Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.04.2013, Az. 9 AZR 731/11

9. Senat | REWIS RS 2013, 6608

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Gegenstand

Tarifliche Ausschlussfrist - Widerspruch gegen Betriebsübergang - Urlaubsabgeltung


Leitsatz

Widerspricht der Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses, so läuft eine tarifliche Ausschlussfrist zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber, die von dem Widerspruch abhängen, grundsätzlich erst ab dem Zugang des Widerspruchs.

Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 7. Juni 2011 - 12 Sa 1530/10 - teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 27. Oktober 2010 - 2 Ca 1492/10 - teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.807,60 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Januar 2010 zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 47 % zu tragen, die Beklagte zu 53 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs.

2

Die Beklagte stellte den Kläger zum 1. April 2005 als Reinigungskraft ein und beschäftigte ihn im [X.]. Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 18. April 2005 heißt es ua.:

        

„§ 7   

Urlaub/Nebentätigkeit

        

Der Arbeitnehmer erhält 28 Arbeitstage Urlaub gemäß des Tarifvertrages für [das] Gebäudereinigerhandwerk in dem Bundesland, in dem er tätig ist. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Der Zeitpunkt des jeweiligen Urlaubsantritts ist mit den betrieblichen Notwendigkeiten abzustimmen.

        

…“    

3

Der allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 4. Oktober 2003 ([X.]) lautet auszugsweise:

        

„§ 22 

        

Ausschlussfristen

        

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

        

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.“

4

Zum 1. Oktober 2009 verlor die Beklagte den [X.] für das [X.] an einen Wettbewerber. Nach Zustimmung des [X.] kündigte sie am 6. Oktober 2009 das Arbeitsverhältnis mit dem seit dem [X.] durchgehend arbeitsunfähigen Kläger. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 23. Oktober 2009.

5

In einem der Beklagten am 2. Dezember 2009 zugegangenen Schreiben der Prozessbevollmächtigten des [X.] vom 30. November 2009 heißt es ua.:

        

„Sie haben das Arbeitsverhältnis mit unserem Mandanten fristgerecht gekündigt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht unserem Mandanten der gesamte Urlaub aus den Vorjahren seit Beginn seiner Erkrankung zu. Wir dürfen Sie bitten, diesbezüglich eine Abrechnung zu erteilen und die Auszahlung des [X.] vorzunehmen.

        

Wir haben mit gleicher Post unseren Mandanten gebeten, Ihnen seine Lohnsteuerkarte unverzüglich zuzusenden.“

6

Die Beklagte antwortete mit einem dem Kläger am 23. Dezember 2009 zugegangenen Schreiben vom 15. Dezember 2009. Dieses lautet auszugsweise:

        

„…    

        

nach Überprüfung der Sachlage möchten wir Ihnen mitteilen, dass davon auszugehen ist, dass ein Betriebsübergang nach § 613a BGB vorliegt, sodass das Arbeitsverhältnis Ihres Mandanten automatisch auf die Firma K … übergegangen ist.

        

Bitte setzen Sie sich bzgl. der Urlaubsabgeltung Ihres Mandanten mit der Firma K in Verbindung.“

7

Im Antwortschreiben der Prozessbevollmächtigten des [X.] vom 23. Dezember 2009 heißt es ua.:

        

„…    

        

wir nehmen Bezug auf Ihr Schreiben vom 15.12.2009, mit dem Sie die Forderung unseres Mandanten zurückweisen und an die Firma K verweisen.

        

Dieser Hinweis ist rechtlich nicht haltbar. Wir weisen auf § 613a Abs. 2 BGB [hin].

        

Darüber hinaus widersprechen wir hiermit unter Hinweis auf die beigefügte Vollmacht dem Betriebsübergang. Da zu keinem Zeitpunkt eine Belehrung stattgefunden hat, ist der Widerspruch rechtzeitig.

        

Namens und im Auftrag unseres Mandanten fordern wir Sie daher auf, an unseren Mandanten für die Jahre 2006 bis 2009 Urlaubsabgeltung für 24 Werktage pro Jahr, insgesamt also 96 Urlaubstage in Höhe von werktäglich 58,46 €, insgesamt also

        

5.612,16 €

        

abzurechnen und den Nettobetrag an unseren Mandanten auszuzahlen.

        

Wir haben uns zur Erledigung eine Frist bis zum 05.01.2010 gesetzt. Nach Ablauf dieser Frist werden wir den Betrag beim Arbeitsgericht einklagen.“

8

Mit seiner am 22. Februar 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger zuletzt noch die Abgeltung von 73 Urlaubstagen (13 Tage für das [X.] und jeweils 20 Tage für die Jahre 2007 bis 2009) verlangt und die Auffassung vertreten, er habe die tariflichen Ausschlussfristen gewahrt. Bei seiner Bitte um Abrechnung und Auszahlung im Schreiben vom 30. November 2009 habe es sich noch nicht um die Geltendmachung eines Anspruchs im [X.] gehandelt, sodass die zweite Stufe der Ausschlussfrist dadurch nicht ausgelöst worden sei. Im Übrigen habe die Beklagte im Antwortschreiben vom 15. Dezember 2009 seinen Anspruch nicht ausdrücklich abgelehnt. Schließlich hätten die tariflichen Ausschlussfristen erst mit der Fälligkeit seines Abgeltungsanspruchs zu laufen begonnen. Diese sei erst mit seinem Widerspruch gegen den Betriebsübergang vom 23. Dezember 2009 eingetreten.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.318,05 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Januar 2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, etwaige Urlaubsabgeltungsansprüche des [X.] seien nach § 22 [X.] verfallen, weil er die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung nicht gewahrt habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit seiner Revision hat der Kläger zuletzt sein Klageziel nur noch bezüglich der Abgeltung des Urlaubs aus den Jahren 2008 und 2009 iHv. 2.807,60 Euro weiterverfolgt, wobei er sich hinsichtlich der Höhe der Urlaubsabgeltung die Berechnung der Beklagten zu eigen gemacht und pro Urlaubstag 70,19 Euro brutto zugrunde gelegt hat. Die Beklagte bittet um die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist begründet. Das [X.] hat die Berufung des [X.] gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen, soweit der Kläger die Abgeltung seiner Urlaubsansprüche aus den Jahren 2008 und 2009 verlangt hat.

I. Die [X.] hat gemäß § 7 Abs. 4 [X.] [X.]eils 20 Urlaubstage aus den Jahren 2008 und 2009 mit 70,19 Euro brutto pro Urlaubstag abzugelten und damit Urlaubsabgeltung in Höhe von insgesamt 2.807,60 Euro brutto an den Kläger zu zahlen.

1. Der Anspruch des [X.] auf bezahlten Erholungsurlaub gemäß § 1 [X.] aus dem [X.] ist trotz seiner Arbeitsunfähigkeit entstanden (vgl. [X.] 7. August 2012 - 9 [X.] - Rn. 8 [X.]) und war zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 23. Oktober 2009 nicht verfallen. Der Kläger war aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage, den Urlaub in Anspruch zu nehmen. Der Urlaubsanspruch ging daher nach unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 [X.] nicht am 31. März 2009 unter (vgl. [X.] 7. August 2012 - 9 [X.] - Rn. 32). Für den [X.] des [X.] ist es unerheblich, ob dieser über den 23. Oktober 2009 hinaus weiterhin arbeitsunfähig krank war (vgl. [X.] 4. Mai 2010 - 9 [X.]/09 - Rn. 21, [X.]E 134, 196; 24. März 2009 - 9 [X.] - Rn. 59 [X.], [X.]E 130, 119).

2. Der Urlaub aus dem [X.] war entgegen der Rechtsansicht der [X.]n nicht aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 23. Oktober 2009 anteilig zu kürzen. § 14 Ziff. 1.5 [X.] regelt zwar, dass bei einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Laufe des Urlaubsjahres der Urlaubsanspruch 1/12 für jeden vollen Kalendermonat beträgt, in dem das Beschäftigungsverhältnis während des betreffenden Urlaubsjahres bestanden hat. Jedoch ist ferner ausdrücklich tariflich angeordnet, dass der gesetzliche Mindesturlaub nicht unterschritten werden darf. Da das Arbeitsverhältnis des [X.] länger als sechs Monate bestanden hatte und in der zweiten Jahreshälfte endete, stand dem in einer Fünftagewoche beschäftigten Kläger der volle Jahresurlaub von 20 Arbeitstagen zu (arg. e contrario § 5 Abs. 1 Buchst. c [X.]).

II. Der [X.] des [X.] ist nicht gemäß § 22 [X.] verfallen. Der Kläger wahrte mit seinem Schreiben vom 30. November 2009 und mit seiner am 22. Februar 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage vom 17. Februar 2010 beide Stufen der Ausschlussfrist des § 22 [X.].

1. Nach § 22 Abs. 1 [X.] müssen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Diese Frist hielt der Kläger mit seinem der [X.]n am 2. Dezember 2009 zugegangenen Schreiben vom 30. November 2009 ein, in dem er die [X.] auf den ihm zustehenden Urlaub hinwies und um Abrechnung und Zahlung bat. Bei dieser Abrechnungs- und Zahlungsbitte handelte es sich um eine sogenannte nichttypische Erklärung.

a) Die Auslegung nichttypischer Erklärungen ist regelmäßig den [X.] vorbehalten. [X.] nachprüfbar ist lediglich, ob gesetzliche Auslegungsregeln iSd. §§ 133, 157 BGB, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Tatsachenstoff, der für die Auslegung von Bedeutung sein kann, außer Betracht gelassen worden ist. Bei der Geltendmachung einer Forderung handelt es sich zwar um keine Willenserklärung, sondern um eine einseitige rechtsgeschäftsähnliche Handlung. Auf solche Handlungen sind aber die Vorschriften über die Auslegung von Willenserklärungen entsprechend anzuwenden. Das gilt auch für den revisionsrechtlichen Prüfmaßstab ([X.] 20. Februar 2001 - 9 [X.] II 2 a der Gründe [X.]).

b) Danach ist die Auslegung des [X.]s revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, der Kläger habe mit dem Schreiben vom 30. November 2009 die inhaltlichen Anforderungen der ersten Stufe der Ausschlussfrist des § 22 [X.] erfüllt.

aa) Unerheblich ist, dass der Kläger nicht ausdrücklich die Abgeltung seiner Urlaubsansprüche verlangte. Auf die Wortwahl kommt es nicht an. Für die Geltendmachung eines Anspruchs genügt die Erklärung einer Partei, mit der klargestellt wird, sie stelle an die Gegenseite einen näher bestimmten Anspruch ([X.] 20. Februar 2001 - 9 [X.] II 3 a der Gründe; [X.]/[X.] Der Tarifvertrag Teil 5 (22) Rn. 9). Für die [X.] war ohne Weiteres erkennbar, dass der Kläger Urlaubsabgeltung iSd. § 7 Abs. 4 [X.] verlangte. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kam eine bezahlte Freistellung des [X.] von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht mehr in Betracht. Der Kläger verlangt auch nicht nur Abrechnung (vgl. dazu [X.] 20. Februar 2001 - 9 [X.] II 3 b der Gründe; enger [X.]/[X.] 3. Aufl. § 1 Rn. 1776), sondern forderte die [X.] ausdrücklich auch zur Auszahlung des [X.] auf. Das Antwortschreiben der [X.]n vom 15. Dezember 2009, in dem die [X.] den Kläger aufforderte, sich bezüglich der Urlaubsabgeltung „mit der Firma K in Verbindung zu setzen“, zeigt, dass die [X.] das Schreiben des [X.] vom 30. November 2009 auch als Aufforderung zur Abrechnung und Zahlung der Urlaubsabgeltung verstanden hatte.

bb) Rechtsfehlerfrei ist auch die Annahme des [X.]s, der Kläger habe seinen Anspruch hinreichend konkretisiert. Zur Wahrung tariflicher Ausschlussfristen muss grundsätzlich jede Forderung nach Grund und Höhe angemeldet werden. Dabei meint die Anmeldung dem Grunde nach den tatsächlichen Lebenssachverhalt, auf den sich der Anspruch stützt, nicht die rechtliche Begründung. Wird eine schriftliche Geltendmachung gefordert, ist in dem Geltendmachungsschreiben eine Bezifferung der Forderung nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder diese ohne Weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar davon ausgeht (vgl. zur Lohn- und Lohnfortzahlung: [X.] 26. Februar 2003 - 5 [X.] - zu II 3 a der Gründe, [X.]E 105, 181; 5. Dezember 2001 - 10 [X.] - zu II 3 b bb der Gründe [X.]). Hat ein Arbeitgeber nach langer krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers Urlaub abzugelten, ist er in aller Regel eher in der Lage als der Arbeitnehmer, die zutreffende Höhe der Urlaubsabgeltung zu ermitteln. Die Bitte des [X.] um Abrechnung zeigt, dass dieser davon ausging, die [X.] könne die Höhe seines Anspruchs unschwer berechnen und sei dazu auch verpflichtet.

Allerdings gab der Kläger nicht ausdrücklich an, dass er den Urlaub aus den Jahren 2006 bis 2009 abgegolten haben wollte. Dies hindert jedoch nicht die Annahme, dass er im Schreiben vom 30. November 2009 den Lebenssachverhalt, auf den er seinen Anspruch stützt, hinreichend konkret dargetan hat. Das [X.] hat die Formulierung „steht unserem Mandanten der gesamte Urlaub aus den Vorjahren seit Beginn seiner Erkrankung“ in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise so ausgelegt, dass der Kläger die Abgeltung des Urlaubs aus den Jahren 2006 bis 2009 beanspruchte.

2. Die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs nach § 22 Abs. 2 [X.] begann entgegen der Rechtsansicht des [X.]s und der Auffassung der [X.]n erst mit dem Zugang des Widerspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB bei der [X.]n zu laufen und damit nicht vor dem 23. Dezember 2009. Zur Wahrung der Frist genügte der rechtzeitige Eingang der Klageschrift bei Gericht (§ 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 167 ZPO; vgl. [X.]/[X.] Teil 5 (22) Rn. 7). Da die Klage am 22. Februar 2010 beim Arbeitsgericht einging, wurde die Frist von zwei Monaten zur Wahrung der zweiten Stufe der tariflichen Ausschlussfrist eingehalten.

3. Dahingestellt bleiben kann, ob im Rahmen der Neuvergabe des Reinigungsauftrags für das [X.] tatsächlich ein Betriebsübergang iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB stattfand, wovon die [X.] in ihrem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 15. Dezember 2009 „nach Überprüfung der Sachlage“ ausging.

a) [X.] die „[X.] als neue Auftragnehmerin zum 1. Oktober 2009 gemäß § 613a Abs. 1 BGB tatsächlich in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ein, hinderte dies gegenüber der [X.]n den Beginn des Laufs der Frist zur gerichtlichen Geltendmachung nach § 22 Abs. 2 [X.].

aa) Wird das Widerspruchsrecht nach dem Betriebsübergang vom Arbeitnehmer ausgeübt, wirkt es auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurück (sog. ex-tunc-Wirkung; st. Rspr., vgl. nur [X.] 13. Juli 2006 - 8 [X.] - Rn. 41 [X.], [X.]E 119, 91; vgl. auch [X.]/Müller-Glöge 6. Aufl. § 613a Rn. 122; KR/[X.] 10. Aufl. § 613a BGB Rn. 116; [X.]/Preis 13. Aufl. § 613a BGB Rn. 105). Der Widerspruch führt dazu, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien ununterbrochen fortbestand ([X.] 13. Juli 2006 - 8 [X.] - Rn. 39, aaO). Daraus wird teilweise die Schlussfolgerung gezogen, auch Ausschlussfristen fänden bei einem später erklärten Widerspruch so Anwendung, als habe das Arbeitsverhältnis ununterbrochen fortbestanden ([X.] 19. August 2010 - 4 [X.]/10 - zu II 1 c aa (2) der Gründe, LAGE BGB 2002 § 613a Nr. 31; zustimmend [X.]/Zwanziger [X.]. § 4 Rn. 1148; Grobys/Panzer/Schönhöft SWK [X.] 2012 Ausschlussfristen Rn. 23). Dies soll dazu führen können, dass Ansprüche im Zeitpunkt der Ausübung des Widerspruchsrechts bereits verfallen seien.

bb) Ein solches Verständnis widerspricht jedoch dem Zweck tariflicher Ausschlussfristen. Tarifvertragsparteien wollen durch die Normierung der Verpflichtung zur gerichtlichen Geltendmachung alsbaldige Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs schaffen. Ein Zwang zur Anrufung des Arbeitsgerichts ist allerdings nur sinnvoll, wenn der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auch durchsetzbar ist (vgl. [X.] 27. März 1996 - 10 [X.] - zu II 3 a der Gründe). So läuft die Frist für die gerichtliche Geltendmachung grundsätzlich nicht vor der Fälligkeit des Anspruchs ([X.] 18. November 2004 - 6 [X.] - zu 2 a dd der Gründe, [X.]E 112, 351; 13. Februar 2003 - 8 [X.] II 2 a der Gründe [X.]; 27. März 1996 - 10 [X.] - aaO; [X.] Ausschlussfristen im Tarifrecht [X.]. 5 Rn. 66 und [X.]. 7 Rn. 17).

cc) Bei einem Betriebsübergang gemäß § 613a BGB zum 1. Oktober 2009 hätte die von der [X.]n am 6. Oktober 2009 erklärte Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet, weil die [X.] zum Kündigungszeitpunkt nicht mehr Arbeitgeberin des [X.], sondern Dritte gewesen wäre (vgl. [X.] 27. Oktober 2005 - 8 [X.] - Rn. 26; [X.]/Müller-Glöge § 613a Rn. 209). Mangels Beendigung des Arbeitsverhältnisses wäre ein Anspruch des [X.] auf Urlaubsabgeltung nicht entstanden, geschweige denn fällig gewesen (vgl. [X.] 7. August 2012 - 9 [X.] - Rn. 45 [X.]), sodass die tarifliche Ausschlussfrist nicht zu laufen begonnen hätte.

dd) Obschon ein vom Arbeitnehmer nach einem Betriebsübergang ausgeübtes Widerspruchsrecht auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurückwirkt, darf dieses ebenso wie andere Gestaltungsrechte nicht mechanisch gehandhabt werden, wenn sich Einschränkungen der Rückwirkung aus dem Gesetzeszweck ergeben (vgl. [X.]/[X.] (2009) § 184 Rn. 38; [X.]/[X.] BGB 72. Aufl. § 184 Rn. 2). So ordnet das Gesetz in § 184 BGB an, dass die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurückwirkt. Dennoch entspricht es allgemeiner Auffassung, dass die Verjährung durch die Genehmigung nicht rückwirkend, sondern ex nunc in Gang gesetzt wird (vgl. [X.]/[X.] aaO; [X.]/[X.] aaO, [X.]. [X.]; [X.] in jurisPK-BGB 5. Aufl. § 184 Rn. 26; [X.] BGB/Bub Stand 1. Februar 2013 § 184 Rn. 9; vgl. auch zum Beginn der Klagefrist nach §§ 4, 7 [X.] bei rückwirkender Genehmigung der Kündigung: [X.] 6. September 2012 - 2 [X.] 858/11 - Rn. 14). Bereits das [X.] hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass eine rechtliche Fiktion nicht [X.] habe, tatsächliche Unmöglichkeiten zu überwinden und die Zeitrechnung umzustoßen ([X.] 28. Februar 1907 - V 282/06 - [X.]Z 65, 245). Die Verjährung eines Anspruchs erfordere, dass der Anspruch entstanden sei, also geltend gemacht werden konnte, und nur während der bestimmten Frist nicht geltend gemacht worden sei.

ee) Nach ihrem Sinn und Zweck ist eine einschränkende Auslegung tariflicher Ausschlussfristen geboten, wenn der Widerspruch vom Arbeitnehmer nach dem Betriebsübergang wirksam erklärt wird. Dafür, dass Tarifvertragsparteien mit der Normierung von Ausschlussfristen Ansprüche auch dann untergehen lassen wollten, wenn der Anspruchsberechtigte vor Ablauf der Ausschlussfristen nicht in der Lage war, seinen Anspruch mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich geltend zu machen, fehlt jeder Anhaltspunkt. Tarifliche Ausschlussfristen bezwecken nur, über das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis alsbald Klarheit zu schaffen.

ff) Der Einwand, der Kläger habe es damit in der Hand gehabt, durch die Ausübung seines Widerspruchsrechts die zweite Stufe der Verfallfrist in Gang zu setzen, überzeugt nicht. Ein Arbeitnehmer kann den Widerspruch nur innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB wirksam erklären. Der bisherige Arbeitgeber hat es mithin selbst in der Hand, den Arbeitnehmer durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung zu einer zeitnahen Erklärung zu veranlassen (zu den Folgen einer fehlerhaften Unterrichtung: vgl. [X.] 10. November 2011 - 8 [X.] 430/10 - Rn. 23 [X.]).

b) Auch wenn zum 1. Oktober 2009 kein Betriebsübergang gemäß § 613a BGB stattgefunden haben sollte, könnte die [X.] sich auf diesen Umstand nicht berufen, sodass auch in diesem Fall die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach § 22 Abs. 2 [X.] frühestens mit dem Zugang des Widerspruchs des [X.] bei der [X.]n zu laufen begann. Die [X.] war aufgrund ihrer Ausführungen im Schreiben vom 15. Dezember 2009 gehindert, sich auf die Versäumung der Frist zur gerichtlichen Geltendmachung der Urlaubsabgeltung zu berufen. Es bedarf daher keiner weiteren Prüfung, ob sich die [X.] in den Tatsacheninstanzen ausreichend gemäß § 138 Abs. 2 ZPO zu der Behauptung des [X.], es habe ein Betriebsübergang vorgelegen (zum Betriebsübergang als Tatsachen einkleidenden Rechtsbegriff: vgl. [X.] 14. November 2007 - 4 [X.] 861/06 - Rn. 28 f. [X.]), erklärt hat, oder ob der Umstand als zugestanden zu gelten hat (§ 138 Abs. 3 ZPO). Mit dem erstmals in der Revisionsverhandlung erhobenen Einwand, objektiv habe kein Betriebsübergang vorgelegen, setzt sich die [X.] in Widerspruch zu ihrer eigenen Erklärung vom 15. Dezember 2009. Dieses Verhalten verstößt gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Eine gegen Treu und Glauben verstoßende und damit gemäß §§ 242134 BGB unzulässige Rechtsausübung stellt die Berufung auf eine Ausschlussfrist dann dar, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit des Gläubigers hinsichtlich der erforderlichen Geltendmachung des Anspruchs durch ein Verhalten des Schuldners veranlasst worden ist ([X.] 13. Dezember 2007 - 6 [X.] 222/07 - Rn. 32 [X.], [X.]E 125, 216; 10. Oktober 2002 - 8 [X.] 8/02 - zu II 2 e aa der Gründe, [X.]E 103, 71; Thüsing/[X.]/Mengel/Burg Tarifrecht [X.]. 5 Ausschlussklauseln Rn. 16). Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung der Grundsätze von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Das Vertrauen des anderen am Rechtsverhältnis beteiligten Teils, dass eine bestimmte Rechtslage gegeben sei, ist vor allem dann schutzwürdig, wenn er von dem anderen Teil in diesem Glauben bestärkt worden ist und im Hinblick darauf Dispositionen getroffen hat ([X.] 22. August 2012 - 5 [X.] 526/11 - Rn. 19 [X.]).

Der Kläger hatte bereits im Rahmen des Verfahrens vor dem Integrationsamt geltend gemacht, dass von einem Betriebsübergang auszugehen sei. Dieser Auffassung hat sich die [X.] mit Schreiben vom 15. Dezember 2009 „nach Überprüfung der Sachlage“ angeschlossen. Etwaige noch bestehende Zweifel am Vorliegen eines Betriebsübergangs hat die [X.] dem Kläger gegenüber nicht geäußert, sondern den Kläger aufgefordert, sich bezüglich der Urlaubsabgeltung mit dem [X.] in Verbindung zu setzen. Der Kläger durfte sein Verhalten fortan darauf einstellen, dass sein Arbeitsverhältnis (zunächst) auf den [X.] übergegangen war. Dies hat der Kläger ausweislich seines Schreibens vom 23. Dezember 2009, in dem er dem Übergang widersprach, auch getan.

III. [X.] folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 288 Abs. 1 BGB.

IV. [X.] beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    W. Schmid    

        

    [X.]    

                 

Meta

9 AZR 731/11

16.04.2013

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Köln, 27. Oktober 2010, Az: 2 Ca 1492/10, Urteil

§ 613a Abs 6 BGB, § 613a Abs 1 BGB, § 7 Abs 3 BUrlG, § 7 Abs 4 BUrlG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.04.2013, Az. 9 AZR 731/11 (REWIS RS 2013, 6608)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6608


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 9 AZR 731/11

Bundesarbeitsgericht, 9 AZR 731/11, 16.04.2013.


Az. 2 Ca 1492/10

Arbeitsgericht Köln, 2 Ca 1492/10, 27.10.2010.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

6 Ca 1217/15

5 Ca 1796/15

6 Ca 1223/15

1 Sa 733/15

3 Sa 831/21

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