Bundessozialgericht, Beschluss vom 24.10.2013, Az. B 13 R 240/12 B

13. Senat | REWIS RS 2013, 1693

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - vorschriftsmäßige Besetzung des Senats


Tenor

Auf die Beschwerde des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 27. März 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Im Streit steht der Anspruch des [X.] auf Rente wegen Erwerbsminderung ab 1.5.2005. Der im April 2005 bei der Beklagten gestellte Antrag des im Jahre 1951 geborenen [X.] blieb erfolglos (Bescheid vom 19.10.2005; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Das [X.] hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom [X.] abgewiesen. Das [X.] hat diese Entscheidung bestätigt und die Berufung auf die mündliche Verhandlung vom 27.3.2012 durch die Richterin am [X.] M. (M.) und [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung hat das [X.] im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger weder teilweise noch voll erwerbsgemindert sei (§ 43 [X.]), und auf die zutreffenden Ausführungen des [X.] Bezug genommen (§ 153 Abs 2 [X.]G).

2

Im Berufungsverfahren ist der nicht anwaltlich vertretene Kläger von der seinerzeit noch zuständigen Berichterstatterin gebeten worden mitzuteilen, ob er mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin gemäß § 155 Abs 3 iVm Abs 4 [X.]G als Einzelrichterin einverstanden sei (Verfügung vom [X.]). Mit Schreiben vom 21.10.2010 hat sich der Kläger damit nicht einverstanden erklärt, dass eine Einzelrichterin das Verfahren entscheidet, sondern um eine Entscheidung durch [X.] ("ohne Vorsitzender F.") gebeten. Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 27.5.2011 wurde die Richterin am [X.] M. unter Übertragung der Aufgaben nach §§ 104, 106 bis 108 und 120 [X.]G aufgrund einer senatsinternen geänderten Geschäftsverteilung zur Berichterstatterin für dieses Verfahren bestellt. Mit gerichtlichem Schreiben vom 14.12.2011 ist der nicht vertretene Kläger vom Termin zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme am 27.3.2012 vor der Berichterstatterin mit den ehrenamtlichen Richtern informiert worden. Nach Vernehmung des gerichtlichen Sachverständigen über den Gesundheitszustand des [X.] in der öffentlichen Sitzung des L[X.] vom 27.3.2012 hat die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern in Anwesenheit des [X.] die Berufung zurückgewiesen.

3

Mit der hiergegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger Verfahrensmängel. In seiner Beschwerdebegründung vom 17.5.2013 macht er eine Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 155 Abs 3 und 4 [X.]G geltend, weil die Berichterstatterin des Berufungsgerichts entschieden habe, obwohl die Voraussetzungen hierfür offensichtlich nicht vorgelegen hätten. Er beruft sich auf Rechtsprechung des B[X.] (ua B[X.] [X.]-1500 § 155 [X.] 1).

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

5

Der Kläger hat den Zulassungsgrund des [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]G) formgerecht (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G) gerügt.

6

Der Verfahrensmangel liegt auch vor. Das [X.] hat mit der Entscheidung über die Berufung des [X.] im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.3.2012 den Anspruch des [X.] auf [X.] (Art 101 Abs 1 S 2 GG) verletzt, weil die Berichterstatterin den [X.] zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden hat, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.

7

Bei Urteilen mit und ohne mündliche Verhandlung entscheidet über das Rechtsmittel der Berufung grundsätzlich der mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern sowie zwei ehrenamtlichen Richtern besetzte Senat (§ 33 S 1 [X.]G). Nur unter den vom Gesetz bestimmten Voraussetzungen (§§ 153 Abs 5, 155 Abs 3 und Abs 4 [X.]G) darf in anderer als dieser Besetzung entschieden werden. Die Frage, ob das [X.] in voller Senatsbesetzung oder in einer gesetzlich vorgesehenen anderen Besetzung entscheidet, berührt das von Verfassung wegen nach Art 101 Abs 1 S 2 GG gewährleistete Recht auf [X.] in seiner einfachrechtlichen Ausprägung (vgl B[X.]E 99, 189 = [X.]-1500 § 155 [X.] 2, Rd[X.] 14 mwN).

8

Nach § 153 Abs 5 [X.]G kann der Senat in den Fällen des § 105 Abs 2 S 1 [X.]G (wenn das [X.] - wie hier - durch Gerichtsbescheid entschieden hat) durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

9

Hier mangelt es bereits an einem Beschluss des Senats, durch den die Berufung der Berichterstatterin zusammen mit zwei ehrenamtlichen Richtern zur Entscheidung übertragen worden ist. Das [X.] hat in dem angefochtenen Urteil auf keinen solchen Beschluss Bezug genommen. Der [X.]-Akte kann auch nicht entnommen werden, dass ein solcher Beschluss ergangen ist, der aber Gegenstand der Akte sein müsste, weil er schriftlich abzufassen und der Geschäftsstelle zu übergeben ist (§§ 153 Abs 1, 142 Abs 1, 134 [X.]G). Der Beschluss hätte den Beteiligten auch zugestellt werden müssen (§§ 153 Abs 1, 133 [X.]G). In der [X.]-Akte findet sich aber weder ein Zustellungsnachweis noch ein Anhaltspunkt dafür, dass eine Zustellung erfolgt wäre (vgl zum Ganzen B[X.] [X.]-1500 § 153 [X.] 8).

Der Verfahrensmangel ist auch nicht durch rügelose Einlassung (§ 202 [X.]G iVm § 295 ZPO) geheilt; dies gilt bereits deswegen, weil die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts zu den nicht verzichtbaren Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Verfahrens (§ 295 Abs 2 ZPO) gehört (B[X.] [X.]-1500 § 153 [X.] 8 Rd[X.] 8). Zum anderen ist die Vorschrift des § 295 ZPO auf den Anwaltsprozess zugeschnitten und daher bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten allenfalls nach Belehrung durch den Vorsitzenden anwendbar (B[X.] vom 12.4.2000 - B 9 SB 2/99 R - Juris Rd[X.] 21).

Daher durfte der Senat nur in der nach § 33 S 1 [X.]G vorgeschriebenen Senatsbesetzung über die Berufung des [X.] entscheiden. Das Urteil des [X.] verletzt nicht nur die genannten Vorschriften des [X.]G, sondern auch das grundrechtsgleiche Recht des [X.] auf [X.] iS von Art 101 Abs 1 S 2 GG (vgl B[X.] [X.]-1500 § 155 [X.] 1 mwN).

Da das Recht auf [X.] zu den Grundlagen des Prozessrechts gehört, bei deren Verletzung gesetzlich vermutet wird (§ 202 [X.]G iVm § 547 [X.] 1 ZPO), dass die ergangene Entscheidung auf der Verletzung von [X.] beruht (vgl B[X.] vom 13.11.2012 - B 2 U 218/12 B - Juris Rd[X.] 11), war die Entscheidung nach § 160a Abs 5 [X.]G aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird der abschließenden Entscheidung des [X.] vorbehalten.

Meta

B 13 R 240/12 B

24.10.2013

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Hamburg, 28. Juli 2010, Az: S 9 R 1443/06 KN, Gerichtsbescheid

§ 33 S 1 SGG, § 104 SGG, §§ 104ff SGG, § 153 Abs 5 SGG, § 155 Abs 3 SGG, § 155 Abs 4 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 202 SGG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 295 Abs 2 ZPO, § 547 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 24.10.2013, Az. B 13 R 240/12 B (REWIS RS 2013, 1693)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1693

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