Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.09.2022, Az. EnVR 78/20

Kartellsenat | REWIS RS 2022, 5265

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Tenor

Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 5. Juli 2022 wird zurückgewiesen.

Die Gegenvorstellung gegen diesen Beschluss wird verworfen.

Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird abgelehnt.

Die Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens über die Anhörungsrüge. Betreffend das Verfahren über die Gegenvorstellung werden Gerichtskosten nicht erhoben.

Gründe

1

I. Die Betroffene, die für die Lieferung von Erdgas Transportdienstleistungen [X.] [X.] nutzt, hat die Festlegung der [X.] vom 29. März 2019 zur Regelung einer marktgebietsweiten [X.] betreffend das Marktgebiet [X.] ([X.].: [X.]-18/611-GP) mit der Beschwerde angegriffen, welche das Beschwerdegericht zurückgewiesen hat. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat der [X.] mit Beschluss vom 5. Juli 2022 zurückgewiesen und ihr auferlegt, die im Rechtsbeschwerdeverfahren notwendigen Auslagen sowohl der [X.] als auch der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 zu erstatten.

2

Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2022 hat die Betroffene beantragt, in Abänderung der angefochtenen Kostenentscheidung die notwendigen Auslagen der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 nicht tragen zu müssen. Mit der durch weiteren Schriftsatz vom 25. August 2022 erhobenen Anhörungsrüge hat die Betroffene beantragt, das Verfahren im Hinblick auf die Entscheidung über die Kosten des [X.] mit dem Ziel fortzusetzen, die notwendigen Auslagen der weiteren Beteiligten nicht tragen zu müssen. Sie macht geltend, der [X.] sei insoweit überraschend. Das Beschwerdegericht habe mit Recht davon abgesehen, ihr die Erstattung der im Beschwerdeverfahren angefallenen notwendigen Auslagen der weiteren Beteiligten aufzugeben.

3

II. Die Rechtsbehelfe der Betroffenen bleiben ohne Erfolg. Dies gilt sowohl für die Anhörungsrüge (dazu 1.) als auch für den als Gegenvorstellung zu behandelnden, nicht näher bezeichneten Rechtsbehelf aus dem Schriftsatz vom 28. Juli 2022 (dazu 2.).

4

1. Die gemäß § 83a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.] statthafte und auch im Übrigen form- und fristgerecht erhobene Anhörungsrüge der Betroffenen ist zulässig, aber unbegründet.

5

a) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor, weil es, anders als die Betroffene meint, keines gesonderten Hinweises auf die beabsichtigte Entscheidung über die Kosten des [X.] bedurfte. Dies ergibt sich aus dem im energiewirtschaftsrechtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren ([X.], Beschluss vom 14. August 2008 - [X.] 42/07, [X.], 222 Rn. 80 - [X.] Energie; [X.] in: [X.]/[X.], [X.] [X.], [X.]., § 85 Rn. 5) Grundgedanken des § 139 Abs. 2 ZPO (vgl. [X.], Beschlüsse vom 16. Juni 2003 - 7 [X.]/02, NVwZ 2003, 1123 Rn. 10; vom 24. Februar 2020 - 9 BN 9/18, NVwZ-RR 2020, 658 Rn. 42, zur Verwaltungsgerichtsordnung). Nach diesem Grundsatz, der die aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Anforderungen an die Verfahrensgestaltung konkretisiert ([X.], Beschluss vom 12. Mai 2020 - [X.], NJW 2020, 2730 Rn. 13; [X.] 36, 85, 88; [X.], Beschluss vom 1. August 2017 - 2 BvR 3068/14, [X.], 3218 Rn. 50, mwN), erstreckt sich die gerichtliche Hinweispflicht nicht auf Nebenentscheidungen ([X.], Beschluss vom 9. Juli 2009 - [X.], juris Rn. 2; Stellungnahme des [X.], BT-Drucks. 7/5499, S. 1; s.a. [X.] in: [X.], ZPO, 23. Aufl., § 139 Rn. 82).

6

Besonderheiten, die ausnahmsweise eine Hinweispflicht begründen könnten (vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 4. Juli 2016 - 2 BvR 1552/14, [X.], 852 Rn. 7 ff.; vom 19. Juli 2019 - 2 BvR 2283/18, NJW 2019, 3294 Rn. 24 ff.), sind nicht gegeben. Die anwaltlich vertretene Betroffene konnte nach dem Prozessverlauf nicht darauf vertrauen, dass im Rechtsbeschwerdeverfahren eine Erstattung der notwendigen Auslagen der weiteren Beteiligten nach § 90 [X.] nicht in Betracht kam. Die Frage nach der Kostenerstattung war bereits im Beschwerdeverfahren sowohl von den Verfahrensbeteiligten schriftsätzlich als auch vom Beschwerdegericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Beschlusses erörtert worden. Nachdem das Beschwerdegericht die weiteren Beteiligten am Beschwerdeverfahren beteiligt hatte und diese bereits deshalb ohne weitere Prüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Beteiligung im Beschwerdeverfahren Anspruch auf Beteiligung im Rechtsbeschwerdeverfahren hatten, war die Entscheidung gemäß § 90 [X.] für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen nach Billigkeit unter Berücksichtigung der betroffenen Interessen und des tatsächlichen Umfangs der Beteiligung ([X.], Beschluss vom 14. März 1990 - [X.] 4/88, [X.]/E [X.] 2627, 2643 - Sportübertragungen, insoweit nicht in [X.]Z 110, 371 abgedruckt, zu § 77 GWB aF [jetzt § 71 GWB]) erneut zu treffen. Vor diesem Hintergrund musste die anwaltlich vertretene Betroffene als eine gewissenhafte und kundige Prozessbeteiligte alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen, ihren Vortrag darauf einstellen (vgl. nur [X.] 98, 218, 263; [X.], [X.], 852 Rn. 7; [X.], Urteil vom 7. April 2022 - [X.], [X.], 720 Rn. 63 - Kinderzahnärztin; [X.], Beschluss vom 4. Juni 2020 - 2 [X.]/19, juris Rn. 36 f.) und mit einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsbeschwerdegericht rechnen, auch wenn die weiteren Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren gegen die Kostenentscheidung des [X.] keine Stellung bezogen hatten.

7

b) Ungeachtet dessen ist die Kostenentscheidung nach den dafür maßgeblichen Grundsätzen ([X.], [X.]/E [X.] 2627, 2643 - Sportübertragungen; Beschluss vom 11. März 2020 - [X.] 39/18, juris Rn. 3) in der Sache richtig. Das Vorbringen der Betroffenen ändert daran nichts. Die weiteren Beteiligten hatten als [X.] ein besonderes rechtliches Interesse am Verfahrensausgang, weil sie selbst Adressaten der angegriffenen Festlegung waren und die gewählte [X.] nur einheitlich (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 12. April 2016 - [X.] 25/13, [X.], 293 Rn. 40 - Netzentgeltbefreiung II; vom 7. April 2009 - [X.] 34/08, [X.], 1391 Rn. 19 - Versicherergemeinschaft) gegenüber allen [X.]n festgelegt werden konnte. Die im Verfahren zu klärende Frage, welchen Transportkunden in welchem Umfang die Kosten welcher Netzinfrastrukturen des jeweiligen [X.] in Rechnung zu stellen sind, betrifft zudem eine grundsätzliche Frage der Marktordnung (vgl. [X.], [X.]/E [X.] 2627, 2643 - Sportübertragungen) und begründet ein unmittelbares und erhebliches wettbewerbliches Interesse der weiteren Beteiligten. Diese haben das Verfahren in der [X.] auch in der Sache aktiv durch erhebliches Vorbringen in Schriftsätzen und im Zuge der mündlichen Verhandlung in hinreichendem Umfang gefördert, wobei sich dies nicht in einer bloßen Wiederholung des Vorbringens in der Beschwerdeinstanz erschöpft hat.

8

Berechtigte Belange der Betroffenen stehen nicht entgegen. Nachteilige Auswirkungen der Kostenentscheidung im Hinblick auf die verfassungsrechtlich begründete Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, vgl. auch [X.], [X.]/E [X.] 2627, 2643 - Sportübertragungen) sind nicht dargelegt und angesichts der begrenzten Zahl weiterer Beteiligter und des festgesetzten Streitwerts auch nicht ersichtlich.

9

Soweit die Betroffene geltend macht, sie habe im Beschwerdeverfahren der Beteiligung weiterer [X.] nur mit der Maßgabe zugestimmt, dass eine Kostenerstattung nicht erfolgt, ergibt sich daraus für sie ebenfalls nichts Günstiges. Die Beteiligung im Beschwerdeverfahren war - jedenfalls im vorliegenden Fall - wegen der Unteilbarkeit der Festlegung und der daraus folgenden unmittelbaren Berührung rechtlicher Interessen (s.o. Rn. 7) gemäß § 79 Abs. 1 [X.], § 65 Abs. 2 VwGO aus Gründen der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes zwingend (vgl. [X.], Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - [X.] 52/09, [X.], 59 Rn. 16 mwN - GABi Gas; [X.], 1391 Rn. 19 - Versicherergemeinschaft; s.a. [X.] in: [X.]/[X.], aaO, § 79 Rn. 13; [X.]/[X.] in: [X.], [X.] Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., § 79 Rn. 5; [X.] in: [X.], Energierecht, Jan. 2022, § 66 Rn. 13 ff.; Lange in: [X.]/[X.], Recht der Energiewirtschaft, 5. Aufl., § 22 Rn. 31; [X.]: in [X.]/[X.]/Hermes, [X.], 3. Aufl., § 79 Rn. 4; s.a. zum Kartellverwaltungsverfahren: Bunte/[X.], Kartellrecht, 14. Aufl., § 63 Rn. 13, [X.] in: [X.] Kommentar zum Kartellrecht, 1. Aufl., § 67 GWB Rn. 5 ff.) und hing nicht von der Zustimmung der Betroffenen ab. Da das Beschwerdegericht ausweislich der erteilten Hinweise insoweit eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, auf deren Grundlage eine Kostenerstattung zugunsten weiterer Beteiligter nach § 90 [X.] im Grundsatz nicht in Betracht kam, hat der Senat aus Gründen des Vertrauensschutzes davon abgesehen, die Kostenentscheidung des [X.] abzuändern. Für die im Rechtsbeschwerdeverfahren zu treffende Kostenentscheidung ergeben sich daraus jedoch keine Einschränkungen.

2. Der als Gegenvorstellung gegen die Kostenentscheidung im Senatsbeschluss vom 5. Juli 2022 zu behandelnde Rechtsbehelf im Schriftsatz der Betroffenen vom 28. Juli 2022 ist unstatthaft, da er sich gegen eine der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung über die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde richtet, zu deren Abänderung das Rechtsbeschwerdegericht - auch im Hinblick auf den Kostenpunkt - nicht befugt ist (vgl. [X.] 122, 190 Rn. 39; [X.], Beschluss vom 3. Mai 2011 - 6 KSt 1/11, NVwZ-RR 2011, 709 Rn. 3; [X.], Beschlüsse vom 18. Oktober 2018 - [X.], [X.]Z 220, 90 Rn. 13 ff.; vom 19. Juli 2018 - [X.], NJW 2018, 3388 Rn. 9 f.). Ungeachtet dessen wäre die Gegenvorstellung nach den vorstehenden Ausführungen auch unbegründet.

3. Dem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist danach ebenfalls kein Erfolg beschieden.

4. [X.] folgt im Hinblick auf das Verfahren betreffend die Anhörungsrüge aus § 90 Satz 2 [X.]. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei.

[X.]     

      

[X.]     

      

Tolkmitt

      

Allgayer     

      

Vogt-Beheim     

      

Meta

EnVR 78/20

14.09.2022

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend BGH, 5. Juli 2022, Az: EnVR 78/20, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.09.2022, Az. EnVR 78/20 (REWIS RS 2022, 5265)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5265

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