Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.06.2017, Az. 2 WNB 1/17

2. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2017, 9421

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Gegenstand

Beweiswürdigung; rechtliches Gehör; richterliche Hinweispflicht


Gründe

1

1. Der Antragsteller wendet sich gegen eine [X.] wegen unerlaubten nächtlichen Alkoholkonsums. Ihm ist neben einer weiteren Pflichtverletzung vorgeworfen worden, bei einem Auslandseinsatz in [X.] im [X.] an eine genehmigte Freizeitveranstaltung innerhalb des [X.] befehlswidrig mindestens eine Dose Bier nach Beginn des nächtlichen [X.] getrunken zu haben. Das [X.] hat zwar die Feststellung der weiteren Pflichtverletzung aufgehoben, die [X.] von 1 300 € auf 650 € herabgesetzt, den Vorwurf befehlswidrigen Handelns aber bestätigt. Nach der [X.] sei das nächtliche Alkoholverbot bereits um 22:30 Uhr in [X.] getreten. Der Antragsteller habe jedoch zwischen 23:00 Uhr und 0:30 Uhr des Folgetages Bier konsumiert und damit das Alkoholverbot missachtet. Das [X.] hat die Rechtsbeschwerde gegen seine Entscheidung nicht zugelassen.

2

2. Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers nach § 22b [X.] hat keinen Erfolg. Der geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 [X.]) einer Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.

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a) Der Grundsatz der Gewährleistung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 [X.], § 23a Abs. 2 [X.] i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das zur Entscheidung berufene Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht wird dadurch jedoch nicht verpflichtet, dem Vorbringen eines Beteiligten zu folgen (vgl. [X.], Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - [X.]E 96, 205 <216 f.> m.w.N.).

4

In diesem Sinne hat das [X.] das rechtliche Vorbringen des Antragstellers berücksichtigt, dass nach dem Inhalt der Veranstaltungsgenehmigung der Alkoholausschank bis 22:30 Uhr gestattet und dass darin eine Verlängerung der Erlaubnis zum [X.] alkoholische Getränke bis zum Veranstaltungsende um 23:00 Uhr zu sehen sei. Es ist dem jedoch aus Rechtsgründen nicht gefolgt, weil seines Erachtens durch die Genehmigung der Veranstaltung die allgemein für das [X.] Einsatzkontingent und das Camp geltende Weisung, Alkoholkonsum stets um 22:30 Uhr einzustellen, nicht aufgegeben worden ist. Dieses Verständnis der [X.] ist weder verfahrensfehlerhaft zustande gekommen noch unvertretbar.

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Im Übrigen hat das [X.] auch ohne Verletzung des Art. 103 Abs. 1 [X.] festgestellt, dass der Antragsteller den Alkohol nach 23:00 Uhr konsumiert hat. Es hat im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung sein Vorbringen, das Bier bereits vor 23:00 Uhr getrunken zu haben, nicht übergangen. Das [X.] hat dieser Einlassung jedoch keinen Glauben geschenkt und aus seinem früheren Geständnis, das Bier erst nach dem gemeinschaftlichen Abbau nach Ende der Veranstaltung getrunken zu haben, gefolgert, dass der Alkoholkonsum nach 23:00 Uhr erfolgt sein muss. Diese Annahme lag angesichts des Umstandes, dass der Antragsteller von einer Feldjägerstreife um 0:30 Uhr des Folgetages in geselliger Runde vor einer größeren Zahl von Bierdosen angetroffen worden ist, auch nahe.

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b) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt schließlich nicht darin, dass das [X.] den Antragsteller vor seiner Entscheidung nicht auf seine Rechtsauffassung zum zeitlichen Beginn des [X.] und auf seine tatrichterliche Überzeugung zum Zeitpunkt des Alkoholkonsums hingewiesen hat. Aus Art. 103 Abs. 1 [X.] folgt keine umfassende Hinweis- und Informationspflicht des Gerichts (vgl. [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl. 2016, Art. 103 Rn. 28 f.). Es kann zwar im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrages gleichkommen und damit eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör begründen, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger [X.] selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - [X.]E 84, 188 <190> und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - [X.]E 86, 133 <144 f.>). Im vorliegenden Fall musste der Antragsteller jedoch nach dem gesamten Verfahrensablauf damit rechnen, dass das [X.] von einer Geltung des [X.] ab 22:30 Uhr oder/und einem Alkoholkonsum nach 23:00 Uhr ausgehen würde. Daher bestand auch ohne richterlichen Hinweis Anlass, zu beiden Fragen vorzutragen. Da der Antragsteller dies auch getan hat, ist im Übrigen weder vorgetragen noch ersichtlich, was er im Falle eines Hinweises zusätzlich vorgetragen hätte und inwieweit die Entscheidung des Gerichts auf einem fehlenden richterlichen Hinweis beruhen kann.

7

c) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt schließlich auch nicht darin, dass das [X.] seiner Hinweispflicht aus § 18 Abs. 2 Satz 4 [X.] nicht nachgekommen wäre. Nach dieser Vorschrift muss das [X.], wenn Beweiserhebungen (etwa durch Zeugenvernehmungen, Einholung von Sachverständigengutachten oder Beiziehung von Urkunden) stattgefunden haben, dem Beschwerdeführer und dem Betroffenen das Beweisergebnis mitteilen und ihnen Gelegenheit zur Akteneinsicht und zur Stellungnahme geben. Damit ist allerdings nur die Verpflichtung verbunden, über das Beweisergebnis - das heißt den wesentlichen Inhalt der Zeugenaussage, des Sachverständigengutachtens und der beigezogenen Urkunden - zu informieren. Hieraus ergibt sich keine Verpflichtung des Gerichts, den Beteiligten seine Beweiswürdigung oder seine Rechtsauffassung zur Entscheidungserheblichkeit erhobener Beweise vorab mitzuteilen. Soweit das [X.] im vorliegenden Fall die Akten des Disziplinarverfahrens beigezogen hat, kann offen bleiben, ob darin überhaupt eine Beweiserhebung durch Beiziehung von Urkunden zu sehen ist und ob sich die Informationspflicht des § 18 Abs. 2 Satz 4 [X.] hierauf erstreckt oder - ähnlich wie § 33 Abs. 3 StPO - nur auf neue Beweisergebnisse bezieht. Denn das [X.] hat dem Antragsteller jedenfalls vor seiner Entscheidung Akteneinsicht gewährt, sodass er die in der Akte enthaltenen Urkunden, z.B. zu seiner Beschuldigtenvernehmung, einsehen und hierzu Stellung nehmen konnte.

8

3. [X.] folgt aus § 23a Abs. 2 [X.] i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

2 WNB 1/17

20.06.2017

Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WNB

vorgehend Truppendienstgericht Süd, 26. Januar 2017, Az: S 6 BLc 10/16 und S 6 RL 1/17, Beschluss

§ 18 Abs 2 S 4 WBO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.06.2017, Az. 2 WNB 1/17 (REWIS RS 2017, 9421)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9421

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1 BvR 1621/94

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