Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.12.2022, Az. 30 W (pat) 533/21

30. Senat | REWIS RS 2022, 9547

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die [X.] 528 213

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 8. Dezember 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin [X.] und des [X.] Merzbach

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 - [X.] - des [X.] vom 12. April 2021 aufgehoben.

Gründe

[X.].

1

Die international registrierte Marke [X.]R 1 528 213

Abbildung

2

sucht in der [X.] um Schutz nach für die Waren und Dienstleistungen

3

„Klasse 29: [X.], vegetarian dry sausages; [X.]; tofu; tempeh; textured vegetable protein for use as a meat extender; vegetarian cold cuts;

4

Klasse 35: Retail sale of food and online sale of food“.

5

Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 29 - [X.] - des [X.] hat der Marke mit Beschluss vom 12. April 2021 den Schutz in der [X.] verweigert, da es der Marke für die beanspruchten Waren an jeglicher Unterscheidungskraft fehle (§§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. 6quinquies B [X.]).

6

Die um Schutz nachsuchende Marke verfüge über die Wortbestandteile „[X.]“, „[X.]“ und “[X.]“.

7

Der Wortbestandteil „[X.]“ sei aus dem [X.] Verb „gustar“ mit der Bedeutung „gefallen, mögen, lieben“ abgeleitet. Darüber hinaus sei nicht auszuschließen, dass der Verkehr „[X.]“ mit dem [X.] Begriff „[X.]“ für „Geschmack“ in Verbindung bringe und ihn für die [X.] Variante dieses Begriffs halte.

8

Bei „[X.]“ handele es sich um einen Begriff der [X.] mit der Bedeutung „handwerklich“. Mit dieser Bedeutung werde „[X.]“ auch im [X.] Raum insbesondere bei Lebensmitteln, Spirituosen o. ä. als Hinweis auf traditionelle Handwerkskunst, auf nicht-industriell, traditionell herge-stellte, qualitativ hochwertige Waren verwendet.

9

Der ebenfalls im [X.]nland bekannte und gebräuchliche [X.] Begriff „[X.]“ bedeute „frei von tierischen Bestandteilen“ und beschreibe eine Ernährungsform ganz ohne tierische Erzeugnisse.

Auf Grundlage der Bedeutung der einzelnen Begriffe bringe die Wortfolge „[X.] [X.] [X.]" in ihrer Gesamtheit in Bezug auf die zu Klasse 29 beanspruchten Waren deutlich und unmissverständlich zum Ausdruck, dass es sich um geschmackvolle, traditionelle, liebevoll hergestellte Produkte handele, die veganen Ursprungs – also ohne tierische Zusätze – seien.

Hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen, die auch den Handel und Verkauf mit geschmacklich hervorragenden, traditionell hergestellten, veganen Produkten umfassten, stelle das Zeichen einen Hinweis auf den Gegenstand und die Beschaffenheit sowie Bestimmung der mit den Dienstleistungen angebotenen Waren dar.

Die grafische Gestaltung mit den in unterschiedlicher Größe, Schriften und Farben gehaltenen Bestandteilen halte sich im Rahmen einer üblichen Werbe- und Gebrauchsgraphik und diene lediglich als Blickfangmittel. Bei dem zwischen den vorgenannten Begriffen „[X.]“ und „[X.]“ angebrachten Herz handele es sich ebenfalls um ein werbetypisch standardisiertes Grafikmittel, das verbraucht sei. Solche Gestaltungen würden vielfach verwendet, um auf besonders liebevoll hergestellte Produkte hinzuweisen. Daher könnten auch die grafischen Elemente der Marke deren Schutzfähigkeit nicht begründen.

Die Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt, mit der sie im Wesentlichen geltend macht, dass bereits die einzelnen Wortbestandteile der Marke für sich genommen geeignet seien, einen markenrechtlichen Schutz für die bezeichneten Waren und Dienstleistungen zu begründen.

Bei dem Bestandteil „[X.]“ handele es sich um die konjugierte Form eines [X.] Worts, was ihn bereits bemerkenswert mache. Zudem werde er von inländischen [X.]en mangels hinreichender Kenntnisse der [X.] Sprache nicht verstanden. Der hier angesprochene [X.] werde „[X.]“ auch nicht für die [X.] Variante des [X.] Worts „[X.]“ mit der Bedeutung „Geschmack“ halten. Bei „[X.]“ handele es sich um ein [X.] Wort, welches im [X.] Sprachgebrauch nicht üblich geworden sei. Der weitere Bestandteil „[X.]" sei hingegen ein [X.]s Wort, welches ebenfalls schutzfähig sei.

Bei der angemeldeten Bezeichnung handele es daher um eine grafische und farbliche Kombination von drei Begriffen, die für gesehen und erst recht in ihrer für die Beurteilung der Schutzfähigkeit allein maßgeblichen Gesamtheit geeignet seien, als betrieblicher Herkunftshinweis zu wirken; dies umso mehr, als auch die grafische Ausgestaltung des Zeichens mit ihrer in Bezug auf die vorliegend relevanten Waren und Dienstleistungen ungewöhnlichen Kombination der Farben schwarz, [X.] (bordeaux) und orange schutzbegründend wirke.

Die Markeninhaberin beantragt,

den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 – [X.] - des [X.] vom 12. April 2021 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

[X.][X.].

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg. Der [X.] nach § 113, § 107, § 37 Abs. 1, §8Abs.2Nr.1und 2[X.]i. V. m. Art5 PMMA, Art 6 quinquies B Nr. 2 [X.] der Schutz nicht versagt werden. Fehlende Unterscheidungskraft gemäߧ8Abs.2Nr.1[X.]wie auch ein der Eintragung entgegenstehendes [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]

lassen sich bei der schutzsuchenden Marke in ihrer Gesamtheit und im Zusammenhang mit den maßgeblichen Waren und Dienstleistungen nicht feststellen.

1. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] schließt von der Eintragung als Marke Zeichen aus, denen für die in der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen zukommende Eignung, die von der Anmeldung erfassten Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. [X.] [X.] 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/ [X.] [[X.] DAS [X.]]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 932 Rn. 7 – #darferdas? [X.]; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2014, 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 731 Rn. 11 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.], 608 Rn. [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 229 Rn. 27 – [X.]/[X.] [Bio[X.]D]; BGH [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2014, 565 Rn. 12 – smartbook).

Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.], 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428 Rn. 53 – [X.]; [X.], 301 Rn. 15 – [X.]; [X.], 934 Rn. 10 – [X.]; GRUR 2014, 872 Rn. 13 – Gute Laune Drops).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH [X.],1143 Rn. 15 – [X.] werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen [X.]e, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2019, 1194 Rn. 20 – [X.] [#darferdas?]; [X.], 608 Rn. 67 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 411 Rn. 24 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.] 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).

Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Zeichen, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird ([X.] GRUR 2004, 674 Rn. 86 – [X.]/[X.] [Postkantoor]; [X.], 932 Rn. 8 – #darferdas? [X.]). Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware oder die Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betreffen, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht ([X.], 301 Rn. 15 – [X.]; GRUR 2014, 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2009, 952 Rn. 10 – [X.]Card).

2. Nach diesen Grundsätzen kann dem um Schutz nachsuchenden Zeichen in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die notwendige Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht abgesprochen werden.

a. Gegenstand der um Schutz nachsuchenden Marke ist eine Wort-/Bildmarke mit den jeweils in Großbuchstaben ausgestalteten Wortbestandteilen „[X.]“, „[X.]“ und „[X.]“, wobei der Bestandteil „[X.]“ deutlicher größer und direkt über den [X.] Bestandteilen „[X.]“ und „[X.]“ angeordnet ist. Alle drei Wortbestandteile weisen dabei unterschiedliche Farben auf; ferner befindet sich zwischen den Wortbestandteilen „[X.]“ und „[X.]“ ein Herz.

b. Was die Wortbestandteile betrifft, ist der Markenstelle insoweit zu folgen, als der unter dem Wortbestandteil „[X.]“ angeordnete Begriff „[X.]“ als französisches Wort für „handwerklich“ auch im inländischen Werbesprachgebrauch als Hinweis auf traditionell hergestellte und qualitativ hochwertige Waren verwendet wird; ebenso handelt es sich bei „[X.]“ mit der allgemein bekannten Bedeutung „frei von tierischen Bestandteilen“ um einen im [X.]nland bekannten und gebräuchlichen Begriff. Beide Wortbestandteile erschöpfen sich - worauf die Markenstelle zutreffend hinweist - in Bezug auf die zu Klasse 29 beanspruchten Lebensmittel „[X.], vegetarian dry sausages; [X.]; tofu; tempeh; textured vegetable protein for use as a meat extender; vegetarian cold cuts“ in einer beschreibenden Angabe zu deren Beschaffenheit bzw. weisen hinsichtlich der weiterhin beanspruchten Waren „textured vegetable protein for use as a meat extender“ sowie der Dienstleistung „Retail sale of food and online sale of food“ einen die Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ausschließen-den engen beschreibenden Bezug auf, da diese für „handwerkliche“ und „vegane“ Produkte bestimmt sein bzw. diese zum Gegenstand haben können.

c. Jedoch kann dem Zeichen in seiner Gesamtheit im Hinblick auf den zentral über den weiteren Wort- und Bildbestandteilen angeordneten und größenmäßig deutlich herausgestellten Wortbestandteil „[X.]“ die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

aa. Diesem [X.] kommt allerdings insoweit eine sinnhafte Bedeutung zu, als es sich bei „[X.]“ um eine konjugierte Form des [X.] Verbs „gustar“ mit der Bedeutung „gefallen“, „schmecken“ handelt. Geht man vom Verständnis [X.]r Verbraucher und Fachkreise im Bereich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen aus, so spricht einiges dafür, dass einschlägige [X.] [X.]e auch die konjugierte Form „[X.]“ in Alleinstellung als Anpreisung bzw. Werbebotschaft erkennen, welche vermitteln soll, dass es sich bei den so gekennzeichneten Waren um den Abnehmern/ Verbrauchern besonders gefallende und/oder schmeckende Produkte handelt bzw. die Dienstleistungen solche Produkte zum Gegenstand haben.

Daraus ergibt sich aber nicht, dass diesem Wortbestandteil der um Schutz nachsuchenden Marke im vorliegenden Fall jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Denn es kommt nach der Rechtsprechung des [X.] betreffend die Schutzfähigkeit von Bezeichnungen in einem Mitgliedstaat der [X.] (hier: [X.]), die in der Sprache eines anderen Mitgliedstaates (hier: [X.]) keine Unterscheidungskraft haben, entscheidend darauf an, ob die beteiligten [X.]e in [X.] im Stande sind, die Bedeutung des Wortes „[X.]“ – im Sinne einer Anpreisung oder rein werblichen Sachangabe - zu erkennen (vgl. [X.] [X.], 411, Leitsatz und [X.]. 17, 26 – [X.]). Dabei verbietet es der Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb der [X.] nicht, ein Zeichen als nationale Marke zu schützen, das in der Sprache eines anderen Mitgliedstaates in Bezug auf die jeweils beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen beschreibend ist ([X.], a. a. [X.], [X.]. 29).

Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die (End-) Verbraucher der vorgenannten Waren und Dienstleistungen oder die am Handel mit diesen Waren bzw. bei der Erbringung dieser Dienstleistungen tätigen Fachkreise in relevantem Umfang den Begriff „[X.]“ allein als werbliche Anpreisung oder sonstige Sachangabe verstehen.

So kann hinsichtlich der Endverbraucher nicht davon ausgegangen werden, dass diese in relevantem Umfang über [X.] Sprachkenntnisse verfügen. Denn [X.] gehört nicht zu den ersten Fremdsprachen in [X.] und ist insoweit nicht mit stärker verbreiteten Fremdsprachen wie [X.] oder [X.] zu vergleichen. Vielmehr stellt die [X.] Sprache in [X.] ungeachtet des Fortschritts des Wirtschaftsverkehrs innerhalb des [X.] und auch der großen Zahl von [X.], die als Touristen nach [X.] reisen, keine allgemein oder in besonderem Maße geläufige Fremdsprache dar (vgl. BPatG 25 W (pat) 12/12 v. 15. Oktober 2012 – [X.]). Daher kann nicht festgestellt werden, dass die maßgeblichen inländischen [X.]e „gustare“ und erst recht nicht dessen konjugierte Form „[X.]“ als Sachangabe, insbesondere Qualitätsanpreisung auffassen werden.

Was die am internationalen Handel beteiligten inländischen [X.]e betrifft, kann allerdings unterstellt werden, dass sie grundsätzlich in der Lage sind, eindeutig beschreibende Angaben i. S. des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] auch in fremden Sprachen zu erkennen, jedenfalls wenn diese aus einer Welthandelssprache wie [X.] stammen (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 8 Rdnr. 592). Aus einer gängigen Welthandelssprache stammende beschreibende Angaben entbehren regelmäßig auch der erforderlichen Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rdnr. 593). Allerdings handelt es sich bei dem Wort „[X.]“ nicht um eine Angabe, die Merkmale und Eigenschaften der betreffenden Waren und Dienstleistungen eindeutig i. S. von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] beschreibt, sondern allenfalls um eine Anpreisung bzw. Werbebotschaft. [X.]nsoweit kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass [X.] Sprachkenntnisse innerhalb des inländischen [X.]s derart verbreitet sind, dass „[X.]“ als konjugierte Form von „gustar“ auch bei einer sprachlich eher ungewöhnlichen Verwendung dieses Begriffs in Alleinstellung ohne verständnisfördernden Kontext in dem o. g. Sinn verstanden und als allgemeine Werbeaussage bzw. Qualitätsanpreisung aufgefasst wird. Denn auch wenn die [X.] Sprache zu den Welthandelssprachen zu zählen ist, indiziert dies nicht, dass der [X.] in [X.] über den Kreis der die Waren und Dienstleistungen eindeutig beschreibenden fremdsprachigen Angaben hinaus in relevantem Umfang über Kenntnisse der [X.] Sprache verfügt (vgl. BPatG 25 W (pat) 12/12 v. 15. Oktober 2012 – [X.]).

bb. Bei „[X.]“ handelt es sich auch nicht um eine tatsächlich im [X.]nland verwendete Werbeaussage, so dass auch vor diesem Hintergrund keine Anhaltspunkte für ein werblich-anpreisendes Verständnis dieses [X.]s bestehen.

cc. Allerdings wird dem inländischen allgemeinen wie auch [X.] nicht die weitgehende Übereinstimmung zwischen dem Begriff „[X.]“ und dem im [X.]nland gerade auch im vorliegenden Waren- und Dienstleistungszusammenhang weithin gebräuchlichen und in den [X.] Sprachgebrauch eingegangenen [X.] Substantiv „gusto“ entgehen, welche sich nur in den [X.]en „A/o“ unterscheiden. Solche Abwandlungen beschreibender Angaben im akustischen und/ oder visuellen Bereich sind trotz inhaltlicher Bezugnahme auf den jeweiligen Begriff grundsätzlich geeignet, die Unterscheidungskraft zu begründen; allerdings muss der Abwandlung immer ein individualisierender Charakter zukommen (vgl. m. w. N. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. [X.] § 8 Rn. 220). Daran fehlt es, wenn die Abweichungen von nicht unterscheidungskräftigen Angaben so gering sind, dass sie weitgehend unbemerkt bleiben und der Verkehr in der Abwandlung nur die ihm geläufige sachbezogene oder werbeübliche Aussage wiedererkannt (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. [X.] § 8 Rn. 218, 220). Davon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden.

Denn die Abweichung zwischen „[X.]“ und „gusto“ in dem [X.] „A/o“ und die dadurch hervorgerufenen Unterschiede im Klang- wie auch im Schriftbild beider Wörter sind nicht zuletzt aufgrund der Kürze beider Begriffe zu auffällig, als dass der Verkehr diese übersehen oder überhören bzw. von einer versehentlichen Falschschreibung ausgehen würde. Anders als bei geringfügigen Änderungen in der Schreibweise längerer Wörter wie z. B. „Schlüsel“ statt „Schlüssel“ (vgl. 30 W (pat) 25/09 v. 28. Mai 2009 – [X.]) oder „Produktwal“ statt „Produktwahl“ (vgl. BPatG 29 W (pat) 107/10 v. 21.September 2011 – Produktwal), bei denen Wortstruktur und Buchstabenfolge durch die Abweichung nicht verändert werden und die inhaltlichen Aussagen unberührt bleiben, verändert der abweichende Vokal „A“ am Ende von „[X.]“ die Wortstruktur dieses Begriffs gegenüber „gusto“ und führt zu einer nicht übersehbaren oder überhörbaren Verfremdung des Begriffs gegenüber „gusto“.

Der Verkehr wird „[X.]“ auch nicht deshalb mit „gusto“ gleichsetzen, weil er in den Wortbestandteilen der schutzsuchenden Marke eine Aneinanderreihung beschreibender bzw. werblich-anpreisender Angaben erkennt, welche sich in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu der – von der Markenstelle im angefochtenen Beschluss – angenommenen Aussage verbinden, dass es sich um geschmackvolle, traditionell hergestellte und vegane Produkte handelt bzw. die Waren und Dienstleistungen für solche Produkte bestimmt sind oder diese zum Gegenstand haben. Einem solchen Verständnis wirkt vorliegend bereits entgegen, dass die einzelnen Wortbestandteile nicht gleichrangig neben- oder untereinander angeordnet sind wie es z. B. bei der im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Schreibweise „[X.] [X.] [X.]" der Fall wäre, sondern der [X.] „[X.]“ gegenüber den übrigen Wortbestandteilen „[X.]“ und „[X.]“ deutlich größer ausgestaltet und zentral über diesen und dem ohnehin nicht besonders hervortretenden Bildbestandteil („Herz“) angeordnet ist.

Der Verkehr wird daher die Wortbestandteile nicht als Aneinanderreihung gleichrangiger Begriffe verstehen; vielmehr wird er in „[X.]“ aufgrund seiner deutlich größeren Ausgestaltung sowie seiner zentralen Anordnung über den weiteren Wort- und Bildbestandteilen das alleinige [X.] und Merkwort der um Schutz nachsuchenden Marke erkennen und darin eine hinreichend phantasievolle Abwandlung des Substantivs „gusto“ nach Art eines „sprechenden Zeichens“ erkennen, welche einen über eine reine Sachbeschreibung hinausgehenden eigenständigen Charakter aufweist und daher trotz der beschreibenden Anklänge aus sich heraus noch hinreichend originell und individualisierend wirkt (vgl. dazu BGH [X.], 731 Nr. 20 – [X.]; [X.], 905 Nr. 18 – PANTO).

Der aus sich heraus als betrieblicher Herkunftshinweis geeignete [X.] „[X.]“ begründet dann auch die Unterscheidungskraft des Zeichens in seiner Gesamtheit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). [X.]nsoweit ist zu beachten, dass beim Zusammentreffen schutzfähiger mit [X.] nicht erforderlich ist, dass der schutzfähige (Wort- oder Bild)Bestandteil in der Marke dominiert oder deren Gesamteindruck prägt. Er muss jedoch so hervortreten, dass er noch als eigenständiger betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werden kann. Davon ist vorliegend in Bezug auf den Wortbestandteil „[X.]“ aus den vorgenannten Gründen ohne weiteres auszugehen. Der Verkehr wird die um Schutz nachsuchende Marke jedenfalls in ihrer konkret eingetragenen Form als „[X.]-Marke“ wahrnehmen und benennen, welche um die unter diesem [X.]e angeordneten und beschreibenden Angaben „[X.]“ und „[X.]“ ergänzt worden ist.

Der um Schutz nachsuchenden Marke kann daher jedenfalls in ihrer konkret eingetragenen Form aufgrund des aus sich heraus als betrieblicher Herkunftshinweis verstandenen und damit schutzbegründenden [X.]s „[X.]“ die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

3. Einer Registrierung steht auch nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen, da die um Schutz nachsuchende Marke aus den genannten Gründen keine sich sofort und ohne weiteres erschließende unmittelbar beschreibende Bedeutung hat.

4. Daher war der angegriffene Beschluss aufzuheben.

Meta

30 W (pat) 533/21

08.12.2022

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.12.2022, Az. 30 W (pat) 533/21 (REWIS RS 2022, 9547)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9547

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