Bundessozialgericht, Beschluss vom 13.04.2011, Az. B 14 AS 123/10 B

14. Senat | REWIS RS 2011, 7581

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Berufung gegen Gerichtsbescheid - Entscheidung durch Einzelrichter - keine Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters


Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 18. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Kläger begehren Leistungen nach dem [X.] ([X.]) von dem Beklagten. Das Sozialgericht ([X.]) hat ihre Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 27.2.2008), das [X.] (L[X.]) hat ihre Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 18.12.2009).

2

Die gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des L[X.] gerichtete Beschwerde der Kläger ist zurückzuweisen, weil sie zum Teil unzulässig und zum Teil unbegründet ist.

3

Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ([X.]G) genannten Gründen - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel - zugelassen werden. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des L[X.] abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (B[X.]) erfordern diese Vorschriften, dass der [X.] schlüssig dargetan wird (vgl B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.], 47, 58; [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, [X.], [X.] ff mwN). Andernfalls ist die Beschwerde schon als unzulässig zu verwerfen.

4

Die Kläger stützen ihre Beschwerde auf den [X.] der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (B[X.]E 40, 58 = [X.] 1500 § 160a [X.]1). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die begehrte Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G prüfen zu können ([X.]/[X.], aaO, [X.], Rd[X.]81). Außerdem ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl [X.]/[X.], aaO, [X.], RdNr 65 f). Eine mögliche fehlerhafte Rechtsanwendung des L[X.] im Einzelfall führt nicht zu einer grundsätzlichen Bedeutung der damit in Zusammenhang stehenden Rechtsfrage.

5

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Kläger haben als erste Frage formuliert, "ob die für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2006 geltenden unterschiedlichen Regelsätze für [X.] (331,00 €) und [X.] (345,00 €) gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen".

6

Die Kläger haben jedoch die Klärungsbedürftigkeit der Frage nicht aufgezeigt. Auch wenn der Verstoß einer Norm gegen das Grundgesetz (GG) gerügt wird, entbindet dies nicht von der allgemeinen Darlegungspflicht des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G (B[X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]). Vorliegend mangelt es an näheren Darlegungen zu dem als verletzt bezeichneten Gleichheitssatz nach Art 3 Abs 1 GG sowie zu der zum Zeitpunkt der Beschwerdebegründung vom [X.] schon veröffentlichten Entscheidung des [X.] ([X.]) vom [X.] zur Verfassungsmäßigkeit der Leistungen nach dem [X.] (1 BvL 1/09, 1 [X.], 1 [X.] - [X.]E 125, 175). Weder werden die zu der aufgeworfenen Frage schon bestehenden Rechtsgrundsätze aufgezeigt, noch wird dargelegt, inwieweit diese einer Weiterentwicklung bedürfen. Selbst wenn es "Unterschiede des Verbrauchsniveaus und des privaten Konsumverhaltens nicht nur in [X.] und [X.], sondern innerhalb des gesamten Bundesgebietes gibt", kann daraus nicht zwingend ohne Weiteres abgeleitet werden, dass unterschiedliche "Regelsätze" "zwischen [X.] und [X.]" gegen den Gleichheitssatz verstoßen, wie insbesondere der angeführten Entscheidung des [X.] und deren Aussagen zur Herleitung der "Regelsätze" entnommen werden kann, auf die in der Beschwerdebegründung nicht eingegangen wird.

7

Die zweite Frage der Kläger, "ob eine [X.] im Sinne von § 9 Abs. 5 [X.] dann vorliegen kann, wenn der Hilfebedürftige und der Verwandte keinen gemeinsamen Haushalt führen, insbesondere wenn der Verwandte in einer anderen Stadt wohnt", ist entweder unklar formuliert oder aufgrund der angesprochenen gesetzlichen Regelung zu beantworten, sodass die Klärungsbedürftigkeit der Frage zu verneinen ist (B[X.] [X.] 1300 § 13 [X.]): Voraussetzung für eine [X.] ist das Leben in einem Haushalt, ohne gemeinsamen Haushalt scheidet eine [X.] nach § 9 Abs 5 [X.] aus.

8

Die Kläger stützen ihre Beschwerde des Weiteren auf den [X.] des [X.] nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G und [X.] eine unrichtige Besetzung des Gerichts bei der angefochtenen Entscheidung: Es habe die Berichterstatterin als Einzelrichterin entschieden, obwohl die Klägerin zu 1 mit Schreiben vom [X.] nur mitgeteilt habe: "Hiermit möchte ich einer Entscheidung durch einen Einzelrichter zustimmen, aber darum bitten, noch einmal Stellung zu meinem Anliegen nehmen zu können, wenn möglich mündlich, falls nicht möglich schriftlich." Der anschließende Termin am 18.12.2009 habe als mündliche Verhandlung allein vor der Berichterstatterin als Einzelrichterin stattgefunden, die im [X.] auch das Urteil verkündet habe. Die Berichterstatterin habe zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden müssen, weil § 153 Abs 5 [X.]G dem § 155 Abs 4 [X.]G als lex specialis vorgehe.

9

Der von den Klägern gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass § 153 Abs 5 [X.]G kein lex specialis zu § 155 Abs 4 [X.]G ist. § 153 Abs 5 [X.]G eröffnet in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 [X.]G (Entscheidung des [X.] durch Gerichtsbescheid) die Möglichkeit, durch Beschluss des Senats des L[X.] die Berufung dem Berichterstatter zu übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet, während nach § 155 Abs 3 [X.]G im Einverständnis der Beteiligten der Vorsitzende "auch sonst anstelle des Senats entscheiden kann", womit insbesondere auch eine abschließende Entscheidung über die Berufung durch Urteil gemeint ist. Diese Entscheidungszuständigkeit des Vorsitzenden nach § 155 Abs 3 [X.]G geht bei Bestellung eines Berichterstatters nach § 155 Abs 4 [X.]G auf Letzteren über. Schon der Wortlaut der Normen zeigt, dass eine Entscheidung nach § 153 Abs 5 [X.]G an andere Voraussetzungen geknüpft ist, zB einen Übertragungsbeschluss des Senats, als eine Entscheidung nach § 153 Abs 3 [X.]G oder wie vorliegend nach § 153 Abs 3, 4 [X.]G, Letztere bedürfen eines Einverständnisses der Beteiligten. Beide Entscheidungsformen stehen gleichwertig nebeneinander und sind unterschiedliche Wege zur Beendigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz durch eine Entscheidung unter Vermeidung eines Urteils des Senats in voller Besetzung (vgl § 33 [X.]G) nach mündlicher Verhandlung.

Die Voraussetzungen der vom L[X.] gewählten Entscheidungsform Urteil der Berichterstatterin nach mündlicher Verhandlung aufgrund von § 155 Abs 3, 4 [X.]G waren erfüllt. Insbesondere hatte die Klägerin zu 1 in Vertretung des ebenfalls beschwerdeführenden Klägers zu 2 durch ihr oben [X.] Schreiben ihr Einverständnis zu einer solchen Entscheidung gegeben.

Denn die Erklärung "möchte ich ... zustimmen" ist, wie den Formulierungen der Klägerin zu 1 auch im übrigen Text ihres Schreibens vom [X.] zu entnehmen ist, nicht als Möglichkeit oder In-Aussicht-Stellen zu verstehen, sondern als grundsätzliches Einverständnis zu einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin mit der Möglichkeit seitens der Klägerin zu 1 sich noch einmal in der Sache äußern zu können - also ihr rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 [X.]G) zu wahren. Diese Gelegenheit hatte die Klägerin schriftlich aufgrund des Zeitablaufs bis zur mündlichen Verhandlung und in der mündlichen Verhandlung, an der die Klägerin zu 1 ausweislich des Protokolls teilgenommen hat. Angesichts dieser Teilnahme an der mündlichen Verhandlung alleine vor der Berichterstatterin als [X.] hätte es zudem weiterer Darlegungen in der Beschwerdebegründung bedurft, wieso die Klägerin zu 1 nicht einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin widersprochen hat, wenn ihr angeführtes Schreiben nicht als Einverständnis zu dieser Entscheidungsform zu verstehen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 14 AS 123/10 B

13.04.2011

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Dresden, 27. Februar 2008, Az: S 12 AS 573/05, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 33 S 1 SGG, § 153 Abs 5 SGG, § 105 Abs 2 S 1 SGG, § 155 Abs 3 SGG, § 155 Abs 4 SGG, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 13.04.2011, Az. B 14 AS 123/10 B (REWIS RS 2011, 7581)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7581

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvL 1/09

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