Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.03.2022, Az. 30 W (pat) 525/20

30. Senat | REWIS RS 2022, 509

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "QUALITÄTSMEDIZIN IPE (Wort-/Bildzeichen)" – Unterscheidungskraft – keine Täuschungsgefahr - keine freihaltebedürftige beschreibende Angabe


Tenor

betreffend die Markenanmeldung 30 2018 104 776.9

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 24. März 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin [X.] und des [X.] Merzbach

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des [X.] vom 7. Januar 2020 aufgehoben.

Gründe

[X.].

1

Die am 27. April 2018 angemeldete Wort-/Bildmarke

Abbildung

2

soll für die Dienstleistungen der

3

„Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Aus- und Fortbildung von Ärzten und/oder nicht-ärztlichem Fachpersonal in Kliniken und /oder Arztpraxen, insbesondere auch im Bereich der Endoprothetik, auch über das [X.]; Lehrgänge, Seminare, Symposien zur Aus- und Fortbildung von Ärzten und/oder nicht-ärztlichem Fachpersonal in Kliniken und/oder Arztpraxen, insbesondere auch im Bereich der Endoprothetik, auch über das [X.]

4

Klasse 42: wissenschaftliche Dienstleistungen, insbesondere im Bereich der Endoprothetik; Forschungsdienstleistungen im Bereich der Endoprothetik; Zertifizierung von Lehrgängen, Seminaren, Symposien zur Aus- und Fortbildung von Ärzten und oder nicht-ärztlichem Fachpersonal in Kliniken und/oder Arztpraxen, insbesondere auch im Bereich der Endoprothetik; Qualitätsprüfung im Rahmen der wissenschaftlichen Bewertung von Lehrgängen, Seminaren, Symposien zur Aus- und Fortbildung von Ärzten und oder nicht-ärztlichem Fachpersonal in Kliniken und/ oder Arztpraxen, insbesondere auch im Bereich der Endoprothetik

5

Klasse 44: medizinische Dienstleistungen einer Klinik, insbesondere im Bereich der Endoprothetik; medizinische Dienstleistungen im Bereich der Endoprothetik; medizinische Beratungsdienstleistungen, insbesondere von Patienten, insbesondere im Bereich der Endoprothetik; Beratungs- und [X.]nformationsdienstleistungen in Bezug auf medizinische Produkte, insbesondere im Bereich der Endoprothetik; medizinische Beratungs- und Betreuungsdienstleistungen durch Ärzte oder nichtärztliches Fachpersonal in Kliniken und/oder Arztpraxen, insbesondere im Bereich der Endoprothetik“

6

in das beim [X.] geführte Register eingetragen werden.

7

Nach vorheriger Beanstandung, gestützt auf § 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.], hat die Markenstelle für Klasse 44 des [X.]s durch einen Beamten des gehobenen Dienstes die Anmeldung mit Beschluss vom 7. Januar 2020 wegen [X.] (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.]) zurückgewiesen.

8

Zur Begründung ist ausgeführt, die heraustretende Aussage des angemeldeten Zeichens sei aufgrund der Hintergrundfarbe, der Sterne und des markanten Rundes das Wort „[X.]“. Das weitere Element „[X.]“ sei in Fachkreisen bekannt als Abkürzung für „[X.]nnovative und patientenfreundliche Endoprothetik“.

9

[X.]n der Gesamtheit wirke das Anmeldezeichen Abbildung

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie geltend macht, eine [X.] sei nicht gegeben. Ein zur Täuschung führender unrichtiger Aussagegehalt der Marke müsse deutlich und unmissverständlich hervortreten, so dass er für die beteiligten Verkehrskreise unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar sein. Das sei vorliegend nicht der Fall. Die Berufung des Amtes auf die BPatG-Entscheidung zu „[X.]“ sei unzutreffend, weil die hier angemeldete Marke kein Gütezeichen i.S.d. Entscheidung sei. Anders als die angemeldete Marke enthalte das Zeichen, das Gegenstand der zitierten Entscheidung sei, den Bestandteil „[X.]“, was als Hinweis darauf verstanden werde, dass eine Qualitätskontrolle durch eine neutrale Stelle garantiert werde. Die angemeldete Marke hingegen werde nicht als ein von einer neutralen Zertifizierungsstelle stammendes Gütezeichen verstanden. Das Amt verkenne, dass es zahlreiche von der Wirtschaft kreierte Qualitätssiegel gebe, die keinerlei Zulassungsvoraussetzungen wie einer Zertifizierung durch den [X.] oder einer neutralen Zertifizierungsstelle unterlägen.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des [X.]s vom 7. Januar 2020 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

[X.][X.].

Die zulässige, nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 [X.] statthafte Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg. Der angegriffene Beschluss war aufzuheben, da der Eintragung des [X.] nicht das Schutzhindernis der [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.] [X.] entgegensteht. Überdies fehlt dem Zeichen nicht jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] und es stellt auch keine freihaltebedürftige beschreibende Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dar.

1. Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.] sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die geeignet sind, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit, den Gegenstand oder die Bestimmung der Waren und Dienstleistungen zu täuschen. Die Täuschungseignung muss ersichtlich sein (§ 37 Abs. 3 [X.]). Eine gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.] relevante [X.] muss von der angemeldeten Marke an sich ausgehen. Es muss also der [X.]nhalt oder die Aussage der Marke selbst in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen irreführend sein ([X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 13. Aufl. § 8 Rn. 874).

Anders als die Markenstelle in dem angefochtenen Beschluss meint, erweckt die angemeldete Marke Abbildung

Soweit der Verkehr die angemeldete Marke z.B. als herstellereigenes Gütezeichen ansieht, liegt keine [X.] vor, weil es sich tatsächlich um ein solches handeln kann.

[X.]m Ergebnis besteht keine [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.].

2. Der Eintragung der angemeldeten Marke Abbildung

§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] schließt von der Eintragung als Marke Zeichen aus, denen für die in der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen zukommende Eignung, die von der Anmeldung erfassten Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. [X.] [X.] 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/[X.] [[X.] DAS [X.]]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – [X.]/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 932 Rn. 7 – #darferdas? [X.]; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2014, 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 731 Rn. 11 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.], 608 Rn. [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 229 Rn. 27 – [X.]/[X.] [Bio[X.]D]; BGH [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2014, 565 Rn. 12 – smartbook).

Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.], 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428 Rn. 53 – [X.]; [X.], 301 Rn. 15 – [X.]; [X.], 934 Rn. 10 – [X.]; GRUR 2014, 872 Rn. 13 – Gute Laune Drops).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH [X.],1143 Rn. 15 – [X.] werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2019, 1194 Rn. 20 – [X.] [#darferdas?]; [X.], 608 Rn. 67 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 411 Rn. 24 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.] 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).

Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Zeichen, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird ([X.] GRUR 2004, 674 Rn. 86 – [X.]/[X.] [Postkantoor]; [X.], 932 Rn. 8 – #darferdas? [X.]). Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware oder die Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betreffen, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht ([X.], 301 Rn. 15 – [X.]; GRUR 2014, 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2009, 952 Rn. 10 – [X.]Card).

a) Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen kommt der angemeldeten Wort-/Bildmarke

Abbildung

die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zu.

aa. Mit Blick auf die beanspruchten Dienstleistungen richtet sich die angemeldete Marke sowohl an die allgemeinen Verkehrskreise („medizinische Beratungsdienstleistungen, insbesondere von Patienten (…)“) als auch an Fachkreise („Symposien zur Aus- und Fortbildung von Ärzten (…)“).

bb. Die vorgenannten Verkehrskreise werden die angemeldete Marke im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen wegen der siegelartigen Aufmachung zwar als Qualitätssiegel ansehen. Die darin enthaltene Buchstabenfolge „[X.]“ verleiht dem [X.] aber Unterscheidungskraft.

Die angemeldete Marke entspricht in ihrem äußeren Erscheinungsbild den in [X.] verbreiteten und bekannten runden Siegeln, Stempeln und Plaketten, die u. a. als Gütezeichen, Unternehmens- oder Verbandszeichen und als Amtssiegel vorkommen. Typisch dafür sind die umlaufende Kreislinie, der [X.]nnenrand mit eingeschriebener Wortfolge und Sternen sowie ein farblich abgesetzter [X.]nnenkreis mit eingeschriebener Buchstabenfolge (vgl. BPatG 24 W (pat) 34/09 – Deutsches Hygienezertifikat).

Trotz der siegelartigen Erscheinung erschöpft sich das Zeichen aber nicht in einer werblichen Anpreisung. Dies wäre jedoch erforderlich, um der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft absprechen zu können (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, aaO., § 8 Rn 281, 271). Wegen der unterscheidungskräftigen Buchstabenkombination „[X.]“ kommt dem [X.] Abbildung

Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Buchstabenfolge „[X.]“ eine dem Verkehr geläufige Abkürzung mit einem die beanspruchten Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt ist. Soweit die Anmelderin auf ihrer Homepage die Buchstabenfolge „[X.]“ in der Bedeutung „[X.]nnovative und patientenfreundliche Endoprothetik“ nutzt, belegt dies nicht, dass es sich um eine geläufige Abkürzung handelt, die ein relevanter Teil der angesprochenen Verkehrskreise kennt. [X.]nsofern wirkt die Buchstabenfolge mangels ohne weiteres erkennbaren [X.] als Hinweis auf den Erbringer der Dienstleistungen. Dazu trägt auch der weitere, wenn auch für sich gesehen beschreibende Wortbestandteil „[X.]“ bei. Wegen seiner Anordnung oberhalb der Buchstabenfolge liegt ein Verständnis der Wortfolge i.S.v. „[X.]“ von/durch „[X.]“ nahe.

[X.]m Ergebnis kommt dem angemeldeten Zeichen die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zu.

3.Mangels eines unmittelbar beschreibenden [X.] für die beanspruchten Dienstleistungen steht der angemeldeten Marke auch kein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen.

Meta

30 W (pat) 525/20

24.03.2022

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 4 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.03.2022, Az. 30 W (pat) 525/20 (REWIS RS 2022, 509)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 509

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24 W (pat) 34/09

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