Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 26.04.2022, Az. 2 BvR 1880/21

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2022, 159

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei fachgerichtlicher Abweichung von Maßstäben des BVerfG für Haftprüfungsentscheidungen - allerdings Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde wegen Subsidiarität bei unterbliebener Gehörsrüge im fachgerichtlichen Verfahren


Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 [X.] nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig. Der Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist nicht erschöpft.

2

1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), ohne gegen den angegriffenen Beschluss des [X.] eine Anhörungsrüge nach § 33a StPO erhoben zu haben. Wird mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht, so gehört eine Anhörungsrüge an das Fachgericht zu dem Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.] im Regelfall abhängig ist (vgl. [X.] 134, 106 <113 Rn. 22> m.w.N.).

3

2. Damit war die gegen den Beschluss des [X.] gerichtete Verfassungsbeschwerde insgesamt, das heißt auch im Hinblick auf die gerügte Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG, unzulässig.

4

Erheben Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge, obwohl sie statthaft und nicht offensichtlich aussichtslos wäre, hat das zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde insgesamt unzulässig ist, sofern die damit gerügten Grundrechtsverletzungen denselben Streitgegenstand betreffen wie der geltend gemachte Gehörsverstoß (vgl. [X.] 134, 106 <113 Rn. 22>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, Rn. 10).

5

Die Beschwerdeführerin sieht sich in ihren Grundrechten verletzt, weil das [X.] mit der angegriffenen Entscheidung ihre weitere Beschwerde gegen einen Sitzungshaftbefehl nach dessen Aufhebung für erledigt erklärt und kein Rechtsschutzinteresse für eine nachträgliche Prüfung in der Sache als gegeben erachtet hat. Eine Anhörungsrüge wäre vorliegend nicht aussichtslos gewesen, da eine Gehörsverletzung durch das [X.] möglich erscheint.

6

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] verstößt es gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. [X.] 108, 341 <345 f.> m.w.N.).

7

Vorliegend hat das [X.], ohne zuvor darauf hinzuweisen, eine von der Rechtsprechung des [X.] zum schutzwürdigen Interesse an einer nachträglichen Überprüfung von freiheitsentziehenden Maßnahmen (vgl. [X.] 104, 220 <234 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 11. April 2018 - 2 BvR 2601/17 -, Rn. 33 ff. m.w.N. für einen Sitzungshaftbefehl) abweichende Rechtsauffassung vertreten. Vor Erlass der angegriffenen Entscheidung brauchte die Beschwerdeführerin nicht damit zu rechnen, dass das [X.] ihr fortbestehendes Interesse an einer Rechtmäßigkeitsprüfung des Haftbefehls nach dessen Aufhebung verneinen würde. Möglicherweise wäre das [X.] von dieser Rechtsauffassung abgewichen, wenn die Beschwerdeführerin im Rahmen einer Anhörungsrüge auf ihre verfassungsrechtlichen Bedenken hingewiesen hätte.

8

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 1880/21

26.04.2022

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Rostock, 6. Oktober 2021, Az: 20 Ws 208/21, Beschluss

Art 103 Abs 1 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 33a StPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 26.04.2022, Az. 2 BvR 1880/21 (REWIS RS 2022, 159)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 159

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

VI ZB 26/21

Zitiert

2 BvR 2601/17

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