Bundessozialgericht, Urteil vom 21.10.2021, Az. B 5 R 23/21 R

5. Senat | REWIS RS 2021, 1698

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Vormerkung von Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung - Beitragszeiten - Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung - Absolvierung eines Berufsgrundschuljahrs vor dem 17. Lebensjahr - Verfassungsmäßigkeit


Leitsatz

1. Der Rentenversicherungsträger hat im Vormerkungsbescheid ua die Art der zurückgelegten rentenrechtlichen Zeit festzustellen.

2. Abgesehen von den gesetzlich geregelten Fällen einer vermuteten oder fingierten Beitragszahlung hängen Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung von einer tatsächlichen Beitragsentrichtung ab.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 19. Juli 2018 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vormerkung der [X.] vom 1.9.1981 bis zum 31.7.1982 im Versicherungsverlauf des Klägers.

2

In diesem [X.]raum absolvierte der Ende 1965 geborene Kläger ein [X.] des Berufsfelds "Bautechnik" an einer staatlichen Berufsschule in [X.], [X.]. Anschließend durchlief er vom [X.] bis zum 30.4.1984 eine betriebliche Berufsausbildung zum Betonbauer.

3

Die Beklagte führte 2016 ein Kontenklärungsverfahren durch und stellte durch Bescheid vom 16.6.2016 die im beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Jahre zurücklagen, verbindlich fest. Sie merkte die [X.] vom [X.] bis zum 30.4.1984 als Pflichtbeitragszeit wegen beruflicher Ausbildung vor. Die Feststellung der streitbefangenen [X.] als Anrechnungszeit lehnte sie ab.

4

Der Kläger erhob Widerspruch "bezüglich [X.] 01.09.1981-31.07.1982". Er legte eine Bestätigung der [X.] vor, wonach das [X.] auf seine Ausbildungszeit angerechnet worden sei. Er gab an, während der streitbefangenen [X.] Ausbildungsförderung nach dem [X.] ([X.]) bezogen zu haben. Die Beklagte wies den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 2.12.2016 zurück. Das [X.] könne nicht als Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] anerkannt werden, weil diese [X.] der schulischen Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres beendet worden sei. Es könne auch nicht als Beitragszeit berücksichtigt werden, denn für den Kläger seien erst ab August 1982 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden.

5

Der seinerzeit nicht vertretene Kläger hat dagegen erfolglos Klage vor dem [X.] wegen der "Anerkennung meiner Schulausbildung (BGJ) (…) als Bestandteil der Ausbildung" erhoben (Gerichtsbescheid vom 29.8.2017). Seine Berufung hat der weiterhin unvertretene und in der mündlichen Verhandlung vor dem L[X.] nicht erschienene Kläger "wegen Abklärung Ausbildungszeiten" eingelegt. Das L[X.] hat dies als einen auf die Vormerkung der streitbefangenen [X.] als Anrechnungszeit gerichteten Klageantrag aufgefasst und die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Vormerkung der streitbefangenen [X.] als Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 [X.]. Es könne dahinstehen, ob das absolvierte [X.] unter den Begriff der "berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme" oder der "Fachschule" zu fassen sei. Eine schulische Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres stelle generell keine vormerkungsfähige Anrechnungszeittatsache dar, was keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. Eine Anerkennung der streitbefangenen [X.] als Beitragszeit habe der Kläger zutreffend nicht begehrt. Für diese [X.] habe keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden, weil keiner der in § 1 Satz 1 [X.]B VI geregelten Versicherungspflichttatbestände verwirklicht worden sei.

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1 Satz 5 Nr 1 iVm Satz 1 Nr 1 [X.]B VI sowie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG. Er bringt vor, das [X.] sei integraler Bestandteil seiner Ausbildung und unabdingbare Voraussetzung für die Aufnahme der betrieblichen Ausbildung gewesen. Werde der [X.]besuch auch nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt, liege hierin eine ungerechtfertigte Benachteiligung gegenüber Absolventen einer dreijährigen betrieblichen Ausbildung. Bei diesen würden unabhängig vom Lebensalter drei Jahre Pflichtbeitragszeit anerkannt. Im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Satz 5 Nr 1 [X.]B VI sei die [X.] eines [X.]besuchs zumindest dann als Pflichtbeitragszeit anzusehen, wenn sich hieran eine Ausbildung im selben Berufsfeld anschließe.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 19. Juli 2018 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 29. August 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 16. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2016 zu verpflichten, die [X.] vom 1. September 1981 bis zum 31. Juli 1982 als rentenrechtliche [X.] vorzumerken.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die Entscheidung des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

A. Nach Schließung des 13. Senats zum [X.] durch Erlass des [X.] vom [X.] (vgl § 202 Satz 1 SGG iVm § 130 Abs 1 Satz 2 GVG) ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des BSG nunmehr der 5. Senat zuständig.

B. Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zutreffend hat das [X.] einen Anspruch des [X.] gegen die Beklagte auf Feststellung der [X.] bis zum 31.7.1982 verneint.

I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das vom [X.]läger zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) verfolgte Begehren, die während des [X.]s zurückgelegte [X.] als zusätzliche rentenrechtliche [X.] vorzumerken (vgl zur statthaften [X.] zuletzt [X.] vom 16.6.2021 - B 5 RE 5/20 R - zur Veröffentlichung in [X.] und [X.] vorgesehen). Dass es dem [X.]läger um die Vormerkung einer rentenrechtlichen [X.]en gleich welcher Art geht, hat er beginnend mit seinem Widerspruch stets geltend gemacht. Hierüber hat das [X.] vollständig entschieden, indem es in der Sache sowohl einen Anspruch auf Anerkennung der streitbefangenen [X.] als Anrechnungszeit als auch einen solchen auf Anerkennung als Beitragszeit wegen Ausbildung verneint hat. Die Vormerkung als eine andere rentenrechtliche [X.] kommt - auch nach Auffassung des [X.] - nicht Betracht.

II. § 149 Abs 5 Satz 1 [X.] (hier anzuwenden in der weiterhin aktuellen Fassung der Neubekanntmachung vom [X.] <[X.] 754>) ist die einzig in Frage kommende Rechtsgrundlage für den behaupteten Anspruch des [X.]. Nach dieser Vorschrift hat der Versicherungsträger nach [X.]lärung des [X.] die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs [X.]alenderjahre zurückliegen, festzustellen (sog [X.]). Die Verpflichtung umfasst die tatbestandsmäßige Feststellung aller geklärten, länger als sechs Jahre zurückliegenden Beitrags-, Versicherungs-, Ersatz- und Ausfallzeiten (vgl [X.] vom [X.] R 19/14 R - [X.] 4-2600 § 149 [X.] Rd[X.]6 mwN). Festzustellen sind ua Umfang und Art der zurückgelegten rentenrechtlichen [X.]en (vgl zB Diel in [X.]/[X.], [X.], Stand: 12/2009, [X.] § 149 Rd[X.]1; [X.] in jurisP[X.]-[X.], 3. Aufl 2021, § 149 Rd[X.] 49; [X.] in [X.], G[X.]-[X.], [X.], 256. EL, Stand Februar 2021, § 149 Rd[X.]7, Stand April 2020; [X.] in [X.]reikebohm/[X.], [X.], 6. Aufl 2021, § 149 Rd[X.]0). Nach § 54 Abs 1 [X.] (hier anzuwenden in der insoweit weiterhin aktuellen Fassung der Neubekanntmachung vom [X.] <[X.] 754>) sind rentenrechtliche [X.]en Beitragszeiten ([X.] und b) - entweder als [X.]en mit vollwertigen Beiträgen oder als beitragsgeminderte [X.]en -, beitragsfreie [X.]en ([X.]) und [X.] ([X.]). Die streitbefangene [X.] fällt nicht hierunter.

1. Eine Vormerkung als beitragsfreie [X.] in Gestalt einer Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung nach § 54 Abs 1 [X.], Abs 4 iVm § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] 4 [X.] (letzterer anzuwenden in der bis zum 30.6.2020 gültigen Fassung der Neubekanntmachung vom [X.] <[X.] 754>) scheidet von vornherein aus. Nach letztgenannter Vorschrift sind Anrechnungszeiten [X.]en, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben. Das trifft auf die streitbefangene [X.] nicht zu. Ungeachtet des Umstands, dass ein [X.] nach Maßgabe des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) bzw der Handwerksordnung auf die Dauer einer nachfolgenden beruflichen Ausbildung anzurechnen war (vgl Ziff 1 Satz 2 Rahmenvereinbarung über das Berufsgrundbildungsjahr - BGJRahmenVbg - vom 19.5.1978 ), war es in schulischer Form durchzuführen (vgl Ziff 1 Satz 1 BGJRahmenVbg). Zwar vermittelt der Besuch eines in schulischer Form durchgeführten [X.]s bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen in aller Regel eine Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] 4 [X.] (vgl Bayerisches [X.] Urteil vom 16.4.2014 - L 16 R 698/13 - juris Rd[X.]0; [X.] Baden-Württemberg Urteil vom [X.] - L 11 R 343/15 - juris Rd[X.]1; vgl auch [X.] in [X.]rauskopf, Soziale [X.]rankenversicherung, Stand 1/2020, § 7 [X.] Rd[X.]1; Fichte in [X.]/[X.], [X.], Stand 6/2011, [X.] § 58 Rd[X.]38; [X.]/[X.][X.], Handbuch der Rentenversicherung, Teil [X.], Stand der Einzelkommentierung: 05/18, § 58 [X.] Rd[X.] 79). Es bedarf hier jedoch keiner Entscheidung, ob dies auch für das vom [X.]läger besuchte [X.] gilt. Ebenso kann dahinstehen, ob es sich hier um einen (Fach-)Schulbesuch oder die Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme handelt (vgl zu möglichen Einordnungen erneut Fichte in [X.]/[X.], [X.], Stand 6/2011, [X.] § 58 Rd[X.]38). Der [X.]läger war während des Besuchs des [X.]s jedenfalls erst 15 bzw 16 Jahre alt.

Dass nur solche [X.]en schulischer Ausbildung rentenrechtlich erhebliche Ausbildungszeiten darstellen, die nach Vollendung des 17. Lebensjahres liegen, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Das hat das BSG bereits entschieden ([X.] vom 13.11.2008 - B 13 R 77/07 R - juris Rd[X.]3 ff; die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen: [X.] <[X.]ammer> Beschluss vom [X.] - 1 BvR 718/09 - nicht veröffentlicht). Die Entscheidung bezieht sich zwar auf § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] 4 [X.] in der vorherigen Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.9.1996 ([X.] 1461). Der hier berührte § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] 4 [X.] in der Fassung der Neubekanntmachung vom [X.] gibt jedoch zu keiner abweichenden Beurteilung Anlass. Die Fassungen sind abgesehen von der hier nicht in Streit stehenden Höchstdauer der Anrechnungszeit wortgleich.

2. Die streitbefangene [X.] ist ebenso wenig als Beitragszeit iS des § 54 Abs 1 [X.] [X.] vorzumerken. Nach § 55 Abs 1 [X.] (hier anzuwenden in der weiterhin aktuellen Fassung der Neubekanntmachung vom [X.] <[X.] 754>) sind Beitragszeiten [X.]en, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (Satz 1). Pflichtbeitragszeiten sind auch [X.]en, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (Satz 2). Als Beitragszeiten gelten auch [X.]en, für die Entgeltpunkte gutgeschrieben worden sind, weil gleichzeitig [X.] wegen [X.]indererziehung oder [X.]en der Pflege eines pflegebedürftigen [X.]indes für mehrere [X.]inder vorliegen (Satz 3). Nichts davon trifft auf die streitbefangene [X.] zu.

Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] sind für die streitbefangene [X.] keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung iS von § 55 Abs 1 Satz 1 [X.] gezahlt worden. Das wird vom [X.]läger auch nicht behauptet. Während des [X.]s stand der [X.]läger weder in einem Beschäftigungsverhältnis iS des § 7 Abs 1 [X.] noch in einer betrieblichen Berufsausbildung (§ 7 Abs 2 [X.]) und bezog dementsprechend kein Entgelt. Ohne eine tatsächliche Beitragsentrichtung kommt aber eine Vormerkung von Beitragszeiten - abgesehen von den hier nicht einschlägigen Fällen einer vermuteten oder fingierten Beitragszahlung - nicht in Betracht. Beitragszeiten hängen von der tatsächlichen Beitragsentrichtung ab ([X.] vom 13.8.1996 - 12 R[X.] 76/94 - [X.] 3-2400 § 25 [X.] = juris Rd[X.]8; vgl auch [X.] vom 18.8.1992 - 12 R[X.] 7/92 - [X.] 3-5800 § 1 [X.] = juris Rd[X.]0 und [X.] <[X.]ammer> Beschluss vom 5.1.2017 - 1 BvR 967/14 - juris Rd[X.]5 und dazu, dass dies auch in Fällen der Nachversicherung gilt, [X.] vom 31.1.2008 - B 13 R 27/07 R - [X.] 100, 19 = [X.] 4-2600 § 281 [X.], Rd[X.]3 ff). Ein Fall des § 55 Abs 1 Satz 2 oder Satz 3 [X.] liegt ersichtlich nicht vor.

3. Auch aus § 1 Satz 5 [X.] iVm Satz 1 [X.] Halbsatz 1 [X.] kann der [X.]läger nichts für sich herleiten. Diese Vorschrift bezieht ausnahmsweise Auszubildende in außerbetrieblichen Einrichtungen im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem BBiG in die Versicherungspflicht ein. Ein Anspruch auf Vormerkung einer Beitragszeit könnte darauf hier bereits deshalb nicht gestützt werden, weil eine versicherungspflichtige Tätigkeit, für die Beiträge nicht gezahlt worden sind und auch nicht als gezahlt gelten, keine rentenrechtliche [X.] vermittelt (vgl BSG aaO; Fichte in [X.]/[X.], [X.], Stand 8/2007, [X.] § 55 Rd[X.] 8).

Die Regelung könnte hier zudem auch deswegen nicht zur Anwendung kommen, weil sie im streitbefangenen [X.]raum noch nicht galt. Sie wurde mit Wirkung zum 1.1.2002 durch Art 4 [X.] des [X.] vom [X.] ([X.] 3443) eingeführt und war zunächst in § 1 Satz 1 [X.]a [X.] in der bis zum 31.12.2019 gültigen Fassung des [X.] enthalten. Mit Wirkung zum 1.1.2020 wurde sie ohne inhaltliche Änderung in § 1 Satz 5 [X.] verschoben (durch Art 6 [X.] und b des [X.] der beruflichen Bildung vom 12.12.2019 <[X.] 2522>) und findet sich seit dem 1.7.2020 inhaltsgleich als [X.] im neu gefassten § 1 Satz 5 [X.] (durch Art 6 [X.]a Siebtes Gesetz zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 12.6.2020 <[X.] 1248>). Auf Vorschriften zur Versicherungspflicht findet § 300 Abs 1 [X.] keine Anwendung (so bereits [X.] vom 25.2.1997 - 12 R[X.] 33/96 - [X.] 3-2200 § 1227 [X.] 8, [X.] 3-2600 § 300 [X.] 9, Rd[X.]2; vgl auch [X.] vom 16.11.2000 - [X.] RA 55/99 R - [X.] 3-2600 § 248 [X.] 7, [X.] 3-2600 § 300 [X.]7, [X.] 3-2600 § 55 [X.], Rd[X.]7).

Ungeachtet dessen kommt es nicht in Betracht, die inzwischen in § 1 Satz 5 [X.] [X.] enthaltene Regelung im Wege der verfassungskonformen Auslegung auf Schüler im [X.] auszudehnen (vgl zu den Voraussetzungen und Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung [X.]/[X.], Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, [X.] ff, 165). Dies ist schon nicht zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Benachteiligung des [X.] geboten. Dass Auszubildende iS des § 1 Satz 5 [X.] [X.] im Gegensatz zu Teilnehmern an einem [X.] versicherungspflichtig sind, verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Dies ist durch Sachgründe gerechtfertigt (vgl zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an [X.] zB [X.] Beschluss vom 19.11.2019 - 2 BvL 22/14 - [X.]E 152, 274 Rd[X.] 96 mwN).

Den Gesetzesmaterialien zu § 1 Satz 1 [X.]a [X.] in der bis zum 31.12.2019 gültigen Fassung des [X.] lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur fehlenden Sozialversicherungspflicht von Teilnehmern einer außerbetrieblichen Berufsausbildung reagierte (vgl die Gesetzesbegründung zum Job-AQ[X.]TIV-Gesetz in BT-Drucks 14/6944 [X.] zu Art 4 [X.]; vgl auch [X.] vom 4.3.2021 - B 11 [X.] 7/19 R - juris Rd[X.]7 f, auch zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, zur ebenfalls durch das [X.] eingeführten Parallelregelung in § 25 Abs 1 Satz 2 [X.]). Das BSG sah sie nicht als zu ihrer Berufsausbildung "beschäftigte" Personen an, weil sie nicht in den Produktions- oder Dienstleistungsprozess des Ausbildungsbetriebs zum Erwerb von praktischen [X.]enntnissen und Fertigkeiten eingegliedert waren ([X.] vom [X.] - B 12 [X.]R 7/00 R - [X.] 3-2600 § 1 [X.] 7 = juris Rd[X.]8 f). Durch Einfügen der inzwischen in § 1 Satz 5 [X.] [X.] enthaltenen Regelung wollte der Gesetzgeber "klarstellen", dass Auszubildende in einer außerbetrieblichen Ausbildung, bei der eine Ausbildungsvergütung gezahlt wird, sozialversicherungspflichtig sind (vgl die Beschlussempfehlung und den Bericht zum Entwurf des [X.] in BT-Drucks 14/7347 [X.] zu Art 4 [X.], 5 und 6). Das zielte auf die Sozialversicherungspflicht von förderungsbedürftigen Auszubildenden iS von § 242 [X.] in der bei Inkrafttreten des Job-AQ[X.]TIV-Gesetzes gültigen Fassung des [X.] ([X.] 594; im Folgenden: [X.] aF; die Nachfolgeregelung ist in § 76 Abs 5 [X.] enthalten), die an einer förderungsfähigen Maßnahme iS von § 241 [X.] aF teilnahmen. Bei diesem Personenkreis, auf den der [X.] des § 1 Satz 1 [X.]a [X.]-E in der Fassung des Gesetzentwurfs sogar ausdrücklich Bezug nahm (vgl die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Job-AQ[X.]TIV-Gesetzes in BT-Drucks 14/6944 [X.] zu Art 4 [X.]), handelte es sich um lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte Auszubildende. Ihre Ausbildung in einer geförderten Maßnahme sollte in die Versicherungspflicht einbezogen werden (vgl Vor in [X.]/[X.], jurisP[X.]-[X.], Stand der Einzelkommentierung: 1.4.2021, § 1 Rd[X.]00). Derartige Erwägungen kommen für [X.] nicht zum Tragen.

Diese sind nicht gleichermaßen schutzbedürftig wie der Personenkreis des § 1 Satz 5 [X.] [X.]. Die Aufnahme in die [X.] setzt keinen besonderen Förderbedarf voraus. Das Berufsschulgrundjahr richtet sich vielmehr an alle Schüler, die mindestens neun Jahre Vollzeit zur Schule gegangen sind (vgl für den streitbefangenen [X.]raum Ziff 1.2 Satz 1 Halbsatz 1 BGJRahmenVbg). Soweit im Einzelfall auch Jugendliche ohne Hauptschulabschluss aufgenommen werden, dient dies der Erlangung eines Bildungsstandes entsprechend dem erfolgreichen Besuch einer Hauptschule (vgl Ziff 1.2 Satz 3 und Ziff 1.4.3 Satz 1 BGJRahmenVbg) und damit dem Nachweis eines schulischen Abschlusses.

III. Es liegt auch keine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG darin, dass der [X.]läger mithin unter keinem Gesichtspunkt eine Vormerkung der streitbefangenen [X.] als rentenrechtliche [X.] beanspruchen kann. Es wird nicht wesentlich Gleiches ungleich behandelt, indem Versicherte wie der [X.]läger, die vor Vollendung des 17. Lebensjahres ein [X.] und anschließend eine auf zwei Jahre verkürzte betriebliche Ausbildung absolvieren, bezogen auf den Gesamtzeitraum von drei Jahren weniger rentenrechtliche [X.]en zurücklegen als Versicherte, die im gleichen [X.]raum eine dreijährige betriebliche Ausbildung absolvieren. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet ua dem Normgeber, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (stRspr; vgl aus jüngerer [X.] zB [X.] Beschluss <[X.]ammer> vom 11.12.2019 - 1 BvR 3087/14 - juris Rd[X.] 9). Das ist hier der Fall.

Ein [X.] unterscheidet sich strukturell vom ersten Ausbildungsjahr einer in der Regel dreijährigen betrieblichen Ausbildung. Auszubildende stehen bereits im ersten Ausbildungsjahr in einem mit weiteren Pflichten verbundenen Beschäftigungsverhältnis iS des § 7 Abs 1 und 2 [X.] und sind in den Ausbildungsbetrieb eingegliedert (vgl dazu [X.] vom [X.] - B 12 [X.]R 7/00 R - [X.] 3-2600 § 1 [X.] 7 - juris Rd[X.]8). So galt nach der [X.] in der vom 26.12.1981 bis zum [X.] (im Folgenden: [X.] aF), die im streitbefangenen [X.]raum die Ausbildung zum Betonbauer regelte, dass Auszubildende im ersten Ausbildungsjahr eine berufliche Grundbildung in der betrieblichen Ausbildungsstätte in 12 Wochen abzuleisten hatten, neben der beruflichen Grundbildung in einer überbetrieblichen Ausbildungsstätte und dem Unterricht in der Berufsschule (§ 4 Abs 3 [X.] iVm Abs [X.] Buchst c [X.] aF). Für Auszubildende müssen dementsprechend für die gesamte Dauer der Ausbildung Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt werden. Demgegenüber erhalten [X.] eine berufliche Grundbildung in (vollzeit-)schulischer Form. Für sie sind von keiner Seite Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abzuführen. Ein [X.] ist vielmehr grundsätzlich förderungsfähig nach dem [X.] (§ 2 Abs 1 [X.] [X.]) und war dies auch im streitbefangenen [X.]raum (§ 2 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] in der Fassung des 5. [X.]ÄndG vom 17.11.1978 <[X.] 1794>). Das zeigt gerade der Fall des [X.], der nach eigenen Angaben während des streitbefangenen [X.]raums Ausbildungsförderung nach dem [X.] bezog.

Diese strukturellen Unterschiede werden auch nicht etwa dadurch relativiert, dass das [X.] die Dauer der anschließenden betrieblichen Ausbildung verkürzte (vgl erneut Ziff 1 Satz 2 BGJRahmenVbg). Dies führt nicht dazu, dass beide [X.]en rentenrechtlich als Einheit anzusehen wären. Der [X.]läger befand sich während des [X.]s noch nicht in der Ausbildung zum Betonbauer. Er hätte nach dem [X.] ebenso gut eine Ausbildung in einem anderen, dem Berufsfeld "Bautechnik" zugeordneten Ausbildungsberuf aufnehmen können (vgl die Auflistung in § 1 [X.] der [X.] [X.] - Einführung der beruflichen Grundbildung im Berufsfeld Bautechnik - vom [X.] ). Auch in diesem Fall wäre das [X.] auf die Ausbildungszeit angerechnet worden, typischerweise durch den Abschluss eines Ausbildungsvertrags mit Beginn im zweiten Ausbildungsjahr (vgl zu weiteren Gründen für den Abschluss derartiger Verträge im streitbefangenen [X.]raum [X.]/[X.], [X.], S 1).

Es trifft in berufsrechtlicher Hinsicht auch nicht zu, dass die Ausbildung zum Betonbauer seinerzeit den vorherigen Besuch eines [X.]s voraussetzte. Insbesondere die [X.] aF enthielt keine solche Vorgabe. Lediglich schulrechtlich war das Berufsschulwesen am Ausbildungsort des [X.] in [X.] im streitbefangenen [X.]raum so ausgestaltet, dass die berufliche Grundbildung im Berufsfeld "Bautechnik" ausschließlich in vollzeitschulischer Form angeboten wurde (vgl § 2 Abs 1 der [X.] [X.] - Einführung der beruflichen Grundbildung im Berufsfeld Bautechnik - vom [X.] ). Diese Vorgabe des landesrechtlichen Verordnungsgebers orientierte sich an fachlichen und regionalen Erfordernissen sowie den baulichen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen in den betroffenen Regierungsbezirken (vgl Art 71 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 des Gesetzes über das berufliche Schulwesen vom 15.6.1972 in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das berufliche Schulwesen vom 11.8.1978 ). [X.]onkret dürfte der dünnen Besiedelung der betroffenen Landkreise Rechnung getragen worden sein (vgl [X.]/[X.], [X.], [X.]). Der [X.]läger wird damit letztlich wie ein Versicherter behandelt, der über einen allgemeinen Schulabschluss verfügt, der auf die Dauer einer sich anschließenden Berufsausbildung angerechnet wird. Auch bei einem solchen Versicherten würde die Schulzeit nicht als Anrechnungszeit anerkannt, wenn währenddessen das 17. Lebensjahr nicht vollendet war, und es würden Beitragszeiten wegen Ausbildung entsprechend der Dauer der betrieblichen Ausbildung festgestellt.

C. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Meta

B 5 R 23/21 R

21.10.2021

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Karlsruhe, 29. August 2017, Az: S 9 R 4573/16, Gerichtsbescheid

§ 7 Abs 1 SGB 4, § 7 Abs 2 SGB 4, § 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 SGB 6, § 1 S 5 Nr 1 SGB 6, § 54 Abs 1 Nr 1 SGB 6, § 54 Abs 1 Nr 2 SGB 6, § 54 Abs 4 SGB 6, § 55 Abs 1 S 1 SGB 6, § 58 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 6, § 149 Abs 5 S 1 SGB 6, § 300 Abs 1 SGB 6, BBiG, HwO, § 2 Abs 1 Nr 1 BAföG, § 2 Abs 1 S 1 Nr 3 BAföG vom 17.11.1978, § 4 Abs 1 Nr 1 Buchst c BauWiAusbV vom 08.05.1974, § 4 Abs 3 Nr 3 BauWiAusbV vom 08.05.1974, Ziff 1 BGJRahmenVbg, Ziff 1.2 BGJRahmenVbg, Ziff 1.4.3 BGJRahmenVbg, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 21.10.2021, Az. B 5 R 23/21 R (REWIS RS 2021, 1698)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1698

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1 BvR 967/14

1 BvR 3087/14

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