Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.03.2019, Az. B 12 KR 84/18 B

12. Senat | REWIS RS 2019, 9512

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Revisionszulassung - Divergenz - Verfahrensmangel - Verletzung des Amtsermittlungsprinzips


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 22. August 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 179 469,36 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit ist die Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen sowie Säumniszuschlägen streitig. Die klagende [X.] vertreibt Einbauküchen. Nach einer Betriebsprüfung forderte die Beklagte von ihr für die Beschäftigung des Beigeladenen zu 2., Vater des Geschäftsführers der Klägerin, die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen sowie Säumniszuschlägen in Höhe von zusammen 179 469,36 Euro (Bescheid vom 10.11.2014, Widerspruchsbescheid vom 17.9.2015). Das [X.] hat die Bescheide aufgehoben, soweit Beiträge für die Jahre 2004 bis 2009 erhoben wurden, und im Übrigen die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.12.2017). Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten das Urteil des [X.] geändert sowie die Klage insgesamt abgewiesen. Nach einer Gesamtabwägung sei von einer Beschäftigung des in den Betrieb der Klägerin eingegliederten Beigeladenen zu 2. auszugehen. Ohne dessen Tätigkeit hätte eine andere Arbeitskraft beschäftigt werden müssen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Höhe des ihm gewährten Entgelts deutlich den Arbeitsverdienst eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit vergleichbarer Qualifikation und Erfahrung überstiegen haben könnte. Der Beigeladene zu 2. habe auch weder eigenes Kapital noch die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt (Urteil vom 22.8.2018). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

2

II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des L[X.] ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 [X.] Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 [X.]G). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 [X.]G), der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) und des [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3

1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des L[X.] von einer Entscheidung des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des L[X.] von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des B[X.], des [X.] oder des [X.] abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das L[X.] seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das B[X.], der [X.] oder das [X.] entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das L[X.] diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl B[X.] Beschlüsse vom [X.] - B 3 P 13/04 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] Rd[X.] und 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.], jeweils mwN). Eine solche Abweichung hat die Klägerin nicht dargetan.

4

Die Klägerin entnimmt dem angegriffenen Urteil des L[X.] eine Vielzahl von Rechtssätzen und stellt diesen die Rechtsprechung des B[X.] und daraus abgeleitete Rechtssätze gegenüber. Es kann dahingestellt bleiben, ob damit sich widersprechende Rechtssätze aufgezeigt worden sind. Jedenfalls ist nicht dargelegt worden, dass das L[X.] die Rechtsprechung des B[X.] nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch infrage gestellt hätte. Soweit die Beschwerde ausführt, das L[X.] "verkennt" und "verstößt gegen die Rechtsprechung des B[X.]", dessen Grundsätze seien nicht "beachtet" worden und es werde "die vom L[X.] vorgenommene Bewertung zur vorsätzlichen Beitragsvorenthaltung" und "die rechtliche Bewertung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 2. als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung" gerügt, wird vielmehr die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung beanstandet. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 62/04 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] RdNr 18).

5

2. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 [X.]G stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (B[X.] vom 17.4.2012 - [X.] R 347/11 B - [X.] 4-2600 § 72 [X.] RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

6

Die Klägerin hat keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 [X.]G) mit höherrangigem Recht (B[X.] Beschluss vom 23.12.2015 - [X.] KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert. Das Vorbringen, die "herausgearbeiteten Rechtssätze des L[X.]" dürften nicht unbeanstandet bleiben, genügt insoweit nicht. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist aber unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (B[X.] Beschluss vom 10.9.2014 - [X.] ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).

7

3. Die Klägerin macht mit der Begründung, das L[X.] sei fehlerhaft von den Feststellungen des [X.] abgewichen, die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 GG, §§ 62, 128 Abs 2 [X.]G) geltend. Mit ihm soll zwar verhindert werden, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (B[X.] Urteil vom 16.3.2016 - B 9 V 6/15 R - [X.] 4-3100 § 60 [X.] Rd[X.]6; [X.] Beschluss vom 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - [X.]E 84, 188, 190). Unabhängig davon, dass ein Prozessgericht grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte vorher mit den Beteiligten zu erörtern (B[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 [X.] B - [X.] 3-1500 § 112 [X.] S 3 mwN), ist eine Überraschungsentscheidung aber nur dargetan, wenn aufgezeigt wird, welches Vorbringen gegebenenfalls verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (B[X.] Beschluss vom 1.8.2017 - [X.] R 323/16 B - Juris RdNr 15). Daher wäre von der Klägerin darzulegen gewesen, dass das L[X.] bei Gewährung rechtlichen Gehörs zu einem für sie günstigeren Ergebnis und damit zu einer gegenteiligen rechtlichen Würdigung gekommen wäre (vgl B[X.] Beschluss vom 24.10.2013 - [X.] R 253/13 B - Juris RdNr 12). Dass der wegen der gerügten Gehörsverletzung unterbliebene Vortrag geeignet gewesen wäre, die Entscheidung zu beeinflussen (vgl B[X.] Beschluss vom 25.7.2017 - B 11 [X.] 23/17 B - Juris Rd[X.]), geht aus der Beschwerdebegründung aber nicht hervor.

8

Sollte die Klägerin zudem eine Verletzung des § 103 [X.]G ([X.]) rügen, hat sie nicht aufgezeigt, weshalb das L[X.] einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. "Ohne hinreichende Begründung" ist nicht formell, sondern materiell im Sinne von "ohne hinreichenden Grund" zu verstehen (B[X.] Beschluss vom 31.7.1975 - 5 BJ 28/75 - [X.] 1500 § 160 [X.] S 6). Da sich das L[X.] von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben (B[X.] Beschluss vom 12.12.2003 - [X.] RJ 179/03 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] RdNr 9), ist darzulegen, inwiefern nach den dem L[X.] vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen Sachverhalt aus der rechtlichen Sicht des L[X.] erkennbar offengeblieben sind, damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat und die so zu ermittelnden Tatsachen nach der Rechtsauffassung des L[X.] entscheidungserheblich sind (B[X.] Beschluss vom 28.9.2015 - B 9 SB 41/15 B - Juris Rd[X.]; B[X.] Beschluss vom 19.6.2008 - B 2 U 76/08 B - mwN). Auch daran fehlt es hier.

9

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]G).

5. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 [X.] [X.]G iVm § 154 Abs 2 und § 162 [X.] VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 [X.] Teils 1 [X.]G iVm § 52 Abs 1 und 3 [X.], § 47 Abs 1 [X.] und [X.] sowie § 63 Abs 2 [X.] GKG.

Meta

B 12 KR 84/18 B

12.03.2019

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hannover, 13. Dezember 2017, Az: S 14 R 1000/15, Urteil

§ 62 SGG, § 103 SGG, § 128 Abs 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 103 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.03.2019, Az. B 12 KR 84/18 B (REWIS RS 2019, 9512)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9512

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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