Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.03.2021, Az. 30 W (pat) 32/19

30. Senat | REWIS RS 2021, 7970

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "REMA soft (Wort-Bildmarke)/REMA (Unionsmarke/Wort-Bildmarke)" –  Unterbrechung des Widerspruchsverfahrens durch mangelnde Prozessfähigkeit einer Partei - Zurückverweisung an das DPMA


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2012 050 409

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 11. März 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des [X.] vom 28. April 2015 und vom 21. Juni 2019 aufgehoben.

Das Verfahren wird an das [X.] zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Gegen die am 13. September 2012 angemeldete und am 25. Oktober 2012 für die Waren und Dienstleistungen

2

"Klasse 09: Computersoftware

3

Klasse 38: Bereitstellung des Zugriffs auf Computerprogramme in Datennetzen [X.]: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung "

4

eingetragene Wort-/Bildmarke

Abbildung

5

ist aus der seit dem 9. März 2007 u.a für die Waren und Dienstleistungen

6

"Klasse 09: Elektrotechnische Spezialartikel, nämlich Kabel- und Freileitungsanschlussmaterial sowie [X.] für Kabel und Freileitungen, insbesondere elektrische [X.]- und Verbindungsstücke in Form von [X.], [X.], [X.]klemmen, Kabelösen, [X.], Freileitungsklemmen, isolierte [X.] für isolierte Leiter, [X.], [X.], [X.], [X.], Freileitungsklemmen, Freileitungsverbinder, Erdungs- und [X.], [X.] für [X.], [X.], [X.], auch isolierte Universalabzweigklemmen, Schraub-Verbindungsklemmen, auch isolierte mit Frässchrauben für isolierte sektorförmige Kabel-Leiter und isolierte Schraubverbindungsklemmen für isolierte Kupfer- und [X.], [X.], auch [X.], [X.], [X.], auch Aufsatzklemmen für Direktanschluss, Erdungsklemmen für Ceander-Kabel, [X.]klemmen, auch Flachanschlussklemmen, [X.]klemmen für Flachschienen, Flachschienen- Verbinder, [X.] für [X.], [X.], Flachanschlussklemmen für [X.], [X.], Konus-Klemmen, gestanzte [X.], [X.], [X.] mit runden flachen und/oder ovalen Öffnungsquerschnitt, [X.], [X.], lötfreie Kabelschuhe mit Isolation, lötfreie Stiftkabelschuhe ohne/mit Isolation, lötfreie Stoß- Verbinder mit Isolation, Flachsteckhülsen mit Isolation, Rundstecker mit Isolation, Rohr-[X.] aus Kupfer, [X.] mit Kontaktzapfen, [X.] aus Kupfer, Rohr-[X.] aus Aluminium, [X.] aus Aluminium, Al-Cu-[X.], Pressanschluss- Bolzen, [X.] für druckfesten [X.], [X.], AI-Cu- [X.], auch mit [X.], zugfeste [X.], Klemmen für [X.], Kreuz-[X.] für [X.], Kauschen aus Kupfer oder aus Stahl, Al-Wickelband, [X.], Schutzhülsen, [X.], Seilspannklemmen, Spannschlösser, [X.] und [X.], feuerverbleite [X.], [X.], Batterie- Klemmen, elektrische Verbindungsarmaturen, elektrische Steckvorrichtungen, insbesondere Steckdosen, Kupplungssteckdosen, Stecker, Steckverbinder, auch [X.] und [X.] für [X.] und deren Teile, nämlich [X.], Hauptkontaktstifte, Gehäuse für Geräte- Steckvorrichtungen mit Kontaktaufnahmeteilen, Codierstiften, Zugentlastungsschellen, Griffe und Pilotkontakten, elektrische Installationsschalter und Geräteeinbauschalter, insbesondere Schalter, Kippschalter, Wippenschalter, Stellschalter, Drehschalter, [X.], Tastschalter, Notabschaltschalter, Zugschalter, Schiebeschalter und Mehrfachschalter, Schaltgeräte, Relais, Magnetventile – jeweils als elektrotechnische und/oder elektromechanische Bauteile; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität, nämlich Schalttafeln, Verteilerschränke, Kontrollapparate und Überwachungsapparate, soweit in [X.] enthalten; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger; Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Material für elektrische Leiter (Drähte, Kabel); Kabelmäntel für elektrische Leitungen; Elektrodrähte; Sicherungshalter für [X.], Verteilertafel für die [X.], soweit in [X.] enthalten; Winden für elektrische Kabel, [X.] für Spannungsmasten, angepasste Schutzhauben für Kabelverteilerschränke (Elektrizität) bestehend aus Kunststoff, Anlasserkabel für Motoren; elektrische Steuerungen für Kraftfahrzeuge sowie für Leitungsfahrwagen für den Freileitungs- und Kabelbau, auch für Signalgeber für Leistungssteuerungen in elektrischen Flurförderzeugen, sowie derartige Signalgeber als solche; Batterien für Elektrofahrzeuge, Gehäuse für derartige Batterien; Codiereinrichtungen;

7

[X.]: Dienstleistungen eines Ingenieurs für Elektrotechnik und Elektronik"

8

registrierten [X.]smarke 004 908 067

Abbildung

9

Widerspruch erhoben worden.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit [X.] vom 29. April 2013 die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke, die "[X.], [X.]", wurde durch Beschluss der [X.]erversammlung vom 17. Dezember 2013 aufgelöst. Zum Liquidator wurde [X.], [X.], bestimmt. Die Auflösung wurde am 31. Januar 2015 im Handelsregister eingetragen. [X.] beantragte mit Schreiben vom 3. August 2015 die Umschreibung der angegriffenen Marke auf sich. Am 23. Februar 2015 wurde die Inhaberin der angegriffenen Marke nach Beendigung der Liquidation im Handelsregister gelöscht.

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 09 des [X.] hat mit Beschluss vom 28. April 2015 den Widerspruch zurückgewiesen.

Zwar könne auf die beide Benutzungszeiträume nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] (in der bis zum 14. Januar 2019 gültigen Fassung) umfassende und insoweit auch zulässige Einrede der Nichtbenutzung aufgrund der von der Widersprechenden mit [X.] vom 18. Juni 2013 vorgelegten Unterlagen eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke in der [X.] für beide relevanten Benutzungszeiträume in Bezug auf die in der eidesstattlichen Versicherung genannten elektrotechnischen Spezialartikel der [X.] wie insbesondere die explizit genannten "Ladestecker, Schaltvorrichtungen, [X.], [X.], [X.]" mit Ausnahme von "Geräten zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer" sowie für "die Dienstleistungen der [X.]" angenommen werden.

Diese Waren und Dienstleistungen seien jedoch denjenigen der angegriffenen Marke unähnlich, so dass eine Verwechslungsgefahr ungeachtet der von Haus aus als durchschnittlich zu bewertenden Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie einer jedenfalls klanglichen Ähnlichkeit beider Zeichen ausscheide.

Gegen diesen Beschluss hat die Widersprechende mit [X.] vom 21. Mai 2015 Erinnerung eingelegt, soweit der Widerspruch in Bezug auf die von der angegriffenen Marke zu den Klassen 9 und 42 beanspruchten Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen wurde.

Auf Grundlage eines Aktenvermerks vom 19. August 2015 hat die Markenstelle für Klasse 09 des [X.] Herrn M1… mitgeteilt, dass aufgrund der erfolgten Löschung der "[X.], [X.]" die Bestellung eines Nachtragsliquidators erforderlich sei und ihn mit einer Frist von 2 Monaten zur Bestellung eines Nachtragsliquidators aufgefordert. Ansonsten werde das Verfahren durch einen der im Register als Inhaberin der angegriffenen Marke eingetragenen "[X.]" öffentlich zuzustellenden (Erinnerungs- )Beschluss beendet.

Gleichzeitig wurde eine Umschreibung unter Hinweis auf die zwischenzeitlich erfolgte Löschung der "[X.], [X.]" im Handelsregister abgelehnt.

Ein im Wesentlichen gleichlautendes Schreiben wurde dem weiteren vormaligen [X.]er der "[X.]", [X.], [X.], übermittelt.

Die Markenstelle für Klasse 09 hat mit Beschluss vom 21. Juni 2019 die Erinnerung zurückgewiesen, da die Widersprechende keine rechtserhaltende Benutzung für den "wandernden" Benutzungszeitraum gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] (in der bis zum 14. Januar 2019 gültigen Fassung) glaubhaft gemacht habe, so dass der Widerspruch bereits mangels berücksichtigungsfähiger Waren auf Seiten der Widerspruchsmarke keinen Erfolg haben könne.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt, die sie bisher jedoch unter Hinweis auf die am 23. Februar 2015 nach Beendigung der Liquidation erfolgte Löschung der Inhaberin der angegriffenen Marke im Handelsregister und der dadurch nach ihrer Auffassung zur Fortsetzung des Verfahrens notwendigen, bisher jedoch nicht erfolgten Bestellung eines Nachtragsliquidators nicht begründet hat.

Sie beantragt aber,

unter Aufhebung der Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 09 des [X.] vom 28. April 2015 und vom 21. Juni 2019 die angegriffene Marke 30 2012 050 409 im angegriffenen Umfang zu löschen.

Die Zustellung der Beschwerdeschrift an die Beschwerdegegnerin wurde an die benannte [X.] vorgenommen, verbunden mit dem – auch der Widersprechenden übermittelten – Hinweis, dass der Senat beabsichtige, im Hinblick auf die mit der am 23. Februar 2015 erfolgten Löschung der Inhaberin der angegriffenen Marke im Handelsregister eingetretene Unterbrechung des Verfahrens nach § 241 ZPO die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Sache nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 [X.] an die Markenstelle zurückzuverweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet; sie führt ohne Entscheidung in der Sache selbst zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse; das Verfahren vor dem Patentamt leidet an einem wesentlichen Mangel (§ 70 Abs. 3 Nr. 2 [X.]).

Denn mit der am 23. Februar 2015 im Handelsregister des [X.] zu HRB 200 356 eingetragenen Löschung der [X.], [X.], als Inhaberin angegriffenen Marke war das Widerspruchsverfahren entsprechend § 82 Abs 1 [X.] i. V. m. § 241 Abs. 1 ZPO unterbrochen. Die zeitlich nachrangigen Beschlüsse der Markenstelle vom 28. April 2015 und vom 21. Juni 2019 hätten nicht ergehen dürfen.

Nach § 241 Abs. 1 ZPO wird ein Verfahren u.a. unterbrochen, wenn eine [X.] die Prozessfähigkeit verliert. Dieser Fall ist mit der nach Beendigung der Liquidation vorgenommenen Löschung der als Inhaberin der angegriffenen Marke im Markenregister eingetragenen "[X.], [X.]" aus dem Handelsregister eingetreten.

1. Allerdings berührte die Löschung der Inhaberin der angegriffenen Marke aus dem Handelsregister hier nicht ihre Rechts- und Beteiligtenfähigkeit gemäß § 13 GmbHG und damit ihre Markenrechtsfähigkeit gemäß § 7 [X.]. Denn die Löschung einer GmbH im Handelsregister führt nur dann zu ihrer Beendigung mit Verlust der Rechts- und Beteiligtenfähigkeit, wenn sie tatsächlich vermögenslos ist; andernfalls besteht sie als Liquidationsgesellschaft fort (vgl. [X.], Beschluss v. 21. September 2016, 29 W (pat) 552/13 – [X.]/[X.]; Beschluss vom 13. November 2006, 30 W (pat) 202/04 – [X.]; Beschluss vom 17.05.2001, 25 W (pat) 97/01 – [X.]. [X.]; vgl. auch [X.], Urteil vom 18. Januar 1994 – [X.], NJW-RR 1994, 542 [X.]; [X.] in: Ströbele/Hacker/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 7 Rdnr. 4; [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 20. Aufl., § 60 Rn. 7, 104; MünchKomm-GmbHG/[X.], § 60 Rn. 38 f.). Im vorliegenden Fall hob die Löschung der Inhaberin der angegriffenen Marke aus dem Handelsregister ihre Rechtsfähigkeit nicht auf, weil jedenfalls ihre hier verfahrensgegenständliche Marke 30 2012 050 409 noch einen Vermögenswert darstellte.

Die im Register gelöschte "[X.], [X.]" ist auch nach wie vor materiell-rechtliche Inhaberin dieser Marke. Der seitens des vormaligen Geschäftsführers/Liquidators Herrn M1… eingereichte Umschreibungsantrag vom 3. August 2015 wurde seitens des [X.] nicht vollzogen, da die GmbH zu diesem [X.]punkt bereits gelöscht war. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es in der [X.] vor dem Erlöschen der [X.] zu einer wirksamen materiell-rechtlichen Übertragung der angegriffenen Marke auf den Liquidator Herrn M1… gekommen ist. Denn eine entsprechende Übertragung auf den [X.] ist weder aktenkundig noch vorgetragen und konnte zudem auch nicht einfach durch den Liquidator selbst im Wege eines "In-Sich-Geschäfts" vorgenommen werden, da er ausweislich des [X.] – anders als der Geschäftsführer – nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit war.

2. Jedoch hat die nach Durchführung der Abwicklung vorgenommene Löschung der als Inhaberin der angegriffenen Marke im Markenregister eingetragenen "R… GmbH, M…" aus dem Handelsregister zur Folge, dass der bisherige organschaftliche Vertreter seine Vertretungsbefugnis verliert und die GmbH dadurch mangels eines gesetzlichen Vertreters prozessunfähig wird, da sie als juristische Person nicht fähig ist, Prozesshandlungen selbst vorzunehmen, sondern nach § 35Abs. 1 GmbHG durch ihre Geschäftsführer und im Fall der Liquidation nach § 66 Abs. 1 GmbHG durch die Liquidatoren gesetzlich vertreten wird (vgl.[X.] GRUR 2016, 1066 [X.]. 16 -mt-perfect; NJW-RR 1994, 542; Beschluss vom 8. Oktober 2013 – [X.], juris Rn. 3).

Soweit das [X.] in einem patentamtlichen Löschungs(vor)verfahren nach § 53 [X.] (in der bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung) i.V.m. mit § 49 Abs. 2 Nr. 3 [X.], das auf den Verfall einer Marke wegen Wegfalls der Voraussetzungen des § 7 [X.] gestützt war, eine nach § 2 Abs. 1 [X.] im Handelsregister gelöschte GmbH nicht nur als partei-, sondern auch als prozessfähige Beteiligte angesehen hat, welche durch ihren früheren Geschäftsführer wirksam vertreten werden kann (vgl. [X.]E 44, 113 – [X.]. [X.]), wurde dies mit dem rein registerrechtlichen Charakter eines Vorverfahrens begründet und kann daher nicht auf kontradiktorisch ausgestaltete patentamtliche Verfalls- und [X.] bzw – wie hier – Widerspruchsverfahren nach § 42 [X.] übertragen werden (vgl. dazu auch [X.] in: [X.]/Hacker/Thiering, aaO, § 53 Rdnr. 84). Vielmehr ist in diesen Verfahren davon auszugehen, dass eine GmbH ohne einen gesetzlichen Vertreter (Geschäftsführer, Liquidator) nicht prozessfähig iS des § 241 ZPO ist.

3. Dieser durch die Löschung aus dem Handelsregister eingetretene Verlust der Prozessfähigkeit führte auch zu einer Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 82 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 241Abs. 1ZP[X.] Soweit nach § 246Abs. 1ZPO eine Unterbrechung des Verfahrens im Falle des Verlustes der Prozessfähigkeit nicht eintritt, wenn die [X.] durch einen Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten vertreten wurde, fehlt es daran vorliegend, da im Register kein Verfahrensbevollmächtigter, sondern lediglich eine [X.] ("Herr M1…, …str., M…") vermerkt ist und die gelöschte GmbH auch in dem anhängigen patentamtlichen Widerspruchsverfahren nicht durch einen Verfahrensbevollmächtigten vertreten wurde und wird.

4. Einer analogen Anwendung des § 241 ZPO im Widerspruchsverfahren steht nicht entgegen, dass für markenrechtliche Verfahren vor dem [X.] eine Vorschrift fehlt, die entsprechend der für das Beschwerdeverfahren vor dem [X.] geltenden Bestimmung des § 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] generell die subsidiäre Anwendung der Bestimmungen der ZPO vorsieht (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 42 Rn. 71; [X.], [X.] 2/2009 [X.]). Denn es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ungeachtet dessen die Vorschriften der ZPO grundsätzlich auch in – insbesondere kontradiktorischen – Verfahren vor dem [X.] zur Lückenfüllung anwendbar sind, soweit nicht die Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens dies ausschließen ([X.] GRUR 1993, 969, 971– Indorektal II; [X.], [X.]. 18) – [X.]; [X.]E 42, 250, 253– Winnetou; Büscher in Büscher/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 3. Aufl. 2015, § 56 [X.] Rn. 1). Die entsprechende Anwendung des § 241 ZPO ausschließende Besonderheiten sind in dem zweiseitigen Widerspruchsverfahren, in dem es um die verfahrensmäßige Durchsetzung bzw. Erhaltung materieller Markenrechte geht, indes nicht erkennbar.

5. Verliert eine GmbH als juristische Person ihre Prozessfähigkeit, weil sie – wie hier – aufgrund der Löschung aus dem Handelsregister über keine gesetzlichen Vertreter mehr verfügt, dauert die dadurch gemäß § 241 ZPO bewirkte Unterbrechung an, bis die Prozessfähigkeit der im Handelsregister gelöschten GmbH durch Bestellung eines neuen Vertreters wiederhergestellt ist und der neue gesetzliche Vertreter von seiner Bestellung dem Gericht Anzeige macht oder seitens des Gegners eine – dem wirklichen gesetzlichen Vertreter zuzustellende – Anzeige über seine Absicht, das Verfahren fortzusetzen, eingegangen ist (vgl. § 82 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 241 Abs. 1 2. Halbsatz, Abs. 2 ZPO).

a. Ein neuer (gesetzlicher) Vertreter kann allerdings nicht durch die [X.]er der gelöschten GmbH bestellt werden, da diese nicht berechtigt sind, das bisherige Liquidationsverfahren wieder aufleben zu lassen und zB die vormaligen Liquidatoren als gesetzliche Vertreter zu bestellen (vgl. [X.]/[X.]/[X.], 22. Aufl. 2019, GmbHG § 60 Rn. 106). Auch die in § 66 Abs. 5 GmbHG geregelte Bestellung eines Nachtragsliquidators greift vorliegend nicht, da diese Vorschrift allein den – hier nicht gegebenen – Fall betrifft, dass eine [X.] nach § 394FamFG zu Unrecht wegen vermeintlicher Vermögenslosigkeit gelöscht wurde (vgl. BayObLG 21.7.2004, [X.] 2004, 1164; [X.], NJW-RR 1990, 100; MüKoGmbHG/H.-F. Müller, 3. Aufl. 2018, GmbHG § 74 Rn. 41, 42).

Nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist jedoch im Falle eines nach durchgeführter Liquidation noch erforderlichen Abwicklungsbedarfs eine entsprechende Anwendung des § 273 Abs. 4 [X.] geboten (vgl. [X.]/[X.]/[X.], 22. Aufl. 2019, GmbHG § 60 Rn. 104; [X.]/[X.], 3. Aufl. 2018, GmbHG § 74 Rn. 41, 42 m.w.Nachw.). Ist daher eine GmbH im Handelsregister gelöscht worden, nachdem die Abwickler die Beendigung der Liquidation angezeigt hatten, und erweisen sich nachträglich weitere Abwicklungsmaßnahmen als notwendig, so hat das ([X.] entsprechend § 273 Abs. 4 [X.] auf Antrag die bisherigen oder andere Abwickler neu zu bestellen (vgl. dazu auch [X.], GmbHR 2008, 821). Im Rahmen von [X.] bzw. – verfahren ist dabei die Wahrnehmung der Rechtsstellung eines Verfahrensbeteiligten grundsätzlich eine Abwicklungsmaßnahme, deren Erfordernis Anlass für eine Nachtragsliquidation ist ([X.]/[X.]/[X.], 22. Aufl. 2019, GmbHG § 74 Rn. 19).

b. Eine solche Stellung kommt im vorliegenden Widerspruchsverfahren auch der im Handelsregister gelöschten und damit nicht prozessfähigen "R… GmbH, M…" als Inhaberin der angegriffenen Marke zu. Bei dem auf Löschung der angegriffenen Marke gerichteten patenamtlichem Widerspruchsverfahren nach § 42 [X.] handelt es sich um ein kontradiktorisch ausgestaltetes Verfahren, welches eine gesetzliche Vertretung der [X.] in dem Verfahren verlangt und daher die Bestellung eines Vertreters bzw. Liquidators durch eine analog § 273 Abs. 4 [X.] anzuordnende Nachtragsliquidation erfordert (vgl. [X.]/[X.]/[X.], 22. Aufl. 2019, GmbHG § 60 Rn. 105), wobei der Aufgabenkreis des zu bestellenden Vertreters auf die Vertretung der gelöschten GmbH in dem anhängigen Widerspruchsverfahren beschränkt ist.

c. Die Bestellung eines Nachtragsliquidators ist vorliegend auch nicht deshalb entbehrlich, weil es sich bei dem Widerspruchsverfahren um eine zwar das Vermögen der gelöschten GmbH betreffende, jedoch nicht auf Zahlung gerichtete Abwicklungsmaßnahme handelt, bei der eine Vertretung durch die mit der nach § 74 Abs. 2 Satz 2 GmbHG bestellten [X.] (hier: Herr M1…, M… gemäß Beschluss der [X.]erversammlung vom 27. Dezember 2013) ausreicht (so wohl [X.]/[X.], GmbHG, 10. Aufl., § 74 Rdnr. 20a).

Denn ungeachtet des Umstands, dass eine über den Wortlaut von § [X.]. 2Satz 2 GmbH hinausgehende Verpflichtung der [X.], aktiv und nachträglich vergleichbar einem (Vertretungs-)Organ der [X.] zu agieren, nicht angenommen werden kann (vgl. [X.]/[X.], 3. Aufl. 2018, GmbHG § 60 Rn. 53), kann jedenfalls die Prozessfähigkeit einer im Handelsregister gelöschten, aber aufgrund vorhandenen Vermögens noch parteifähigen GmbH grundsätzlich nur durch Bestellung eines (neuen) gesetzlichen Vertreters wiederhergestellt werden.

d. Auch eine – jedenfalls in [X.] der [X.] nicht von vornherein ausgeschlossene – Bestellung eines Prozesspflegers nach § 57 ZPO kommt nicht als Alternative zur Bestellung eines Nachtragsliquidators in Betracht, da nicht ersichtlich ist, dass mit "einem Verzug Gefahr verbunden ist".

6. Somit erfordert die zur Fortsetzung des nach § 241 ZPO unterbrochenen Widerspruchsverfahrens erforderliche Wiederherstellung der Prozessfähigkeit der Inhaberin der angegriffenen Marke eine entsprechend § 273 Abs. 4 [X.] auf Antrag eines Beteiligten vorzunehmende Bestellung eines Nachtragsliquidators durch das (zuständige) Registergericht. Solange diese nicht auf Antrag der Widersprechenden oder der [X.]er bzw des vormaligen Liquidators der im Handelsregister gelöschten Inhaberin der angegriffenen Marke erfolgt ist, bleibt das patentamtliche Widerspruchsverfahren weiterhin entsprechend § 82 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 241 Abs. 1ZPOunterbrochen.

Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann das Verfahren daher auch nicht nach einer gegenüber dem vormaligen Liquidator bzw. den [X.]ern der gelöschten GmbH erfolgten Fristsetzung zur Stellung eines Antrags auf Bestellung eines Nachtragsliquidators einfach fortgesetzt werden. Dafür fehlt jede rechtliche Grundlage. Es obliegt allein den Verfahrensbeteiligten, die zur Beendigung einer Unterbrechung nach § 241 ZPO erforderlichen Maßnahmen (hier: Bestellung eines Nachtragsliquidators zum Zwecke der Wiederherstellung der Prozessfähigkeit der gelöschten GmbH) zu beantragen. Solange dies aus welchem Grunde auch immer nicht geschieht, bleibt das Verfahren unterbrochen.

7. Eine trotz Unterbrechung des Verfahrens ergangene Entscheidung ist zwar nicht nichtig, sie ist jedoch mit den statthaften Rechtsmitteln angreifbar (stRspr, vgl. etwa [X.] NJW-RR 2013, 1461[X.]; [X.] FamRZ 2004, 867f.; NJW 2001, 2095, 209; [X.]Z 66, 59, 61f.; [X.] WM 1984, 1170; für das patentamtliche Widerspruchsverfahren vgl. etwa [X.] PAVIS PROMA 28 W (pat) 66/97; [X.] 30 W (pat) 141/03– [X.]. Mail/[X.]; 30 W (pat) 28/15 – [X.]/[X.]).

Vorliegend ist der während der Unterbrechung des Verfahrens ergangene Beschluss der Markenstelle daher wegen Verstoßes gegen§241 ZPO aufzuheben (vgl. etwa [X.] NJW 1997, 1445; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 249 Rn. 16 [X.]) und das Verfahren gemäߧ70Abs.3Nr.2[X.]an das [X.] zurückzuverweisen ([X.]30 W (pat) 141/03– [X.]. Mail/[X.]; 30 W (pat) 28/15 – [X.]/[X.]). Das Verfahren vor dem [X.] sowie die angefochtenen Beschlüsse leiden an den festgestellten, wesentlichen Mängeln.

8. Angesichts des Verfahrensfehlers der Markenstelle entspricht die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs. 3 [X.] der Billigkeit ([X.] 30 W (pat) 141/03 – [X.]. [X.]/[X.]; 30 W (pat) 28/15 – [X.]/[X.]).

Meta

30 W (pat) 32/19

11.03.2021

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 42 MarkenG, § 70 Abs 3 Nr 2 MarkenG, § 71 Abs 3 MarkenG, § 82 Abs 1 MarkenG, § 241 Abs 1 ZPO, § 273 Abs 4 AktG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.03.2021, Az. 30 W (pat) 32/19 (REWIS RS 2021, 7970)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7970

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