Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.03.2015, Az. XII ZB 553/14

12. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 14264

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BESCHWER PROZESSURTEIL ANERKENNTNISURTEIL

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Gegenstand

Berufungsbeschwer bei Berufungsangriff des erstinstanzlich Beklagten gegen ein klageabweisendes Prozessurteil mit dem Ziel einer Verurteilung gemäß Anerkenntnis


Leitsatz

Zur Rechtsmittelbeschwer des Beklagten, der mit seiner Berufung gegen ein klageabweisendes Prozessurteil das Ziel verfolgt, seinem Anerkenntnis gemäß verurteilt zu werden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 23. Zivilsenats des [X.] vom 16. September 2014 wird auf Kosten der Beklagten verworfen.

Wert: 24.000 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der Unterpächterin der [X.], die mit Pachtvertrag vom 19. Juni 2005 eine Immobilie zum Betrieb eines Reiter- und Pferdehofs von der [X.] gepachtet hatte. Für die Immobilie wurde auf Antrag einer Bank im Jahr 2006 die Zwangsverwaltung angeordnet. Auf die gegen die Pächterin und die Unterpächterin erhobene Klage des [X.] stellte das [X.] mit rechtskräftigem Endurteil vom 14. März 2008 fest, dass der Pachtvertrag vom 19. Juni 2005 nichtig ist. Die zuvor schon in Liquidation befindliche Verpächterin (Beklagte) wurde Anfang 2009 im Handelsregister gelöscht; im August 2009 wurde ein Nachtragsliquidator für die Geltendmachung von Vermögensansprüchen aus der Versteigerung der Immobilie bestellt.

2

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Feststellung, dass besagter Pachtvertrag nicht nichtig sei. Für die Beklagte hat sich in erster Instanz ein Rechtsanwalt bestellt und den Klageantrag schriftsätzlich anerkannt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist niemand für die Beklagte erschienen, woraufhin die Klägerin Erlass eines [X.], hilfsweise eines Versäumnisurteils beantragt hat. Das [X.] hat die Klage jedoch als unzulässig abgewiesen, weil die Beklagte gesetzlich nicht vertreten und damit nicht prozessfähig sei.

3

Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt mit dem Ziel, dass gegen sie entsprechend dem Klageantrag erkannt werden möge. Dann könne sie Ansprüche aus dem Pachtvertrag gegen die Pächterin und/oder die die Zwangsvollstreckung betreibende Bank geltend machen. Das Berufungsgericht hat die Berufung verworfen, weil die Beklagte durch das erstinstanzliche Urteil nicht beschwert sei.

4

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.

5

Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

6

1. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil das angegriffene Urteil keine für die Beklagte nachteilige rechtskraftfähige Entscheidung enthalte. Die beklagte Partei sei - ohne dass es darauf ankomme, in welcher Weise sie zu dem Klagevorbringen Stellung genommen habe - beschwert, wenn die angefochtene Entscheidung ihrem Inhalt nach für sie nachteilig sei. Das sei bei dem klageabweisenden Urteil für die Beklagte jedoch nicht der Fall, auch wenn sie in der Sache ihre Verurteilung begehre.

7

2. Die Rechtssache hat zum einen keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend der Begriff der Beschwer des Rechtsmittelführers und insbesondere die Frage geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein Beklagter durch ein klageabweisendes Urteil beschwert sein kann. Zum anderen erfordert auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.]. Denn der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagte nicht in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), der den Gerichten verbietet, den Verfahrensbeteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2014 - [X.] 486/12 - FamRZ 2014, 1012 Rn. 6 mwN). Das Berufungsgericht hat nämlich die Berufung der [X.] zu Recht als unzulässig verworfen.

8

a) Für die klagende Partei gilt nach der Rechtsprechung des [X.] die so genannte formelle Beschwer, die nur dann vorliegt, wenn eine gerichtliche Entscheidung von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag der [X.] zu ihrem Nachteil abweicht, ihrem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist ([X.], 335, 338 = NJW 1999, 1339; [X.] Beschlüsse vom 18. Januar 2007 - [X.]/06 - NJW-RR 2007, 765 Rn. 6 mwN und vom 5. Juni 2014 - [X.] - NJW-RR 2014, 1279 Rn. 7). Demgegenüber bedarf es für die Zulässigkeit des Rechtsmittels eines [X.] der so genannten materiellen Beschwer. Für diese kommt es nicht darauf an, in welcher Weise er zu dem Klagevorbringen Stellung genommen hat, sondern es reicht aus, ist aber auch notwendig, dass ihm die angefochtene Entscheidung ihrem Inhalt nach nachteilig ist (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Januar 1992 - [X.] 135/91 - NJW 1992, 1513, 1514; [X.] Beschlüsse vom 18. Januar 2007 - [X.]/06 - NJW-RR 2007, 765 Rn. 6 mwN und vom 5. Juni 2014 - [X.] - NJW-RR 2014, 1279 Rn. 7). Darüber hinaus ist erforderlich, dass der Beklagte mit seinem Berufungsantrag das Ziel verfolgt, diese Beschwer zu beseitigen (Senatsurteil [X.]Z 85, 140, 142 = FamRZ 1982, 1198; Senatsbeschluss vom 15. Januar 1992 - [X.] 135/91 - NJW 1992, 1513, 1514 mwN; Musielak/[X.] ZPO 11. Aufl. Vor § 511 Rn. 26; [X.]/[X.] ZPO 22. Aufl. Vor § 511 Rn. 72 mwN).

9

Ausgehend von der für die [X.]seite maßgeblichen materiellen Beschwer kann ein Beklagter zum einen Berufung gegen ein gemäß seinem Anerkenntnis ergehendes Anerkenntnisurteil einlegen (Senatsbeschluss vom 15. Januar 1992 - [X.] 135/91 - NJW 1992, 1513, 1514; [X.] Urteil vom 5. Januar 1955 - [X.] - NJW 1955, 545, 546). Zum anderen kann er auch durch eine klageabweisende Entscheidung beschwert sein, etwa wenn Prozess- statt Sachurteil ergangen (vgl. [X.]Z 28, 349 f. = NJW 1959, 436; [X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. Vor § 511 Rn. 20), die Klage als "derzeit unbegründet" abgewiesen worden ist ([X.]Z 144, 242, 244 f. = NJW 2000, 2988, 2989) oder die Klageabweisung auf einer Aufrechnung beruht ([X.], 167, 172; [X.]/Schütze/[X.] ZPO 4. Aufl. Vor §§ 511-541 Rn. 39).

b) Gemessen hieran ist es im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Berufung verneint hat.

Durch das erstinstanzliche Urteil ist die Klage abgewiesen worden. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, eine Beschwer der [X.] folge daraus, dass sie aufbauend auf die von der Klägerin begehrte Feststellung der Wirksamkeit des Pachtvertrags Ansprüche gegen Dritte durchsetzen könne. Abgesehen davon, dass ein derartiges Urteil zwischen den hiesigen Parteien keinerlei Rechtskraftwirkung in Rechtsstreitigkeiten mit den genannten [X.] entfalten würde, ist der von der [X.] bezeichnete "Nachteil" bereits im Ansatz nicht geeignet, eine ein Rechtsmittel der [X.] ermöglichende materielle Beschwer zu begründen. Denn diese Beschwer muss sich aus der Entscheidung selbst ergeben, wofür der rechtskräftige Inhalt der angefochtenen Entscheidung maßgebend ist ([X.] Beschluss vom 16. April 1996 - [X.] - NJW-RR 1996, 828, 829; Hk-ZPO/Koch 6. Aufl. Vor §§ 511-577 Rn. 19; [X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. Vor § 511 Rn. 19 b). Daher ist nicht ausreichend, wenn eine nachteilige Wirkung erst aus dem Zusammenwirken mit sonstigen Umständen folgt.

Denkbar wäre zwar eine Beschwer, die darin liegen könnte, dass die Klage nicht mit Sach-, sondern mit Prozessurteil abgewiesen worden ist. Die Beklagte hat aber mit ihrer Berufung nicht das Ziel verfolgt, diese Beschwer zu beseitigen.

Dose                                 Weber-Monecke                           Schilling

             Nedden-Boeger                                    [X.]

Meta

XII ZB 553/14

11.03.2015

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 16. September 2014, Az: 23 U 2627/14

§ 511 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.03.2015, Az. XII ZB 553/14 (REWIS RS 2015, 14264)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14264

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