Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.12.2020, Az. 30 W (pat) 11/19

30. Senat | REWIS RS 2020, 293

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "DALUMIN/Dolormin" – Einrede mangelnder Benutzung - Warenähnlichkeit - zur Kennzeichnungskraft – unmittelbare Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2014 023 344

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 3. Dezember 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker, des [X.] [X.] und der Richterin Akintche

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 05 des [X.] vom 26. Januar 2017 und vom 19. November 2018 aufgehoben. Wegen des Widerspruchs aus der Marke 258 774 wird die Löschung der Marke 30 2014 023 344 im beantragten Umfang, nämlich für die Waren der Klasse

05 "Arzneimittel, nämlich Psychopharmaka zur Behandlung somatoformer Störungen"

angeordnet.

Gründe

I.

1

Die am 6. Februar 2014 angemeldete Wortmarke

2

[X.]

3

ist am 10. April 2014 unter der Nummer 30 2014 023 344 in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für Waren der Klassen 5, 29 und 30 eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 16. Mai 2014.

4

Nach einer auf Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke mit Wirkung vom 24. Juni 2014 erfolgten Teillöschung bezüglich der Waren der [X.] lautet das Warenverzeichnis der verfahrensgegenständlichen Marke 30 2014 023 344 in dieser Klasse wie folgt:

5

Klasse 05: Arzneimittel, nämlich Psychopharmaka zur Behandlung [X.] Störungen.

6

Gegen die Eintragung der Marke hat die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin beschränkt auf die Waren der [X.] aus ihrer seit dem 18. Januar 1921 eingetragenen Wortmarke

7

[X.]

8

Widerspruch erhoben und diesen nur gestützt auf die für die Widerspruchsmarke unter anderem geschützten Waren der

9

Klasse 05: Arzneimittel.

Die Widerspruchsmarke 258 774 ist am 3. März 2015 wegen [X.] von der früheren Inhaberin und Widersprechenden, der [X.], [X.], [X.], [X.] auf die Beschwerdeführerin im Register umgeschrieben worden; diese hat das hiesige Widerspruchsverfahren übernommen.

Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2015 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.

Die Widersprechende hat daraufhin mit Schriftsätzen vom 11. Februar 2016 und vom 22. März 2018 verschiedene Benutzungsunterlagen - auch zum Nachweis einer andauernden großen [X.] der Widerspruchsmarke - vorgelegt, nämlich eine eidesstattliche Erklärung der Geschäftsführerin der [X.], [X.], [X.] vom 7. Dezember 2015, eine ergänzende eidesstattliche Erklärung des Geschäftsführers der [X.], [X.], [X.] vom 18. Oktober 2017, Verkaufsverpackungen von drei [X.]-Produkten, einen Auszug aus dem [X.] "Rote Liste", einen [X.] aus dem Nachschlagewerk "Lauer Taxe" über verschiedene [X.] sowie mehrere Werbeanzeigen und Werbeflyer aus verschiedenen Medien. Zum Nachweis der Bekanntheit der Widerspruchsmarke hat sie zudem eine Kommunikationsanalyse, eine Marktforschungsstudie und eine [X.] jeweils aus dem [X.], eine "Statista"-Onlineumfrage von 2017 sowie ein Markenranking der [X.] für den [X.]raum 2014 bis 2016 eingereicht. Die Widersprechende ist der Auffassung, dass vernünftige Zweifel an einer rechtserhaltenden Benutzung und der großen Bekanntheit und Beliebtheit der "[X.] Schmerzmittel danach nicht bestehen könnten.

Die Markenstelle für Klasse 05 hat mit Beschlüssen vom 26. Januar 2017 und vom 19. November 2018, letzterer ergangen im Erinnerungsverfahren, eine [X.] zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. [X.] könnten bei der Entscheidung dahingestellt bleiben, da auch ausgehend von der [X.] eine [X.] nicht zu besorgen sei. Die Erstprüferin hatte trotz Zugrundelegung der [X.] nur eine Warenähnlichkeit bejaht und war zudem der Auffassung, dass mangels entgegenstehender Anhaltspunkte von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen sei. Den danach erforderlichen besonders deutlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke aber ein. Die Erinnerungsprüferin hat demgegenüber ausgeführt, dass sich nach der [X.] identische bis sehr ähnliche Waren gegenüberstünden. Selbst wenn man aber der Widerspruchsmarke eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zubillige, vermöge dies an der Beurteilung der [X.] nichts zu ändern. Bei Waren, die die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden beeinflussten, werde der Verbraucher eine gewisse Sorgfalt walten lassen und erwerbe diese gezielt oder nach Beratung, nicht aber spontan. Die Widerspruchsmarke sei daher berechtigt, von der angegriffenen Marke die Einhaltung eines gewissen Abstandes zu fordern, an den aufgrund der oben genannten Aspekte, die sich [X.] auswirkten, keine allzu strengen Anforderungen zu stellen seien. Dieser gebotene Abstand werde ausgehend von identischen Waren, einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Anwendung nur durchschnittlicher Sorgfalt noch eingehalten. Die sich gegenüberstehenden Markenworte "[X.]" und "[X.]" unterschieden sich klanglich im ersten Wortteil auffällig, so dass eine diesbezügliche [X.] ausgeschlossen werden könne. Die angegriffene Marke verfüge dort über die Buchstaben "A" und "U" und die Widerspruchsmarke über die Buchstaben "o", "o" und "r". Daraus ergebe sich eine andere Vokalfolge sowie ein unterschiedlicher Sprech- und Betonungsrhythmus. Zwar lägen dunkle, aber dennoch unterschiedliche Vokale vor. Es bestehe auch kein Anlass, einen Bestandteil der beiden Marken wegzulassen oder zu vernachlässigen. Eine zergliedernde Betrachtungsweise sei dem Markenrecht fremd und selbst kennzeichnungsschwache Bestandteile würden nicht von vornherein außer Betracht gelassen. Es sei kein Bestandteil der beiden Marken mehr prägend für die jeweilige Gesamtmarke als der andere, sondern die Marken erschienen jeweils als Gesamtbegriff. Da der Bestandteil "Dolor" der Widerspruchsmarke auf "Schmerz" hinweise und somit eher kennzeichnungsschwach sei, werde der weitere Bestandteil auch aus diesem Grund in jedem Fall mit beachtet. Die genannten Unterschiede reichten aus, um den Marken ein eigenständiges Klangbild zu verleihen, zumal es sich um Einwortmarken handele, von denen erfahrungsgemäß keine Teile abgespalten würden. Der Sinnanklang des Bestandteils "Dolor" der Widerspruchsmarke, der der angegriffenen Marke fehle, diene zusätzlich dazu, die Marken auseinander halten zu können und Hör- und [X.] zu vermeiden. Anhaltspunkte für weitere Arten einer [X.] seien nicht erkennbar. Der Widerspruch müsse daher erfolglos bleiben.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die sie nicht begründet hat.

Im Amtsverfahren hat sie geltend gemacht, dass eine Benutzung der Widerspruchsmarke für Schmerzmittel und [X.] glaubhaft gemacht worden und daher dem Widerspruch die Waren entsprechend den Hauptgruppen der Roten Liste "Arzneimittel, nämlich Analgetika/Antirheumatika und [X.]" zugrunde zu legen seien. Die zu vergleichenden Waren seien sich eng ähnlich. Denn als somatoforme Störungen würden körperliche Beschwerden bezeichnet, die sich nicht oder nicht hinreichend auf eine organische Erkrankung zurückführen ließen. Dabei stünden neben Allgemeinsymptomen wie Müdigkeit und Erschöpfung Schmerzsymptome an vorderster Stelle. In erster Linie würden daher Schmerzmittel oder jedenfalls Schmerzmittel neben einem Spezialpräparat zur Behandlung/Linderung der somatoformen Störungen verabreicht werden. Die zu vergleichenden Präparate stünden also in enger Beziehung zueinander. Bei dieser Warennähe, wo ein Präparat "[X.]" neben dem "[X.]Schmerzmittel eingenommen werden solle, reiche der Abstand zwischen den Marken aber mit Sicherheit nicht aus, um eine [X.] auszuschließen; dies schon gar nicht bei gesteigerter Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für Analgetika.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 05 des [X.]s vom 26. Januar 2017 und vom 19. November 2018 aufzuheben und auf den Widerspruch aus der Marke 258 774 die Eintragung der angegriffenen Marke 30 2014 023 344 im beantragten Umfang zu löschen.

Die Beschwerdegegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

Im Amtsverfahren hat sie geltend gemacht, dass unter der Marke [X.] im Markt allenfalls Schmerzmittel mit dem generischen Wirkstoff Ibuprofen anzutreffen seien. Arzneimittel mit diesem Wirkstoff würden von einer Vielzahl von Anbietern auf den Markt gebracht. Das Präparat [X.]® Schmerztabletten bzw. [X.] extra Filmtabletten werde in der Roten Liste unter der Hauptgruppe 05.1.B.3.1.4.1. "Analgetika/Antirheumatika" gelistet. Die nach Beschränkung noch beanspruchten Waren aus [X.] der angegriffenen Marke seien dem gegenüber der Hauptgruppe 71 "Psychopharmaka" der Roten Liste zuzuordnen. Die [X.] wiesen damit einen mehr als ausreichenden Abstand zu den unter der Widerspruchsmarke vermeintlich benutzten Waren auf. Darüber hinaus sei festzustellen, dass die Widerspruchsmarke "[X.]" in Bezug auf eine derartige Benutzung als hochgradig deskriptiv anzusehen sei. "Dolor" enthalte den für die Fachkreise und einen großen Teil der Verbraucher leicht lesbaren [X.] Hinweis auf die Verwendung zur Schmerzbehandlung. Zu den von der Widersprechenden vorgelegten Benutzungsunterlagen hat sich die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht eingelassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die nach § 66 [X.] zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg. Denn zwischen den Vergleichsmarken besteht im angegriffenen Umfang die Gefahr von Verwechslungen nach §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.], so dass die jüngere Marke insoweit zu löschen ist, § 43 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Die Markenstelle hat daher zu Unrecht den Widerspruch zurückgewiesen.

A) Da die Anmeldung der angegriffenen Marke zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen diese Eintragung erhobenen Widerspruch gemäß § 158 Abs. 3 [X.] in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung weiterhin § 42 Abs. 1 und 2 [X.] in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden.

B) Die Frage, ob [X.] im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur [X.] [X.], 52 Rn. 41-43 - [X.] [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; [X.], 52 Rn. 41-43 - [X.] [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; [X.], 1098 Rn. 44 – [X.]/ [X.]; [X.], 933 Rn. 32 – [X.], 52 Rn. 41-43 - [X.] [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; [X.], 1098 Rn. 44 – [X.]/ [X.]; [X.], 933 Rn. 32 – [X.]; [X.] [X.], 870 Rn. 25 – [X.]/[X.]; [X.], 1058 Rn. 17 - KNEIPP; GRUR 2018, 79 Rn. 7 - [X.]/[X.]; [X.], 1104 ff. - [X.]/[X.]; [X.], 382 Rn. 19 - [X.]; [X.], 283 Rn. 7 - [X.]/[X.] DEUTSCHE [X.]). Bei dieser umfassenden Beurteilung der [X.] ist auf den durch die Marken hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. [X.], a. a. [X.] Rn. 48 - [X.] [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; [X.] Rn. 48 - [X.] [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; [X.] a. a. [X.] Rn. 25 - I[X.]EKT/I[X.]EX).

 Rn. 48 - [X.] [Roslagspunsch/[X.]]; [X.] a. a. [X.] Rn. 25 - I[X.]EKT/I[X.]EX).

Nach diesen Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken eine unmittelbare [X.] zu bejahen.

1. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Amtsverfahren in ihrem Schriftsatz vom 1. Juni 2015 in zulässiger Weise die Einrede der Nichtbenutzung erhoben, so dass auf Seiten der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 1 Satz 3 [X.] nur die Waren zu berücksichtigen sind, für die eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht worden ist. Gemäß § 158 Abs. 5 [X.] n. F. sind diesbezüglich die Vorschriften des § 43 Abs. 1 [X.] und § 26 [X.] ebenfalls in ihrer bis vor dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden.

a) Die seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke undifferenziert erhobene und sich daher auf beide nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] relevanten Benutzungszeiträume beziehende Einrede ist auch hinsichtlich beider Benutzungszeiträume zulässig. Denn zum [X.]punkt der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 16. Mai 2014 und damit auch zum [X.]punkt der Erhebung der Einrede am 1. Juni 2015 war die Widerspruchsmarke bereits über fünf Jahre im Register eingetragen (Eintragung: 18. Januar 1921). Damit oblag es der Widersprechenden, die wesentlichen Umstände der Benutzung der Marke nach § 26 [X.], insbesondere nach Art, [X.], Ort und Umfang für den nach § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] relevanten [X.]raum 16. Mai 2009 bis 15. Mai 2014 als auch für den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] maßgeblichen [X.]raum der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch – hier der 3. Dezember 2020 - darzutun und glaubhaft zu machen.

b) Dem ist die Widersprechende nachgekommen. Sie hat für beide [X.]räume eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für Schmerzmittel mit den Wirkstoffen Ibuprofen und Naproxen glaubhaft gemacht.

(1) Aus der eidesstattlichen Versicherung vom 7. Dezember 2015 der Geschäftsführerin der J… GmbH, Frau H…, geht hervor, dass die Widerspruchsmarke seit 1992 bis Oktober 2008 zunächst durch die M2… GmbH & Co. OHG und danach durch die J… GmbH mit Zustimmung der jeweiligen Inhaberin in [X.] für Arzneimittel verwendet wurde. Die Benutzung der Widerspruchsmarke durch diese mit der vormaligen Markeninhaberin und der jetzigen Markeninhaberin gesellschaftsrechtlich verbundenen Gesellschaften gilt gemäß § 26 Abs. 2 [X.] als Benutzung durch die Widersprechende selbst.

(2) Die von der Widersprechenden eingereichten Verpackungsmuster in Form von Faltschachteln

Abbildung

zeigen, dass die Widerspruchsmarke - zudem mit dem gängigen hochgestellten [X.] ® - funktionsgerecht benutzt wurde. Bei den daneben befindlichen, in unterschiedlicher Schriftgröße und -farbe gehaltenen und dadurch von der Widerspruchsmarke ohnehin schon deutlich abgesetzten Angaben "extra", "Migräne" und "für Frauen" handelt es sich um übliche glatt beschreibende und daher hinsichtlich des kennzeichnenden Charakters der Widerspruchsmarke unschädliche Angaben (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 26 Rn. 180, 184). Des Weiteren findet sich die Widerspruchsmarke in vergleichbarer Form auch auf den einliegenden Gebrauchsinformationen für Anwender und auf den Blistern.

(3) Die eidesstattliche Versicherung der Geschäftsführerin der J… GmbH, H… vom 7. Dezember 2015 nennt [X.] durch Verkäufe von "[X.]Präparaten in [X.] in [X.] für die Jahre 2010 bis Oktober 2015 zwischen ca. … [X.] und ca. …. [X.]. Die ergänzende eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers M1… vom 8. Oktober 2017 weist entsprechende [X.] für die Jahre 2015 bis Juni 2017 von ca. …. [X.], ca. …. [X.] und ca.… [X.] aus. Ferner sind die Gesamtausgaben für TV- und Printwerbung für die unter der Widerspruchsmarke angebotenen Präparate genannt, die von 2013 bis 2016 etwa …. [X.] betrugen. Unschädlich ist, dass den eidesstattlichen Versicherungen keine Aufschlüsselung der Umsätze nach den konkret unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Produkten entnommen werden kann. Denn bei den oben aufgeführten [X.] handelt es sich hinsichtlich ihres Zwecks und ihrer Bestimmung um solche aus dem gleichen Warenbereich, nämlich Schmerzmittel. Die ausgewiesenen Zahlen belegen eine wirtschaftlich sinnvolle und damit ernsthafte Inlandsbenutzung der Widerspruchsmarke.

(4) Die [X.] umfassen einen großen Teil des hier nach § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] relevanten [X.]raums. Durch [X.]ablauf fehlen zwar nunmehr Angaben für die letzten etwa 3,5 Jahre des zweiten, wandernden Benutzungszeitraums nach § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Dies steht der Annahme einer einer ernsthaften Benutzung auch für diesen Benutzungszeitraum jedoch nicht entgegen, denn es ist keine kontinuierliche Verwendung der Marke während des gesamten in Rede stehenden [X.]raums erforderlich (vgl. [X.] GRUR 2008, 343[X.] GRUR 2008, 343 Rn. 72 bis 74 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.] 2013, 925[X.] GRUR 2008, 343 Rn. 72 bis 74 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.] 2013, 925[X.] 2013, [X.]. 40 – [X.]). Die angegebenen [X.] müssen daher [X.] 2013, [X.]. 40 – [X.]). Die angegebenen [X.] müssen daher weder den gesamten fünfjährigen Benutzungszeitraum abdecken noch das letzte Jahr betreffen. Vielmehr genügt – wie im vorliegenden Fall – auch die Glaubhaftmachung einer Markenverwendung für eine begrenzte, auch weiter zurückliegende [X.] innerhalb des relevanten Benutzungszeitraums, sofern der fragliche Einsatz der Marke noch als ernsthafte Benutzung zu bewerten ist (vgl. Ströbele in Ströbele/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 43 Rn. 85 und § 26 Rn. 95 ff.). Hieran bestehen wegen der Kontinuität der Benutzung und der Höhe der Umsätze keinerlei Zweifel.

(5) Aus den genannten Unterlagen geht eine Benutzung der Widerspruchsmarke für verschiedene apothekenpflichtige, rezeptfreie Präparate zur Schmerzbehandlung mit dem Wirkstoff Ibuprofen und dem Wirkstoff Naproxen hervor, die teilweise in die Hauptgruppe 05 ("Analgetika/Antirheumatika") und im Übrigen in die Hauptgruppe 61 ("Migränemittel") der Roten Liste fallen. Grundsätzlich können nur die Waren berücksichtigt werden, für die eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht worden ist (§ 43 Abs. 1 Satz 3 [X.]). Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Schutz der Marke lediglich für das konkret vertriebene Einzelprodukt mit sämtlichen individuellen Eigenschaften besteht. Der Schutz erstreckt sich vielmehr auf zum gleichen Warenbereich gehörende Waren, die in ihren Eigenschaften und ihrer Zweckbestimmung weitgehend übereinstimmen, was aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtung festzustellen ist ([X.] [X.], 870 Rn. 36 - [X.]/[X.]). Danach können die Arzneimittel der jeweiligen Hauptgruppe - hier [X.] Analgetika/Antirheumatika und HG 61 Migränemittel - ganz allgemein, insbesondere ohne eine Beschränkung auf einen bestimmten Wirkstoff berücksichtigt und der Beurteilung der Ähnlichkeit der [X.] zugrunde gelegt werden.

2. Ausgehend von den rechtserhaltend benutzten Widerspruchswaren stehen sich mit "Psychopharmaka zur Behandlung [X.] Störungen" einerseits und "Analgetika, Migränemittel" andererseits durchschnittlich ähnliche Waren gegenüber.

Bei der Behandlung von Somatoformen Störungen (Psychosomatisches Syndrom), die das wiederholte Auftreten verschiedener körperlicher (somatischer) Beschwerden bezeichnet, für die keine eindeutigen körperlichen Ursachen gefunden werden können, kommt neben der Gabe von Psychopharmaka/Antidepressiva auch der flankierende Einsatz von Schmerz- und [X.]n in Betracht, was die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht in Abrede gestellt hat. Insofern handelt es sich um einander ergänzende Produkte. Anders als die Widersprechende meint, ist jedoch nicht von hochgradiger Ähnlichkeit, sondern angesichts des Umstands, dass die Gabe von Schmerzmitteln insbesondere als kurzfristige Akutbehandlung eine eher untergeordnete Rolle spielt, nur von einer durchschnittlichen Warenähnlichkeit auszugehen.

3. Der Widerspruchsmarke verfügt über gesteigerte Kennzeichnungskraft und damit einen großen Schutzumfang.

a) Von Haus aus hat die Widerspruchsmarke "[X.]" durchschnittliche Kennzeichnungskraft (vgl. hierzu schon [X.], Beschluss vom 28. 11.2008, 30 W (pat) 65/07 – Dolorfin/[X.]). Einer Marke, die für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbar an einen warenbeschreibenden Begriff angelehnt ist, kommt zwar regelmäßig keine normale, sondern nur eine geringe Kennzeichnungskraft zu ([X.] 2008, 909 Rn. 17 – [X.]). Insofern lässt sich zwar in dem auch in [X.] häufig verwendeten Bestandteil "Dolor-" als [X.] Wort für "Schmerz" ein Hinweis auf das Anwendungsgebiet der Widerspruchspräparate erkennen; zudem kann der weitere Markenteil "-min" auf "Mineralien", "Vitamin" oder auch auf "minimieren/minus" anspielen. Gleichwohl kann der Widerspruchsmarke insgesamt von Haus aus noch durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuerkannt werden, da sie in der Kombination der Markenteile eine ausreichende schutzbegründende Eigenprägung aufweist.

b) Die originär durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist durch langjährige und intensive Benutzung für die Widerspruchswaren "Schmerzmittel" deutlich erhöht. Eine die (originäre) Kennzeichnungskraft stärkende Benutzung muss sowohl im Prioritätszeitpunkt der jüngeren Marke vorliegen als auch im Entscheidungszeitpunkt noch fortbestehen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a. a. [X.], § 9 Rn. 224 m. w. N.). Den mit den Schriftsätzen vom 13. Mai 2015 und vom 22. März 2018 vorgelegten Unterlagen, zu denen sich die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht eingelassen hat, lässt sich eine hohe Bekanntheit der Widerspruchsmarke vor und nach dem Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke entnehmen. So weist die "[X.]" der [X.]schrift [X.] aus dem [X.] (Anlage [X.]), die die Bekanntheit, Symphatie und Verwendung der [X.]-Präparate bei Frauen im Vergleich zu Konkurrenzprodukten wiedergibt, einen Bekanntheitsgrad von 82 % aus. Nach dem vorgelegten [X.] aus dem [X.] (Anlage [X.]) steht die Widerspruchsmarke in der Gruppe der zehn führenden Produkte mit einem Marktanteil von 1,1 % am Gesamtumsatz der [X.] mit [X.] und [X.] auf Platz 6, beim Gesamtumsatz der Versandapotheken auf Platz 7. Aus einer Tabelle über die Zuordnung von Marken/Logos zu Krankheitsbildern aus der "Sempora OTC-[X.] 2012" (Anlage [X.]) ergibt sich ein Zuordnungsgrad für "[X.]" von 70 %. Zudem ist den im Erinnerungsverfahren ergänzend eingereichten Unterlagen ohne weiteres die Fortdauer der [X.] zu entnehmen. Die Übersichten einer "Statista-Onlineumfrage" aus 2017 (Anlage [X.]) zeigen unter anderem einen Bekanntheitswert des Schmerzmittels "[X.]" von 72 %. Im Ranking der beliebtesten Marken von Schmerzmitteln im [X.]raum 2014 bis 2016 ist "[X.]" mit 8,9 % und "[X.] extra" mit 6,1 % aufgeführt und liegt damit bei zusammen fast 15 % an vierter Stelle (Anlage [X.]). Schließlich stützen und belegen die eidesstattlich versicherten Angaben über die über Jahre hinweg erzielten sehr hohen Umsätze und [X.] die Annahme einer gesteigerten [X.]; dem steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin keine weiteren aktualisierten Unterlagen bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt über den Widerspruch vorgelegt hat. Denn die Widerspruchsmarke ist jedenfalls während eines langen [X.]raums in weitem Umfang auf dem Markt erschienen und jedermann insbesondere durch TV- und Print-Werbung gegenübertreten; eine derart aufgebaute hohe [X.] endet nicht abrupt, sondern wirkt durchaus nach.

4. Neben dem medizinischen Fachverkehr bestehend aus Ärzten und Apothekern werden durch die [X.] auch die allgemeinen Verkehrskreise angesprochen, wobei der Endverbraucher Produkten, die die Gesundheit betreffen, mit erhöhter Aufmerksamkeit begegnet (vgl. [X.] 2011, 826 Rn. 27 – [X.]/Enzymix).

5. Die Vergleichsmarken sind sich in klanglicher Hinsicht durchschnittlich ähnlich.

a) Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im ([X.], im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können ([X.] GRUR Int. 2010, 129 Rn. 60 – [X.]/[X.]]; [X.] WRP 2020, 1453 Rn. 23 - [X.]/YO; [X.], 382 Rn. 37 – [X.]). Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten [X.] ([X.] GRUR 2007, 700 Rn. 35 – [X.]/Shaker [Limoncello/[X.]]; [X.] 2017, 1104 Rn. 27 – [X.]/[X.]). Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind ([X.] [X.], 52 Rn. 48 - [X.] [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; [X.] [X.], 870 Rn. 58 - I[X.]EKT/I[X.]EX).

b) In klanglicher Hinsicht stehen sich die Vergleichswörter "[X.]" - ausgesprochen wie "da-lu-min" – und "[X.]" - ausgesprochen "do-lor-min" - gegenüber. Anders als die Markenstelle meint, liegen Gemeinsamkeiten vor, die durchaus ein ähnliches Gesamtklangbild der Marken erzeugen. Beide Marken sind dreisilbig und zeigen deutliche Annäherung im Sprechrhythmus und in der Betonung. Die Markenwörter stimmen zudem nicht nur in den jeweiligen Anfangsbuchstaben der ersten beiden Silben überein, sondern in der Endsilbe vollständig. Dem gegenüber stellen die Abweichungen durch die unterschiedliche Vokalfolge "a-u-i" einerseits und "[X.]" andererseits kein ausreichendes Gegengewicht dar. Die Marken sind im klanglichen Gesamteindruck daher durchschnittlich ähnlich.

6. In der Gesamtabwägung aller für die Frage der [X.] maßgeblichen Faktoren begründet die durchschnittliche klangliche Markenähnlichkeit angesichts der gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bei mittelgradig ähnlichen Waren selbst bei etwas erhöhter Aufmerksamkeit der Verkehrskreise die Gefahr von klanglichen Verwechslungen, so dass die angegriffene Marke nach § 43 Abs. 2 Satz 1 [X.] im beantragten Umfang zu löschen ist.

Die Beschwerde der Widersprechenden hat daher Erfolg.

C) Zu einer vom gesetzlichen Regelfall abweichenden Kostenentscheidung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 [X.] besteht kein Anlass.

D) Über die Beschwerde konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Denn eine solche ist nur von der Beschwerdeführerin hilfsweise beantragt worden und war auch nicht aus Gründen der Sachdienlichkeit veranlasst, § 69 Nr. 1 und [X.] [X.].

Meta

30 W (pat) 11/19

03.12.2020

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 158 Abs 5 MarkenG, § 43 Abs 1 MarkenG vom 25.10.1994, § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.12.2020, Az. 30 W (pat) 11/19 (REWIS RS 2020, 293)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 293

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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