Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.03.2011, Az. V ZB 83/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 8042

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[X.][X.]/10 vom 31. März 2011 in der [X.] - 2 - Der [X.] hat am 31. März 2011 durch den [X.] [X.] [X.], [X.] und die Richterinnen Dr. Brückner und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der 10. Zivilkammer des [X.] vom 25. Februar 2010 und der Beschluss des [X.] vom 3. Februar 2010 die Betroffene in ihren Rechten verletzt ha-ben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zweckentsprechenden notwendigen Auslagen der Betroffenen in allen Instanzen trägt die [X.]. Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000 •. Gründe: [X.] Die Betroffene ist [X.] Staatsangehörige und reiste nach eige-nen Angaben am 20. Januar 2010 mit dem Flugzeug von [X.] nach [X.] ein. Sie wurde am 2. Februar 2010 in einem Bordell von der [X.] festgenommen. 1 - 3 - Am 3. Februar 2010 beantragte die Beteiligte zu 2 die Haft zur Sicherung der Abschiebung. In dem Antrag heißt es u.a.: "Wegen des Verdachts der ille-galen Erwerbstätigkeit (Prostitution) und des illegalen Aufenthalts wurde die Betroffene von der Polizei festgenommen". Dem Antrag beigefügt waren ein Personalbogen der Betroffenen, in dem sie als Beschuldigte geführt wird, sowie ihre Beschuldigtenvernehmung. 2 Mit Beschluss vom gleichen Tag hat das Amtsgericht dem [X.] entsprochen. Während des hiergegen gerichteten - erfolglosen - [X.] ist die Betroffene nach [X.] abgeschoben worden. Mit der Rechtsbeschwerde möchte die Betroffene unter Aufhebung der landgerichtli-chen Entscheidung die Feststellung erreichen, dass die Anordnung der [X.] rechtswidrig gewesen ist. 3 I[X.] Nach Auffassung des [X.] war die Haftanordnung des Amtsgerichts rechtmäßig, denn die in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 [X.] genannten Haftgründe hätten vorgelegen. 4 II[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 5 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 [X.] ohne Zulassung statthaft (siehe nur [X.], Beschluss vom 21. Oktober 2010 - [X.], Rn. 10; Beschluss vom 22. Juli 2010 - [X.], [X.] 2011, 27; Beschluss vom 6. Mai 2010 - [X.], NVwZ 2010, 1520) und auch im Übrigen zulässig (§ 71 FamFG). 6 - 4 - a) Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Abschiebung der Be-troffenen während des Beschwerdeverfahrens erstmals in dem [X.] vorgetragen worden ist. Eine Bindung des [X.] an die insoweit fehlenden Feststellungen des [X.] (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 559 ZPO) besteht nicht. Auch ohne Verfah-rensrüge nach §§ 74 Abs. 3 Satz 3, 71 Abs. 3 FamFG müssen neue Tatsachen durch das Rechtsbeschwerdegericht dann berücksichtigt werden, wenn sie eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeitsvor-aussetzung betreffen ([X.], FamFG, 16. Aufl., § 74 Rn. 41; vgl. auch [X.], Urteil vom 21. Februar 2000 - [X.], [X.], 1156 mwN zum Revisionsverfahren). Dies gilt auch für solche Tatsachen, die am [X.] des Beschwerdeverfahrens bereits vorgelegen haben, aber von den [X.] bisher noch nicht vorgetragen worden sind (vgl. [X.]/Weinreich/[X.], FamFG, 2. Aufl., § 74 Rn. 22). So verhält es sich hier. Die durch die Abschiebung eingetretene Erledigung der Hauptsache ist neben der Antragstellung und dem Feststellungsinteresse eine verfahrensrechtliche Voraussetzung der Feststellungsentscheidung nach § 62 Abs. 1 FamFG (vgl. [X.], FamFG, 16. Aufl., § 62 Rn. 4, 7 f.). 7 b) Der in der Rechtsbeschwerdebegründung gestellte Antrag erfasst auch die Feststellung der Rechtsverletzung durch die Entscheidung des [X.]. Zwar hat die Betroffene die Aufhebung der [X.] beantragt. Dieser Antrag genügt ihrem Rechtsschutzziel jedoch nicht. Nach ihrem durch Auslegung zu ermittelnden Willen ist vielmehr im Zwei-fel dasjenige gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse entspricht (vgl. Senat, Beschluss vom 27. März 2009 - [X.], [X.], 2132 Rn. 7). Unter Beachtung dieser Grundsätze ist nach der Begründung der Rechtsbeschwerde auch die Feststel-lung der Rechtsverletzung durch die Entscheidung des [X.] von 8 - 5 - dem Antrag der Betroffenen umfasst. Eine andere, allein an dem Wortlaut des Antrags orientierte Auslegung bedeutete eine Rechtswegverkürzung, die den Rechtsschutzanspruch der Betroffenen nach Art. 19 Abs. 4 GG verletzen würde (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Juli 2008 - 2 BvR 31/06, [X.] 2008, 453, 455; vgl. auch Senat, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - [X.], [X.]). 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Haftanordnung des Amtsgerichts und die angefochtene Entscheidung des [X.] ha-ben die Betroffene in ihrem Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) ver-letzt. 9 a) Die Haft hätte schon deshalb nicht angeordnet werden dürfen, weil der [X.] unzulässig war. 10 aa) Ob ein zulässiger [X.] vorliegt, ist in jeder Lage des Verfah-rens von Amts wegen zu prüfen (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - [X.] 136/10, Rn. 6, zur [X.] bestimmt; Beschluss vom 29. April 2010 - [X.] 218/09, [X.] 2010, 210, 211, jeweils mwN). Zu den unerlässli-chen Zulässigkeitsvoraussetzungen gehört es nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG, dass die Antragsbegründung insbesondere Angaben zu den Voraus-setzungen und zur Durchführbarkeit der Abschiebung enthält (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - [X.] 226/10, juris Rn. 8 f.). 11 [X.]) Diesen Anforderungen wird der Antrag der Beteiligten zu 2 vom 3. Februar 2010 nicht gerecht. Nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] darf ein [X.], gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermitt-lungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Liegt dieses [X.] nicht vor, scheidet die Anordnung der Haft zur Sicherung der [X.] - 6 - schiebung eines Ausländers aus (Senat, Beschluss vom 10. Februar 2011 - [X.] 49/10 Rn. 7, zur [X.] bestimmt; Beschluss vom 21. Januar 2011 - [X.] 323/10, juris Rn. 7; Beschluss vom 20. Januar 2011, aaO, Rn. 22; Beschluss vom 18. August 2010 - [X.] 211/10, [X.] 2010, 440; Beschluss vom 17. Juni 2010 - [X.] 93/10, NVwZ 2010, 1574 Rn. 9). Fehlen in dem Haft-antrag Ausführungen zu dem Einvernehmen, obwohl sich aus ihm selbst oder aus den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass die öffentliche Klage erhoben worden ist oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt wird, ist der Antrag unzulässig (Senat, Beschluss vom 10. Februar 2011 - [X.] 49/10, Rn. 6; Beschluss vom 21. Januar 2011 - [X.] 323/10, Rn. 8; Beschluss vom 20. Januar 2011 - [X.] 226/10, Rn. 9). b) So ist es hier. Dem [X.] der Beteiligten zu 2 war die Beschuldig-tenvernehmung der Betroffenen beigefügt. Dennoch fehlen Ausführungen zu einem generellen oder im Einzelfall erteilten Einvernehmen der Staatsanwalt-schaft (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Februar 2011 - [X.] 49/10 Rn. 8, zur [X.] bestimmt; Beschluss vom 21. Januar 2011 - [X.] 323/10, juris Rn. 25) mit der Abschiebung der Betroffenen. [X.] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, 83 Abs. 2 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 [X.] entspricht es billigem Ermessen, die [X.] als die Körperschaft, der die Beteiligte zu 2 angehört, zur Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Betroffenen zu verpflichten (Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - [X.] 223/09, [X.] 2010, 212 f. Rn. 19). 14 - 7 - Die Festsetzung des [X.] folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO. 15 [X.]Brückner [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 91 [X.]/10 - [X.], Entscheidung vom [X.] - 10 [X.] (b) -

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V ZB 83/10

31.03.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.03.2011, Az. V ZB 83/10 (REWIS RS 2011, 8042)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8042

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