Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 31.10.2019, Az. 2 BvR 1339/19

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2019, 1995

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Anforderungen des Resozialisierungsanspruchs bzgl der Gewährung von Vollzugslockerungen zugunsten ausländischer, vollziehbar ausreisepflichtiger Strafgefangener (hier: gem § 38 Abs 5 SLStVollzG ) - sowie zu den Voraussetzungen, unter denen die Ausführung eines Strafgefangenen wegen Fluchtgefahr versagt werden darf - hier: Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde mangels Wahrung der Monatsfrist des § 93 Abs 1 S 1 BVerfGG


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, ohne dass es auf die Mängel der allgemein "wegen Verfassungsbeschwerde" erteilten Vollmacht ankommt (vgl. [X.] 62, 194 <200>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 24. Oktober 2014 - 2 BvR 2446/14 -, Rn. 1). Ihre Begründung und zum Verständnis erforderliche Unterlagen sind erst nach Ablauf der Verfassungsbeschwerdefrist am 29. Oktober 2018 um 24 Uhr per Fax eingegangen. Hierauf wurde der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 9. November 2018 durch das Allgemeine Register hingewiesen. Die von dem Beschwerdeführer am 29. Oktober 2018 beim [X.] eingelegte und von diesem am 14. Juni 2019 verworfene Anhörungsrüge gehörte infolge ihrer offenkundigen Unzulässigkeit nicht zum Rechtsweg und konnte die Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 [X.]G demnach nicht offenhalten (vgl. [X.] 5, 17 <19>; 48, 341 <344>; [X.]K 7, 115 <116>; 11, 203 <205 ff.>; 20, 300 <302 ff.>). Mit seiner Anhörungsrüge bekräftigte der Beschwerdeführer lediglich seine rechtliche Argumentation aus der Rechtsbeschwerde. Seine Rüge betraf damit allein die Richtigkeit der Ausführungen des Gerichts. Dies vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht zu begründen (vgl. [X.]K 11, 203 <207>).

2

Vor diesem Hintergrund muss dahinstehen, dass die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt und die sie bestätigenden fachgerichtlichen Entscheidungen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen. Sie verkennen das [X.] des seit 2001 in Haft befindlichen und eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßenden Beschwerdeführers, indem sie für die Versagung von [X.] im Ergebnis haben ausreichen lassen, dass gegen ihn eine bestandskräftige Ausweisungsverfügung besteht und § 38 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 des [X.] Strafvollzugsgesetzes (SLStVollzG) der Gewährung von Lockerungen demnach grundsätzlich entgegensteht. Von den Fachgerichten wäre jedenfalls zu prüfen gewesen, inwiefern das [X.] ein Vorgehen nach § 38 Abs. 5 Satz 2 und 4 SLStVollzG erfordert, der vorsieht, dass geeigneten ausländischen Strafgefangenen, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung besteht, [X.] genehmigt werden können, um so ihren verfassungsrechtlich geschützten Resozialisierungsinteressen im Strafvollzug Rechnung zu tragen (vgl. [X.], Beschlüsse der [X.] des Zweiten Senats vom 11. Juni 2002 - 2 BvR 461/02 -, Rn. 15; vom 15. März 2004 - 2 BvR 1530/03 -, Rn. 4; und vom 29. Januar 2004 - 2 BvR 2167/03 -, Rn. 5).

3

Soweit die Vollzugsplankonferenz zudem davon ausgegangen ist, dass eine Missbrauchsgefahr der Gewährung von [X.] entgegenstehe, beschränkte sich dies auf eine pauschale Behauptung, die lediglich mit dem ausländerrechtlichen Status des [X.] die von ihm zu verbüßende Reststrafe begründet worden ist. Das [X.] erfordert jedoch, dass die Annahme einer Missbrauchsgefahr aufgrund einer Gesamtwürdigung der für und gegen den Beschwerdeführer sprechenden Umstände erfolgt, im Rahmen derer nähere Anhaltspunkte dargelegt werden müssen, die geeignet sind, die Prognose einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr in der Person des Gefangenen zu konkretisieren (vgl. [X.] 64, 261 <277>; 70, 297 <312 ff.>). Das mit jeder Vollzugslockerung verbundene Risiko eines Entweichens aus der Haft oder eines Missbrauchs der Maßnahme zu Straftaten muss aus diesen Gründen heraus unvertretbar erscheinen (vgl. [X.] 70, 297 <313>). Die Entscheidung der Vollzugsplankonferenz lässt nicht erkennen, dass diese Anforderungen erfüllt waren. Sie lässt vielmehr besorgen, dass die aus dem Vollzugsplan ersichtlichen, für den Beschwerdeführer sprechenden Gesichtspunkte bei der Frage der Gewährung von [X.] nicht hinreichend berücksichtigt wurden.

4

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.]G abgesehen.

5

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 1339/19

31.10.2019

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, 14. Juni 2019, Az: Vollz (Ws) 9/18, Beschluss

Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, § 38 Abs 2 StVollzG SL, § 38 Abs 4 StVollzG SL, § 38 Abs 5 S 1 Nr 3 StVollzG SL

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 31.10.2019, Az. 2 BvR 1339/19 (REWIS RS 2019, 1995)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1995

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