Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2006, Az. RiZ (R) 2/06

Dienstgericht des Bundes | REWIS RS 2006, 114

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.](R) 2/06 Verkündet am: 20. Dezember 2006 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Prüfungsverfahren Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja _____________________ DRiG § 22 Abs. 1 [X.] § 84 Abs. 1 Die Entlassung eines schwerbehinderten [X.]s auf Probe ist nicht allein des-halb rechtswidrig, weil die rechtzeitige Einschaltung des [X.] gemäß § 84 Abs. 1 [X.] unterblieben ist. Der Verstoß gegen § 84 Abs. 1 [X.] ist aber bei der Ausübung des in § 22 Abs. 1 DRiG eingeräumten Ermessens zu be-rücksichtigen. [X.] - [X.] des [X.] - Urteil vom 20. Dezember 2006 - [X.](R) 2/06 - [X.] für [X.] bei dem [X.] - 2 - des [X.]Antragsgegner und Revisionskläger,

gegen die [X.]in auf Probe

Antragstellerin und Revisionsbeklagte,
- Prozessbevollmächtigte: wegen Entlassung aus dem [X.]verhältnis auf Probe - 3 - Der [X.]gerichtshof - [X.] des [X.] - hat auf die mündli-che Verhandlung vom 20. Dezember 2006 durch den Vorsitzenden [X.] am [X.]gerichtshof [X.], die [X.]in am [X.]gerichtshof [X.], die [X.] am [X.]gerichtshof Prof. Dr. [X.] und [X.] sowie die [X.]in am [X.]gerichtshof [X.] für Recht erkannt: Die Revision des Antragsgegners gegen das Urteil des [X.]s für [X.] bei dem [X.] vom 8. September 2005 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat die Kosten des [X.] zu tragen. Von Rechts wegen
Tatbestand:

Die in [X.]
geborene, zu 100% schwerbehinderte (geh-behinderte) Antragstellerin bestand am 28. Januar 1997 die erste juristi-sche Staatsprüfung mit der Note "befriedigend" und am 18. Januar 2002 die zweite juristische Staatsprüfung mit der Note "vollbefriedigend". Der Antragsgegner stellte sie mit Wirkung vom 2. April 2002 unter Berufung in das [X.]verhältnis auf Probe in den höheren Justizdienst des [X.] ein und wies sie dem Präsidenten des [X.] zur Dienstleistung zu. 1 - 4 - 2 Der Präsident des [X.] beurteilte die Antragstellerin am 11. November 2002 aufgrund ihrer Tätigkeit bis zum 31. Oktober 2002 als für das [X.]amt ungeeignet. Der Antragsgegner entließ sie dar-aufhin nach Anhörung am 17. Januar 2003 und Zustimmung des Präsidi-alrats durch Verfügung vom 13. Februar 2003 gemäß § 22 Abs. 1 DRiG mit Wirkung vom 2. April 2003 aus dem [X.]verhältnis auf Probe und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an. Zur Begründung verwies er auf die dienstliche Beurteilung vom 11. November 2002. Hier-gegen erhob die Antragstellerin am 12. März 2003 Widerspruch. Auf ih-ren Antrag stellte das [X.] für [X.] bei dem [X.] durch Beschluss vom 27. Mai 2003 die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs wieder her. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners wies der [X.]shof für [X.] bei dem [X.] durch Beschluss vom 14. Juli 2003 zurück.
Durch Beschluss vom 25. Juni 2003 untersagte das [X.] dem Antragsgegner gemäß § 123 Abs. 1 VwGO, bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den Widerspruch der Antrag-stellerin gegen die dienstliche Beurteilung vom 11. November 2002 diese in einem [X.] nach § 22 Abs. 1 DRiG zu verwenden. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen diesen Beschluss wies das [X.] am 9. Oktober 2003 zurück. Der Präsident des [X.] hob die Beurtei-lung des Präsidenten des [X.] vom 11. November 2002 auf den Widerspruch der Antragstellerin am 20. November 2003 auf. 3 - 5 - Der Präsident des [X.] erteilte nach einem [X.] der Antragstellerin am 18. Dezember 2003 eine neue dienstliche Beurteilung ihrer Tätigkeit vom 2. April bis zum 31. Oktober 2002. Danach entsprechen Urteilsvermögen und Entschlusskraft der [X.]in, die Arbeitsplanung am eigenen Arbeitsplatz, die Belastbarkeit sowie die Arbeitszuverlässigkeit und Arbeitshaltung nicht den [X.]. Kooperation auf [X.], Führungsverhalten und Ko-operation entsprechen den Anforderungen weniger. Fachkenntnisse, [X.]sgabe, Denkvermögen, Verhandlungsgeschick, Behauptungs-vermögen und schriftliches Ausdrucksvermögen entsprechen den [X.]. Das mündliche Ausdrucksvermögen übertrifft die Anforderun-gen. Ferner wird in der dienstlichen Beurteilung vom 18. Dezember 2003 ausgeführt: 4 "Mit Wirkung vom 2. April 2002 ist sie als [X.]in auf Probe in den höheren Justizdienst des [X.] eingestellt worden und seitdem in erstinstanzlichen Zivilkammern des [X.] eingesetzt. Bereits nach wenigen Tagen Tätigkeit in der [X.] (02.04.-09.04.2002, bis 15.05. nur noch mit einem geringen Teil der Arbeitskraft) musste sie wegen einer unvorhergesehenen Va-kanz in die [X.] wechseln, die bis einschließlich Mai 2002 im Rahmen des Projektes [X.] entlastet war. Die [X.]in hat zum 10. April 2002 in der [X.] ein Dezernat mit einem Bestand an lediglich knapp über 50 offenen Verfahren übernommen. Die [X.]in hatte und hat [X.] Probleme, ihr Dezernat hinreichend in den Griff zu be-kommen. Dabei hat der [X.] von Anfang an [X.], ihr - wie bei jungen Proberichtern hier üblich - Hilfestellung bei der Arbeitsplanung und -organisation zu geben. Soweit ich das auf einer bislang äußerst schmalen Beurteilungsba-sis einschätzen kann, verfügt die [X.]in wohl durchaus über ei-ne den Anforderungen entsprechende Auffassungsgabe, die sie in - 6 - die Lage versetzt, sich auch in komplexere Sachverhalte einzuar-beiten. Sie hat wohl auch gut durchschnittliche Kenntnisse des [X.] und prozessualen Zivilrechts. Die Beurteilungsgrundlage ist deswegen besonders schmal, weil die [X.]in in ihrer Tätigkeit in der [X.] nur ein, in der [X.] auch nur ein Urteil (nach mündlicher Verhandlung am 09.07.2002 Verkündung am 18.10.2002) abgesetzt hat. Die auch ansonsten auffallend niedrigen Erledigungen beruhen nach meiner derzeitigen Einschätzung jedenfalls auch in einem Mangel an Urteilsvermögen, Entschlusskraft und Belastbarkeit der Richte-rin. In der beobachteten mündlichen Verhandlung war Frau [X.]in [X.]gut vorbereitet. Sie wirkte durchaus sicher und vermittelte den Eindruck, "das Heft in der Hand" zu haben. Kurzfristige Terminsverlegungen und verzögerliche Vorbereitungen von [X.] deuten auf mangelnde Termintreue und eine wenig effiziente Arbeitsplanung hin. Die Erledigungen der Menge nach (vom 10. April 2002 bis 31. Oktober 2002 gesamt knapp über 40 Erledigungen, davon zwei Urteile der Dezernatsvorgängerin) kommen deutlich nicht an die Anforderungen heran, ohne dass ich dies auf Besonderheiten des Dezernats der [X.]in - die im [X.] ein eher weniger belastetes Dezernat zu bearbeiten hatte - zurück-führen kann. Der Anfangsbestand ihres Dezernats (knapp über 50) ist bei etwas über 90 Eingängen (einschließlich etwa 40 interner Abgaben in das Dezernat im April) bis Ende Oktober 2002 auf etwa 100 Sachen angewachsen. Bereits seit langem anhängige Verfah-ren fördert sie nicht hinreichend zügig. Die [X.]in tritt auch im Kollegenkreis, obgleich noch wenig be-rufserfahren, besonders selbstbewusst auf. Zu einem offenen und vertrauensvollen Verhältnis als Grundlage für ein in jeder Hinsicht gedeihliches Zusammenarbeiten in der Kammer und mit der Ge-schäftsstelle (Serviceeinheit) hat sie noch nicht gefunden. Das [X.] häufige Verlangen, Verfügungen sehr kurzfristig abzuar-beiten, zeugen von fehlendem Bedacht auf die Belange Anderer bei der eigenen Arbeitsgestaltung und führte zu Spannungen. Ihre Bereitschaft, Defizite unter Annahme der kollegialen Hilfe aus der - 7 - Kammer auszugleichen, ist wenig ausgeprägt. In [X.] ist die [X.]in regelmäßig auf eine bestimmte Rechtsansicht festgelegt und vertritt diese - weniger offen gegenüber [X.] - besonders nachdrücklich. Abweichend beschlos-sene Auffassungen setzt sie dann aber um. Die fachliche [X.] in der Kammer beschränkt die [X.]in auf das unab-dingbare Maß. In einem Einzelfall habe ich die [X.]in in einer arbeitsrechtli-chen Frage konsultiert. Während ihrer Referendarzeit hatte die [X.]in einen Lehrgang als Fachanwalt für Arbeitsrecht absol-viert. Diesem Arbeitsgebiet gehört erklärtermaßen ihr besonderes Interesse. Die [X.]in ist gehbehindert. Die Behinderung ist - jedenfalls für den Laien, auch für die Vertreterin des [X.] - nicht ohne weiteres erkennbar. Die Frage nach eventuellen verhinde-rungsbedingten Einschränkungen ihrer Leistungsfähigkeit hat die [X.]in anlässlich ihres Dienstantritts bei [X.] verneint. Nach möglichen Hilfestellungen zum Ausgleich der Behinderung wurde die [X.]in bei Dienstantritt befragt, sie sind im Rahmen des hier Möglichen gewährt worden (z.B. Parkplatz im Hof, Dienst-zimmer in räumlicher Nähe zur Geschäftsstelle und den übrigen Kammermitgliedern, Zu- und Abtrag von Akten). Weitere Wünsche hat sie im Beurteilungszeitraum nicht an [X.] herangetragen. Für [X.] war auch sonst nicht erkennbar, dass ich ihr weitere ange-messene Erleichterungen und/oder Arbeitshilfen hätte gewähren können. [X.]in [X.]entsprach im Beurteilungszeitraum in mehreren Be-urteilungseinzelmerkmalen, die nicht ihre Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in quantitativer Hinsicht betreffen, den [X.] weniger oder nicht. Schon einzeln, jedenfalls zusammen-genommen lassen diese Defizite die [X.]in als nicht geeignet für ein [X.]amt erscheinen. Sie werden bei zusammenfassender Bewertung auch nicht dadurch ausgeglichen, dass die [X.]in in anderen Beurteilungseinzelmerkmalen den Anforderungen [X.] oder diese sogar übertraf. Die den hiesigen Anforderungen im Beurteilungszeitraum nicht ge-recht werdenden Leistungen in quantitativer Hinsicht führe ich teil-- 8 - weise auch auf eine den Anforderungen weniger entsprechende Arbeitshaltung zurück. Einen erheblichen Einfluss der Behinderung auf die gezeigten Leistungen in quantitativer Hinsicht vermag ich nicht zu erkennen. Ein solcher Einfluss ist [X.] auch weder von der [X.]in selbst, noch vom [X.]rat oder vom Integrationsamt nachvollziehbar aufgezeigt worden. Im Quervergleich - auch zu anderen [X.]n auf Probe - beurteile ich [X.]in [X.]derzeit zusammenfassend mit nicht geeignet. Die Ausdehnung des [X.] bis zum 31.10.2002 hat jedenfalls keine negative Auswirkung auf die Bewertung."
In weiteren Beurteilungen vom 18. Dezember 2003 und vom 12. Januar 2004 für die Zeiträume vom 1. November 2002 bis zum 30. September 2003 und vom 1. Oktober 2003 bis zum 31. Dezember 2003 beurteilte der Präsident des [X.] die Antragstellerin [X.] als "derzeit nicht geeignet". Der Präsident des [X.] trat in [X.] vom 26. Januar 2004 den Beurteilungen nicht entgegen. 5 Mit Verfügung vom 19. Februar 2004 entließ der Antragsgegner die Antragstellerin gemäß § 22 Abs. 1 DRiG mit Wirkung vom 2. April 2004 erneut aus dem [X.]verhältnis auf Probe. Zur Begründung verwies er auf die Beurteilung ihrer Leistungen in den Zeiträumen vom 1. November 2002 bis 30. September 2003 und vom 1. Oktober 2003 bis zum 31. Dezember 2003 in den dienstlichen Beurteilungen vom 18. Dezember 2003 und 12. Januar 2004. Über den Widerspruch der Antragstellerin gegen diese Verfügung ist noch nicht entschieden. 6 Am 19. April 2004 und am 5. Januar 2005 hat die Antragstellerin im Wege der Untätigkeitsklage beim [X.] beantragt, die [X.] - 9 - sungsverfügungen vom 13. Februar 2003 und vom 19. Februar 2004 auf-zuheben. 8 Nachdem das Verwaltungsgericht einen entsprechenden Antrag der Antragstellerin durch Beschluss vom 16. Juli 2004 abgelehnt hatte, untersagte das Oberverwaltungsgericht auf die Beschwerde der Antrag-stellerin durch Beschluss vom 10. Dezember 2004 im Wege vorläufigen Rechtsschutzes dem Antragsgegner, bis zu einer bestandskräftigen Ent-scheidung über den Widerspruch der Antragstellerin gegen die dienstli-chen Beurteilungen vom 18. Dezember 2003 und vom 12. Januar 2004 diese Beurteilungen sowie die zugrunde liegenden [X.] und die [X.] des Präsidenten des [X.] vom 26. Januar 2004 in [X.] nach § 22 Abs. 1 DRiG zu [X.]. Über den Widerspruch ist noch nicht entschieden.
Während des anhängigen dienstgerichtlichen Verfahrens wies der Antragsgegner am 2. September 2004 den Widerspruch der Antragstelle-rin gegen die Entlassungsverfügung vom 13. Februar 2003 zurück. Zur Begründung führte er aus, die Entlassungsverfügung sei ungeachtet ei-ner möglichen Verletzung des § 84 [X.], der auch für [X.] gelte, formell rechtmäßig. Nach dieser Vorschrift habe der Arbeitgeber bei [X.] von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkei-ten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefähr-dung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung, die in § 93 [X.] genannten Vertretun-gen und das Integrationsamt einzuschalten, um mit ihnen alle [X.] und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögli-che finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten be-9 - 10 - seitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungs-verhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann. Eine unter [X.] dieser Vorschrift verfügte Entlassung sei nur dann rechtswidrig, wenn sie gerade wegen der Unterlassung präventiver Maßnahmen er-folgt sei. Dies sei hier nicht der Fall, weil der Präsident des [X.] die Antragstellerin bereits bei ihrem Dienstantritt auf mögliche Hilfestel-lungen zum Ausgleich ihrer Schwerbehinderung angesprochen und ihr verschiedene Erleichterungen gewährt habe. Ferner habe er bei der Be-urteilung der Leistungsfähigkeit der Antragstellerin ihre medizinischen und physiotherapeutischen Behandlungen mitberücksichtigt. Versäum-nisse des Präsidenten des [X.] lägen auch angesichts der Er-klärung der Antragstellerin zu Beginn des in Rede stehenden Beurtei-lungszeitraumes, dass keine behinderungsbedingte Einschränkung be-stehe, nicht vor.
Nach § 22 Abs. 1 DRiG sei eine Entlassung aus jedem sachlichen Grund, insbesondere bei Zweifeln an der Eignung für das [X.]amt, zulässig. Diese Zweifel ergäben sich aus der rückwirkend für den [X.] vom 2. April bis 31. Oktober 2002 erstellten dienstlichen Beurteilung vom 18. Dezember 2003. Die Einwände der Antragstellerin gegen diese Beurteilung seien unbegründet. Der Präsident des Landge-richts habe nicht sämtliche erreichbaren Erkenntnismöglichkeiten, etwa die von der Antragstellerin vermissten Hinweis- und Beweisbeschlüsse sowie die in [X.] verfassten Voten, ausschöpfen müssen. Er habe sich neben eigenen Erkenntnissen und den vorgeschriebenen [X.] mit weiteren rechtsfehlerfrei ausgewählten, sachge-recht und tendenzfrei gewonnenen Erkenntnissen begnügen dürfen. Die Beurteilung von Arbeitshaltung, Belastbarkeit, Auffassungsgabe, [X.] - 11 - schlusskraft und Urteilsvermögen beruhten nach einem ergänzenden Be-richt des Präsidenten des [X.] auf der zusammenfassenden Wertung einer Fülle von [X.] und -eindrücken, die nicht im Einzelnen wiedergegeben werden könnten, sowie einem Vergleich mit anderen [X.]n. Ein beachtlicher Eignungsmangel liege auch darin, dass die Antragstellerin seit langem anhängige Verfahren nicht hinrei-chend zügig gefördert habe. Darin liege eine strukturelle Schwäche in der Herangehensweise an das übertragene Dezernat, die auch unter Be-rücksichtigung der Schwerbehinderung nicht hingenommen werden kön-ne. Die fehlende fachliche Kooperationsbereitschaft sei ein weiterer selbständiger [X.]. Auch unter Berücksichtigung der Schwerbehinderung der Antragstellerin sei im Hinblick auf das öffentliche Interesse an der Qualität des [X.]personals von dem Einsatz der [X.] in einer [X.] abzusehen und an ihrer Entlas-sung festzuhalten.
Das [X.] hat durch Beschluss vom 8. September 2005 das Verfahren betreffend die Entlassungsverfügung vom 19. Februar 2004 abgetrennt und einstweilen ausgesetzt. Durch das angefochtene Urteil vom 8. September 2005 hat es die Entlassungsverfügung vom 13. Februar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2004 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Entlassungsverfügung sei aus mehreren Gründen rechts-fehlerhaft. Sie sei formell rechtswidrig, weil der Beklagte die [X.] gemäß § 84 Abs. 1 [X.] unterlassen habe. Dies führe, unabhängig von der Ursächlichkeit der Unterlassung, zur Unwirksamkeit der Entlassung. Diese sei auch deshalb formell rechtswidrig, weil der Beklagte eine Abmahnung unterlassen habe. Jedenfalls wenn ein behin-11 - 12 - derter Proberichter ohne Präventionsmaßnahmen entlassen werden [X.], gebiete die erhöhte Fürsorgepflicht des Dienstherrn eine vorherige Abmahnung. Außerdem sei die Entlassung formell rechtswidrig, weil es an verwertbaren Beurteilungen und auch im Übrigen an einer geeigneten Entscheidungsgrundlage fehle. Durch die Verwaltungsgerichte sei dem [X.] die Verwendung aller in Betracht kommenden Beurteilungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch der Antrag-stellerin untersagt worden. Da die Untersagung im Eilverfahren ausge-sprochen worden sei, stehe die Unverwertbarkeit der Beurteilungen al-lerdings nicht rechtskräftig fest. Deshalb sei im [X.] zu prüfen, ob die Bewertung des [X.], die Beurteilung vom 18. Dezember 2003 sei nicht erkennbar rechtswidrig, richtig sei. Dies sei nicht der Fall, weil die Beurteilung erkennbar mangelhaft sei. Der [X.] weiche von der [X.] ab. Es sei nicht erkennbar, ob ein Beurteilungsvorgespräch stattgefunden habe. Der Ein-satz einer Schwerbehinderten zum Abbau von Altbeständen und [X.] sei bedenklich. Ein solches Dezernat sei zudem mit einer gut laufenden, sauberen Abteilung verglichen worden. Die Beurteilung enthalte Eingriffe in die richterliche Unabhängigkeit. Die [X.] sei wegen fehlerhafter Ermessensausübung auch materiell rechtswidrig. Der Ermessensfehler liege in der Verletzung der gesteiger-ten Fürsorgepflicht gegenüber Schwerbehinderten. Mit dieser sei die [X.] des [X.] unvereinbar, zur Beseitigung von Rückständen sei er auf uneingeschränkt leistungsfähige [X.] angewiesen und kön-ne alle anderen entlassen. Die Entlassung verstoße auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Fürsorgepflicht gebiete, Schwer-behinderten vor einer Entlassung die Chance der Bewährung bei einem anderen Gericht zu geben oder ihnen Teilzeitarbeit anzubieten. - 13 - 12 Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Antragsgegner sein Begehren, den Antrag der Antragstellerin abzuweisen, weiter. Wegen seines Vorbringens wird auf die Revisionsbegründung vom 15. März 2006 Bezug genommen.
Der Antragsgegner beantragt, 13 das Urteil des [X.]s für [X.] bei dem [X.] vom 8. September 2005 aufzuheben und den Antrag, die Entlassungsverfügung des Antragsgegners vom 13. Februar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2004 aufzuheben, zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt, 14 die Revision zurückzuweisen.
Auf die Revisionserwiderung vom 28. August 2006 nebst Anlagen wird Bezug genommen. 15 Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision ist unbegründet. 16 - 14 - [X.] 17 Die Revision ist gemäß § 79 Abs. 2, § 80 Abs. 2 DRiG, § 45 Abs. 2 RiG MV zulässig. Gegen erstinstanzliche Urteile des [X.]s für [X.] bei dem [X.] in Prüfungsverfahren findet, wie das [X.] des [X.] bereits entschieden hat (Urteile vom 13. November 2002 - [X.](R) 3/01, NJW-RR 2003, 281, 282 und vom 13. November 2002 - [X.](R) 5/01, NJW-RR 2003, 570, 571), nur die [X.], nicht aber die Berufung statt. I[X.] Die Revision ist unbegründet, weil das angefochtene Urteil nicht auf der Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 80 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 DRiG, § 45 Abs. 2 RiG MV, § 144 Abs. 2 VwGO) beruht. Das [X.] hat die Entlassungsverfügung des [X.] vom 13. Februar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 2. September 2004 im Ergebnis zu Recht als [X.] aufgehoben. 18 1. Die Verfügung vom 13. Februar 2003 und der Bescheid vom 2. September 2004 sind allerdings entgegen der Auffassung des [X.] nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil die gemäß § 84 Abs. 1 [X.] vorgeschriebene rechtzeitige Einschaltung des [X.] unterblieben ist. Das Unterlassen dieser Präventionsmaßnahme führt nicht zur Unwirksamkeit der Entlassung. Dem Wortlaut des § 84 Abs. 1 [X.] ist diese Rechtsfolge nicht zu entnehmen. Auch aus der [X.] - 15 - matischen Stellung der Vorschrift kann die Unwirksamkeit einer Entlas-sung ohne vorherige Präventionsmaßnahme nicht hergeleitet werden. § 84 [X.] steht in Teil 2 Kapitel 3 des [X.], das sonstige Pflichten der Arbeitgeber und Rechte der schwerbehinderten Menschen regelt, und nicht in Teil 2 Kapitel 4 über den Kündigungsschutz. Dies spricht dagegen, dass die Verletzung der Pflicht, Präventionsmaßnahmen durchzuführen, unmittelbare Auswirkungen auf die Wirksamkeit einer späteren Kündigung hat. Deshalb wird für den Bereich des Arbeitsrechts überwiegend die Auffassung vertreten, dass ein Verstoß gegen die [X.] ([X.] NJW 2006, 1691, 1694) gemäß § 84 Abs. 1 [X.] nicht zur Unwirksamkeit einer nachfolgenden Kündigung führt ([X.], Urteil vom 28. Februar 2003 - 2 Sa 339/02, zitiert nach juris; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], HK-[X.] 2. Aufl. § 84 Rdn. 15; [X.], in: [X.]/von der [X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. § 84 Rdn. 6; [X.], in: [X.]/[X.]/Majerski-[X.], [X.] 11. Aufl. § 84 Rdn. 16). Der Verstoß kann allerdings bei der Be-urteilung der Frage, ob eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist, von Bedeutung sein (vgl. [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], HK-[X.] 2. Aufl. § 84 Rdn. 17; [X.], in: [X.]/von der [X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. § 84 Rdn. 2; [X.], in: [X.]/[X.]/Majerski-[X.], [X.] 11. Aufl. § 84 Rdn. 17; [X.], in: [X.]/[X.], [X.] § 84 Rdn. 16). Auch in einem [X.]verhältnis auf Probe, auf das § 84 Abs. 1 [X.] Anwen-dung findet (vgl. [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], HK-[X.] 2. Aufl. § 84 Rdn. 8), führt der Verstoß gegen diese Vorschrift nicht zur Unwirksamkeit einer Entlassung. Der Verstoß ist allerdings bei der Ausübung des in § 22 Abs. 1 DRiG eingeräumten Ermessens zu be-rücksichtigen. - 16 - 20 2. Das [X.] hat aber rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Entlassung der Antragstellerin auf einer fehlerhaften Ermessensaus-übung beruht. 21 a) Die in § 22 Abs. 1 DRiG eröffnete Ermessensentscheidung ist gerichtlich nur eingeschränkt, nämlich nur dahin überprüfbar, ob die Be-hörde die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechen-den Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 Satz 1 VwGO, §§ 83, 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG).
b) Ein solcher Ermessensfehlgebrauch liegt hier vor. Nach Nr. 1 Abs. 2 Satz 3 und 4 der Schwerbehindertenrichtlinie Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Juli 1993 ([X.]. [X.]) ist ein vom [X.] eingeräumtes Ermessen großzügig zu handhaben. Alle Bestimmun-gen sind möglichst zugunsten des Schwerbehinderten anzuwenden. Der Antragsgegner hätte deshalb bei seiner Ermessensausübung [X.] müssen, dass eine Präventionsmaßnahme gemäß § 84 Abs. 1 [X.] in dem darin vorgeschriebenen Zeitpunkt, nämlich bei Eintreten von Schwierigkeiten, rechtswidrig unterblieben war. Dieser Umstand ist we-der in der Entlassungsverfügung vom 13. Februar 2003 noch im [X.] vom 2. September 2004 im Zusammenhang mit der Ermessensausübung gewürdigt worden. 22 Soweit der Antragsgegner im Widerspruchsbescheid in anderem Zusammenhang das Unterlassen eines Präventionsgesprächs gemäß § 84 Abs. 1 [X.] berücksichtigt, hat er Bedeutung und Zweck dieses 23 - 17 - Gesprächs verkannt. Er vertritt die Auffassung, die rechtzeitige [X.] des [X.] hätte die Entlassung nicht [X.] können, weil der Antragstellerin ohnehin zum Ausgleich der Schwerbehinderung verschiedene Erleichterungen in Bezug auf ihr Dienstzimmer, den Parkplatz und den [X.] und -abtrag gewährt [X.] seien. Auch ihre medizinischen und physiotherapeutischen Behand-lungen seien bei der Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit mitberücksich-tigt worden. Sie selbst habe bei Dienstantritt erklärt, dass keine [X.] Einschränkung vorliege.
Bei diesen Ausführungen ist unberücksichtigt geblieben, dass § 84 Abs. 1 [X.] nach Wortlaut und Regelungszweck nicht nur [X.] Schwierigkeiten ([X.], in: [X.]/ [X.]/[X.], HK-[X.] 2. Aufl. § 84 Rdn. 10), sondern Probleme gleich welcher Art ([X.], in: [X.]/[X.], [X.] § 84 Rdn. 4) erfasst. Auch bei Auftreten anderer Schwierigkeiten soll [X.] werden, durch präventive Maßnahmen den Arbeitsplatz des Schwerbehinderten zu erhalten. Vor diesem Hintergrund konnte die [X.] ohne rechtzeitige Präventionsmaßnahme nicht allein mit der Gewährung von Erleichterungen zum Ausgleich der Schwerbehinderung gerechtfertigt werden. Dasselbe gilt für die Äußerung der Antragstellerin, es läge keine behinderungsbedingte Einschränkung vor. Die Antragstel-lerin hat diese Bemerkung zudem nicht bei Eintreten der Schwierigkeiten - auf diesen Zeitpunkt stellt § 84 Abs. 1 [X.] ab -, sondern zu Beginn ihrer richterlichen Tätigkeit gemacht, als sie als Berufsanfängerin die auf sie zukommenden Anforderungen noch nicht sicher einschätzen konnte. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Besonderheiten, die mit ihrem Einsatz in einer Zivilkammer verbunden waren, die vorübergehend von 24 - 18 - Neueingängen entlastet und folglich nur für die Bearbeitung von alten Verfahren zuständig war. Nicht genau vorhersehbar sind für einen [X.] auch die Anforderungen, die mit der laufenden Förderung, Terminierung und Erledigung aller in seinem Dezernat anhängigen Ver-fahren verbunden sind. Gerade in diesem Bereich werden in der dienstli-chen Beurteilung aber Mängel festgestellt, die sich auf verschiedene Be-urteilungsmerkmale negativ ausgewirkt haben. Deshalb kam einem der Erhaltung des Arbeitsplatzes der schwerbehinderten Antragstellerin die-nenden Präventionsgespräch bei Eintreten dieser Schwierigkeiten be-sondere Bedeutung zu. Die erst eine Woche vor dem Ende des [X.] und danach geführten [X.] erfolgten zu spät und konnten den Zweck, die Fortsetzung des [X.]verhältnisses auf Probe zu ermöglichen, nicht mehr erfüllen.
c) Die Entlassung der Antragstellerin beruht auf der fehlerhaften Ermessensausübung des Antragsgegners. Es ist nicht auszuschließen, dass der Antragsgegner zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn er das rechtswidrige Unterlassen der Präventionsmaßnahme ge-mäß § 84 Abs. 1 [X.] berücksichtigt, Bedeutung und Zweck dieser Maßnahme richtig erkannt und dem Gebot zu einer großzügigen Hand-habung gemäß Nr. 1 Abs. 2 Satz 3 und 4 der Schwerbehindertenrichtlinie Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Juli 1993 ([X.]. [X.]) entspro-chen hätte. 25 3. Da die Entlassungsverfügung bereits wegen fehlerhafter [X.] rechtswidrig ist, braucht nicht entschieden zu werden, ob das [X.] zu Recht angenommen hat, die Entlassung der [X.] Antragstellerin ohne rechtzeitige Präventionsmaßnahme sei allein 26 - 19 - deshalb rechtswidrig, weil keine vorherige Abmahnung erfolgt sei. Auch die - vom [X.] verneinte - Frage, ob der Entlassungsverfügung eine verwertbare Beurteilung zugrunde liege, bedarf keiner Entschei-dung. II[X.] Die Revision des Antragsgegners war daher als unbegründet [X.]. 27 [X.] beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V. mit § 154 Abs. 2 VwGO. 28 - 20 - Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren entsprechend § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 und § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG auf 30.000 • festgesetzt. 29 [X.] [X.]

[X.] Joeres [X.] Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 08.09.2005 - [X.] 1/04 -

Meta

RiZ (R) 2/06

20.12.2006

Bundesgerichtshof Dienstgericht des Bundes

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2006, Az. RiZ (R) 2/06 (REWIS RS 2006, 114)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 114

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.