandt. Wesentliche Elemente dieses Symbols sind der vertikal aufgerichtete Stab und eine Schlange, die sich an diesem Stab hinaufwindet. Wegen der allgemein bekannten zentralen Bedeutung, die die Beachtung effizienter hygienischer Maßnahmen für den gesamten Bereich der medizinischen Versorgung, der Gesundheitsfürsorge und der Gesundheitsvorsorge hat, ist der Äskulapstab ein sinnfälliges Emblem für ein Hygienezertifikat.

Ein Indiz dafür, dass die angesprochenen Verkehrskreise die angemeldete Marke als Siegel eines „[X.]“ wahrnehmen werden, ist nicht zuletzt auch die Tatsache, dass auch die Anmelderin auf ihrer Web-Site - jedenfalls bis einschließlich des Tages der mündlichen Verhandlung - ein Zeichen als Siegel des „[X.]“ eingeordnet hat, das sich als Negativ des angemeldeten Zeichens darstellt und mit diesem alle wesentlichen Elemente gemeinsam hat: Die runde Form, die am inneren Rand eingeschriebene identische Wortfolge und die identische Abbildung des [X.] in der Mitte.

4. Mit Rücksicht auf sein Erscheinungsbild als Siegel eines „[X.]“ kann das angemeldete Zeichen für keine der beanspruchten Waren und Dienstleistungen unterscheidungskräftig sein.

Effiziente hygienische Maßnahmen sind u. a. von zentraler Bedeutung für die Gesundheitsvorsorge im Interesse der Allgemeinheit. Insoweit sind sie Gegenstand zahlreicher gesetzlicher Regelungen und spielen in weitesten Bereichen des allgemeinen Lebens eine wichtige Rolle. Neben dem Bereich der medizinischen Versorgung, der Krankenhäuser und Pflegeheime sollen hier nur beispielhaft noch folgende Bereiche genannt werden: Lebensmittelproduktion und Lebensmittelhandel, Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung, Schulwesen, Betrieb von [X.], [X.], Betrieb von [X.], Schwimmbädern, Nagel-, Kosmetik- und Fitness-Studios. In diesen Zusammenhängen ist die dauerhaften Einhaltung hygienischer Standards ein wesentliches Qualitätsmerkmal der betreffenden Waren und Dienstleistungen oder ganzer Betriebe und Einrichtungen. Die dauerhafte Einhaltung hygienischer Standards verlangt daher regelmäßig die Kenntnis der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, Fachkenntnisse über alle Produktions- und Verfahrensabläufe, Kenntnis der einschlägigen technischen Methoden und Mittel hygienischer Maßnahmen, organisatorische Maßnahmen auf allen Ebenen eines Unternehmens, regelmäßige Personalschulungen, regelmäßige Qualitätskontrollen. Alle diese Bereiche und Tätigkeiten können mit Blick auf die dauerhafte Einhaltung hygienischer Standards zertifiziert werden. Sowohl im Interesse der zertifizierenden Stelle als auch der zertifizierten Einrichtungen und Betriebe kann ein Hygienezertifikat kontinuierlich beworben werden und Gegenstand einer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit sein. Vor diesem Hintergrund kommt der [X.] zu folgenden Feststellungen:

Für die „[X.], insbesondere Bücher, Broschüren“ der Klasse 16 weist die angemeldete Marke auf den Gegenstand dieser Veröffentlichungen hin, für die „Zertifikate, Siegel“ aus derselben Klasse ist sie glatt beschreibend.

Für die in der Klasse 35 beanspruchten Dienstleistungen „Geschäftsführung; Büroarbeiten; Unternehmensberatung, insbesondere im Zusammenhang mit der Umsetzung und Befolgung von gesetzlichen und/oder branchenüblichen und/oder unternehmenseigenen Hygienestandards; Organisationsberatung; Personalmanagementberatung“ weist die angemeldete Marke auf die Zertifizierung dieser Dienstleistungen mit einem „[X.]“ hin. Für die Dienstleistungen „Werbung; Öffentlichkeitsarbeit“ in derselben Klasse weist das angemeldete Zeichen auf den inhaltlichen Gegenstand dieser Dienstleistungen hin. Im Zusammenhang mit den für dieselbe Klasse beanspruchten Dienstleistungen „Sammeln, Systematisieren und Zusammenstellen von Daten in Datenbanken“ kann die angemeldete Marke auf das notwendige Wissen für die erstmalige Erlangung des „[X.]“ bzw. für dessen Aufrechterhaltung als Inhalt der zusammengestellten Daten hinweisen.

Im Zusammenhang mit den in Klasse 38 beanspruchten Dienstleistungen kann die Marke auf das Zertifikat, das Zertifizierungsverfahren sowie auf das notwendige Fachwissen für die erstmalige Erlangung des „[X.]“ bzw. für dessen Aufrechterhaltung als den Inhalt der im Wege der Telekommunikation bereitgestellten Informationen hinweisen.

Für die in den Klassen 41, 42 und 44 beanspruchten Dienstleistungen und für die in der [X.] beanspruchten Dienstleistungen „politische und wirtschaftliche Interessenvertretung, insbesondere durch Beratungsleistungen bei Gesetzgebung“ bringt das Zeichen die Zertifizierung dieser Dienstleistungen mit dem „[X.]“ zum Ausdruck. Für die Dienstleistungen „Verwaltung und Vergabe von Lizenzen an gewerblichen Schutz- und Urheberrechten“ aus der [X.] weist das angemeldete Zeichen auf den Gegenstand dieser Dienstleistungen hin.

Daher werden die angesprochenen Verkehrskreise der angemeldeten Wort-Bild-Marke wegen ihres engen [X.] zu allen beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinen betrieblichen Herkunftshinweis entnehmen.

5. Die Tatsache, dass das [X.] die [X.] in das Register eingetragen hat, stellt die vorstehenden Feststellungen, wonach der angemeldeten Marke die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, nicht in Frage. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Schutzfähigkeit einer neu angemeldeten Marke auf den konkreten Einzelfall und ausschließlich anhand der gesetzlichen Bestimmungen zu prüfen. Einer vorgängigen Amtspraxis kommt damit keine entscheidende Bedeutung zu. ([X.] [X.] 2009, 478, 484 (Nr. 57) - American [X.]lothing/[X.], [X.], 667, 668 (Nr. 13 bis Nr. 19) - Schwabenpost; BGH [X.], 1093, 1095 (Nr. 18); zusammenfassend: [X.], 425, 428 - VOLKSFLAT).

6. Die Rechtsbeschwerde gem. § 83 Abs. 2 [X.] war nicht zuzulassen, weil der vorliegende Fall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) und eine Entscheidung des [X.] auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 [X.]). Denn die Entscheidung bewegt sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Begriff der Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

7. Dieser Zurückweisungsbeschluss wirft auch keine Fragen i. S. v. Artikel 267 AEUV ([X.] [X.]) zur Auslegung der [X.] als vom [X.]-Vertrag abgeleiteten Gemeinschaftsrecht auf. Der [X.] hält sich deswegen nicht zu einer Vorlage an den [X.] verpflichtet. Der Beschluss beruht auf § 8 Abs. 2 Nr. 1, § 37 Abs. 1 [X.]. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist Teil des harmonisierten nationalen Markenrechts und setzt Artikel 3 Abs. 1 Buchst. b) [X.] um. Die Anwendung von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] durch den [X.] auf den vorliegenden Fall bewegt sich im Rahmen der Rechtsprechung des [X.] zum Begriff der Unterscheidungskraft i. S. v. Artikel 3 Abs. 1 Buchst. b) [X.].

Aus dem Kammerbeschluss des [X.] vom 25. Februar 2010, [X.], 439, 440 (Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters durch Unterlassen einer Vorlage an den [X.] - zur den Voraussetzungen, unter denen ein nationales Gericht von einem Vorabentscheidungsersuchen absehen darf) folgt nichts anderes. Mit diesem Beschluss hat das [X.] eine Entscheidung des [X.] aufgehoben, die u. a. die richtige Anwendung der [X.]-Massenentlassungsrichtlinie ([X.]) betraf. Das [X.] hat festgestellt, dass der durch die [X.] vorgegebene Ablauf der Beteiligung des Betriebsrats im Verfahren der Massenentlassungsanzeige in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften noch nicht erschöpfend geklärt sei und auch nicht eindeutig unmittelbar aus der [X.] hergeleitet werden könne. Da es für die Entscheidung des [X.] darauf ankam, ob der Betriebsrat im Zusammenhang mit einer Massenentlassungsanzeige im Einklang mit der [X.] beteiligt worden war, hätte das [X.] die bis dahin unklaren Vorgaben der [X.] im Wege einer Vorlage an den [X.] nach dem im maßgebenden Zeitpunkt noch geltenden Art. 234 Abs. 3 [X.]-Vertrag klären lassen müssen.

Zur dieser Ausgangslage für eine Vorlage an den [X.] gibt es im vorliegenden Marken-Beschwerdeverfahren keine Parallelen. Denn Rechtsprechung und Literatur halten die Regelung des für das vorliegende Verfahren entscheidenden Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) [X.] durchgehend für eindeutig und vollständig, die Umsetzung dieser Vorschrift durch § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in das [X.] Markenrecht für zutreffend und vollständig. Dass es sich anders verhalten könnte, hat die Anmelderin nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Meta

24 W (pat) 34/09

09.08.2011

Bundespatentgericht 24. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.08.2011, Az. 24 W (pat) 34/09 (REWIS RS 2011, 4135)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4135

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