Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.07.2020, Az. XIII ZB 81/19

13. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 792

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Gegenstand

Überstellungshaftsache: Anordnung von Haft zur Sicherung einer Zurückweisung im Rahmen von Kontrollen an Binnengrenzen


Leitsatz

1. § 15 Abs. 5 AufenthG ist auf Anordnungen von Haft zur Sicherung einer Zurückweisung oder Einreiseverweigerung nach § 15 Abs. 1 bis 4 AufenthG oder § 18 Abs. 2 AsylG nicht anwendbar, die im Rahmen von Kontrollen an Binnengrenzen stattfinden.

2. Die Voraussetzungen für die Anordnung von Haft zur Sicherung des Vollzugs einer Zurückweisung bestimmen sich deshalb, je nach dem, in welchen Staat der Betroffene zurückgewiesen werden soll, nach § 62 AufenthG oder Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO i.V.m. § 2 Abs. 14, § 62 Abs. 3a und 3b AufenthG.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des [X.] - 3. Zivilkammer - vom 12. März 2019 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 7. Januar 2019 die Betroffene in ihren Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Betroffenen in allen Instanzen werden der [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000 €.

Gründe

1

I. Die Betroffene, eine [X.] Staatsangehörige, versuchte am 9. Dezember 2018 mit einem Fernbus aus [X.] kommend nach [X.] einzureisen. Am Grenzübergang [X.] auf der Autobahn [X.] wurde sie von Beamten der [X.] kontrolliert. Sie wies sich dabei mit einem [X.]n Reisepass und einer abgelaufenen [X.] Aufenthaltserlaubnis (Permesso di Soggiorno) sowie einem Verlängerungsantrag aus. Eine [X.] ergab, dass die Betroffene am 29. Mai 2017 in [X.] als Asylsuchende registriert worden war. Bei ihrer Befragung durch die Beamten der beteiligten Behörde gab sie an, sie könne sich in [X.] nicht ernähren und wolle nach [X.] gehen.

2

Mit Bescheid vom 9. Dezember 2018 verweigerte die beteiligte Behörde der Betroffenen die Einreise nach § 18 [X.] und leitete ihre Rückführung nach [X.] entsprechend der Verordnung ([X.]) Nr. 604/2013 ([X.]. [X.] Nr. L 180 S. 31 - Dublin-III-Verordnung) ein. Sie erwirkte im Wege der einstweiligen Anordnung Haft zur Sicherung der Zurückweisung der Betroffenen nach [X.] bis zum 14. Januar 2019. Das [X.] (im Folgenden: [X.]) lehnte den Asylantrag der Betroffenen mit Bescheid vom 27. Dezember 2018 unter Anordnung der Abschiebung der Betroffenen nach [X.] als unzulässig ab.

3

Am 2. Januar 2019 hat die beteiligte Behörde die Verlängerung der Haft bis zum 29. Januar 2019 beantragt. Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Die - nach ihrer Überstellung nach [X.] am 25. Januar 2019 mit einem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft fortgesetzte - Beschwerde der Betroffenen hat das [X.] zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit welcher sie weiterhin die Feststellung der Rechtswidrigkeit erreichen möchte.

4

II. Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

5

1. Das Beschwerdegericht hält die angeordnete Haft als [X.] nach § 15 Abs. 5 [X.] für rechtmäßig. Die Betroffene habe versucht, unerlaubt einzureisen, sei aber nach § 13 Abs. 2 [X.] rechtlich nicht eingereist, da sie am Grenzübergang [X.] festgehalten worden sei. Die Voraussetzungen für die Zurückweisung der Betroffenen an der Grenze nach [X.]. 14 [X.] (= Verordnung [[X.]] 2016/399 des [X.] und des Rates vom 9. März 2016 über einen Unionskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen, [X.]. [X.] Nr. L 77 S. 1) und § 18 Abs. 2 Nr. 2 [X.] hätten vorgelegen. Die Betroffene habe versucht, die [X.] illegal zu überqueren. Sie habe nach dem Ergebnis der [X.] zuvor einen Asylantrag in [X.] gestellt, das für dessen Bescheidung zuständig sei. Die Zurückweisung im Wege der Überstellung nach [X.] habe nicht sofort vollzogen werden können. Eines Haftgrunds bedürfe es bei der [X.] nicht. Auch sei [X.]. 28 Abs. 2 [X.] nicht anzuwenden. Dieser Haftgrund liege allerdings, obwohl nicht erforderlich, gleichwohl vor. Es seien die konkreten Anhaltspunkte für erhebliche Fluchtgefahr nach § 2 Abs. 14 Nr. 1, 3 und 5 und Abs. 15 Satz 1 [X.] (in der bis zum 20. August 2019 geltenden Fassung [fortan: aF]) gegeben gewesen. Aufgrund der Äußerung der Betroffenen, nicht nach [X.] zurückkehren zu wollen, habe damit gerechnet werden müssen, dass sie sich dem behördlichen Zugriff entziehen werde. Zudem habe sie [X.] noch vor Beendigung des Asylverfahrens dort verlassen, obwohl sie dazu nicht berechtigt gewesen sei. Das an sich nicht erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft sei eingeholt worden.

6

2. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

7

a) Die Betroffene macht zutreffend geltend, dass § 15 Abs. 5 [X.] auf die Anordnung von Haft zur Sicherung einer Zurückweisung oder Einreiseverweigerung nach § 15 Abs. 1 bis 4 [X.] oder § 18 Abs. 2 [X.] nicht anwendbar ist, wenn die Zurückweisung oder Einreiseverweigerung - wie hier - im Rahmen von Kontrollen an Binnengrenzen stattfindet.

8

aa) Der Senat hat schon entschieden, dass Haft zur Sicherung der Zurückweisung nach § 15 Abs. 5 Satz 1 [X.] auch bei einer Wiederaufnahme der Kontrollen an Binnengrenzen der [X.] jedenfalls dann nicht in Betracht kommt, wenn der betroffene Drittstaatsangehörige nach Überqueren der [X.] im grenznahen Bereich gestellt und ihm dort die - tatsächlich bereits erfolgte - Einreise verweigert wird (Beschluss vom 12. Februar - [X.]/19, juris Rn. 8 f.). Ist ein Drittstaatsangehöriger in einen Mitgliedstaat eingereist, unterfällt er nach [X.]. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/[X.] (fortan: [X.]) dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie. Er ist daher den in der [X.] vorgesehenen gemeinsamen Normen und Verfahren im Hinblick auf seine Abschiebung zu unterwerfen ([X.], Urteil vom 19. März 2019 - [X.]/17, NVwZ 2019, 947 Rn. 39 - Arib). Im Anwendungsbereich der Richtlinie ist die Anordnung von Haft nur unter den in [X.]. 15 [X.] i.V.m. § 62 [X.] - hier nach §§ 2, 62 [X.] aF - geregelten Voraussetzungen zulässig. Soll der Drittstaatsangehörige in einen anderen Mitgliedstaat überstellt werden, in dem er einen Asylantrag gestellt hat, ist [X.] nur unter den Voraussetzungen des [X.]. 28 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 2 Abs.14, § 62 Abs. 3a und 3b [X.] bzw. nach den in [X.] wie dem vorliegenden noch maßgeblichen § 2 Abs. 15 und 14 [X.] aF anzuordnen.

9

bb) [X.] gilt, wenn der Drittstaatsangehörige - wie die Betroffene hier - an einer Grenzübergangstelle gestellt und ihm dort oder - unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Sätze 1 und 2 [X.], die hier allerdings mangels Bestimmung zugelassener Grenzübergangstellen an der [X.] (Bundesregierung in BT-Drucks. 19/3049 S. 1 - Antwort auf Frage 1) nicht gegeben waren - hinter der Grenze in der Dienststelle der Grenzbehörde die Einreise verweigert wird.

(1) Der [X.] hat in einer solchen Fallgestaltung im Hinblick auf die Regelung des [X.]. 2 Abs. 2 Buchst. a [X.] die Anwendung der [X.] nach § 15 Abs. 5 [X.] für zulässig angesehen. Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten beschließen, die [X.] nicht auf Drittstaatsangehörige anzuwenden, die einem Einreiseverbot nach [X.]. 13 [X.] unterliegen oder die von den zuständigen Behörden in Verbindung mit dem illegalen Überschreiten der Außengrenze eines Mitgliedstaats auf dem Land-, See- oder Luftwege aufgegriffen bzw. abgefangen werden und die nicht anschließend die Genehmigung oder das Recht erhalten haben, sich in diesem Mitgliedstaat aufzuhalten. Die Vorschrift befasst sich zwar unmittelbar nur mit einem Überschreiten von Außengrenzen der [X.] und nicht mit einem Überschreiten der Binnengrenzen zwischen zwei Mitgliedstaaten der [X.]. Ihre Geltung für Binnengrenzkontrollen hat der [X.] aber daraus abgeleitet, dass für solche Kontrollen nach [X.]. 32 [X.] die in Titel II dieses [X.] geregelten Bestimmungen über die Außengrenzen Anwendung finden. Diese Verweisung hat er auch auf die die Außengrenzen betreffenden Ausnahmen der [X.] bezogen (vgl. zum Ganzen: [X.], Beschlüsse vom 20. September 2017 - [X.] 118/17, NVwZ 2018, 349 Rn. 12, für Zurückweisung an der Grenze und vom 10. März 2016 - [X.] 188/14, [X.] 2016, 295 Rn. 5, 9 f., für Transitaufenthalt). Dieser Rechtsprechung sind das Amtsgericht und das Beschwerdegericht gefolgt.

(2) Dem ihr zugrunde liegenden Verständnis des Unionsrechts ist durch das Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 19. März 2019 ([X.]/17, NVwZ 2019, 947 - Arib) die Grundlage entzogen. Der Gerichtshof hat dort zwar nur den hier nicht gegebenen und von der Regelung in § 15 Abs. 5, § 13 Abs. 2 [X.] auch nicht erfassten (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Februar 2020 - [X.]/19, juris Rn. 12) Fall entschieden, dass der Betroffene nicht an einer Grenzübergangsstelle oder unmittelbar an der Grenze, sondern im Hinterland hinter der Grenze gestellt wird. Die von dem Gerichtshof vorgenommene Auslegung von [X.]. 2 Abs. 2 Buchst. a [X.] und von [X.]. 32 [X.] schließt jedoch eine Anwendung von [X.]. 2 Abs. 2 Buchst. a [X.] und damit die Anwendung der in § 15 Abs. 5 [X.] bestimmten verkürzten Voraussetzungen für die Haft zur Sicherung einer Zurückweisung an einer Binnengrenze aus. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gilt die Befugnis der Mitgliedstaaten nach [X.]. 2 Abs. 2 Buchst. a [X.], geringere Voraussetzungen für die Haft zur Sicherung der Zurückweisung an der Grenze vorzusehen, nur für ein Überschreiten von Außengrenzen der [X.]. [X.]. 32 [X.] beabsichtigt mit der Verweisung auf die Vorschriften des Titels II nach der Entscheidung des Gerichtshofs keine Erweiterung der in der [X.] vorgesehenen Ausnahmen (Urteil vom 19. März 2019 - [X.]/17, NVwZ 2019, 947 - Arib, Rn. 51 f., 62 und 64 unter Verweis auf das Urteil vom 7. Juni 2016 - [X.]/15, [X.] 2016, 269 - [X.], Rn. 74). Das schließt die Anwendung von § 15 Abs. 5 [X.] auf die Haft zur Sicherung von Einreiseverweigerungen im Rahmen von Kontrollen an Binnengrenzen aus.

b) Das bedeutet nicht, dass die gegen die Betroffene angeordnete Haft zur Sicherung ihrer Zurückweisung nach [X.] schon deshalb rechtswidrig war, weil Zurückweisungen an der Grenze nach § 15 Abs. 1 bis 4 [X.] oder nach § 18 Abs. 2 [X.] im Rahmen von Binnengrenzkontrollen schon gar nicht erlassen werden dürften und es für die Anordnung von Haft zur Sicherung der Vollziehung solcher Zurückweisungen an einer materiell-rechtlichen Grundlage fehlte, die nicht durch nachträglich erlassene Entscheidungen, etwa Abschiebungsanordnungen des [X.]s nach § 34a Abs. 1 Satz 1 [X.], ersetzt werden könnte. Beides betrifft die Rechtmäßigkeit der Einreiseverweigerung, die die beteiligte Behörde der Betroffenen erteilt hat. Deren Überprüfung ist jedoch nach der Aufgabenverteilung zwischen der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der ordentlichen Gerichtsbarkeit allein Aufgabe der Verwaltungsgerichte. Die Haftgerichte haben deshalb vorbehaltlich abweichender Entscheidungen der Verwaltungsgerichte von der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung oder Einreiseverweigerung auszugehen ([X.], Beschlüsse vom 16. Dezember 2009 - [X.] 148/09, [X.] 2010, 50 f. [Rn. 12], vom 30. Juni 2011 - [X.] 274/10, [X.] 2011, 315 Rn. 21, und vom 12. Februar 2020 - [X.]/19, juris Rn. 11, für die Einreiseverweigerung bzw. Zurückweisung nach § 18 Abs. 2 [X.] und Beschluss vom 20. September 2017 - [X.] 118/17, NVwZ 2018, 349 Rn. 18, für die Einreiseverweigerung bzw. Zurückweisung nach [X.]. 14 [X.], § 15 [X.]). Hier ist deshalb von der Rechtmäßigkeit der Einreiseverweigerung und davon auszugehen, dass diese eine materiell-rechtliche Grundlage für die angeordnete [X.] sein kann.

c) Daraus folgt jedoch nicht, dass die Haftgerichte aufgrund der zugrunde zu legenden Entscheidung der beteiligten Behörde für den Erlass einer Zurückweisung nach § 18 Abs. 2 [X.] auch verpflichtet wären, die für die Anordnung von Haft zur Sicherung des Vollzugs einer solchen Entscheidung in § 15 Abs. 5 [X.] bestimmten geringeren Voraussetzungen anzuwenden. Das Gebot einer möglichst wirksamen Anwendung des Rechts der Union (effet utile) ist auch bei der Anordnung von [X.] zu beachten ([X.], Beschluss vom 25. Juli 2014 - [X.] 137/14, [X.] 2014, 230 Rn. 5). Aufgrund dieses Gebots sind die nationalen Gerichte verpflichtet, das innerstaatliche Recht soweit wie möglich in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Unionsrechts auszulegen und, wenn das nicht möglich ist, notfalls jede Bestimmung unangewendet zu lassen, deren Anwendung im konkreten Fall zu einem unionsrechtswidrigen Ergebnis führen würde (vgl. [X.], Urteil vom 27. Oktober 2009 - [X.]/08, [X.], 107 Rn. 138 - [X.].). Deshalb hat der [X.] entschieden, dass in einem Fall, in dem die Einreise bereits erfolgt ist, keine [X.] nach § 15 Abs. 5 Satz 1 [X.] angeordnet werden darf, auch wenn die beteiligte Behörde das vereinfachte Verfahren anwenden will ([X.], Beschluss vom 12. Februar 2020 - [X.]/19, juris Rn. 11). Für den hier gegebenen Fall, dass der Betroffene an einem - wenn auch nicht förmlich zugelassenen (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 [X.]) - Grenzübergang gestellt und ihm dort oder hinter der Grenze in der Dienststelle der Grenzbehörde die Einreise verweigert wird, gilt nichts Anderes.

d) Die Voraussetzungen für die Anordnung von Haft zur Sicherung des Vollzugs einer Zurückweisung bestimmen sich deshalb, je nach dem, in welchen Staat der Betroffene zurückgewiesen werden soll, nach § 62 [X.] oder nach [X.]. 28 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 2 Abs. 14, § 62 Abs. 3a und 3b [X.]. Will die beteiligte Behörde den Betroffenen in seinen Heimatstaat zurückweisen, bestimmen sich die Voraussetzungen für die Anordnung von Haft nach den Vorschriften über die Abschiebungshaft. Soll der Betroffene dagegen in einen Mitgliedstaat der [X.] überstellt werden, bestimmen sich die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft nach [X.]. 28 Abs. 2 [X.] ([X.], Beschluss vom 12. Februar 2020 - [X.]/19, juris Rn. 9 f.). An die Bestimmung des Zielstaats der Zurückweisung durch die Behörde sind die Haftgerichte gebunden; auch deren Rechtmäßigkeit haben allein die Verwaltungsgerichte zu überprüfen ([X.], Beschluss vom 12. April 2018 - [X.] 164/16, [X.] 2018, 182 Rn. 13). Danach bestimmten sich die Voraussetzungen für die Anordnung von Haft hier nach [X.]. 28 Abs. 2 [X.]. Denn die Betroffene sollte nicht in ihr Heimatland ([X.]), sondern gemäß den Maßgaben der Dublin-III-Verordnung nach [X.] als [X.] zurückgewiesen werden.

e) Die von dem Amtsgericht und dem Beschwerdegericht über das von ihnen als geboten [X.] hinaus getroffenen Feststellungen ergeben die Voraussetzungen für die Anordnung von [X.] nach [X.]. 28 Abs. 2 [X.] nicht.

aa) Die Betroffene war zwar nach § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] vollziehbar ausreisepflichtig, weil sie ohne Aufenthaltstitel und damit nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 [X.] unerlaubt eingereist war. Auch die infolge der Geltung der [X.] bei einer Zurückweisung an einer Binnengrenze erforderliche Rückkehrentscheidung hat schon mit der Einreiseverweigerung der beteiligten Behörde vom 9. Dezember 2018, die die Anforderungen an eine Rückkehrentscheidung nach [X.]. 3 Nr. 4 der [X.] erfüllt, jedenfalls aber mit der durch den Bescheid des [X.]s über die Zurückweisung des Asylantrags der Betroffenen vom 27. Dezember 2018 zugleich ausgesprochenen Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 [X.] vorgelegen.

bb) Die getroffenen Feststellungen ergeben aber nicht, dass der danach allein in Betracht kommende konkrete Anhaltspunkt für (erhebliche) Fluchtgefahr nach [X.]. 28 Abs. 2 [X.]. 2 Buchst. n [X.] i.V.m. § 2 Abs. 15 Satz 2 [X.] aF bei Anordnung der Haft weiterhin vorgelegen hat.

(1) Aus dem Eintrag der Betroffenen im [X.]RODAC-Register durften sowohl die beteiligte Behörde als auch die Vorinstanzen ableiten, dass die Betroffene in [X.] einen Asylantrag gestellt und [X.] vor dessen Bescheidung verlassen hat. Nach den getroffenen Feststellungen ergaben die Umstände der Feststellung der Betroffenen an dem Grenzübergang auch, wie nach der Rechtsprechung des [X.]s geboten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 25. Februar 2016 - [X.] 157/15, [X.] 2016, 140 Rn. 17, vom 11. Januar 2018 - [X.] 28/17, [X.] 2018, 184 Rn. 20, und jetzt § 2 Abs. 14 Satz 2 Nr. 2 [X.], der dieses Erfordernis aufgreift), konkrete Anhaltspunkte, die auf den fehlenden [X.]n der Betroffenen schließen ließen.

(2) Ohne nähere Feststellungen durfte aber nicht davon ausgegangen werden, dass der [X.] der Betroffenen bei Anordnung der Verlängerung der bestehenden Haft zur Sicherung der Zurückweisung der Betroffenen nach [X.] weiterhin fehlte. Anders als bei ihrer Befragung durch die beteiligte Behörde und bei ihrer persönlichen Anhörung durch das Amtsgericht in dem vorausgegangenen Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die Betroffene bei ihrer Anhörung durch das Amtsgericht im vorliegenden Verfahren erklärt, sie wolle so schnell wie möglich zurück nach [X.]. Mit dieser Einlassung befassen sich weder das Amtsgericht noch das Beschwerdegericht. Ohne nähere Nachfrage lässt sich die Einlassung der Betroffenen auch nicht als bloße Schutzbehauptung bewerten, zumal ihr zwischenzeitlich der Bescheid des [X.]es vom 27. Dezember 2018 zugestellt worden sein wird, durch den ihr Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde.

3. Der Senat hat in der Sache zu entscheiden, weil diese trotz der fehlenden Feststellungen zur Entscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Die fehlenden Feststellungen lassen sich nicht mehr nachholen, weil sie nach § 68 Abs. 3, § 420 FamFG eine ergänzende persönliche Anhörung der Betroffenen erfordern, die wegen deren zwischenzeitlicher Überstellung nach [X.] nicht mehr möglich ist.

III. [X.] beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 FamFG. Die Festsetzung des [X.] folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

[X.]     

      

Schmidt-Räntsch     

      

[X.]

      

Tolkmitt     

      

[X.]     

      

Meta

XIII ZB 81/19

14.07.2020

Bundesgerichtshof 13. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Ingolstadt, 12. März 2019, Az: 33 T 89/19

§ 2 Abs 14 AufenthG, § 15 Abs 1 AufenthG, § 15 Abs 2 AufenthG, § 15 Abs 3 AufenthG, § 15 Abs 4 AufenthG, § 15 Abs 5 AufenthG, § 62 Abs 3a AufenthG, § 62 Abs 3b AufenthG, § 18 Abs 2 AsylVfG, Art 28 Abs 2 EUV 604/2013

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.07.2020, Az. XIII ZB 81/19 (REWIS RS 2020, 792)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 792

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