30. Senat | REWIS RS 2020, 208
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Markenbeschwerdeverfahren – "360° PSYCHOTHERAPIE (Wort-Bild-Marke)" – fehlende Unterscheidungskraft
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2017 112 614.3
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 20. August 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker, der Richterin [X.] und des [X.] Merzbach
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die am 7. Dezember 2017 angemeldete [X.]
soll für die Dienstleistungen
„[X.]: Ausbildung im Bereich der Gesundheitsvorsorge und Nahrungsergänzung; Ausbildung im Bereich Gesundheitsschutz und Sicherheit; Bildungsdienstleistungen im Gesundheitswesen; Coaching; Coaching [Ausbildung]; Durchführung von Ausbildung und Schulungen im Bereich Gesundheitspflege; Durchführung von berufsbegleitenden Bildungsprogrammen für Fachkräfte in der Gesundheitsfürsorge; Durchführung von Gesundheits-Schulungen; Durchführung von Schulungen zur Vorbeugung von gesundheitlichen Problemen; Erteilung von Auskünften über Gesundheitserziehung und Fitness; Erziehung im Hinblick auf die körperliche Gesundheit; Gesundheitserziehung; Gesundheitsschulung; Gesundheits- und Wellnesstraining; [X.] Coaching [Ausbildung]; Schulung in Bezug auf Gesundheit; Veranstaltung von [X.] zu gesundheitlichen Themen
[X.]: An Einzelpersonen und Gruppen erbrachte psychologische Dienstleistungen; Auskünfte in Bezug auf die Psychologie; Autogenes Training; Beratung bezüglich ganzheitlicher Psychologie; Beratungen in Bezug auf die psychologische Behandlung körperlicher Gebrechen; Beratungen in Bezug auf die psychologische Linderung von körperlichen Leiden; Bereitstellung von psychologischer Behandlung; Dienste eines Psychotherapeuten; Dienstleistungen eines Psychologen; Durchführen psychologischer Beurteilungen und Untersuchungen; Durchführung psychologischer Testverfahren; Durchführung von psychologischen Tests; Durchführung von psychologischen Untersuchung; Erstellen von psychologischen Berichten; Erstellung psychologischer Profile; Erstellung psychologischer Profile für medizinische Zwecke; Erstellung psychologischer Tests für medizinische Zwecke; Erstellung psychometrischer Tests für medizinische Zwecke; Erstellung von psychologischen Gutachten; Erteilung von psychologischen Auskünften; Ganzheitliche Psychotherapie; Gesundheitsberatung; Gesundheitspflege; Gesundheitspflege im Zusammenhang mit Entspannungstherapie; Persönlichkeitstests für psychologische Zwecke; Psychologieberatung; Psychologische Behandlung; Psychologische Beratung; Psychologische Beratung im Sport; Psychologische Beratung von Personal; Psychologische Betreuung; Psychologische Beurteilungs- und Untersuchungsdienstleistungen; Psychologische [X.]; Psychologische Therapie für Kleinkinder; Psychotherapie; Psychotherapiedienste“
in das beim [X.] geführte Register eingetragen werden.
Nach vorheriger Beanstandung wegen absoluter Schutzhindernissen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 [X.] durch Bescheid vom 24. Januar 2018 hat die Markenstelle für [X.] des [X.]s die Anmeldung mit zwei Beschlüssen vom 11. April 2018 und vom 8. August 2019, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Bezeichnung an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).
Die Anmeldung bestehe aus den in weißen Großbuchstaben auf einem rechteckigen blauen Hintergrund geschriebenen Wort „[X.]“ sowie der darüber angeordneten und in blauer Schrift gehaltenen Angabe „360°“, welche durch das blaue Rechteck von dem Wort „[X.]“ teilweise überlagert werde.
„Psychotherapie“ bezeichne die „Heilbehandlung für psychische Störungen; Gesamtheit der psychologischen Verfahren zur Heilung oder Linderung von Störungen im psychischen Bereich, in den [X.] Beziehungen, im Verhalten oder auch in bestimmten Körperfunktionen; Therapie, Behandlung mit den Mitteln, Methoden der Psychotherapie“. In Bezug auf die Dienstleistungen der Klassen 41 und 44 werde dieser Begriff als beschreibender Hinweis auf deren Inhalt und Gegenstand verstanden.
Die Angabe „360°“ stehe für das mathematische Konzept eines 360-Grad-Winkels und sei ein in der Werbesprache gebräuchliches und dem Verkehr allgemein bekanntes Synonym für „allumfassend, vollständig, umfassend, komplett“.
Sämtliche beanspruchten Dienstleistungen könnten inhaltlich eine allumfassende Psychotherapie zum Gegenstand haben bzw. Bestandteil einer kompletten, allumfassenden Psychotherapie sein oder auch eine umfassende Psychotherapie anbieten, so dass „360° [X.]“ in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 41 und 44 als anpreisender und beschreibender Hinweis auf den Gegenstand und Inhalt der Dienstleistungen verstanden werde.
Die grafische Ausgestaltung der Anmeldung könne von der im Vordergrund stehenden anpreisenden, werbenden Angabe und sachbezogenen Aussage nicht wegführen. Die Anordnung von Wort- und Zahlenelementen untereinander, deren teilweise Überlappung sowie die Verwendung von rechteckigen, farbigen Hintergrundgestaltungen seien übliche und in allen Bereichen des täglichen Lebens verwendete Gestaltungsformen, die lediglich der Hervorhebung, nicht jedoch der betrieblichen Kennzeichnung dienten.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt, mit der sie geltend macht, dass die Markenstelle ihrer Beurteilung nicht nur eine unzulässige zergliedernde Betrachtung der [X.] zugrunde gelegt habe, sondern auch verkannt habe, dass nach der der Entscheidung des [X.] vom 22.09.2015 – [X.].: 29 W (pat) 541/12) – [X.]/[X.]-Consulting-Zeichen, die branchenüblich aus der Bezeichnung des [X.] (z.B. Consulting) und einem vorangestellten eigentlichen Herkunftshinweis bestünden, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis und damit als Marke verstanden würden. Dies gelte auch in Bezug auf das angemeldete Zeichen, bei dem mit dem Bestandteil „[X.]“ branchenüblich auf die staatlich zertifizierte Qualifikation der in der Branche praktizierenden und allein zur Berufsausübung berechtigten Psychotherapeuten hingewiesen werde, so dass der Verkehr bereits aus diesem Grunde in der Angabe „360° [X.]“ einen betrieblichen Herkunftshinweis erkenne.
Die Angabe „360°“ weise zudem als mathematische Begriffsbildung keinen Bezug zu den Dienstleistungen eines Psychologen auf und stelle daher auch keinen engen beschreibenden Bezug zu den angemeldeten Dienstleistungen der Klassen 41 und 44 her.
Soweit die Markenstelle davon ausgehe, dass „360°“ in der Werbesprache ein gebräuchliches und dem Verkehr allgemein bekanntes Synonym für „allumfassend, vollständig, umfassend, komplett“ sei, verkenne sie, dass die Psychotherapie ihre Ergebnisse nicht in [X.] bemesse und erst recht keine Werbesprache benutze. Es sei auch völlig offen, welche Merkmale der in [X.] und 44 beanspruchten Dienstleistungen mit der Angabe „allumfassend, vollständig, umfassend und komplett“ beschrieben werden sollten.
Abgesehen davon sei gerade eine „allumfassende, vollständige, umfassende und komplette“ Behandlung oder Heilung eines Menschen durch Psychotherapie nie ganz möglich, da die Psychotherapie nur einen Ausschnitt einer Krankheit beleuchten könne, welche körperlicher und seelischer Natur sei.
Einem solchen Verständnis wirke auch entgegen, dass die grafische Darstellung der Angabe 360° von einem blauen Balken teilweise verdeckt werde und somit nicht „allumfassend, vollständig, umfassend, komplett“ sei. Sie rufe daher eine Vielzahl von Assoziationen betreffend das Verhältnis von Patient und Therapeut hervor und eröffne Interpretationsspielräume, so dass der angemeldeten Marke aufgrund der sich daraus ergebenden inhaltlichen Unschärfe und Mehrdeutigkeit jedenfalls in ihrer Gesamtheit eine Schutzfähigkeit nicht abgesprochen werden könne
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für [X.] des [X.]es für [X.] vom 11. April 2018 und vom 8. August 2019 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Denn der angemeldeten Wort-/Bildmarke
fehlt es in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. [X.] [X.] 2012, 610 ([X.]) – [X.]; [X.], 608, 611 ([X.]) – [X.]; [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; [X.] 2013, 731 (Nr. 11) – [X.]; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) – [X.], jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.] 2010, 1008, 1009 ([X.]) – [X.]; [X.], 608, 611 ([X.]) – [X.]; [X.] 2006, 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2009, 949 (Nr. 10) – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) – [X.]; [X.] 2012, 270 (Nr. 8) – Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw.
-abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411, 412 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla).
Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. [X.] 2013, 1143, Nr. 15 – [X.] werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2004, 674, 678, Nr. 86 – Postkantoor; [X.] 2014, 1204, 1205, Nr. 12 – [X.]; [X.] 2012, 270, 271, Nr. 11 – Link economy; [X.] 2009, 952, 953, Nr. 10 – [X.]). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] 2014, 1204, 1205, Nr. 12 – [X.]; [X.] 2012, 1143, 1144, Nr. 9 – [X.]; [X.] 2010, 1100, Nr. 23 – [X.]!; [X.] 2006, 850, 855, Nr. 28 f. – [X.] 2006).
2. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen weist die angemeldete Marke
a. Der Wortbestandteil der angemeldeten Marke setzt sich aus der [X.] „360°“ sowie dem Substantiv „[X.]“ zusammen. Auch wenn die Beurteilung des Schutzhindernisses anhand der Gesamtheit dieser Bestandteile vorzunehmen ist, ist es zulässig, zunächst die einzelnen Bestandteile getrennt zu betrachten ([X.] [X.] 2006, 229 – BioID).
b. Der auf einem rechteckigen, blauen Hintergrund in Großbuchstaben abgebildete Wortbestandteil „[X.]“ bezeichnet – wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat – die „Gesamtheit der psychologischen Verfahren zur Heilung oder Linderung von Störungen im psychischen Bereich, in den [X.] Beziehungen, im Verhalten oder auch in bestimmten Körperfunktionen“ (vgl. DUDEN-online zu „Psychotherapie“) bzw. die „gezielte professionelle Behandlung seelischer (psychischer) Störungen oder psychisch bedingter körperlicher Störungen mit psychologischen Mitteln“ (vgl. [X.] zu „Psychotherapie“). Als fachbegriffliche Bezeichnung für die Heilbehandlung für psychische Störungen ist dieser Begriff der Allgemeinheit auch weitgehend bekannt.
Die zu [X.] beanspruchten Dienstleistungen aus dem Bereich der Psychologie, nämlich
„An Einzelpersonen und Gruppen erbrachte psychologische Dienstleistungen; Auskünfte in Bezug auf die Psychologie; Autogenes Training; Beratung bezüglich ganzheitlicher Psychologie; Beratungen in Bezug auf die psychologische Behandlung körperlicher Gebrechen; Beratungen in Bezug auf die psychologische Linderung von körperlichen Leiden; Bereitstellung von psychologischer Behandlung; Dienste eines Psychotherapeuten; Dienstleistungen eines Psychologen; Durchführen psychologischer Beurteilungen und Untersuchungen; Durchführung psychologischer Testverfahren; Durchführung von psychologischen Tests; Durchführung von psychologischen Untersuchung; Erstellen von psychologischen Berichten; Erstellung psychologischer Profile; Erstellung psychologischer Profile für medizinische Zwecke; Erstellung psychologischer Tests für medizinische Zwecke; Erstellung psychometrischer Tests für medizinische Zwecke; Erstellung von psychologischen Gutachten; Erteilung von psychologischen Auskünften; Ganzheitliche Psychotherapie; ….. Persönlichkeitstests für psychologische Zwecke; Psychologieberatung; Psychologische Behandlung; Psychologische Beratung; Psychologische Beratung im Sport; Psychologische Beratung von Personal; Psychologische Betreuung; Psychologische Beurteilungs- und Untersuchungsdienstleistungen; Psychologische [X.]; Psychologische Therapie für Kleinkinder; Psychotherapie; Psychotherapiedienste“
können eine Psychotherapie zum Gegenstand haben bzw. unter Anwendung sowie mit Hilfe einer Psychotherapie erbracht werden, so dass sich dieser Begriff in Bezug auf diese Dienstleistungen in einem glatt beschreibenden Hinweis auf den Gegenstand bzw. den Inhalt und die Thematik der beanspruchten Dienstleistungen erschöpft.
Ebenso können die sich zu [X.] beanspruchten Dienstleistungen
„Coaching; Coaching [Ausbildung]; [X.] Coaching [Ausbildung]“
inhaltlich/thematisch mit einer Psychotherapie beschäftigen bzw. diese zum Gegenstand haben.
Eine Psychotherapie kann aber auch im Rahmen der Gesundheitspflege und/oder -vorsorge zur Anwendung kommen, so dass dieser Begriff auch in Zusammenhang mit den zu [X.] beanspruchten Ausbildungs-, Erziehungs-, Coaching- und Ausbildungsdienstleistungen aus dem Gesundheitsbereich, nämlich
„Ausbildung im Bereich der Gesundheitsvorsorge; Ausbildung im Bereich Gesundheitsschutz und Sicherheit; Bildungsdienstleistungen im Gesundheitswesen; Durchführung von Ausbildung und Schulungen im Bereich Gesundheitspflege; Durchführung von berufsbegleitenden Bildungsprogrammen für Fachkräfte in der Gesundheitsfürsorge; Durchführung von Gesundheits-Schulungen; Durchführung von Schulungen zur Vorbeugung von gesundheitlichen Problemen; Erteilung von Auskünften über Gesundheitserziehung und Fitness; Erziehung im Hinblick auf die körperliche Gesundheit; Gesundheitserziehung; Gesundheitsschulung; Gesundheits- und Wellnesstraining; Schulung in Bezug auf Gesundheit; Veranstaltung von [X.] zu gesundheitlichen Themen“
sowie den zu [X.] beanspruchten Dienstleistungen
„Gesundheitsberatung; Gesundheitspflege; Gesundheitspflege im Zusammenhang mit Entspannungstherapie“
unmittelbar auf deren Gegenstand bzw. Inhalt/Thematik hinweist.
Was die weiterhin beanspruchte Dienstleistung
„Ausbildung im Bereich der Nahrungsergänzung“
betrifft, ist zu beachten, dass auch im Rahmen der Psychologie und damit auch einer Psychotherapie natürliche Hilfen aus dem Bereich der Ernährung und Nahrungsergänzung Unterstützung bieten können. Dementsprechend können zB Fragen zur Anwendung von Nahrungsergänzungsmitteln im Rahmen einer Psychotherapie Bestandteil einer solchen Ausbildungsdienstleistung sein, so dass der Begriff „Psychotherapie“ jedenfalls einen einem Verständnis als betrieblicher Herkunftshinweis entgegenwirkenden engen beschreibenden Bezug zu dieser Ausbildungsdienstleistung aufweist.
Soweit die Anmelderin geltend macht, dass der Verkehr mit dem [X.] [X.] auch Vorstellungen über die Qualifikation der die Dienstleistungen erbringenden Personen verbinde, nämlich dass diese durch zur Berufsausübung zugelassene Psychotherapeuten erbracht werden, mag dies zutreffen, ändert aber nichts an einem beschreibenden bzw. sachbezogenen Verständnis dieses Begriffs durch den Verkehr, der in dem Zeichenwort [X.] nichts anderes als einen Hinweis auf Gegenstand, Inhalt und Thematik der beanspruchten Dienstleistungen oder auch darauf, dass bei diesen die Methoden der Psychotherapie zu Anwendung kommen, sehen wird.
c. In dem weiteren, dem blauen Rechteck mit dem Begriff [X.] übergeordneten [X.] wird der Verkehr ohne weiteres die ihm aus dem mathematisch/technischen Bereich bekannte [X.] „360°“ erkennen. Die Zahl „360“ wird durch das das blaue Rechteck mit dem Wortbestandteil [X.] nicht soweit verdeckt, dass ihre Erkennbarkeit in irgendeiner Form eingeschränkt wäre. Die [X.] „360°“ hat sich in der Werbesprache in Anlehnung an die mathematische Bedeutung bereits lange vor Anmeldung der verfahrensgegenständlichen Marke als gebräuchliches und dem Verkehr auch allgemein bekanntes Synonym für „allumfassend, vollständig, umfassend, komplett“ etabliert und wird daher auch in Zusammenhang mit den vorliegend relevanten und keinen Bezug zu Mathematik aufweisenden Dienstleistungen entgegen der Auffassung der Anmelderin ausschließlich als werblich-anpreisender Hinweis mit der Bedeutung „rundum“, „komplett“ oder „umfassend“ verstanden (vgl. dazu auch [X.] v. 22. Januar 2008 27 W (pat) 111/07 – 360° Entertainment; 29 W (pat) 25/12 v. 8. August 2012 – [X.] 360° / Dick; [X.] - 0467/11 v. 10. Dezember 2013 – 360° SONIC ENERGY / SONIC POWER; 30 W (pat) 519/14 v. 9. Mai 2106 – vital360°; alle veröffentlicht auf der Internetseite des [X.], zum Teil auch von der Markenstelle als PAVIS-Auszüge übersandt).
d. Mit der Markenstelle ist dann aber davon auszugehen, dass der angesprochene allgemeine Verkehr die Kombination von „360°“ mit dem nachgestellten Substantiv „[X.]“ i. S. von „umfassender, ganzheitlicher, kompletter Psychotherapie“ versteht. Mit dieser Bedeutung erschöpft sich die angemeldete Bezeichnung in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 41 und 44 in einem für den allgemeinen Verkehr sofort erfassbaren anpreisenden sachbezogenen Hinweis darauf, dass diese sich inhaltlich/thematisch mit einer „umfassenden, ganzheitlichen, kompletten Psychotherapie“beschäftigen, diese zum Gegenstand haben oder auch unter Anwendung sowie mit Hilfe einer als „umfassend, ganzheitlich, komplett“ beworbenen Psychotherapie erbracht werden. Was die zu [X.] beanspruchte Dienstleistung „Ausbildung im Bereich der Nahrungsergänzung“ betrifft, weist die Kombination „360° [X.]“ jedenfalls einen engen beschreibenden Bezug zu dieser Dienstleistung insoweit auf, als diese sich inhaltlich (auch) mit Fragen der Nahrungsergänzung wie zB der Anwendung von Nahrungsergänzungsmitteln im Rahmen einer solchen (umfassenden) Psychotherapie beschäftigen kann.
Dieser Aussagegehalt erschließt sich dem Verkehr sofort und ohne weiteres. Insbesondere wird der Verkehr dabei weder interpretatorische Überlegungen vornehmen noch bedarf es einer analysierenden, mehrere differenzierende Gedankenschritte erfordernden Betrachtungsweise oder eines vertieften Nachdenkens, um diesen rein sachlichen Bezug zwischen dem angemeldeten Zeichen und den versagten Dienstleistungen zu erkennen und zu erfassen.
e. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Anmelderin in der Beschwerdebegründung genannten Entscheidung des [X.] vom 22.09.2015 – [X.].: 29 W (pat) 541/12 – [X.]/[X.]-Consulting.
aa. So ist diese Entscheidung vorliegend bereits deshalb nicht von Bedeutung, weil sie kein Anmeldeverfahren, sondern ein Widerspruchsverfahren zum Gegenstand hatte, in welchem aber weder die Schutzfähigkeit der älteren Widerspruchsmarke noch – wie der erkennende Senat auf Seite 14 der Entscheidung zu Ziff. 2 d sogar ausdrücklich festgestellt hat –, diejenige der angegriffenen jüngeren Marke („[X.]-Consulting“) Gegenstand des Verfahrens war. Dementsprechend betraf auch die von der Anmelderin zitierte Feststellung des Senats, dass Zeichen, die branchenüblich aus der Bezeichnung des Unternehmensgegenstand (z.B. Consulting) und einem vorangestellten eigentlichen Herkunftshinweis bestünden, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis und damit als Marke verstanden würden, nicht die Frage, ob die jüngere Marke schutzfähig ist, sondern allein die sich im Rahmen der Verwechslungsgefahr bei mehrteiligen Marken im Rahmen der Zeichenähnlichkeit stellende Frage der Prägung des Gesamteindrucks der angegriffenen jüngeren Marke („[X.]-Consulting“) durch einen Bestandteil („[X.]“).
bb. Ungeachtet dessen ist der Anmelderin allerdings insoweit grundsätzlich zu folgen, als sie mit dem Hinweis auf die vorgenannte Entscheidung zum Ausdruck bringen will, dass einem aus mehreren (Wort- und/oder Bild)Elementen gebildeten [X.] Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden kann, wenn lediglich ein einziges Element für sich gesehen kennzeichnungskräftig ist und der Verkehr daher darin – wie die Anmelderin es formuliert hat – den „eigentlichen Herkunftshinweis“ erblickt.
Dazu bedarf es aber keines Rückgriffs auf die von der Anmelderin zitierte Entscheidung des [X.]. Maßgebend ist insoweit, dass nach der Rechtsprechung des [X.] und [X.] bei einem aus mehreren Elementen gebildeten Zeichen für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen ist ([X.] [X.] 2004, 943 – Sat. 2; [X.] 2006, 229 [X.]. 29 – BioID; [X.][X.] 2009, 949 [X.]. 13 – [X.]; [X.] 2014, 872 [X.]. 13 – [X.]). Dabei hat sich die Prüfung darauf zu erstrecken, ob die Marke als solche, jedenfalls mit einem ihrer Elemente, den Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt ([X.][X.], 710 Rn. [X.]; [X.] 2014, 872 [X.]. 13 – [X.]).
cc. Dies ist aber bei dem angemeldeten Zeichen aus den vorgenannten Gründen nicht der Fall. Die sprach- und werbeübliche Zusammenfügung der [X.] „360°“ und „[X.]“ reiht sich vielmehr in eine Vielzahl vergleichbar mit der Angabe „360°“ gebildeter und allgemein gebräuchlicher Werbeaussagen ein und wird vom Verkehr auf Anhieb als werblich-anpreisender Hinweis auf Gegenstand, Inhalt und/oder Thematik der beanspruchten Dienstleistungen verstanden. Zwar ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass auch zwei Sachangaben durch ihre Zusammenstellung kennzeichnend wirken können. Insbesondere kann ein beschreibender Sinngehalt eines Markenwortes im Einzelfall durch eine hinreichend fantasievolle Wortbildung soweit überlagert sein kann, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abzusprechen ist (vgl. z.B. [X.] 1995, 408, 409 – [X.]; [X.] [X.] 1997, 639, 640 – [X.]). Voraussetzung hierfür wäre aber, dass ein merklicher Unterschied zwischen der Kombination und der bloßen Summe ihrer Bestandteile besteht (vgl. [X.] [X.] 2004, 680 [[X.]. 39 - 41] – [X.]). Die Elemente „360° [X.]“ weisen jedoch in ihrer Gesamtheit keine ungewöhnliche Struktur oder Besonderheiten syntaktischer oder semantischer Art auf, die von einem rein sachbezogenen Aussagegehalt wegführen könnten. Denn die Einzelbestandteile werden entsprechend ihrem Sinngehalt verwendet und bilden auch in der Gesamtheit keinen neuen, über die bloße Kombination hinausgehenden Begriff, sondern erschöpfen sich in einer aus sich heraus verständlichen und für den Verkehr ohne weiteres erkennbaren Kombination einer Angabe zu Inhalt und Gegenstand der beanspruchten Dienstleistungen („[X.]“) mit einer werbewirksamen Anpreisung („360°“), ohne einen darüber hinausreichenden Hinweis auf die betriebliche Herkunft zu vermitteln.
dd. Soweit dabei offenbleibt, wie sich eine mit „360°“ als „umfassend, ganzheitlich, komplett“ beworbene „[X.]“ innerhalb der beanspruchten Dienstleistungen genau gestaltet, ändert dies nichts an dem beschreibenden Charakter des Zeichens. Denn eine gewisse begriffliche Unbestimmtheit steht der Annahme einer beschreibenden Sachangabe nicht entgegen, da auch zusammenfassende oberbegriffsartige Ausdrücke und Wortfolgen einen beschreibenden und sachbezogenen Charakter in Bezug auf Waren und Dienstleistungen haben können (vgl. [X.] 2000, 882, 883 – Bücher für eine bessere Welt; 2008, 397, 398 [X.]. 15
– [X.]; [X.], 960, 962 [X.]. 15 – [X.]).
f. Ebenso wenig vermag die graphische Ausgestaltung die Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens zu begründen.
aa. Zwar kann ein eigenständiger betrieblicher Herkunftshinweis durch eine besondere bildliche oder graphische Ausgestaltung nicht unterscheidungskräftiger [X.] erreicht werden. Einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des [X.], an die der Verkehr gewöhnt ist, vermögen jedoch in der Regel den beschreibenden Charakter einer Angabe nicht zu beseitigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die grafische Ausgestaltung einer Wortmarke umso weniger die erforderliche Unterscheidungskraft begründen kann, je deutlicher ein unmittelbarer Bezug der Bezeichnung zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen erkennbar ist (vgl. [X.] 2001, 1153, 1154 – antiKALK; früher schon [X.] [X.] 1996, 410, 411 – [X.]; s. auch [X.] 2007, 324, 326 – Kinder (schwarz-rot)). Für beschreibende Angaben wie „360°“ und „[X.]“ bedürfte es deshalb einer über eine allgemein übliche Gebrauchsgrafik hinausgehenden, phantasievollen Ausgestaltung, um von der durch die Zeichenwörter vermittelten Sachaussage wegzuführen und ein Verständnis im Sinne eines betrieblichen Herkunftshinweises zu ermöglichen.
bb. Daran fehlt es jedoch vorliegend. Zutreffend hat die Markenstelle festgestellt, dass es sich bei der Anordnung der [X.] „360°“ und „[X.]“ untereinander, der sich auf die Erkennbarkeit der Bestandteile nicht auswirkenden Überlappung der Elemente wie auch der rechteckigen, farbigen Hintergrundgestaltung um gängige und in allen Bereichen des täglichen Lebens verwendete Gestaltungsmittel zur Hervorhebung von Sach- oder Werbeangaben handelt, an welche der Verkehr gewöhnt ist und denen er folglich keinen Hinweis auf die Herkunft der damit gekennzeichneten Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen entnehmen wird. Eine solche einfache Ausgestaltung des [X.] kann nicht zuletzt angesichts seines deutlichen sachbezogenen Aussagegehalts in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen nichts zu einer Wahrnehmung der um Schutz nachsuchenden Marke als betrieblicher Herkunftshinweis beitragen.
Für die Frage, ob das angemeldete Zeichen eine schutzbegründende graphische Ausgestaltung aufweist, kommt es auch nicht darauf an, ob die Darstellung des Bestandteils „360°“ seinem Bedeutungsgehalt entsprechend „allumfassend, vollständig, umfassend, komplett“ dargestellt ist bzw. die Kombination dieses Bestandteils mit dem Begriff „[X.]“ irgendwelche Assoziationen hervorruft, sondern allein darauf, ob die Bestandteile für sich gesehen oder jedenfalls in ihrer Gesamtheit aufgrund ihrer konkreten graphischen Ausgestaltung eine die fehlende Unterscheidungskraft der [X.] überwindende und damit schutzbegründende Eigenart aufweisen. Dies ist jedoch aus den vorgenannten Gründen nicht der Fall.
3. Fehlt der angemeldeten Bezeichnung daher in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], kann die Frage, ob an ihrer freien Verwendung auch ein schutzbedürftiges Allgemeininteresse i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] besteht, dahinstehen.
4. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
Meta
20.08.2020
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.08.2020, Az. 30 W (pat) 39/19 (REWIS RS 2020, 208)
Papierfundstellen: REWIS RS 2020, 208
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