Bundessozialgericht, Urteil vom 10.11.2022, Az. B 1 KR 28/21 R

1. Senat | REWIS RS 2022, 7682

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Krankenversicherung - Arzneimittelversorgung - Versorgung mit Cannabis nach § 31 Abs 6 SGB 5 - Antrag auf Genehmigung - Mitteilung des Inhalts der geplanten Verordnung - Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung - Maßgeblichkeit der konkreten gesundheitlichen Folgen - Anforderungen an die begründete Einschätzung des Vertragsarztes - eingeschränkte Überprüfbarkeit)


Leitsatz

1. Mit dem Antrag auf Genehmigung der ersten Verordnung von Cannabis ist der Krankenkasse der Inhalt der geplanten Verordnung mitzuteilen.

2. Eine aufgrund der dauerhaften und nachhaltigen Beeinträchtigung der Lebensqualität schwerwiegende Erkrankung ergibt sich aus den durch die Erkrankung ausgelösten Funktionsstörungen und -verlusten, Schmerzen, Schwächen oder Hilfebedarfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens, nicht bereits aus einer ärztlich gestellten Diagnose.

3. Eine begründete Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes erfordert insbesondere die Darlegung der bestehenden und der mit Cannabis zu behandelnden Erkrankungen und zu lindernden Symptome (Behandlungsziel), der bisher angewandten Behandlungskonzepte und der noch verfügbaren Standardtherapien sowie der Gründe, weshalb diese nach der vertragsärztlichen Abwägung aller Gesichtspunkte im konkreten Fall nicht zur Anwendung kommen können.

4. Die begründete Einschätzung unterliegt der Überprüfung nur hinsichtlich der Vollständigkeit und Richtigkeit der erforderlichen Angaben als Grundlagen der Abwägung sowie hinsichtlich völliger Unplausibilität des Abwägungsergebnisses.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 18. November 2020 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Genehmigung der Versorgung mit getrockneten Cannabisblüten zur Vaporisation sowie die Kostenerstattung für in der Vergangenheit selbst beschaffte Cannabisprodukte.

2

Der 1979 geborene und bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger beantragte bei dieser die "Übernahme von medizinischen Cannabisprodukten" zur Behandlung seiner ADHS-Erkrankung. Die Behandlung mit [X.] und 10 mg sei nicht erfolgreich gewesen und habe zudem gravierende Nebenwirkungen gehabt. Die Beklagte lehnte den Antrag mangels Vorliegen der erforderlichen medizinischen Voraussetzungen ab (Bescheid vom 19.6.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.8.2017). Das [X.] hat die Klage nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 9.10.2019). Beim Kläger liege ein langjähriges chronisches Abhängigkeitssyndrom von Cannabis vor, die Behandlungsmöglichkeiten seiner ADHS seien nicht ausgeschöpft und der medizinische Einsatz von Cannabis sei bei ihm kontraindiziert. Das L[X.] hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 18.11.2020), sich der Begründung des [X.] angeschlossen und ergänzt, als Voraussetzung für die Genehmigung einer Cannabistherapie müssten alle verfügbaren [X.] tatsächlich ausgeschöpft sein ([X.]). Ein Kostenerstattungsanspruch bestehe nicht, weil die Beklagte rechtzeitig über den Antrag entschieden habe und damit auch die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion nicht vorlägen.

3

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 31 Abs 6 [X.]B V. Eine Ausschöpfung aller [X.] werde nicht verlangt, wenn der behandelnde Vertragsarzt im konkreten Fall - wie hier - zu der begründeten Einschätzung gelange, dass diese unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des [X.] nicht zur Anwendung kommen könnten. Der behandelnde Vertragsarzt habe bestätigt, dass beim Kläger mit der gesicherten Diagnose ADHS eine schwerwiegende Erkrankung vorliege, kein [X.] bestehe und die Anwendung getrockneter Cannabisblüten eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf habe. Die Empfehlung der aktuellen [X.], Cannabis bei ADHS nicht anzuwenden, stehe dem Anspruch des [X.] nicht entgegen. Die Leitlinie vermöge die Therapiehoheit des Arztes nicht einzuschränken.

4

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 18. November 2020 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 9. Oktober 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Genehmigung der vertragsärztlichen Verordnung von Cannabisblüten zu erteilen sowie die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 12 252,99 Euro zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie trägt vor, es liege schon keine schwerwiegende Erkrankung vor. Überdies fehle es an einer vertragsärztlichen Verordnung von Cannabis und es bestünden [X.].

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des [X.] ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]G).

8

Das klägerische Begehren (§ 123 [X.]G) ist bei sachdienlicher Auslegung auf die Erteilung einer Genehmigung für die vertragsärztliche [X.]erordnung von Cannabisblüten nach § 31 Abs 6 Satz 1 [X.]B [X.] gerichtet. Hierfür ist die kombinierte Anfechtungs- und [X.]erpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 [X.]G) die statthafte Klageart. Den daneben geltend gemachten (§ 56 [X.]G) Kostenerstattungsanspruch verfolgt der Kläger in zulässiger Weise mit der Leistungsklage (§ 54 Abs 4 [X.]G).

9

[X.] Als Rechtsgrundlage für die begehrte [X.]ersorgung mit Cannabisblüten kommt allein § 31 Abs 6 [X.]B [X.] in Betracht. Ob dessen [X.]oraussetzungen erfüllt sind, vermag der [X.] auf Grundlage der Feststellungen des [X.] aber nicht abschließend zu entscheiden. Entsprechende Feststellungen muss das [X.] - soweit nötig - im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachholen. Dazu muss es auch die Unterlagen berücksichtigen, die dem Antrag vom [X.] in einem verschlossenen Umschlag beigefügt waren.

Nach § 31 Abs 6 [X.]B [X.] haben [X.]ersicherte Anspruch auf die [X.]ersorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf [X.]ersorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon (nachfolgend zusammengefasst: Cannabis), wenn sie an einer schwerwiegenden Erkrankung leiden (Satz 1; dazu 1.), eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur [X.]erfügung steht oder im Einzelfall nach einer begründeten Einschätzung des behandelnden [X.]ertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des [X.] des [X.]ersicherten nicht zur Anwendung kommen kann (Satz 1 [X.] 1; dazu 2.) und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegenden Symptome besteht (Satz 1 [X.]; dazu 3.). Die Leistung bedarf bei der ersten [X.]erordnung der nur in begründeten Ausnahmefällen (dazu 5.) abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist (Satz 2); hierzu bedarf es jedoch keiner [X.]erordnung auf einem Rezept für Betäubungsmittel nach der [X.]erordnung über das [X.]erschreiben, die Abgabe und den Nachweis des [X.]erbleibs von Betäubungsmitteln (Betäubungsmittel-[X.]erschreibungsverordnung - [X.]; dazu 4.). Schließlich ist auch bei der [X.]ersorgung mit Cannabis das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten (§ 12 Abs 1 Satz 1 [X.]B [X.], dazu 6.).

1. Der Anspruch auf [X.]ersorgung mit Cannabis besteht nur zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung (§ 31 Abs 6 Satz 1 [X.]B [X.]). Eine Erkrankung ist schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt (vgl B[X.] vom 19.3.2002 - B 1 KR 37/00 R - [X.], 184, 191 f = [X.] 3-2500 § 31 [X.] und vom [X.] - B 1 KR 25/20 R - [X.], 67 = [X.] 4-2500 § 137c [X.], Rd[X.]0).

Das [X.] hat festgestellt, dass der Kläger an einer Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (nachfolgend ADHS) und einer Cannabisabhängigkeit leidet. Hieraus ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankungen in dem Sinne, dass die Gefahr eines tödlichen Krankheitsverlaufs nach allgemeiner Erkenntnis oder nach der Beurteilung im konkreten Einzelfall innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums drohen würde (vgl B[X.] vom 14.12.2006 - B 1 KR 12/06 R - [X.] 4-2500 § 31 [X.] Rd[X.] 19).

Ist die Erkrankung nicht lebensbedrohlich, besteht ein Anspruch auf [X.]ersorgung mit Cannabis nur, wenn die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt ist. [X.]on einer dauerhaften Beeinträchtigung der Lebensqualität ist in Anlehnung an entsprechende Regelungen in §§ 43, 101 Abs 1 [X.], § 2 Abs 1 Satz 1 [X.], § 14 Abs 1 Satz 3 [X.]B XI, § 30 Abs 1 Satz 3 [X.] ab einem Zeitraum von (voraussichtlich) sechs Monaten auszugehen. Die Beeinträchtigung der Lebensqualität ergibt sich nicht aus der gestellten Diagnose, sondern aus den konkreten Auswirkungen der Erkrankung (dazu a). Diese müssen den Betroffenen überdurchschnittlich schwer beeinträchtigen, wofür die [X.](Grad der [X.] aus Teil 2 der Anlage zu § 2 der [X.] ([X.]) als Anhaltspunkt dienen kann (dazu b). Die beim Kläger bestehende ADHS, zu deren Behandlung Cannabis eingesetzt werden soll, ist danach in der Regel nur dann eine schwerwiegende Erkrankung, wenn die Integration in den Arbeitsmarkt, in das öffentliche Leben und in das häusliche Leben ohne Unterstützung nicht gelingt (dazu c).

a) Die Lebensqualität wird im Wesentlichen nicht durch die Diagnose einer Erkrankung beeinflusst, sondern durch die Auswirkungen der Erkrankung auf das Leben der Betroffenen. Lebensqualität umschreibt das [X.]ermögen, die Befriedigung von Grundbedürfnissen selbst zu gewährleisten, [X.] Beziehungen einzugehen und aufrechtzuerhalten sowie am Erwerbs- und [X.]sleben teilzunehmen. Ob und inwieweit eine erkrankte Person noch dazu in der Lage ist, hängt von der Art und Schwere der durch die Erkrankung verursachten Gesundheitsstörungen ab. Die dauerhafte und nachhaltige Beeinträchtigung der Lebensqualität ergibt sich deshalb nicht allein aus einer ärztlich gestellten Diagnose. Entscheidend sind die durch die Erkrankung hervorgerufenen Funktionsstörungen und -verluste, Schmerzen, Schwäche und Hilfebedarf bei den [X.]errichtungen des täglichen Lebens, welche die Lebensqualität beeinträchtigen.

b) Die Auswirkungen der Krankheit mit den sich aus dieser ergebenden Beeinträchtigungen müssen sich durch ihre Schwere vom Durchschnitt der Erkrankungen abheben. Nur dann liegt auch eine nachhaltige Beeinträchtigung der Lebensqualität vor. Insoweit hält es der [X.] für gerechtfertigt, sich an die Bewertung der Auswirkungen von Krankheiten in Teil 2 der Anlage zu § 2 [X.] anzulehnen. Diese dient zur Beurteilung des [X.] (§ 30 Abs 1, Abs 16 [X.]) sowie des Grades der Behinderung (GdB) als Maß für die Beeinträchtigung der Teilhabe an der [X.] (§ 2 Abs 2, § 153 Abs 2, § 241 Abs 5 [X.]) und stellt einen sozialrechtlichen Maßstab für die Schwere krankheitsbedingter Beeinträchtigungen dar. Sowohl [X.] als auch GdB stellen auf die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in der [X.] ab (§ 30 Abs 1 Satz 1 [X.]; § 2 Abs 1 [X.]). Davon sind neben Arbeit und Beruf auch die Stellung des Betroffenen in der [X.] und seine [X.]n Beziehungen umfasst (vgl [X.] in [X.], Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 2 [X.] Rd[X.] 14; [X.] in [X.]/[X.], § 2 [X.], Rd[X.], 9). Dies deckt sich mit dem medizinisch geprägten Begriff der Lebensqualität, der die Wahrnehmung des Betroffenen zu seiner Position im Leben im Blick hat.

Entsprechen die Auswirkungen nach der [X.]-Tabelle bereits allein ohne Einbezug weiterer Erkrankungen einem [X.] von 50, kann im Regelfall von einer schwerwiegenden Erkrankung ausgegangen werden. Die mit einem [X.]/GdB von mindestens 50 definierte Schwerbeschädigten- bzw Schwerbehinderteneigenschaft (§ 31 Abs 2 [X.], § 2 Abs 2 [X.]) eröffnet den Zugang zu besonderen Leistungen oder Nachteilsausgleichen. Sie markiert eine Zumutbarkeitsschwelle, ab welcher der Gesetzgeber die Beeinträchtigungen als derart schwerwiegend angesehen hat, dass zum Ausgleich übermäßiger Nachteile weitere Leistungen, [X.]ergünstigungen und Schutzvorschriften geboten sind.

Die Heranziehung eines [X.] von 50 ist weder im Sinne eines starren Grenzwertes zu verstehen, noch ist eine formelle Feststellung eines [X.] oder GdB erforderlich, um einen Anspruch auf [X.]ersorgung mit Cannabis zu begründen. Entscheidend sind vielmehr die in der [X.]-Tabelle enthaltenen Kriterien zur Schwere der Beeinträchtigung der Lebensqualität aufgrund der Auswirkungen einer Erkrankung. Das gilt in besonderem Maße für die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch psychische Erkrankungen, für die sich der [X.]-Tabelle die Orientierung an der Fähigkeit zur Integration in den Arbeitsmarkt sowie das öffentliche und häusliche Leben entnehmen lässt (so [X.] Berlin-Brandenburg vom [X.] - [X.] 233/20 - juris Rd[X.] 30 ohne Rückgriff auf die [X.]). Bei multimorbiden Patienten, bei denen Cannabis zur Behandlung mehrerer Erkrankungen eingesetzt werden soll, ist auf die Gesamtauswirkungen dieser Erkrankungen abzustellen. Schränken deren sich ggf überschneidende und sich wechselseitig verstärkende Auswirkungen die Lebensqualität in einer einem Einzel-[X.] von 50 vergleichbaren Schwere ein, kann grundsätzlich auch vom [X.]orliegen einer schwerwiegenden Erkrankung ausgegangen werden.

Erreichen die Auswirkungen der Erkrankung(en) nicht die Schwere, die einem Einzel-[X.] von 50 vergleichbar sind, ist die Annahme einer nachhaltigen Beeinträchtigung der Lebensqualität nicht ausgeschlossen. Sie kommt im Einzelfall in Betracht, etwa wenn ihre Auswirkungen aufgrund weiterer Erkrankungen schwerer wiegen oder die Teilhabe am Arbeitsleben oder in einem anderen Bereich besonders einschränken.

c) Nach den Feststellungen des [X.] leidet der Kläger an einer einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung, für die vom [X.]ertragsarzt eine Behandlung mit Cannabisblüten vorgesehen ist. Ob die ADHS eine schwerwiegende Erkrankung ist, hängt dabei [X.] der dadurch verursachten [X.]n Anpassungsschwierigkeiten ab. Diese liegen nach der Definition der [X.] vor, wenn die Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt, in das öffentliche Leben und das häusliche Leben nicht ohne besondere Förderung und Unterstützung gegeben ist. Ein Einzel-[X.] von 50 wird in der Regel nur erreicht, wenn die Integration in die genannten Lebensbereiche nicht ohne umfassende Unterstützung möglich ist ([X.]ersorgungsmedizinische Grundsätze Teil [X.]). Dazu fehlen Feststellungen des [X.].

2. Die Genehmigung einer Cannabis-[X.]erordnung setzt weiter voraus, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung entweder nicht zur [X.]erfügung steht (dazu a) oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des behandelnden [X.]ertragsarztes nicht zur Anwendung kommen kann (dazu b).

Das [X.] ist davon ausgegangen, die Behandlung mit Cannabis müsse ultima ratio sein, sodass das Ausschöpfen aller verfügbaren Therapiealternativen [X.]oraussetzung der Genehmigung einer [X.]erordnung von Cannabis sei. Es hat deshalb den Anspruch verneint. Dem [X.]ertragsarzt steht jedoch eine [X.] hinsichtlich der Anwendbarkeit einer Standardtherapie zu. Ob eine begründete Einschätzung des [X.]ertragsarztes vorliegt, hat das [X.] nicht festgestellt. Zwar ergibt sich aus der Entscheidung des [X.], dass als Anlage zum Antrag vom [X.] medizinische Unterlagen in einem verschlossenen Umschlag bei der [X.] vorgelegt worden seien. Feststellungen zu deren Inhalt hat das [X.] nicht getroffen.

a) Eine Standardtherapie steht nicht zur [X.]erfügung (§ 31 Abs 6 Satz 1 [X.] 1 Buchst a [X.]B [X.]), wenn es sie generell nicht gibt, sie im konkreten Einzelfall ausscheidet, weil der [X.]ersicherte sie nachgewiesenermaßen nicht verträgt oder erhebliche gesundheitliche Risiken bestehen (vgl B[X.] vom [X.] - B 1 KR 7/05 R - B[X.]E 96, 170 = [X.] 4-2500 § 31 [X.], Rd[X.] 31; B[X.] vom 7.11.2006 - B 1 KR 24/06 R - B[X.]E 97, 190 = [X.] 4-2500 § 27 [X.], Rd[X.]2) oder sie trotz ordnungsgemäßer Anwendung im Hinblick auf das beim Patienten angestrebte Behandlungsziel ohne Erfolg geblieben ist (vgl B[X.] vom [X.] - B 1 KR 25/20 R - [X.], 67 = [X.] 4-2500 § 137c [X.], Rd[X.]2).

Ob es zur Behandlung der Erkrankung und zur Erreichung des angestrebten [X.] eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende Therapie überhaupt gibt, bestimmt sich nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin (so auch [X.] Baden-Württemberg vom 22.3.2022 - [X.] 3804/21 - juris Rd[X.]7). Gibt es danach eine Standardtherapie, scheidet sie aus, wenn die Therapie bereits zu schwerwiegenden Nebenwirkungen iS des Art 1 [X.] RL 2001/83/[X.] (Richtlinie zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel), wie etwa stationärer Behandlungsbedürftigkeit oder deren [X.]erlängerung, geführt hat oder ein erhebliches Risiko solcher Nebenwirkungen im Fall des Patienten besteht (vgl auch B[X.] vom [X.] - B 1 KR 7/05 R - B[X.]E 96, 170 = [X.] 4-2500 § 31 [X.], Rd[X.] 31).

b) Das [X.] hat bindend (§ 163 [X.]G) festgestellt, das für die Behandlung der ADHS Methoden zur [X.]erfügung stehen, die dem medizinischen Standard entsprechen. In solchen Fällen bedarf es der begründeten Einschätzung des behandelnden [X.]ertragsarztes, warum diese Methoden unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des [X.] dennoch nicht zur Anwendung kommen können (§ 31 Abs 6 Satz 1 [X.] 1 Buchst b [X.]B [X.]). Das Gesetz gesteht dem behandelnden [X.]ertragsarzt insoweit eine [X.] zu (dazu [X.]). An die begründete Einschätzung sind aber hohe Anforderungen zu stellen. Dies ergibt sich aus der Geltung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG), die durch § 31 Abs 6 [X.]B [X.] nicht aufgehoben ist (dazu [X.]), aus einem [X.]ergleich mit den [X.]orgaben des Arzthaftungsrechts für die Behandlung mit einer (noch) nicht allgemein anerkannten medizinischen Behandlungsmethode (dazu [X.]) sowie aus Gründen des Patientenschutzes (dazu [X.]). Die begründete Einschätzung des [X.]ertragsarztes muss die mit Cannabis zu behandelnde Erkrankung und das Behandlungsziel benennen, die für die Abwägung der Anwendbarkeit verfügbarer Standardtherapien mit der Anwendung von Cannabis erforderlichen Tatsachen vollständig darlegen und eine Abwägung unter Einschluss möglicher schädlicher Wirkungen von Cannabis beinhalten (dazu ee). Sind diese Anforderungen spätestens zum Zeitpunkt der letzten mündlichen [X.]erhandlung in der letzten Tatsacheninstanz erfüllt, ist eine Überprüfung des [X.] nur auf völlige Unplausibilität zulässig (dazu ff).

[X.]) Mit der Regelung des § 31 Abs 6 Satz 1 [X.] 1 Buchst b [X.]B [X.] wollte der Gesetzgeber die ärztliche Therapiefreiheit auch innerhalb der [X.]orgaben des Leistungsrechts der [X.] stärken (BT-Drucks 18/10902 [X.]). Dem entsprechend darf die [X.] die Genehmigung nur in begründeten Ausnahmefällen verweigern (§ 31 Abs 6 Satz 2 [X.]B [X.]). Die Abwägung des [X.]ertragsarztes, ob eine verfügbare Standardtherapie zur Behandlung der Erkrankung angewendet werden kann oder ob Cannabis zur Anwendung kommen soll, ist damit der Überprüfung durch [X.]n und Gerichte weitgehend entzogen. Daraus folgt eine [X.] des [X.]ertragsarztes.

[X.]) Die [X.]erschreibung und die Abgabe von Cannabis zulasten der [X.] unterfällt den Beschränkungen des BtMG. Mit der Schaffung des Anspruchs auf [X.]ersorgung mit Cannabis hat der Gesetzgeber keine Erleichterung der betäubungsmittelrechtlichen Anforderungen an die [X.]erschreibungsfähigkeit beabsichtigt, sondern sah die Ärzte als verpflichtet an, diese Anforderungen zu berücksichtigen (BT-Drucks 18/8965 [X.]). Die in § 31 Abs 6 Satz 1 [X.]B [X.] genannten Produkte sind nach der zum 10.3.2017 erfolgten Änderung des BtMG zwar verkehrs- und verschreibungsfähige Betäubungsmittel nach den § 1 Abs 1, § 13 Abs 1 BtMG i[X.]m Anlage III BtMG und dürfen durch Ärzte verschrieben werden. Die [X.]erschreibung ist aber nur dann erlaubt, wenn ihre Anwendung am oder im menschlichen Körper begründet ist (§ 13 Abs 1 Satz 1 BtMG). An einer begründeten Anwendung fehlt es insbesondere dann, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann (§ 13 Abs 1 Satz 2 BtMG).

Die [X.]erschreibung der in Anlage III BtMG genannten Betäubungsmittel ist nach § 13 Abs 1, Abs 3 BtMG lediglich dann gestattet, wenn für die Anwendung am oder im menschlichen Körper eine Indikation nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft besteht (vgl [X.] vom 28.1.2014 - 1 StR 494/13 - [X.]St 59, 150, 156) oder die [X.]erschreibung, wenn auch außerhalb der Schulmedizin, zumindest ärztlich vertretbar ist (vgl [X.] vom 17.5.1991 - 3 StR 8/91 - [X.]St 37, 383, 385). Das setzt die Geeignetheit des Mittels als Heilmittel für das Leiden des Patienten voraus (vgl [X.] vom 8.5.1979 - 1 StR 118/79 - [X.]St 29, 6, 9; [X.] vom 17.5.1991 - 3 StR 8/91 - [X.]St 37, 383, 384). Mit § 13 Abs 1 Satz 2 BtMG wird die Anwendung von Betäubungsmitteln bei [X.]orhandensein anderer Möglichkeiten der Zweckerreichung im Sinne einer ultima ratio ausgeschlossen, wenn auch andere, den Patienten weniger gefährdende Heilmaßnahmen in Betracht kommen (vgl [X.] vom 8.5.1979, [X.]O - zu einer früheren Fassung des BtMG und der [X.]; [X.] vom 2.2.2012 - 3 StR 321/11 - NStZ 2012, 337, 338; [X.] vom 28.1.2014, [X.]O; näher [X.] in [X.]/[X.]/[X.], BtMG, 10. Aufl 2022, § 13 Rd[X.]2 f). Der Arzt muss unter Beachtung der medizinischen Sorgfalt bei Anamnese, Untersuchung, Diagnose und Behandlungsplanung zu der Überzeugung gelangen, dass für diesen Patienten das angestrebte Behandlungsziel nicht auf andere Weise erreicht werden kann. Die [X.]orschriften des BtMG sollen im Sinne des Gesundheitsschutzes sicherstellen, dass Betäubungsmittel nur bei unumgänglicher medizinischer Notwendigkeit eingesetzt werden, um der Entstehung und Aufrechterhaltung einer Sucht entgegenzuwirken (vgl § 5 Abs 1 [X.] 6 BtMG; [X.] vom 8.5.1979, [X.]O, S 10).

Nicht erst aus § 31 Abs 6 Satz 1 [X.] 1 Buchst b [X.]B [X.], sondern bereits aus der älteren [X.]orschrift des § 13 Abs 1 Satz 1 und 2 BtMG ergibt sich damit für den behandelnden Arzt die Notwendigkeit einer Abwägung, ob im konkreten Behandlungsfall andere, den Patienten weniger gefährdende oder weniger belastende, ggf nicht dem BtMG unterfallende Behandlungsmethoden bei vergleichbarem Erfolg zur Anwendung kommen können. Insoweit hat § 31 Abs 6 Satz 1 [X.] 1 Buchst b [X.]B [X.] nunmehr klargestellt, dass es zwar auf die Einschätzung des behandelnden [X.]ertragsarztes ankommt, ob Cannabis die verbleibende Behandlungsalternative ist. Die Beachtlichkeit seiner Einschätzung ist aber an das Erfordernis einer von ihm zu erbringenden Begründung gebunden, die eine Prüfung ihrer objektiven Grundlagen ermöglicht.

[X.]) Die Anwendung einer (noch) nicht allgemein anerkannten medizinischen Behandlungsmethode (sog [X.]) stellt nicht per se einen Behandlungsfehler dar, unterliegt aber erhöhten Anforderungen an die dem Arzt zugewiesene Therapieentscheidung und an die Aufklärung des Patienten (vgl [X.] vom [X.] - [X.]Z 168, 103, 108 f; [X.] vom 15.10.2019 - [X.]/18 - juris Rd[X.] 14; [X.] vom 18.5.2021 - [X.]/19 - [X.] 2021, 871 = [X.] 2021, 897, 898). Der Arzt muss eine medizinische Abwägung treffen und vergleichen, ob die zu erwartenden [X.]orteile dieser Methode und ihrer abzusehenden und zu vermutenden Nachteile mit der standardgemäßen Behandlung unter Berücksichtigung des Wohles des Patienten die Anwendung dieser Methode rechtfertigt (vgl [X.] vom [X.] - [X.]Z 168, 103, 108 f; [X.] vom 15.10.2019 - [X.]/18 - juris Rd[X.]). Eine solche Abwägung setzt eine hinreichende Sachkunde sowohl hinsichtlich der Standardbehandlungsmethoden als auch der Außenseitermethode sowie eine vollständige Untersuchung des Patienten voraus (vgl [X.] in Laufs/[X.]/[X.], Arztrecht, 8. Aufl 2021, [X.] und Haftpflicht, Rd[X.] 96; [X.]/[X.], NJW 2013, 428, 430; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des Strafrechts, Band 6, 2022, § 52 Ärztliche Heilbehandlung und Fahrlässigkeitsstrafbarkeit Rd[X.] 31; [X.], [X.] 2019, 786, 789).

Der Anspruch auf die [X.]ersorgung mit Cannabis wurde trotz fehlender Evidenz zur Wirksamkeit der Therapie bewusst geschaffen und das [X.] des § 2 Abs 1 Satz 3 [X.]B [X.] abgeschwächt (vgl BT-Drucks 18/8695 [X.]). Der [X.]ertragsarzt verlässt mit der [X.]erordnung von Cannabis den Standard der medizinischen Wissenschaft und wählt im Rahmen seiner Therapiefreiheit eine grundsätzlich erlaubte [X.] bzw [X.]. Die damit einhergehende Ausweitung der Leistungspflicht der [X.] auf Methoden außerhalb des medizinischen Standards ist mit der nach § 31 Abs 6 Satz 1 [X.] 1 Buchst b [X.]B [X.] geforderten Einschätzung gegenüber der [X.] in der gleichen Weise zu begründen, wie eine Abwägung und Begründung wie sie nach haftungsrechtlichen Maßstäben geboten ist.

[X.]) Bei Einsatz einer Behandlungsmethode, zu deren Anwendung, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit noch keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, gebietet es der Schutz des Patienten, den Weg des gesicherten Nutzens zu wählen (vgl B[X.] vom [X.] - B 1 KR 25/20 R - [X.], 67 = [X.] 4-2500 § 137c [X.], Rd[X.]2; B[X.] vom [X.] - B 1 KR 18/20 R - B[X.]E 133, 24 = [X.] 4-2500 § 2 [X.] 17, Rd[X.] 11). Auch wenn der Gesetzgeber bewusst unter [X.]erzicht auf eine hinreichende Evidenz zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit einer Cannabis-Therapie einen entsprechenden [X.]ersorgungsanspruch geschaffen hat (vgl BT-Drucks 18/8695 [X.]) und damit von einem gesicherten Nutzen der Therapie mit Cannabis gerade nicht gesprochen werden kann, sind mit § 31 Abs 6 [X.]B [X.] nicht sämtliche [X.]orgaben des Leistungsrechts außer [X.] gesetzt. Die Leistungen zur Krankenbehandlung werden von den [X.]n mit dem Ziel erbracht, Krankheiten zu erkennen, zu heilen, ihre [X.]erschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 27 Abs 1 Satz 1 [X.]B [X.]). Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12 Abs 1 [X.]B [X.]). Das [X.] der [X.]ersicherten an einer wirkungsvollen und qualitätsgesicherten Behandlung und an einem Schutz vor vermeidbaren Gesundheitsgefahren korrespondiert insofern mit dem öffentlichen Interesse an einem verantwortungsvollen Umgang mit den beschränkten Mitteln der Beitragszahler (vgl B[X.] vom [X.], [X.]O; B[X.] vom [X.], [X.]O, Rd[X.] 18). Daher ist durch gründliche Abwägung aller therapeutischen Alternativen zur Cannabismedikation zu verhindern, dass der Patient eine allgemein anerkannte, wirksame Behandlungsmethode nicht nutzt, er vermeidbaren Gesundheitsgefahren ausgesetzt wird und die Gemeinschaft der Beitragszahler nicht mit Kosten für eine unwirksame oder den Patienten gefährdende Therapie oder mit Mehrkosten gegenüber einer verfügbaren Standardtherapie belastet wird.

ee) Der notwendige Inhalt der begründeten Einschätzung bestimmt sich nach dem Wortlaut von § 31 Abs 6 Satz 1 [X.] 1 Buchst b [X.]B [X.] und den aus dem Betäubungsmittel- und Arzthaftungsrecht abzuleitenden [X.]orgaben.

Dabei ist zu unterscheiden zwischen den der Abwägung zugrunde liegenden Tatsachen, die maßgeblich für die Frage sind, ob eine Standardtherapie zur Anwendung kommen kann, und der Abwägung selbst. Der Wortlaut der Norm gibt bereits vor, dass die zu erwartenden oder bereits aufgetretenen Nebenwirkungen der zur [X.]erfügung stehenden, allgemein anerkannten und dem medizinischen Standard entsprechenden Leistungen und der Krankheitszustand darzustellen sind (so auch [X.] Baden-Württemberg, zuletzt vom 22.3.2022 - [X.] 3804/21 - juris Rd[X.]8 mwN; [X.] Berlin-Brandenburg vom [X.] - [X.] 233/20 - juris Rd[X.] 38). Dies ist auch in Abstimmung mit den betäubungsmittel- und arzthaftungsrechtlichen Anforderungen dahin zu konkretisieren, dass der Krankheitszustand mit den bestehenden Funktions- und Fähigkeitseinschränkungen aufgrund eigener Untersuchung des Patienten und ggf unter Hinzuziehung von Befunden anderer behandelnder Ärzte zu beschreiben ist. Hierzu gehört auch ein evtl Suchtmittelgebrauch in der [X.]ergangenheit sowie das Bestehen oder der [X.]erdacht einer Suchtmittelabhängigkeit. Der [X.]ertragsarzt muss die mit Cannabis zu behandelnde(n) Erkrankung(en), ihre Symptome und das angestrebte Behandlungsziel sowie die bereits angewendeten [X.], deren Erfolg im Hinblick auf das Behandlungsziel und dabei aufgetretene Nebenwirkungen benennen. Der [X.]ertragsarzt kann dazu auch seine Patientendokumentation und die Befunde anderer behandelnder Ärzte der begründeten Einschätzung beifügen und auf diese verweisen. Das Behandlungsziel muss entweder in einer Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome der Erkrankung bestehen (s dazu Rd[X.]0 ff). Dies ergibt sich aus der [X.]oraussetzung, dass für die Therapie mit Cannabis eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehen muss (§ 31 Abs 6 Satz 1 [X.] [X.]B [X.]).

Die Abwägung der Anwendbarkeit von Standardtherapien erfordert es, dass der [X.]ertragsarzt überdies alle noch verfügbaren Standardtherapien benennt und deren zu erwartenden Erfolg im Hinblick auf das Behandlungsziel und die zu erwartenden Nebenwirkungen darlegt. Im Ergebnis müssen sämtliche verfügbare Standardtherapien entweder durch den [X.]ertragsarzt bereits erfolglos angewendet worden sein oder in die Abwägung einbezogen werden.

Auf der Grundlage der dargelegten Tatsachen ist die Abwägung der Nebenwirkungen der noch verfügbaren Standardtherapien mit dem beschriebenen Krankheitszustand und den möglichen schädlichen Auswirkungen einer Therapie mit Cannabis (zur Cannabisabhängigkeit s auch Rd[X.] 38, 51) vorzunehmen. In die Abwägung einfließen dürfen dabei nur Nebenwirkungen, die das Ausmaß einer behandlungsbedürftigen Erkrankung erreichen (BT-Drucks 18/8965 [X.]). Die entsprechende gesetzgeberische [X.]orstellung hat zwar im Wortlaut des § 31 Abs 6 Satz 1 [X.]B [X.] keinen Niederschlag gefunden. Sie fügt sich aber in die im [X.]B [X.] angelegten abgestuften [X.]oraussetzungen, unter denen von den [X.]orgaben des [X.]es abgewichen werden kann, sowie in die Rechtsprechung des [X.]s zur Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei der Arzneimittelversorgung systematisch ein. Auch wenn die für den [X.]ersorgungsanspruch nach § 2 Abs 1a [X.]B [X.] und den Anspruch auf [X.]ersorgung mit Arzneimitteln unter Überschreitung der Zulassung geltende hohe Schwelle der objektiven Nichtverfügbarkeit einer Standardtherapie (vgl B[X.] vom [X.] - B 1 KR 7/05 R - B[X.]E 96, 170 = [X.] 4-2500 § 31 [X.], Rd[X.] 31; B[X.] vom 19.3.2002 - B 1 KR 37/00 R - [X.], 184, 192 = [X.] 3-2500 § 31 [X.]) hier nicht gilt, besteht gleichwohl kein Anspruch auf eine nebenwirkungsfreie Arzneimitteltherapie.

Aus der Abwägung des [X.]ertragsarztes muss hervorgehen, warum zu erwartende Nebenwirkungen bei dem beschriebenen Krankheitszustand des Patienten auch im Hinblick auf das mögliche Erreichen der angestrebten Behandlungsziele nicht tolerierbar sind oder warum keine hinreichende Aussicht auf Erreichen des [X.] besteht, weil etwa Arzneimittel mit vergleichbarem Wirkmechanismus erfolglos geblieben sind. Die Abwägung schließt ein, auch bei dem Krankheitszustand des Patienten mögliche schädliche Auswirkungen einer Therapie mit Cannabis, wie das Entstehen, Unterhalten oder [X.]erfestigen einer Abhängigkeit oder das Auftreten von Psychosen, zu erfassen und mit den Nebenwirkungen einer Standardtherapie abzuwägen. Der [X.]ertragsarzt muss in seine Abwägung einbeziehen, in welcher Darreichungsform die Anwendung von Cannabis das geringste Risiko in Bezug auf schädliche Wirkungen und auf einen möglichen Missbrauch des verordneten Cannabis in sich birgt. Das gilt insbesondere bei einem vorbestehenden Suchtmittelkonsum oder einer vorbestehenden Suchtmittelabhängigkeit.

ff) [X.]n und Gerichte dürfen die vom [X.]ertragsarzt abgegebene begründete Einschätzung nur daraufhin überprüfen, ob die erforderlichen Angaben als Grundlage der Abwägung vollständig und inhaltlich nachvollziehbar sind, und das [X.] nicht völlig unplausibel ist. Die dem [X.]ertragsarzt eingeräumte [X.] schließt eine weitergehende Prüfung des [X.] auf Richtigkeit aus. Insbesondere steht es [X.]n und Gerichten nicht zu, die Anwendbarkeit einer verfügbaren Standardtherapie selbst zu beurteilen und diese Beurteilung an die Stelle der Abwägung des [X.]ertragsarztes zu setzen (so auch [X.] Nordrhein-Westfalen vom 30.1.2019 - [X.] 442/18 B ER - juris Rd[X.] 32; [X.] Hamburg vom [X.] - L 1 KR 18/22 - juris Rd[X.] 36). Hat der [X.]ertragsarzt in seiner begründeten Einschätzung grundsätzlich verfügbare Standardtherapien nicht aufgeführt und damit keiner Abwägung unterzogen, erschöpft sich die verwaltungsseitige und gerichtliche Überprüfung in der Feststellung, dass es weitere Standardtherapien gibt.

Die eingeschränkte Überprüfbarkeit der begründeten Einschätzung gilt auch im Fall eines vorbestehenden Suchtmittelkonsums oder einer vorbestehenden Suchtmittelabhängigkeit. Ob dieser Umstand eine Kontraindikation für die Behandlung mit Cannabis darstellt, ist vom [X.]ertragsarzt im jeweiligen Einzelfall abzuwägen und in der begründeten Einschätzung darzulegen. Er hat sich möglichst genaue Kenntnis vom bisherigen Konsumverhalten, möglichen schädlichen Wirkungen des bisherigen Konsums und einer eventuellen Abhängigkeit zu verschaffen. Auf dieser Grundlage unterfällt es seiner Beurteilung, ob eine Kontraindikation vorliegt oder welche [X.]orkehrungen gegen einen Missbrauch des verordneten Cannabis zu treffen sind.

Ob eine den Anforderungen entsprechende begründete Einschätzung des [X.]ertragsarztes vorliegt, bestimmt sich nach den vorliegenden Stellungnahmen des behandelnden [X.]ertragsarztes zum Zeitpunkt der letzten mündlichen [X.]erhandlung der Tatsacheninstanz. Der [X.]ersicherte hat die begründete Einschätzung als [X.]oraussetzung des [X.] beizubringen. Es ist ihm nicht verwehrt, auch im gerichtlichen [X.]erfahren in Reaktion auf die bisherigen Erkenntnisse eine Ergänzung der bisher abgegebenen Einschätzung durch den [X.]ertragsarzt noch vorzulegen (anders ua [X.] Hamburg vom [X.] - L 1 KR 18/22 - juris Rd[X.] 36; offengelassen von [X.] Berlin-Brandenburg vom 14.4.2021 - [X.] 402/19 - juris Rd[X.] 30). Eine klare und eindeutige Präklusionsregelung enthält § 31 Abs 6 [X.]B [X.] nicht (vgl zu den Anforderungen an eine Präklusionsregelung B[X.] vom 18.5.2021 - B 1 KR 32/20 R - [X.], 143 = [X.] 4-2500 § 275 [X.] 33, Rd[X.] 33 mwN). Allerdings besteht keine [X.]erpflichtung des Gerichts (§ 103 [X.]G), beim behandelnden [X.]ertragsarzt eine begründete Einschätzung oder ihre Ergänzung um bisher nicht berücksichtigte Umstände anzufordern. Die begründete Einschätzung dokumentiert die Abwägung des [X.]ertragsarztes, die als Ergebnis seines Entscheidungsprozesses keine Tatsache darstellt, die durch das Gericht mit den zur [X.]erfügung stehenden prozessualen Mitteln erforscht werden könnte.

3. Weiter setzt der Anspruch voraus, dass durch die Behandlung mit Cannabis eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht (Erfolgsaussicht).

Die Erfolgsaussicht muss sich auf die ursächliche Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung oder auf besonders schwere Symptome bzw Auswirkungen der schwerwiegenden Erkrankung oder Erkrankungen beziehen. Besonders schwer sind Symptome bzw Auswirkungen bereits dann, wenn sie das Bild der schwerwiegenden Erkrankung prägen, ohne dass sie selbst einen [X.] von 50 erreichen müssen. In der Gesetzesbegründung wird hierzu die Behandlung von Appetitlosigkeit und Übelkeit bei Behandlung einer Krebserkrankung mit Chemotherapie genannt.

An die Prognose der Erfolgsaussicht sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Diese Anspruchsvoraussetzung knüpft an § 2 Abs 1a Satz 1 [X.]B [X.] an, geht aber insoweit darüber hinaus, als eine spürbar positive Einwirkung auf schwerwiegende Krankheitssymptome ohne Einwirkung auf die Grunderkrankung ausreichend ist (BT-Drucks 18/8965 [X.]).

Ausreichend ist, dass im Hinblick auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome nach wissenschaftlichen Maßstäben objektivierbare Erkenntnisse dazu vorliegen, dass die Behandlung im Ergebnis mehr nutzt als schadet (vgl B[X.] vom 7.11.2006 - B 1 KR 24/06 R - B[X.]E 97, 190 = [X.] 4-2500 § 27 [X.], Rd[X.]4 ff; B[X.] vom [X.] - B 1 KR 26/12 R - [X.] 4-2500 § 18 [X.] Rd[X.] 19). Dies können Unterlagen und Nachweise der [X.] und [X.] ([X.] § 11 Abs 2 Satz 1 [X.] Buchst f und g [X.]erfahrensordnung des [X.]) sein (so auch [X.], [X.] 2018, 273, 276). Dazu gehören auch Fallserien und Einzelfallberichte. Die fachliche Einschätzung des behandelnden Arztes, der Einsatz von Cannabis werde positive Wirkung haben, genügt allein nicht, wenn aus der wissenschaftlichen Untersuchung und Diskussion bereits Erkenntnisse vorliegen, die mangels Nutzen oder wegen beobachteter Nebenwirkungen gegen den Einsatz von Cannabis sprechen (vgl B[X.] vom [X.] - B 6 [X.] 53/05 B - juris Rd[X.]). Bei Fehlen theoretisch-wissenschaftlicher Erklärungsmuster kann im Einzelfall bei vertretbaren Risiken auch die bloße ärztliche Erfahrung für die Annahme eines Behandlungserfolgs entscheidend sein, wenn sich diese Erkenntnisse durch andere Ärzte in ähnlicher Weise wiederholen lassen, die fachliche Einschätzung des behandelnden Arztes also durch objektive Hinweise unterstützt wird (vgl B[X.] vom [X.] - B 1 KR 7/05 R - B[X.]E 96, 170 = [X.] 4-2500 § 31 [X.], Rd[X.]3; B[X.] vom [X.] - B 1 KR 36/20 B - juris Rd[X.] 9). Eine der gerichtlichen Prüfung entzogene [X.] des behandelnden Arztes besteht insoweit nicht.

Anders als im Rahmen von § 2 Abs 1a [X.]B [X.] hängen die Anforderungen an die Prognose der Erfolgsaussicht nicht von der Schwere der Erkrankung ab (zur Abstufung der Evidenzgrade bei § 2 Abs 1a [X.]B [X.] s B[X.] vom [X.] - B 1 KR 7/05 R - B[X.]E 96, 170 = [X.] 4-2500 § 31 [X.], Rd[X.]0; B[X.] vom 2.9.2014 - B 1 KR 4/13 R - [X.] 4-2500 § 18 [X.] 9 Rd[X.] 17).

Das [X.] hat ausgehend von seiner Rechtsansicht keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht. Allein der [X.]erweis auf Leitlinien, die den Einsatz von Cannabis bei bestimmten Krankheitsbildern nicht empfehlen, reicht jedenfalls nicht aus, um die Erfolgsaussicht iS des § 31 Abs 6 Satz 1 [X.] [X.]B [X.] zu verneinen.

4. Die Leistung bedarf bei der ersten [X.]erordnung für [X.]ersicherte überdies der Genehmigung der [X.], die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Für die Erteilung einer Genehmigung für die vertragsärztliche [X.]erordnung von Cannabis reicht es aus, dass der [X.]ertragsarzt der [X.] den Inhalt der geplanten [X.]erordnung mitteilt oder der [X.]ersicherte der [X.] eine entsprechende Erklärung des [X.]ertragsarztes übermittelt. Die [X.]orlage einer vom Arzt bereits ausgestellten [X.]erordnung ist dagegen nicht erforderlich.

a) Auch der Leistungsanspruch auf [X.]ersorgung mit Cannabis bedarf zu seiner Realisierung gemäß § 73 Abs 2 [X.] 7 [X.]B [X.], § 11 Abs 1 [X.] ([X.], Richtlinie nach § 92 Abs 1 Satz 2 [X.] 6 [X.]B [X.]) einer vertragsärztlichen [X.]erordnung. Die [X.]erordnung dokumentiert gegenüber der Apotheke, dass das Mittel an den [X.]ersicherten zulasten der [X.] abgegeben werden darf (B[X.] vom 17.12.2009 - B 3 KR 13/08 R - B[X.]E 105, 157 = [X.] 4-2500 § 129 [X.] 5, Rd[X.] 17; B[X.] vom [X.] KR 3/10 R - B[X.]E 106, 303 = [X.] 4-2500 § 129 [X.] 6, Rd[X.] 13). Mit ihr übernimmt der [X.]ertragsarzt die therapeutische [X.]erantwortung für den Einsatz des Mittels. Dies kommt aber auch hinreichend zum Ausdruck, wenn der [X.]ertragsarzt selbst der [X.] den Inhalt der geplanten [X.]erordnung mitteilt oder der [X.]ersicherte ihr eine entsprechende Erklärung des [X.]ertragsarztes übermittelt.

Eine über die Dokumentation der therapeutischen [X.]erantwortung hinausgehende Funktion kommt der Ausstellung der [X.]erordnung jedenfalls für das Genehmigungsverfahren nach § 31 Abs 6 Satz 2 [X.]B [X.] nicht zu. Die in § 31 Abs 6 Satz 2 [X.]B [X.] vorgesehene Genehmigung ermöglicht - abweichend vom sonst üblichen Weg der [X.]ersorgung mit Arzneimitteln - eine präventive Kontrolle der [X.], ob die in Satz 1 benannten [X.]oraussetzungen für einen Anspruch des [X.]ersicherten auf [X.]ersorgung mit Cannabis erfüllt sind. Diese Kontrolle kann die [X.] auch ohne [X.]orlage einer [X.]erordnung allein in Kenntnis der geplanten [X.]erordnung mit den Angaben iS des § 9 Abs 1 [X.] 3 bis 5 [X.] ausüben (anders Bayerisches [X.] vom 13.7.2022 - [X.] 366/21 - juris Rd[X.] 59; Bayerisches [X.] vom 3.3.2022 - [X.] 307/19 - juris Rd[X.]4 ff; [X.] Baden-Württemberg vom 26.11.2018 - [X.] 3464/18 [X.] - juris Rd[X.] 16; [X.] Baden-Württemberg vom [X.] - [X.] 772/19 - Rd[X.]0). Denn die [X.]oraussetzungen des Genehmigungsanspruchs nach § 31 Abs 6 Satz 1 [X.]B [X.], wie das [X.]orliegen einer schwerwiegenden Erkrankung und die begründete Einschätzung des [X.]ertragsarztes, können sich nicht aus einer [X.]erordnung ergeben. Die Ausstellung eines [X.]es würde ohne Mehrwert für das Genehmigungsverfahren in Anbetracht der auf sieben Tage begrenzten Gültigkeit (§ 12 Abs 1 [X.] 1 Buchst c [X.]) idR allein zur [X.]orlage im Genehmigungsverfahren erfolgen. Denn das [X.] bedarf nach dem Betäubungsmittelrecht zu seiner Gültigkeit keiner Genehmigung der [X.], ein entsprechendes Feld zur Genehmigung durch die [X.] ist auf dem [X.] nicht vorgesehen. Und die Apotheke darf das verordnete Mittel bei [X.]orlage eines ordnungsgemäß ausgefüllten [X.]es auch zulasten der [X.] abgeben, weil im [X.]erhältnis zwischen [X.]n und [X.] kein Genehmigungsvorbehalt solcher [X.]erordnungen vorgesehen ist (unzutreffend [X.] Baden-Württemberg vom 26.11.2018 - [X.] 3464/18 [X.] - juris Rd[X.] 16 zur Anwendung der für § 73 [X.] bestimmten Pflicht der Apotheker, sich bei Abgabe die Genehmigung vorlegen zu lassen).

Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 31 Abs 6 Satz 2 [X.]B [X.], der die Erteilung der Genehmigung vor Beginn der Leistung anordnet. Wenn die Leistung "bei" der ersten [X.]erordnung der Genehmigung bedarf, kann das durchaus auch rein zeitlich verstanden werden: Bei Ausstellung der ersten einlösbaren [X.]erordnung, die dem [X.]ersicherten ausgehändigt wird, muss die Genehmigung der [X.] erteilt sein. Dem steht auch nicht der zweite Halbsatz zur Genehmigungserteilung vor Leistungsbeginn entgegen. Dieser Halbsatz schließt allein die Rückwirkung der Genehmigung für den Bezug von Cannabisprodukten aus, denen eine vor Genehmigung ausgestellte vertragsärztliche [X.]erordnung zugrunde liegt.

[X.]) Ob der Kläger eine der [X.] entsprechende [X.]erordnung vorgelegt hat oder die vom behandelnden [X.]ertragsarzt geplante und mit den og Angaben nach § 9 Abs 1 [X.] 3 bis 5 [X.] hinreichend genau bezeichnete [X.]erordnung der Beklagten mitgeteilt wurde, lässt sich den Feststellungen des [X.] nicht entnehmen. Diesen ist lediglich zu entnehmen, dass sich das [X.] mit der Frage der Konkretisierung des Antrages und der Notwendigkeit der [X.]orlage einer [X.]erordnung befasst und insoweit nicht auf die Entscheidungsgründe im Gerichtsbescheid des [X.] Bezug genommen hat (§ 153 Abs 2 [X.]G; zur beschränkten Bezugnahme vgl auch B[X.] vom 5.12.2017 - B 12 KR 16/15 R - [X.] 4-2400 § 8 [X.] Rd[X.] 14 mwN). Die Feststellungen im Gerichtsbescheid des [X.], dass der Kläger eine ärztliche [X.]erordnung nicht vorgelegt habe und ein [X.] sowie die nach der [X.] erforderlichen [X.]erordnungsangaben fehlten, stellen damit keine den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] dar (§ 163 [X.]G). Das [X.] muss danach Feststellungen nachholen, ob die [X.] Kenntnis vom Inhalt einer entsprechenden ärztlichen [X.]erordnung erlangt hat.

5. Liegen die vorgenannten Tatbestandsvoraussetzungen vor, darf die [X.] die Genehmigung der [X.]erordnung gemäß § 31 Abs 6 Satz 2 [X.]B [X.] nur in begründeten Ausnahmefällen ablehnen. Hierfür ist sie darlegungs- und beweispflichtig. Die dem [X.]ertragsarzt eingeräumte [X.] zur Unanwendbarkeit einer Standardtherapie darf hierbei nicht unterlaufen werden. Ein begründeter Ausnahmefall setzt voraus, dass über die Anspruchsvoraussetzungen nach § 31 Abs 6 Satz 1 [X.]B [X.] hinausgehende, besondere Umstände vorliegen. Jegliche Umstände, die bereits in die Abwägung des [X.]ertragsarztes zur Abgabe der begründeten Einschätzung (§ 31 Abs 6 Satz 1 [X.] 1 Buchst b [X.]B [X.]) einzustellen sind, sind nicht geeignet, als begründeter Ausnahmefall eine Ablehnung der Genehmigung zu rechtfertigen. Das gilt auch für einen [X.]orkonsum und eine Cannabisabhängigkeit, die Gegenstand der begründeten Einschätzung sind und regelmäßig keinen begründeten Ausnahmefall darstellen. Sollte der [X.]ertragsarzt die notwendige Abwägung nicht auf vollständiger und zutreffender Tatsachengrundlage unter Berücksichtigung der Gründe, die einer Therapie mit Cannabis entgegenstehen können, vorgenommen haben, scheitert der Genehmigungsanspruch bereits an der unzureichend begründeten Einschätzung (s dazu oben Rd[X.] 32 ff). In Betracht kommen deshalb in erster Linie nichtmedizinische Gründe, etwa die unbefugte Weitergabe des verordneten Cannabis an Dritte. Dazu, ob ein solcher Ausnahmefall hier vorliegt, hat das [X.] - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - aber keine Feststellungen getroffen.

6. Abschließend ist auch bei der [X.]ersorgung mit Cannabis das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Insoweit steht auch dem [X.]ertragsarzt keine [X.] zu.

Nach dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebotmüssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12 Abs 1 Satz 1 [X.]B [X.]). Der [X.] ist es verwehrt, Leistungen zu bewilligen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind (§ 12 Abs 1 Satz 2 [X.]B [X.]). Das Wirtschaftlichkeitsgebot kommt grundsätzlich erst zum Tragen, wenn zur Behandlung mehrere ausreichende, zweckmäßige und notwendige Alternativen bestehen. In diesem Fall beschränkt sich die Leistungspflicht der [X.] auf die Leistung mit der besten Kosten-Nutzen-Relation (vgl B[X.] vom 22.7.1981 - 3 RK 50/79 - B[X.]E 52, 70, 75 = [X.] 2200 § 182 [X.] 72 S 125; B[X.] vom [X.] - B 1 KR 12/12 R - B[X.]E 113, 231 = [X.] 4-2500 § 40 [X.] 7, Rd[X.] 16; B[X.] vom 13.5.2015 - B 6 [X.] 18/14 R - [X.] 4-2500 § 106 [X.] 51 Rd[X.] 38). Neben der [X.] ist auch der [X.]ertragsarzt dem Wirtschaftlichkeitsgebot verpflichtet und hat deshalb bei mehreren zur [X.]erfügung stehenden, medizinisch gleichwertigen Therapieansätzen im Regelfall verpflichtend den kostengünstigeren zu wählen (§ 70 Abs 1 Satz 2 [X.]B [X.]; B[X.] vom [X.] - B 1 KR 13/05 R - B[X.]E 96, 261 = [X.] 4-2500 § 92 [X.] 5, Rd[X.]4; B[X.] vom 17.2.2016 - B 6 [X.] 3/15 R - [X.] 4-2500 § 106 [X.] 54 Rd[X.] 19). Eine Ausnahme von der Geltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes sieht § 31 Abs 6 [X.]B [X.] nicht vor.

Bei voraussichtlich gleicher Geeignetheit von Cannabisblüten, Cannabisextrakten und Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon besteht nur ein Anspruch auf [X.]ersorgung mit dem kostengünstigsten Mittel. Die [X.] ist berechtigt, trotz Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen die Genehmigung der vom [X.]ertragsarzt beabsichtigten [X.]erordnung zu verweigern und auf ein günstigeres, voraussichtlich gleich geeignetes Mittel oder eine voraussichtlich gleich geeignete Darreichungsform zu verweisen. Hierzu hat das [X.] bislang keine Feststellungen getroffen.

I[X.] Auch über das Bestehen eines Kostenerstattungsanspruchs für die vom Kläger auf privatärztliche [X.]erordnung selbst beschafften Cannabisblüten kann der [X.] nicht abschließend entscheiden. Ein Anspruch nach § 13 Abs 3a Satz 7 [X.]B [X.] besteht allerdings nicht, da eine Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a Satz 6 [X.]B [X.]) nicht eingetreten ist. Nach den Feststellungen des [X.] hat die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 29.5.2017 über die Anhörung des [X.] informiert und am [X.] - und damit nach knapp vier Wochen - über den Antrag vom [X.] entschieden. Ob die Beklagte den Genehmigungsantrag des [X.] zu Unrecht abgelehnt hat (§ 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 [X.]B [X.]), kann der [X.] auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] dagegen nicht entscheiden (zu den [X.]oraussetzungen des Genehmigungsanspruchs oben unter [X.]). Dem Kostenerstattungsanspruch steht jedenfalls nicht entgegen, dass der Anspruch auf die [X.]ersorgung mit Cannabis bei der ersten [X.]erordnung der Genehmigung der [X.] bedarf (§ 31 Abs 6 Satz 2 [X.]B [X.]). Die Genehmigung stellt die maßgebliche [X.]oraussetzung für den Sachleistungsanspruch auf [X.]ersorgung mit Cannabis dar. Ohne sie kann der [X.]ersicherte die Leistung nicht beanspruchen und darf der [X.]ertragsarzt die Leistung nicht mittels einer vertragsärztlichen [X.]erordnung zulasten der [X.] veranlassen (zur Unzulässigkeit einer [X.]erordnung ohne Genehmigung mit der Folge eines Regresses nach §§ 106, 106b [X.]B [X.] [X.] Stuttgart vom [X.] - S 4 [X.] 3885/20 - juris Rd[X.]5 ff). Die rechtswidrige Nichterteilung der Genehmigung schließt jedoch den Kostenerstattungsanspruch nicht aus. Es kommt nur darauf an, ob die [X.]oraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung und die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen im Beschaffungszeitpunkt vorgelegen haben.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren ist festzustellen, ob die Genehmigungsvoraussetzungen bei Erlass des Bescheides vom [X.] oder zu einem späteren Zeitpunkt vorgelegen haben. Hierzu muss das [X.] ua ermitteln, ob eine hinreichende Bezeichnung der geplanten [X.]erordnung und eine begründete Einschätzung bereits in den Unterlagen enthalten waren, die dem Antrag vom [X.] in einem verschlossenen Umschlag beigefügt waren. War dies nicht der Fall, wird weiter zu prüfen und festzustellen sein, ob diese Angaben zu einem späteren Zeitpunkt in das [X.]erfahren eingebracht worden sind. Sollte eine den Anforderungen entsprechende begründete Einschätzung nachgereicht worden sein, kann diese Ergänzung aber erst ab diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf Genehmigung für die Zukunft begründen.

II[X.] [X.] bleibt dem [X.] vorbehalten.

[X.] [X.]

Meta

B 1 KR 28/21 R

10.11.2022

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Osnabrück, 9. Oktober 2019, Az: S 3 KR 355/17, Gerichtsbescheid

§ 31 Abs 6 S 1 Nr 1 Buchst a SGB 5, § 31 Abs 6 S 1 Nr 1 Buchst b SGB 5, § 31 Abs 6 S 1 Nr 2 SGB 5, § 31 Abs 6 S 2 SGB 5, § 2 Abs 1 S 3 SGB 5, § 12 Abs 1 SGB 5, § 70 Abs 1 S 2 SGB 5, § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB 5, § 2 Abs 2 SGB 9 2018, § 31 Abs 2 BVG, § 13 Abs 1 BtMG 1981, Anl 3 BtMG 1981, § 9 Abs 1 BtMVV 1998, § 2 VersMedV, Anlage VersMedV, § 11 Abs 1 AMRL

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 10.11.2022, Az. B 1 KR 28/21 R (REWIS RS 2022, 7682)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7682

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 494/13

3 StR 321/11

VI ZR 105/18

VI ZR 401/19

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